Bundesgerichtshof Beschluss, 27. Nov. 2018 - 3 StR 409/18

bei uns veröffentlicht am27.11.2018

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 409/18
vom
27. November 2018
in der Strafsache
gegen
wegen Vergewaltigung u.a.
ECLI:DE:BGH:2018:271118B3STR409.18.0

Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers und des Generalbundesanwalts - zu 1. a) und 2. auf dessen Antrag - am 27. November 2018 gemäß § 349 Abs. 2 und 4, § 354 Abs. 1 analog StPO einstimmig
beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Osnabrück vom 25. Januar 2018
a) im Schuldspruch zu Fall B. I. 16. der Urteilsgründe dahin geändert, dass der Angeklagte des Besitzes kinderpornographischer Schriften in Tateinheit mit Besitz jugendpornographischer Schriften schuldig ist;
b) im Fall B. I. 8. der Urteilsgründe dahin geändert, dass eine Einzelfreiheitsstrafe von drei Monaten festgesetzt wird. 2. Die weitergehende Revision wird verworfen. 3. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Vergewaltigung, wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern in fünf Fällen, wegen versuchter Nötigung, wegen Drittbesitzverschaffens kinderpornographischer Schriften in sechs Fällen , davon in vier Fällen in Tateinheit mit Drittbesitzverschaffen jugendpornographischer Schriften, wegen Drittbesitzverschaffens jugendpornographischer Schriften und wegen Sichverschaffens des Besitzes kinderpornographischer Schriften in Tateinheit mit Sichverschaffen des Besitzes jugendpornographischer Schriften unter Teileinstellung im Übrigen (Verjährung) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Die hiergegen gerichtete Revision des Angeklagten, mit der er bezüglich eines Falles das Verfahrenshindernis der Verjährung geltend macht und insgesamt die Verletzung materiellen Rechts rügt, hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen geringen Teilerfolg. Im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).
2
1. Der Generalbundesanwalt hat bezüglich des Falles B. I. 16. der Urteilsgründe zutreffend ausgeführt: "Bezüglich des Vorwurfs des Sichverschaffens des Besitzes kinderpornografischer Schriften in Tateinheit mit dem Sichverschaffen des Besitzes jugendpornografischer Schriften (Tat 16) ist hingegen Verjährung eingetreten. Das Landgericht ist davon ausgegangen, der Beschwerdeführer habe sich die bei ihm in den Jahren 2016 und 2017 aufgefundenen kinder- und jugendpornografischen Schriften bereits zuvor, nämlich spätestens im Jahr 2012, verschafft (UA S. 17, 42). Infolgedessen war bei einer zu Gunsten des Angeklagten zugrunde zu legenden Erlangung bereits vor dem 4. April 2012 Verjährung sowohl hinsichtlich der kinderals auch der jugendpornografischen Schriften eingetreten. Denn die Verjährungsfrist betrug gemäß § 78 Abs. 3 Nr. 4, Nr. 5 StGB in Verbindung mit den gemäß § 2 Abs. 3 StGB anwendbaren §§ 184b Abs. 1, Abs. 4 Satz 1, 184c Abs. 1, Abs. 4 Satz 1 Var. 1 StGB in der Fassung vom 31. Oktober 2008 lediglich fünf beziehungsweise drei Jahre. Die erstmalige Vernehmung des Angeklagten zu diesen Tatvorwürfen am 4. April 2017 (SA 3884 Js 22519/17, Bl. 68) konnte demnach die Verjährungsfrist nicht mehr gemäß § 78c Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StGB rechtzeitig unterbrechen.
Ungeachtet der insofern eingetretenen Verjährung besteht jedoch weiterhin eine Strafbarkeit hinsichtlich des mit der Verschaffung zusammentreffenden Besitzes an den kinder- und jugendpornografischen Schriften, der sich bis in die Jahre 2016 und 2017 hinein erstreckte
(UA S. 17). Dieser Straftatbestand tritt grundsätzlich als subsidiär hinter der Besitzverschaffung zurück (vgl. zum Auffangcharakter des Besitzdelikts Senat, NStZ 2009, 208; BGH, NStZ-RR 2016, 198), lebt nun in Folge der Verjährung des vorrangigen Delikts jedoch wieder auf. Denn der Täter soll durch die Begehung des vorrangigen Delikts gegenüber der bloßen Erfüllung des Auffangtatbestandes nicht privilegiert werden (vgl. Senat, NJW 1999, 1979, 1982); kann eine Bestrafung wegen des vorrangigen Delikts nicht erfolgen, entfällt der Grund für die Straflosigkeit des nachrangigen Delikts (vgl. zum Wiederaufleben der mitbestraften Nachtat bei Verjährung der Vortat BGH, Beschluss vom 27. Oktober 1992, 5 StR 517/92, Rn. 6). Gemäß § 2 Abs. 2 StGB sind bezüglich des Besitzes die bei Tatbeendigung am 22. März 2017 (UA S. 17) geltenden Vorschriften der §§ 184b Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 Var. 2, 184c Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 Var. 2 StGB in der Fassung vom 21. Januar 2015 anzuwenden. Einer entsprechenden Änderung des Schuldspruchs steht insbesondere § 265 Abs. 1 StPO nicht entgegen, da bereits die Anklage wegen Besitzes an kinder- und jugendpornografischen Schriften erhoben wurde (SA 3884 Js 22519/17, Bl. 93) und der Angeklagte deshalb mit einer solchen Verurteilung rechnen musste.
Trotz dieser Schuldspruchänderung kann die verhängte Einzelstrafe von drei Monaten bestehen bleiben. Denn die prozessordnungsmäßig festgestellte Tat der Besitzverschaffung durfte trotz der Verjährung - wenn auch mit geringerem Gewicht - bei der Strafzumessung berücksichtigt werden (vgl. Senat, Beschluss vom 22. Januar 2015, 3 StR 277/14, Rn. 2, 3; BGH, Beschluss vom 3. März 2016, 4 StR 566/15). Die Strafkammer hat dem Besitzverschaffungsvorgang in ihren Strafzumessungserwägungen wegen des langen Zeitablaufs von über fünf Jahren ohnehin nur reduziertes Gewicht zugemessen (UA S. 42). Es erscheint unter diesen Umständen ausgeschlossen, dass das Landgericht eine mildere Einzelstrafe verhängt hätte, wenn es die Verjährung des Besitzverschaffungsvorgangs berücksichtigt hätte. Dies gilt umso mehr, als die Strafkammer trotz Anwendung der §§ 184b Abs. 1, Abs. 3, 184c Abs. 1, Abs. 3 StGB in der seit dem 27. Januar 2015 geltenden Fassung von einem Strafrahmen von lediglich bis zu zwei Jahren, statt richtigerweise bis zu drei Jahren ausgegangen ist."
3
2. In den Urteilsgründen sind für die Tat B. I. 8. zwei Einzelfreiheitsstrafen festgesetzt, nämlich von drei Monaten bzw. acht Monaten. Der Senat hebt die höhere der beiden Einzelstrafen auf und lässt sie entfallen. Er schließt angesichts einer Einsatzfreiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten sowie weiteren Einzelfreiheitsstrafen von zweimal acht Monaten, von sechs Monaten, achtmal vier Monaten und dreimal drei Monaten aus, dass das Landgericht auf eine niedrigere Gesamtfreiheitsstrafe erkannt hätte.
Schäfer Gericke Spaniol
Tiemann Leplow

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Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafprozeßordnung - StPO | § 265 Veränderung des rechtlichen Gesichtspunktes oder der Sachlage


(1) Der Angeklagte darf nicht auf Grund eines anderen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten Strafgesetzes verurteilt werden, ohne daß er zuvor auf die Veränderung des rechtlichen Gesichtspunktes besonders hingewiesen und ihm Gel

Strafgesetzbuch - StGB | § 2 Zeitliche Geltung


(1) Die Strafe und ihre Nebenfolgen bestimmen sich nach dem Gesetz, das zur Zeit der Tat gilt. (2) Wird die Strafdrohung während der Begehung der Tat geändert, so ist das Gesetz anzuwenden, das bei Beendigung der Tat gilt. (3) Wird das Gesetz, das

Strafgesetzbuch - StGB | § 78 Verjährungsfrist


(1) Die Verjährung schließt die Ahndung der Tat und die Anordnung von Maßnahmen (§ 11 Abs. 1 Nr. 8) aus. § 76a Absatz 2 bleibt unberührt. (2) Verbrechen nach § 211 (Mord) verjähren nicht. (3) Soweit die Verfolgung verjährt, beträgt die Verjäh

Strafgesetzbuch - StGB | § 184b Verbreitung, Erwerb und Besitz kinderpornographischer Inhalte


(1) Mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren wird bestraft, wer 1. einen kinderpornographischen Inhalt verbreitet oder der Öffentlichkeit zugänglich macht; kinderpornographisch ist ein pornographischer Inhalt (§ 11 Absatz 3), wenn er zum

Strafgesetzbuch - StGB | § 78c Unterbrechung


(1) Die Verjährung wird unterbrochen durch 1. die erste Vernehmung des Beschuldigten, die Bekanntgabe, daß gegen ihn das Ermittlungsverfahren eingeleitet ist, oder die Anordnung dieser Vernehmung oder Bekanntgabe,2. jede richterliche Vernehmung des B

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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Die Verjährung schließt die Ahndung der Tat und die Anordnung von Maßnahmen (§ 11 Abs. 1 Nr. 8) aus. § 76a Absatz 2 bleibt unberührt.

(2) Verbrechen nach § 211 (Mord) verjähren nicht.

(3) Soweit die Verfolgung verjährt, beträgt die Verjährungsfrist

1.
dreißig Jahre bei Taten, die mit lebenslanger Freiheitsstrafe bedroht sind,
2.
zwanzig Jahre bei Taten, die im Höchstmaß mit Freiheitsstrafen von mehr als zehn Jahren bedroht sind,
3.
zehn Jahre bei Taten, die im Höchstmaß mit Freiheitsstrafen von mehr als fünf Jahren bis zu zehn Jahren bedroht sind,
4.
fünf Jahre bei Taten, die im Höchstmaß mit Freiheitsstrafen von mehr als einem Jahr bis zu fünf Jahren bedroht sind,
5.
drei Jahre bei den übrigen Taten.

(4) Die Frist richtet sich nach der Strafdrohung des Gesetzes, dessen Tatbestand die Tat verwirklicht, ohne Rücksicht auf Schärfungen oder Milderungen, die nach den Vorschriften des Allgemeinen Teils oder für besonders schwere oder minder schwere Fälle vorgesehen sind.

(1) Die Strafe und ihre Nebenfolgen bestimmen sich nach dem Gesetz, das zur Zeit der Tat gilt.

(2) Wird die Strafdrohung während der Begehung der Tat geändert, so ist das Gesetz anzuwenden, das bei Beendigung der Tat gilt.

(3) Wird das Gesetz, das bei Beendigung der Tat gilt, vor der Entscheidung geändert, so ist das mildeste Gesetz anzuwenden.

(4) Ein Gesetz, das nur für eine bestimmte Zeit gelten soll, ist auf Taten, die während seiner Geltung begangen sind, auch dann anzuwenden, wenn es außer Kraft getreten ist. Dies gilt nicht, soweit ein Gesetz etwas anderes bestimmt.

(5) Für Einziehung und Unbrauchbarmachung gelten die Absätze 1 bis 4 entsprechend.

(6) Über Maßregeln der Besserung und Sicherung ist, wenn gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, nach dem Gesetz zu entscheiden, das zur Zeit der Entscheidung gilt.

(1) Die Verjährung wird unterbrochen durch

1.
die erste Vernehmung des Beschuldigten, die Bekanntgabe, daß gegen ihn das Ermittlungsverfahren eingeleitet ist, oder die Anordnung dieser Vernehmung oder Bekanntgabe,
2.
jede richterliche Vernehmung des Beschuldigten oder deren Anordnung,
3.
jede Beauftragung eines Sachverständigen durch den Richter oder Staatsanwalt, wenn vorher der Beschuldigte vernommen oder ihm die Einleitung des Ermittlungsverfahrens bekanntgegeben worden ist,
4.
jede richterliche Beschlagnahme- oder Durchsuchungsanordnung und richterliche Entscheidungen, welche diese aufrechterhalten,
5.
den Haftbefehl, den Unterbringungsbefehl, den Vorführungsbefehl und richterliche Entscheidungen, welche diese aufrechterhalten,
6.
die Erhebung der öffentlichen Klage,
7.
die Eröffnung des Hauptverfahrens,
8.
jede Anberaumung einer Hauptverhandlung,
9.
den Strafbefehl oder eine andere dem Urteil entsprechende Entscheidung,
10.
die vorläufige gerichtliche Einstellung des Verfahrens wegen Abwesenheit des Angeschuldigten sowie jede Anordnung des Richters oder Staatsanwalts, die nach einer solchen Einstellung des Verfahrens oder im Verfahren gegen Abwesende zur Ermittlung des Aufenthalts des Angeschuldigten oder zur Sicherung von Beweisen ergeht,
11.
die vorläufige gerichtliche Einstellung des Verfahrens wegen Verhandlungsunfähigkeit des Angeschuldigten sowie jede Anordnung des Richters oder Staatsanwalts, die nach einer solchen Einstellung des Verfahrens zur Überprüfung der Verhandlungsfähigkeit des Angeschuldigten ergeht, oder
12.
jedes richterliche Ersuchen, eine Untersuchungshandlung im Ausland vorzunehmen.
Im Sicherungsverfahren und im selbständigen Verfahren wird die Verjährung durch die dem Satz 1 entsprechenden Handlungen zur Durchführung des Sicherungsverfahrens oder des selbständigen Verfahrens unterbrochen.

(2) Die Verjährung ist bei einer schriftlichen Anordnung oder Entscheidung in dem Zeitpunkt unterbrochen, in dem die Anordnung oder Entscheidung abgefasst wird. Ist das Dokument nicht alsbald nach der Abfassung in den Geschäftsgang gelangt, so ist der Zeitpunkt maßgebend, in dem es tatsächlich in den Geschäftsgang gegeben worden ist.

(3) Nach jeder Unterbrechung beginnt die Verjährung von neuem. Die Verfolgung ist jedoch spätestens verjährt, wenn seit dem in § 78a bezeichneten Zeitpunkt das Doppelte der gesetzlichen Verjährungsfrist und, wenn die Verjährungsfrist nach besonderen Gesetzen kürzer ist als drei Jahre, mindestens drei Jahre verstrichen sind. § 78b bleibt unberührt.

(4) Die Unterbrechung wirkt nur gegenüber demjenigen, auf den sich die Handlung bezieht.

(5) Wird ein Gesetz, das bei der Beendigung der Tat gilt, vor der Entscheidung geändert und verkürzt sich hierdurch die Frist der Verjährung, so bleiben Unterbrechungshandlungen, die vor dem Inkrafttreten des neuen Rechts vorgenommen worden sind, wirksam, auch wenn im Zeitpunkt der Unterbrechung die Verfolgung nach dem neuen Recht bereits verjährt gewesen wäre.

(1) Die Strafe und ihre Nebenfolgen bestimmen sich nach dem Gesetz, das zur Zeit der Tat gilt.

(2) Wird die Strafdrohung während der Begehung der Tat geändert, so ist das Gesetz anzuwenden, das bei Beendigung der Tat gilt.

(3) Wird das Gesetz, das bei Beendigung der Tat gilt, vor der Entscheidung geändert, so ist das mildeste Gesetz anzuwenden.

(4) Ein Gesetz, das nur für eine bestimmte Zeit gelten soll, ist auf Taten, die während seiner Geltung begangen sind, auch dann anzuwenden, wenn es außer Kraft getreten ist. Dies gilt nicht, soweit ein Gesetz etwas anderes bestimmt.

(5) Für Einziehung und Unbrauchbarmachung gelten die Absätze 1 bis 4 entsprechend.

(6) Über Maßregeln der Besserung und Sicherung ist, wenn gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, nach dem Gesetz zu entscheiden, das zur Zeit der Entscheidung gilt.

(1) Der Angeklagte darf nicht auf Grund eines anderen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten Strafgesetzes verurteilt werden, ohne daß er zuvor auf die Veränderung des rechtlichen Gesichtspunktes besonders hingewiesen und ihm Gelegenheit zur Verteidigung gegeben worden ist.

(2) Ebenso ist zu verfahren, wenn

1.
sich erst in der Verhandlung vom Strafgesetz besonders vorgesehene Umstände ergeben, welche die Strafbarkeit erhöhen oder die Anordnung einer Maßnahme oder die Verhängung einer Nebenstrafe oder Nebenfolge rechtfertigen,
2.
das Gericht von einer in der Verhandlung mitgeteilten vorläufigen Bewertung der Sach- oder Rechtslage abweichen will oder
3.
der Hinweis auf eine veränderte Sachlage zur genügenden Verteidigung des Angeklagten erforderlich ist.

(3) Bestreitet der Angeklagte unter der Behauptung, auf die Verteidigung nicht genügend vorbereitet zu sein, neu hervorgetretene Umstände, welche die Anwendung eines schwereren Strafgesetzes gegen den Angeklagten zulassen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten oder die zu den in Absatz 2 Nummer 1 bezeichneten gehören, so ist auf seinen Antrag die Hauptverhandlung auszusetzen.

(4) Auch sonst hat das Gericht auf Antrag oder von Amts wegen die Hauptverhandlung auszusetzen, falls dies infolge der veränderten Sachlage zur genügenden Vorbereitung der Anklage oder der Verteidigung angemessen erscheint.

2
In den Fällen II. B 1. und 2. der Urteilsgründe hält die Verurteilung wegen tateinheitlich zum sexuellen Kindesmissbrauch begangenen sexuellen Missbrauchs von Schutzbefohlenen rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Die im Sommer 1998 begangene Tat 1 sowie die "in der Folgezeit bis zum Mai 1999" - also nicht ausschließbar vor dem 1. April 1999 - begangene Tat 2 sind, soweit der Tatbestand des sexuellen Missbrauchs von Schutzbefohlenen (§ 174 Abs.1 StGB) betroffen ist, verjährt. Die fünfjährige Verjährungsfrist begann jeweils mit Beendigung der Tat (§ 78a Satz 1 StGB). Sie war deshalb am 1. April 2004 bereits verstrichen. Auf die an diesem Tag erfolgte Einbeziehung von § 174 StGB in den Regelungsbereich des § 78b Abs. 1 Nr. 1 StGB und damit das Ruhen der Verjährung bis zur Vollendung des achtzehnten Lebensjahres des Opfers kommt es nach Eintritt der Verjährung nicht mehr an (vgl. BGH, Beschluss vom 1. August 2013 - 2 StR 110/13 bei Pfister NStZ-RR 2013, 361 mwN).

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 566/15
vom
3. März 2016
in der Strafsache
gegen
wegen schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes u.a.
ECLI:DE:BGH:2016:030316B4STR566.15.0

Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 3. März 2016 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Bielefeld vom 21. Juli 2015 im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte des schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes, des sexuellen Missbrauchs eines Kindes in 30 Fällen, des sexuellen Missbrauchs eines Kindes in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch einer Schutzbefohlenen in 119 Fällen und des sexuellen Missbrauchs einer Schutzbefohlenen in 40 Fällen schuldig ist. 2. Die weiter gehende Revision wird verworfen. 3. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels und die dadurch der Nebenklägerin entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes, wegen sexuellen Missbrauchs eines Kindes in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch einer Schutzbefohlenen in 149 Fällen sowie wegen sexuellen Missbrauchs einer Schutzbefohlenen in 40 weiteren Fällen zu der Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt. Die hiergegen gerichtete, auf die Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten erzielt mit der Sachrüge den aus dem Beschlusstenor ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet i.S.d. § 349 Abs. 2 StPO.
2
Wie der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift vom 10. Dezember 2015 zutreffend ausgeführt hat, ist in den Fällen II. 1 bis 30 der Urteilsgründe die Strafverfolgung wegen des tateinheitlich hinzutretenden Vorwurfs des sexuellen Missbrauchs einer Schutzbefohlenen nach § 174 Abs. 1 Nr. 3 StGB aF verjährt (§ 78 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Nr. 4 StGB). Die Taten haben an nicht näher konkretisierten Tagen vor dem achten Geburtstag der Nebenklägerin am 24. April 1999 stattgefunden, mithin sämtlich nicht ausschließbar vor dem 1. April 1999. Für vor dem 1. April 1999 begangene Taten war hinsichtlich des Vergehens des sexuellen Missbrauchs einer Schutzbefohlenen beim Inkrafttreten des § 78b Abs. 1 Nr. 1 StGB i.d.F. vom 27. Dezember 2003, wonach die Verjährung auch für Straftaten nach § 174 StGB bis zur Vollendung des 18. Lebensjahrs – inzwischen bis zum 30. Lebensjahr – des Opfers ruht, Verjährung eingetreten. Der Senat hat den Schuldspruch entsprechend geändert.
3
Die Änderung des Schuldspruchs gefährdet den Strafausspruch nicht. Das Landgericht hat bei der Strafzumessung für die Fälle II. 1 bis 30 der Urteilsgründe zu Lasten des Angeklagten nicht auf die Verwirklichung zweier Straftatbestände hingewiesen. Im Übrigen dürfen auch verjährte Taten bei der Strafzumessung mit dem ihnen zukommenden Gewicht berücksichtigt werden.
Sost-Scheible Roggenbuck Cierniak
Mutzbauer Bender

(1) Mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren wird bestraft, wer

1.
einen kinderpornographischen Inhalt verbreitet oder der Öffentlichkeit zugänglich macht; kinderpornographisch ist ein pornographischer Inhalt (§ 11 Absatz 3), wenn er zum Gegenstand hat:
a)
sexuelle Handlungen von, an oder vor einer Person unter vierzehn Jahren (Kind),
b)
die Wiedergabe eines ganz oder teilweise unbekleideten Kindes in aufreizend geschlechtsbetonter Körperhaltung oder
c)
die sexuell aufreizende Wiedergabe der unbekleideten Genitalien oder des unbekleideten Gesäßes eines Kindes,
2.
es unternimmt, einer anderen Person einen kinderpornographischen Inhalt, der ein tatsächliches oder wirklichkeitsnahes Geschehen wiedergibt, zugänglich zu machen oder den Besitz daran zu verschaffen,
3.
einen kinderpornographischen Inhalt, der ein tatsächliches Geschehen wiedergibt, herstellt oder
4.
einen kinderpornographischen Inhalt herstellt, bezieht, liefert, vorrätig hält, anbietet, bewirbt oder es unternimmt, diesen ein- oder auszuführen, um ihn im Sinne der Nummer 1 oder der Nummer 2 zu verwenden oder einer anderen Person eine solche Verwendung zu ermöglichen, soweit die Tat nicht nach Nummer 3 mit Strafe bedroht ist.
Gibt der kinderpornographische Inhalt in den Fällen von Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 und 4 kein tatsächliches oder wirklichkeitsnahes Geschehen wieder, so ist auf Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren zu erkennen.

(2) Handelt der Täter in den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 gewerbsmäßig oder als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung solcher Taten verbunden hat, und gibt der Inhalt in den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 1, 2 und 4 ein tatsächliches oder wirklichkeitsnahes Geschehen wieder, so ist auf Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren zu erkennen.

(3) Wer es unternimmt, einen kinderpornographischen Inhalt, der ein tatsächliches oder wirklichkeitsnahes Geschehen wiedergibt, abzurufen oder sich den Besitz an einem solchen Inhalt zu verschaffen oder wer einen solchen Inhalt besitzt, wird mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu fünf Jahren bestraft.

(4) Der Versuch ist in den Fällen des Absatzes 1 Satz 2 in Verbindung mit Satz 1 Nummer 1 strafbar.

(5) Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 und Absatz 3 gelten nicht für Handlungen, die ausschließlich der rechtmäßigen Erfüllung von Folgendem dienen:

1.
staatlichen Aufgaben,
2.
Aufgaben, die sich aus Vereinbarungen mit einer zuständigen staatlichen Stelle ergeben, oder
3.
dienstlichen oder beruflichen Pflichten.

(6) Absatz 1 Satz 1 Nummer 1, 2 und 4 und Satz 2 gilt nicht für dienstliche Handlungen im Rahmen von strafrechtlichen Ermittlungsverfahren, wenn

1.
die Handlung sich auf einen kinderpornographischen Inhalt bezieht, der kein tatsächliches Geschehen wiedergibt und auch nicht unter Verwendung einer Bildaufnahme eines Kindes oder Jugendlichen hergestellt worden ist, und
2.
die Aufklärung des Sachverhalts auf andere Weise aussichtslos oder wesentlich erschwert wäre.

(7) Gegenstände, auf die sich eine Straftat nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 oder 3 oder Absatz 3 bezieht, werden eingezogen. § 74a ist anzuwenden.