Bundesgerichtshof Beschluss, 26. Nov. 2013 - 3 StR 387/13

published on 26/11/2013 00:00
Bundesgerichtshof Beschluss, 26. Nov. 2013 - 3 StR 387/13
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Gericht


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 387/13
vom
26. November 2013
in der Strafsache
gegen
wegen Raubes u.a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers
und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf dessen Antrag - am
26. November 2013 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Stralsund vom 27. Juni 2013 mit den Feststellungen aufgehoben ; aufrechterhalten bleiben jedoch die Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Nötigung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung sowie wegen Raubes in Tateinheit mit Körperverletzung zu der Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Die auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; das weitergehende Rechtsmittel ist unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

2
Der Schuldspruch hat keinen Bestand. Das Landgericht ist von (lediglich) verminderter Schuldfähigkeit des Angeklagten im Sinne von § 21 StGB ausgegangen und hat dies damit begründet, dass die Fähigkeit des Angeklagten, "das Unrecht seiner Tat einzusehen und nach dieser Einsicht zu handeln", bei der Begehung der ihm zur Last gelegten Taten jeweils infolge vorangegangenen Alkoholkonsums zwar nicht aufgehoben, aber "mehr als nur unerheblich vermindert" gewesen sei. Dies begegnet in zweifacher Hinsicht durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
3
1. Eine erheblich verminderte Einsichtsfähigkeit ist strafrechtlich erst dann von Bedeutung, wenn sie das Fehlen der Einsicht zur Folge hat, während die Schuld des Angeklagten nicht gemindert wird, wenn er ungeachtet seiner erheblich verminderten Einsichtsfähigkeit das Unrecht seines Tuns zum Tatzeitpunkt tatsächlich eingesehen hat. Die Voraussetzungen des § 21 StGB sind in den Fällen der verminderten Einsichtsfähigkeit nur dann zu bejahen, wenn die Einsicht gefehlt hat und dies dem Täter vorzuwerfen ist. Fehlt dem Täter aus einem in § 20 StGB genannten Grund die Einsicht, ohne dass ihm dies zum Vorwurf gemacht werden kann, ist auch bei verminderter Einsichtsfähigkeit nicht § 21 StGB, sondern § 20 StGB anwendbar, so dass in diesen Fällen ein Schuldspruch ausscheidet (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschluss vom 2. August 2012 - 3 StR 259/12 mwN). Da das Urteil jedenfalls auch auf eine verminderte Einsichtsfähigkeit des Angeklagten abstellt, zu den Folgen indes jegliche Erörterung vermissen lässt, bleibt die Möglichkeit offen, dass der Angeklagte die Tat in schuldunfähigem Zustand begangen hat.
4
2. Hinzu kommt, dass die Annahme einer (lediglich) erheblich verminderten Schuldfähigkeit des Angeklagten infolge Alkoholisierung einer sie tragenden lückenlosen Würdigung der Beweise entbehrt. Nach den Feststellungen ist der Angeklagte zu 80 % schwerbehindert und steht in den Aufgabenkreisen Gesundheitssorge , Wohnungsangelegenheiten sowie Vertretung gegenüber Behörden und anderen Einrichtungen unter Betreuung. Die dem zu Grunde liegenden Persönlichkeitseinschränkungen teilt das Urteil nicht mit; der an anderer Stelle erwähnte Umstand, dass der Angeklagte selbst in der Förderschule den Anforderungen nicht genügte, legt indes nicht nur unbedeutende Schwächen des intellektuellen Leistungsvermögens nahe. Das Landgericht wäre deshalb gehalten gewesen, auch deren Auswirkungen auf die Schuldfähigkeit des Angeklagten, insbesondere im Zusammenwirken mit dem festgestellten Alkoholkonsum , näher zu erörtern.
5
Über die strafrechtliche Verantwortlichkeit des Angeklagten wird deshalb - unter Hinzuziehung eines Sachverständigen - erneut zu verhandeln und zu entscheiden sein. Die Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen sind demgegenüber frei von Rechtsfehlern und können aufrechterhalten bleiben.
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

Ohne Schuld handelt, wer bei Begehung der Tat wegen einer krankhaften seelischen Störung, wegen einer tiefgreifenden Bewußtseinsstörung oder wegen einer Intelligenzminderung oder einer schweren anderen seelischen Störung unfähig ist, das Unrecht der
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Annotations

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

Ohne Schuld handelt, wer bei Begehung der Tat wegen einer krankhaften seelischen Störung, wegen einer tiefgreifenden Bewußtseinsstörung oder wegen einer Intelligenzminderung oder einer schweren anderen seelischen Störung unfähig ist, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln.

Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

Ohne Schuld handelt, wer bei Begehung der Tat wegen einer krankhaften seelischen Störung, wegen einer tiefgreifenden Bewußtseinsstörung oder wegen einer Intelligenzminderung oder einer schweren anderen seelischen Störung unfähig ist, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln.