Bundesgerichtshof Beschluss, 03. Nov. 2017 - 3 StR 293/17

bei uns veröffentlicht am03.11.2017

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 293/17
vom
3. November 2017
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
wegen zu 1. und 2.: schweren Bandendiebstahls u.a.
zu 3.: schweren Bandendiebstahls
ECLI:DE:BGH:2017:031117B3STR293.17.0

Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung der Beschwerdeführer und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf dessen Antrag - am 3. November 2017 gemäß § 349 Abs. 2 und 4, § 354 Abs. 1 analog StPO einstimmig
beschlossen:
1. Auf die Revisionen der Angeklagten B. und S. Bu. wird das Urteil des Landgerichts Düsseldorf vom 7. Dezember 2016
a) dahin ergänzt, dass die von dem Angeklagten S. Bu. in Italien erlittene Auslieferungshaft im Verhältnis 1:1 auf die gegen ihn erkannte Gesamtfreiheitsstrafe angerechnet wird,
b) soweit es den Angeklagten B. betrifft, mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben aa) soweit er im Fall 4 der Urteilsgründe verurteilt worden ist, bb) im Ausspruch über die Gesamtstrafe. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels des Angeklagten B. , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 2. Die weitergehenden Revisionen der Angeklagten B. und S. Bu. sowie die Revision des Angeklagten Z. Bu. werden verworfen. 3. Die Angeklagten S. Bu. und Z. Bu. haben jeweils die Kosten ihres Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten B. wegen schweren Bandendiebstahls in vier Fällen, Diebstahls in drei Fällen, versuchten Diebstahls in vier Fällen und unerlaubten Besitzes einer halbautomatischen Schusswaffe in Tateinheit mit unerlaubtem Besitz von Munition zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und zehn Monaten, den Angeklagten Z. Bu. wegen schweren Bandendiebstahls in fünf Fällen, versuchten Wohnungseinbruchdiebstahls und Diebstahls zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und zehn Monaten und den Angeklagten S. Bu. wegen schweren Bandendiebstahls in drei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt sowie Einziehungsentscheidungen getroffen. Die dagegen gerichteten Revisionen der Angeklagten B. und S. Bu. haben jeweils mit der Sachrüge in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen sind sie ebenso wie die Revision des Angeklagten Z. Bu. unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Im Hinblick auf den Angeklagten S. Bu. hat die Strafkammer entgegen der Vorschrift des § 51 Abs. 4 Satz 2 StGB keine Bestimmung über den Maßstab getroffen, nach dem die von diesem Angeklagten in Italien erlittene Freiheitsentziehung auf die gegen ihn erkannte Gesamtfreiheitsstrafe anzurechnen ist. Diese Entscheidung muss in der Urteilsformel zum Ausdruck kommen (vgl. BGH, Beschluss vom 22. Juli 2003 - 5 StR 162/03, juris Rn. 2). Da nach der Sachlage nur eine Anrechnung im Maßstab 1:1 in Betracht kommt, hat der Senat den grundsätzlich dem Tatrichter obliegenden Ausspruch über die Festsetzung des Anrechnungsmaßstabs nachgeholt und die Urteilsformel entsprechend § 354 Abs. 1 StPO ergänzt (vgl. dazu BGH, Beschlüsse vom 22. Juli 2003 - 5 StR 162/03, juris Rn. 2; vom 13. August 2009 - 3 StR 255/09, NStZ-RR 2009, 370).
3
2. Der Schuldspruch des Angeklagten B. wegen schweren Bandendiebstahls (§ 244a Abs. 1 Alt. 1 und 2 StGB) im Fall 4 der Urteilsgründe hält rechtlicher Überprüfung nicht stand.
4
a) Nach den Feststellungen des Landgerichts hatten sich alle drei Angeklagten zur fortgesetzten Begehung einer Vielzahl von Diebstahlstaten, insbesondere von Wohnungseinbruchdiebstählen, zusammengeschlossen, um aus diesen Taten künftig ihren Lebensunterhalt zu finanzieren. Im Rahmen dieser Abrede drangen die Angeklagten Z. und S. Bu. in der Zeit zwischen dem 20. Februar 2014, 19.40 Uhr, und dem 21. Februar 2014, 00.05 Uhr, "mittels Hebelns" in ein Einfamilienhaus in R. ein und entwendeten daraus einen Tresor, der Bargeld in Höhe von 82.000 € sowie Schmuck im Wert von ca. 160.000 € enthielt. Der Angeklagte B. war dabei nicht vor Ort, "stand aber ständig im telefonischen Kontakt mit den vor Ort agierenden Angeklagten" Z. und S. Bu. . Außerdem entsorgte er den geöffneten und entleerten Tresor am nächsten Tag gemeinsam mit S. Bu. .
5
b) Ungeachtet bestehender Bedenken gegen die Annahme des Landgerichts , dass das Verhalten von B. rechtlich als Mittäterschaft zu werten sei, entbehrt die insoweit maßgebliche Feststellung, wonach B. während der Tatausführung "ständig im telefonischen Kontakt" mit Z. und S. Bu. stand, einer rechtsfehlerfreien Beweiswürdigung.
6
Die Beweiswürdigung ist Sache des Tatgerichts (§ 261 StPO). Ihm obliegt es, sich ein Urteil über die Schuld oder Unschuld des Angeklagten zu bilden. Seine Schlussfolgerungen brauchen nicht zwingend zu sein; es genügt, dass sie möglich sind. Die revisionsgerichtliche Prüfung hat sich darauf zu beschränken , ob dem Tatgericht Rechtsfehler unterlaufen sind. Das ist in sach- lichrechtlicher Hinsicht der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist, gegen Denkgesetze verstößt oder gesicherten Erfahrungssätzen widerspricht (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Beschluss vom 31. Mai 2016 - 3 StR 86/16, juris Rn. 11). Daran gemessen erweist sich die Beweiswürdigung , die der Annahme des Landgerichts zugrunde liegt, dass der Angeklagte B. während der Tatausführung "ständig im telefonischen Kontakt" mit den vor Ort agierenden Angeklagten Z. und S. Bu. gestanden habe, als lückenhaft.
7
Die Strafkammer hat nicht bedacht, dass nach der Auswertung der Verkehrs - und Verbindungsdaten während des gesamten in Betracht kommenden Tatzeitraums (20. Februar 2014, 19.40 Uhr, bis 21. Februar 2014, 00.05 Uhr) nur eine einzige Telefonverbindung zwischen B. sowie Z. und S. Bu. zustande kam, indem S. Bu. B. um 22.00 Uhr anrief. Sie hat ferner nicht berücksichtigt, dass sich Z. und S. Bu. zu diesem Zeitpunkt nicht am Tatort befanden, wie sich daraus ergibt, dass das von S. Bu. genutzte Mobiltelefon während des Anrufs in einer Funkzelle in W. eingeloggt war. In Anbetracht dessen erweist sich die Schlussfolgerung des Landgerichts, dass B. während der Tatausführung "ständig im telefonischen Kontakt" mit Z. sowie S. Bu. stand und dadurch "die Tatausführung unterstützte und lenkte" als rechtsfehlerhaft, weil sie nicht alle für die Überzeugungsbildung maßgeblichen Gesichtspunkte in die angestellten Erwägungen einbezogen hat.
8
c) Die Sache bedarf deshalb insoweit neuer Verhandlung und Entscheidung. Die Aufhebung des Schuldspruchs im Fall 4 der Urteilsgründe führt zum Wegfall der dafür verhängten Einzelstrafe. Dies bedingt die Aufhebung der gegen den Angeklagten B. ausgesprochenen Gesamtstrafe.
9
d) Im Hinblick auf die neue Hauptverhandlung gibt die Strafzumessung des Landgerichts Anlass zu folgendem Hinweis:
10
Die Prüfung, ob ein minder schwerer Fall - hier im Sinne des § 244a Abs. 2 StGB - vorliegt, erfordert eine Gesamtbewertung aller strafzumessungsrelevanten Umstände (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Beschlüsse vom 5. Dezember 2007 - 5 StR 471/07, NStZ 2008, 338; vom 25. November 2008 - 3 StR 484/08, NStZ-RR 2009, 139; zur Prüfungsreihenfolge, falls auch ein gesetzlich vertypter Strafmilderungsgrund vorliegt, vgl. BGH, Beschluss vom 24. Juni 2014 - 3 StR 168/14, juris Rn. 7). Insoweit könnte es auf rechtliche Bedenken stoßen, dass die Strafkammer die Anwendung des Sonderstrafrahmens im Hinblick auf das Tatbild und die Täterpersönlichkeit des Angeklagten B. mit dem Hinweis abgelehnt hat, "allein" die Tatsache, dass er nicht vorbestraft sei, reiche dafür nicht aus, während sie im Rahmen der konkreten Strafzumessung weitere allgemeine Strafmilderungsgesichtspunkte berücksichtigt hat. Da die Strafkammer diesen Strafmilderungsgründen rechtsfehlerfrei nur geringes Gewicht beigemessen hat und sich die Ausführungen zur konkreten Strafzumessung unmittelbar an diejenigen zum Vorliegen eines minder schweren Falles anschließen, kann indes ausgeschlossen werden, dass das Landgericht die bei der konkreten Strafzumessung angeführten weiteren Milderungsgründe bei der Prüfung, ob ein minder schwerer Fall vorliegt, aus dem Blick verloren hat.
11
3. Die weitergehenden Revisionen der Angeklagten B. und S. Bu. haben ebenso wie diejenige des Angeklagte Z. Bu. aus den in den Antragsschriften des Generalbundesanwalts genannten Gründen keinen Erfolg.
12
4. Der geringfügige Teilerfolg der Revision des Angeklagten S. Bu. lässt es nicht unbillig erscheinen, ihn mit den gesamten Kosten seines Rechtsmittels zu belasten (§ 473 Abs. 4 StPO).
Becker Gericke Spaniol
Tiemann Berg

ra.de-Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 03. Nov. 2017 - 3 StR 293/17

Urteilsbesprechung schreiben

0 Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Beschluss, 03. Nov. 2017 - 3 StR 293/17

Referenzen - Gesetze

Bundesgerichtshof Beschluss, 03. Nov. 2017 - 3 StR 293/17 zitiert 8 §§.

Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafprozeßordnung - StPO | § 473 Kosten bei zurückgenommenem oder erfolglosem Rechtsmittel; Kosten der Wiedereinsetzung


(1) Die Kosten eines zurückgenommenen oder erfolglos eingelegten Rechtsmittels treffen den, der es eingelegt hat. Hat der Beschuldigte das Rechtsmittel erfolglos eingelegt oder zurückgenommen, so sind ihm die dadurch dem Nebenkläger oder dem zum Ansc

Strafprozeßordnung - StPO | § 354 Eigene Entscheidung in der Sache; Zurückverweisung


(1) Erfolgt die Aufhebung des Urteils nur wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen, so hat das Revisionsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, sofern ohne weitere tatsächliche Erört

Strafprozeßordnung - StPO | § 261 Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung


Über das Ergebnis der Beweisaufnahme entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpften Überzeugung.

Strafgesetzbuch - StGB | § 51 Anrechnung


(1) Hat der Verurteilte aus Anlaß einer Tat, die Gegenstand des Verfahrens ist oder gewesen ist, Untersuchungshaft oder eine andere Freiheitsentziehung erlitten, so wird sie auf zeitige Freiheitsstrafe und auf Geldstrafe angerechnet. Das Gericht kann

Strafgesetzbuch - StGB | § 244a Schwerer Bandendiebstahl


(1) Mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren wird bestraft, wer den Diebstahl unter den in § 243 Abs. 1 Satz 2 genannten Voraussetzungen oder in den Fällen des § 244 Abs. 1 Nr. 1 oder 3 als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzte

Referenzen - Urteile

Urteil einreichen

Bundesgerichtshof Beschluss, 03. Nov. 2017 - 3 StR 293/17 zitiert oder wird zitiert von 7 Urteil(en).

Bundesgerichtshof Beschluss, 03. Nov. 2017 - 3 StR 293/17 zitiert 6 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundesgerichtshof Beschluss, 13. Aug. 2009 - 3 StR 255/09

bei uns veröffentlicht am 13.08.2009

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 3 StR 255/09 vom 13. August 2009 in der Strafsache gegen wegen versuchter Anstiftung zum Mord Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf des

Bundesgerichtshof Beschluss, 24. Juni 2014 - 3 StR 168/14

bei uns veröffentlicht am 24.06.2014

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 3 S t R 1 6 8 / 1 4 vom 24. Juni 2014 in der Strafsache gegen wegen versuchten Totschlags u.a. Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf de

Bundesgerichtshof Beschluss, 05. Dez. 2007 - 5 StR 471/07

bei uns veröffentlicht am 05.12.2007

5 StR 471/07 BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS vom 5. Dezember 2007 in der Strafsache gegen wegen Totschlags Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 5. Dezember 2007 beschlossen: Auf die Revision der Angeklagten wird das Urteil des Landgerich

Bundesgerichtshof Beschluss, 22. Juli 2003 - 5 StR 162/03

bei uns veröffentlicht am 22.07.2003

5 StR 162/03 BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS vom 22. Juli 2003 in der Strafsache gegen wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 22. Juli 2003 beschlossen: Die Rev

Bundesgerichtshof Beschluss, 25. Nov. 2008 - 3 StR 484/08

bei uns veröffentlicht am 25.11.2008

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 3 StR 484/08 vom 25. November 2008 in der Strafsache gegen wegen Totschlags Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf dessen Antrag - am 25

Bundesgerichtshof Beschluss, 31. Mai 2016 - 3 StR 86/16

bei uns veröffentlicht am 31.05.2016

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 3 StR 86/16 vom 31. Mai 2016 in der Strafsache gegen 1. 2. 3. 4. wegen Gründung einer kriminellen Vereinigung u.a. hier: Revisionen der Angeklagten M. und G. ECLI:DE:BGH:2016:310516B3STR86.16.0 Der 3. Strafsena
1 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Bundesgerichtshof Beschluss, 03. Nov. 2017 - 3 StR 293/17.

Bundesgerichtshof Beschluss, 07. März 2018 - 2 StR 559/17

bei uns veröffentlicht am 07.03.2018

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 2 StR 559/17 vom 7. März 2018 in der Strafsache gegen 1. 2. wegen Mordes u.a. ECLI:DE:BGH:2018:070318B2STR559.17.0 Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts , zu Ziffern 1b

Referenzen

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Hat der Verurteilte aus Anlaß einer Tat, die Gegenstand des Verfahrens ist oder gewesen ist, Untersuchungshaft oder eine andere Freiheitsentziehung erlitten, so wird sie auf zeitige Freiheitsstrafe und auf Geldstrafe angerechnet. Das Gericht kann jedoch anordnen, daß die Anrechnung ganz oder zum Teil unterbleibt, wenn sie im Hinblick auf das Verhalten des Verurteilten nach der Tat nicht gerechtfertigt ist.

(2) Wird eine rechtskräftig verhängte Strafe in einem späteren Verfahren durch eine andere Strafe ersetzt, so wird auf diese die frühere Strafe angerechnet, soweit sie vollstreckt oder durch Anrechnung erledigt ist.

(3) Ist der Verurteilte wegen derselben Tat im Ausland bestraft worden, so wird auf die neue Strafe die ausländische angerechnet, soweit sie vollstreckt ist. Für eine andere im Ausland erlittene Freiheitsentziehung gilt Absatz 1 entsprechend.

(4) Bei der Anrechnung von Geldstrafe oder auf Geldstrafe entspricht ein Tag Freiheitsentziehung einem Tagessatz. Wird eine ausländische Strafe oder Freiheitsentziehung angerechnet, so bestimmt das Gericht den Maßstab nach seinem Ermessen.

(5) Für die Anrechnung der Dauer einer vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis (§ 111a der Strafprozeßordnung) auf das Fahrverbot nach § 44 gilt Absatz 1 entsprechend. In diesem Sinne steht der vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis die Verwahrung, Sicherstellung oder Beschlagnahme des Führerscheins (§ 94 der Strafprozeßordnung) gleich.

5 StR 162/03

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
vom 22. Juli 2003
in der Strafsache
gegen
wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer
Menge
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 22. Juli 2003

beschlossen:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Berlin vom 8. November 2002 wird nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen. Jedoch wird die Urteilsformel dahin ergänzt, daß die in Spanien erlittene Auslieferungshaft im Verhältnis 1 : 1 auf die erkannte Strafe angerechnet wird.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.
G r ü n d e Die Nachprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben (§ 349 Abs. 2 StPO).
Indes war die Urteilsformel um die Entscheidung über die Anrechnung der in Spanien erlittenen Freiheitsentziehung zu ergänzen. Entgegen § 51 Abs. 4 Satz 2 StGB hat das Landgericht im Urteil keine Bestimmung über den Maßstab getroffen, nach dem diese Freiheitsentziehung auf die hier erkannte Freiheitsstrafe anzurechnen ist. Diese Entscheidung muß in der Urteilsformel zum Ausdruck kommen (vgl. BGHSt 27, 287, 288). Der Senat holt den grundsätzlich dem Tatrichter obliegenden Ausspruch über die Anrechnung und die Festsetzung des Maßstabes nach. Im Hinblick darauf, daß in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union grundsätzlich Anhaltspunkte für eine andere Anrechnung als im Verhältnis 1 : 1 nicht ersichtlich und auch nicht vorgetragen sind, hat der Senat entsprechend § 354 Abs. 1 StPO den Anrechnungsmaßstab selbst bestimmt (vgl. BGH, Beschl. vom 4. Juni 2003 – 5 StR 124/03).
Basdorf Häger Gerhardt Raum Schaal

(1) Erfolgt die Aufhebung des Urteils nur wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen, so hat das Revisionsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, sofern ohne weitere tatsächliche Erörterungen nur auf Freisprechung oder auf Einstellung oder auf eine absolut bestimmte Strafe zu erkennen ist oder das Revisionsgericht in Übereinstimmung mit dem Antrag der Staatsanwaltschaft die gesetzlich niedrigste Strafe oder das Absehen von Strafe für angemessen erachtet.

(1a) Wegen einer Gesetzesverletzung nur bei Zumessung der Rechtsfolgen kann das Revisionsgericht von der Aufhebung des angefochtenen Urteils absehen, sofern die verhängte Rechtsfolge angemessen ist. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft kann es die Rechtsfolgen angemessen herabsetzen.

(1b) Hebt das Revisionsgericht das Urteil nur wegen Gesetzesverletzung bei Bildung einer Gesamtstrafe (§§ 53, 54, 55 des Strafgesetzbuches) auf, kann dies mit der Maßgabe geschehen, dass eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung über die Gesamtstrafe nach den §§ 460, 462 zu treffen ist. Entscheidet das Revisionsgericht nach Absatz 1 oder Absatz 1a hinsichtlich einer Einzelstrafe selbst, gilt Satz 1 entsprechend. Die Absätze 1 und 1a bleiben im Übrigen unberührt.

(2) In anderen Fällen ist die Sache an eine andere Abteilung oder Kammer des Gerichtes, dessen Urteil aufgehoben wird, oder an ein zu demselben Land gehörendes anderes Gericht gleicher Ordnung zurückzuverweisen. In Verfahren, in denen ein Oberlandesgericht im ersten Rechtszug entschieden hat, ist die Sache an einen anderen Senat dieses Gerichts zurückzuverweisen.

(3) Die Zurückverweisung kann an ein Gericht niederer Ordnung erfolgen, wenn die noch in Frage kommende strafbare Handlung zu dessen Zuständigkeit gehört.

5 StR 162/03

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
vom 22. Juli 2003
in der Strafsache
gegen
wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer
Menge
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 22. Juli 2003

beschlossen:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Berlin vom 8. November 2002 wird nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen. Jedoch wird die Urteilsformel dahin ergänzt, daß die in Spanien erlittene Auslieferungshaft im Verhältnis 1 : 1 auf die erkannte Strafe angerechnet wird.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.
G r ü n d e Die Nachprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben (§ 349 Abs. 2 StPO).
Indes war die Urteilsformel um die Entscheidung über die Anrechnung der in Spanien erlittenen Freiheitsentziehung zu ergänzen. Entgegen § 51 Abs. 4 Satz 2 StGB hat das Landgericht im Urteil keine Bestimmung über den Maßstab getroffen, nach dem diese Freiheitsentziehung auf die hier erkannte Freiheitsstrafe anzurechnen ist. Diese Entscheidung muß in der Urteilsformel zum Ausdruck kommen (vgl. BGHSt 27, 287, 288). Der Senat holt den grundsätzlich dem Tatrichter obliegenden Ausspruch über die Anrechnung und die Festsetzung des Maßstabes nach. Im Hinblick darauf, daß in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union grundsätzlich Anhaltspunkte für eine andere Anrechnung als im Verhältnis 1 : 1 nicht ersichtlich und auch nicht vorgetragen sind, hat der Senat entsprechend § 354 Abs. 1 StPO den Anrechnungsmaßstab selbst bestimmt (vgl. BGH, Beschl. vom 4. Juni 2003 – 5 StR 124/03).
Basdorf Häger Gerhardt Raum Schaal

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 255/09
vom
13. August 2009
in der Strafsache
gegen
wegen versuchter Anstiftung zum Mord
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers
und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf dessen Antrag - am
13. August 2009 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO, § 354 Abs. 1 StPO einstimmig

beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Hannover vom 2. Februar 2009 dahin abgeändert, dass die in Australien erlittene Auslieferungshaft im Verhältnis 2 : 1 angerechnet wird. 2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
3. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen. Jedoch wird die Gebühr um ein Viertel ermäßigt; die Staatskasse trägt ein Viertel der dem Angeklagten im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen.

Gründe:

1
Die auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten führt zur Abänderung des Maßstabs für die Anrechung in Australien vollzogener Auslieferungshaft , den das Landgericht mit 1 : 1 bestimmt hat.
2
Das Landgericht hat ausgeführt, dass die im Urteil festgestellten Erschwernisse während der Auslieferungshaft - fortwährende Bedrohungen des Angeklagten durch Mithäftlinge, woran auch Beschwerden beim Anstaltsperso- nal nichts geändert haben; Bedrohung und Einschüchterung durch einen Vollzugsbeamten ; teilweise Unterbringung in Räumen ohne Tageslicht; nicht funktionierende und videoüberwachte Toiletten; all dies mit der Folge, dass beim Angeklagten Depressionen und Angstzustände eintraten und er zweimal in Hungerstreik trat - den Haftbedingungen in deutschen Justizvollzugsanstalten vergleichbar sind. Dies entbehrt einer tragfähigen Grundlage, weshalb das Landgericht bei der Bestimmung des Anrechnungsmaßstabs von dem in § 51 Abs. 4 Satz 2 StGB eröffneten Ermessen fehlerhaft Gebrauch gemacht hat.
3
Der Senat kann entsprechend § 354 Abs. 1 StPO den Maßstab für die Anrechnung selbst bestimmen, da die dafür maßgeblichen Umstände dem Urteil zu entnehmen und weitere Ermittlungen nicht erforderlich sind (vgl. BGH wistra 1999, 463). In Anbetracht der festgestellten Erschwernisse bestimmt ihn der Senat mit 2 : 1.
4
Im Übrigen hat die Nachprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung aus den vom Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift dargelegten Gründen keine Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.
VRiBGH Becker befindet sich im Urlaub und ist deshalb gehindert zu unterschreiben. Pfister Pfister Sost-Scheible Hubert Mayer

Über das Ergebnis der Beweisaufnahme entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpften Überzeugung.

11
Die Beweiswürdigung ist Sache des Tatgerichts (§ 261 StPO). Ihm obliegt es, sich ein Urteil über die Schuld oder Unschuld des Angeklagten zu bilden. Seine Schlussfolgerungen brauchen nicht zwingend zu sein; es genügt, dass sie möglich sind. Die revisionsgerichtliche Prüfung hat sich darauf zu beschränken, ob dem Tatgericht Rechtsfehler unterlaufen sind. Das ist in sachlich-rechtlicher Hinsicht der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich , unklar oder lückenhaft ist, gegen Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt oder an die Überzeugung der Schuld des Angeklagten überhöhte Anforderungen gestellt werden (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Beschluss vom 12. Januar 2016 - 3 StR 462/15, juris). Daran gemessen erweist sich die Beweiswürdigung, die der Annahme des Landgerichts zugrunde liegt, dass die Zweckrichtung der AN GP auch die Begehung von Straftaten nach dem Versammlungsgesetz sowie Beleidigungs- und Körperverletzungsdelikten umfasst habe, als lückenhaft.

(1) Mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren wird bestraft, wer den Diebstahl unter den in § 243 Abs. 1 Satz 2 genannten Voraussetzungen oder in den Fällen des § 244 Abs. 1 Nr. 1 oder 3 als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Raub oder Diebstahl verbunden hat, unter Mitwirkung eines anderen Bandenmitglieds begeht.

(2) In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren.

(3) (weggefallen)

5 StR 471/07

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
vom 5. Dezember 2007
in der Strafsache
gegen
wegen Totschlags
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 5. Dezember 2007

beschlossen:
Auf die Revision der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Chemnitz vom 28. Juni 2007 nach § 349 Abs. 4 StPO im Strafausspruch aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Schwurgerichtskammer des Landgerichts zurückverwiesen.
G r ü n d e
1
Das Landgericht hat die Angeklagte wegen Totschlags zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt. Die auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkte Revision der Angeklagten hat Erfolg.
2
1. Nach den Feststellungen des Schwurgerichts kümmerte die Angeklagte sich allein ohne Unterstützung des Kindsvaters aufopferungsvoll um ihre geistig behinderte achtjährige Tochter L. . Durch deren Betreuung und Erziehung fühlte sie sich jedoch zunehmend überfordert. Sie lebte bis auf die Unterstützung durch ihre Eltern sozial isoliert. Grund hierfür war u. a., dass ihre Tochter immer stärker gegenüber anderen Menschen aggressiv reagierte, so dass diese den Kontakt zur Angeklagten mieden. Die Angeklagte nahm dies wahr und gestaltete ihre Freizeit allein mit ihrer Tochter. Im Dezember 2006 wurde ihr eröffnet, dass es für ihre Tochter keine Aussicht auf Besserung gab. Zudem ging sie davon aus, dass in der Entwicklung L. s Rückschritte zu verzeichnen seien. Am Neujahrstag besuchte sie mit L. ein Schwimmbad. Wie häufig in den letzten Monaten erlitt L. jedoch meh- rere epileptische Anfälle, so dass der Ausflug abgebrochen werden musste. Die Angeklagte war sehr deprimiert. Dies verstärkte sich, nachdem sie L. gegen 19.30 Uhr zu Bett gebracht hatte. Sie empfand ihre Situation als hoffnungslos und beschloss, sich das Leben zu nehmen.
3
In Umsetzung ihres Entschlusses schluckte sie mehrere „Frisium- und Betadormtabletten“ und trank dazu in kleinen Schlucken Weinbrand. Sie schrieb sodann einen Abschiedsbrief an ihre Eltern und an ihren älteren Sohn, der bei seinem Vater lebte. Währenddessen rief L. nach ihrer Mutter ; in diesem Moment beschloss die Angeklagte, „aus Sorge, dass L. nach ihrem Suizid allein dastehe, ihre Tochter mit in den Tod zu nehmen, weil dies aus ihrer Sicht das Beste für L. sei, die doch so sehr an ihr hängen würde“. Sie schrieb die Briefe zu Ende, räumte das Briefpapier weg und nahm weitere Tabletten und trank Weinbrand. Gegen 21.30 Uhr ging sie zu ihrer Tochter und gab ihr einige der Tabletten, um sie zu töten. Als L. nach dem Grund der Einnahme fragte, nahm die Angeklagte die restlichen Tabletten ein und legte sich neben ihre Tochter. L. starb aufgrund der Medikamentenvergiftung; die Angeklagte konnte noch gerettet werden.
4
Das sachverständig beratene Landgericht hat festgestellt, dass die Angeklagte zum Tatzeitpunkt an einer krankhaft zugespitzten Anpassungsstörung im Sinne einer „schweren anderen seelischen Störung“ litt und deswegen ihr Steuerungsvermögen erheblich vermindert war. Eine alkohol- und tablettenbedingte Beeinträchtigung der Schuldfähigkeit hat das Landgericht nicht angenommen. Im Rahmen der Strafzumessungserwägungen ist es unter Heranziehung des Milderungsgrundes des § 21 StGB von einem minder schweren Fall des Totschlags gemäß § 213 2. Alt. StGB ausgegangen.
5
2. Die Strafzumessungserwägungen halten revisionsrechtlicher Überprüfung nicht stand.
6
Zunächst begegnet die Strafrahmenwahl des Landgerichts durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Bei der Prüfung, ob ein minder schwerer Fall vorliegt, hat es sogleich auf die Umstände abgestellt, die die erhebliche Verminderung der Steuerungsfähigkeit begründen. Ob der Strafrahmen des § 213 StGB schon allein wegen der allgemeinen Strafmilderungsgründe anzuwenden gewesen wäre, hat es hingegen nicht erkennbar geprüft. Trifft ein besonderer Milderungsgrund mit allgemeinen Milderungsgründen zusammen , so ist im Rahmen der gebotenen Gesamtbetrachtung aller maßgebenden Strafzumessungstatsachen zunächst – unter Ausklammerung des besonderen Grundes – allein auf die allgemeinen Milderungsgründe abzustellen (BGHR StGB vor § 1/minder schwerer Fall, Strafrahmenwahl 7; BGH StV 1992, 371, 372). Dies war auch vorliegend nicht verzichtbar, denn angesichts der zahlreichen ersichtlich gewichtigen Milderungsgründe – verzweifelte Lebenssituation, Geständnis und Reue, altruistisches Tatmotiv, alkoholund tablettenbedingte Enthemmung –, denen als Strafschärfungsgrund lediglich die Ausnutzung der Arglosigkeit des Opfers bei der Tablettengabe gegenübergestellt wird, ist es keineswegs fernliegend, dass diese bereits für sich genommen die Anwendung des minder schweren Falls gerechtfertigt hätten mit der Folge, dass der so gefundene Strafrahmen ohne Verstoß gegen § 50 StGB nach §§ 21, 49 Abs. 1 StGB hätte gemildert werden können.
7
Zudem sind die Strafzumessungserwägungen nicht vollständig. Denn angesichts der außergewöhnlichen Umstände der Tat und der Persönlichkeit der Angeklagten wäre auf das festgestellte Motiv für die Tötung – welches der Sachverständige, dessen Gutachten die Strafkammer folgt, als Handeln aus „positiven Fremdwertgefühlen“ bei „erheblichen perspektivischen Ängsten“ um ihre Tochter beschreibt – im Rahmen der Strafzumessung besonderes Gewicht zu legen gewesen (vgl. BGH NStZ-RR 2006, 270, 271). An der Erörterung dieses bestimmenden Strafzumessungsfaktors, der nur bei der Darstellung der Voraussetzungen des § 21 StGB kurz erwähnt wird, fehlt es jedoch.
8
Der Senat kann nicht ausschließen, dass das Landgericht auf eine mildere Strafe erkannt hätte, wenn die vorgenannten Umstände berücksichtigt worden wären. Da es sich um Wertungsfehler und Erörterungsmängel handelt , können die zugrunde liegenden tatsächlichen Feststellungen bestehen bleiben. Der neue Tatrichter kann jedoch – z. B. zu der psychischen Situation der Angeklagten nach der Tat – ergänzende Feststellungen treffen, sofern diese den bisher getroffenen nicht widersprechen. Im Übrigen wird in Bedacht zu nehmen sein, dass die Angeklagte den Tötungsvorsatz erst unter erheblichem – bisher unter Umständen unterschätzten – Einfluss von Medikamenten und Alkohol fasste. Basdorf Gerhardt Raum Brause Jäger

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 484/08
vom
25. November 2008
in der Strafsache
gegen
wegen Totschlags
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers
und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf dessen Antrag - am 25. November
2008 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Flensburg vom 29. Juli 2008 im Strafausspruch aufgehoben. Die zugehörigen Feststellungen bleiben bestehen. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels und die der Nebenklägerin dadurch entstandenen notwendigen Auslagen, an eine andere Schwurgerichtskammer des Landgerichts zurückverwiesen. 2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Totschlags zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren und neun Monaten verurteilt. Die Revision des Angeklagten hat mit der Sachrüge zum Strafausspruch Erfolg, zum Schuldspruch ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
Der Strafausspruch kann nicht bestehen bleiben. Das Landgericht hat die Annahme eines minder schweren Falles im Sinne des § 213 2. Alt. StGB abgelehnt. Die Tatsache, dass der Angeklagte nach der Tat versucht habe, Hilfe zu holen, als er davon ausging, sein Sohn sei noch zu retten, diese Bemühungen dann aber abgebrochen habe, führe nicht dazu, dass der Strafrahmen des § 212 StGB unangemessen wäre. Diese Begründung - andere Umstände hat das Landgericht in diesem Zusammenhang nicht erörtert - trägt nicht die Ablehnung eines minder schweren Falles. Nach ständiger Rechtsprechung kommt es bei Annahme oder Ablehnung eines minder schweren Falles auf eine Gesamtbewertung aller Umstände an (vgl. Fischer, StGB 55. Aufl. § 213 Rdn. 12 m. w. N.). Die Strafkammer hätte deshalb in ihre Erwägungen einbeziehen und erörtern müssen, dass der Angeklagte bei der Tat auch in seiner Steuerungsfähigkeit erheblich vermindert war und dass zudem zahlreiche, auf UA S. 18, 19 aufgeführte Gründe seine Schuld mindern. Eine entsprechende Erörterung war hier vor allem schon deshalb geboten, weil das Landgericht bei der Strafzumessung im engeren Sinne allein strafmildernde Gesichtspunkte, hingegen keine strafschärfende Umstände angeführt hat. Zur Prüfungsreihenfolge in Fällen, in denen ein sonstiger minder schwerer Fall in Betracht kommt, weil neben einem gesetzlich vertypten Milderungsgrund weitere Milderungsgründe vorliegen, verweist der Senat auf Fischer aaO Rdn. 18, 19.
3
Da der Strafausspruch aufgrund von Begründungs- und Wertungsfehlern keinen Bestand hat, können die zugrunde liegenden Feststellungen bestehen bleiben. Das neue Tatgericht ist nicht gehindert, weitergehende Feststellungen zu treffen, sofern sie den bisherigen nicht widersprechen. Becker Miebach Sost-Scheible Hubert Schäfer
7
Sieht das Gesetz den Sonderstrafrahmen eines minder schweren Falles vor und ist - wie hier gemäß § 23 Abs. 2, § 49 Abs. 1 StGB - auch ein gesetzlich vertypter Milderungsgrund gegeben, so muss bei der Strafrahmenwahl zunächst geprüft werden, ob der Sonderstrafrahmen zur Anwendung kommt. Dabei ist im Rahmen einer Gesamtwürdigung vorab auf die allgemeinen Strafzumessungsgründe abzustellen. Vermögen bereits diese die Annahme eines minder schweren Falles allein zu tragen, stehen die den gesetzlich vertypten Milderungsgrund verwirklichenden Umstände noch für eine (weitere) Strafrahmenmilderung nach § 49 StGB zur Verfügung. Ist jedoch nach einer Abwägung aller allgemeinen Strafzumessungsumstände das Vorliegen eines minder schweren Falles abzulehnen, so sind zusätzlich die den gesetzlich vertypten Strafmilderungsgrund verwirklichenden Umstände in die gebotene Gesamtab- wägung einzubeziehen. Erst wenn der Tatrichter danach weiterhin die Anwendung des milderen Sonderstrafrahmens nicht für gerechtfertigt hält, darf er seiner konkreten Strafzumessung den (allein) wegen des vorliegenden gesetzlich vertypten Strafmilderungsgrundes herabgesetzten Regelstrafrahmen zugrunde legen (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschluss vom 27. April 2010 - 3 StR 106/10, juris Rn. 2).

(1) Die Kosten eines zurückgenommenen oder erfolglos eingelegten Rechtsmittels treffen den, der es eingelegt hat. Hat der Beschuldigte das Rechtsmittel erfolglos eingelegt oder zurückgenommen, so sind ihm die dadurch dem Nebenkläger oder dem zum Anschluß als Nebenkläger Berechtigten in Wahrnehmung seiner Befugnisse nach § 406h erwachsenen notwendigen Auslagen aufzuerlegen. Hat im Falle des Satzes 1 allein der Nebenkläger ein Rechtsmittel eingelegt oder durchgeführt, so sind ihm die dadurch erwachsenen notwendigen Auslagen des Beschuldigten aufzuerlegen. Für die Kosten des Rechtsmittels und die notwendigen Auslagen der Beteiligten gilt § 472a Abs. 2 entsprechend, wenn eine zulässig erhobene sofortige Beschwerde nach § 406a Abs. 1 Satz 1 durch eine den Rechtszug abschließende Entscheidung unzulässig geworden ist.

(2) Hat im Falle des Absatzes 1 die Staatsanwaltschaft das Rechtsmittel zuungunsten des Beschuldigten oder eines Nebenbeteiligten (§ 424 Absatz 1, §§ 439, 444 Abs. 1 Satz 1) eingelegt, so sind die ihm erwachsenen notwendigen Auslagen der Staatskasse aufzuerlegen. Dasselbe gilt, wenn das von der Staatsanwaltschaft zugunsten des Beschuldigten oder eines Nebenbeteiligten eingelegte Rechtsmittel Erfolg hat.

(3) Hat der Beschuldigte oder ein anderer Beteiligter das Rechtsmittel auf bestimmte Beschwerdepunkte beschränkt und hat ein solches Rechtsmittel Erfolg, so sind die notwendigen Auslagen des Beteiligten der Staatskasse aufzuerlegen.

(4) Hat das Rechtsmittel teilweise Erfolg, so hat das Gericht die Gebühr zu ermäßigen und die entstandenen Auslagen teilweise oder auch ganz der Staatskasse aufzuerlegen, soweit es unbillig wäre, die Beteiligten damit zu belasten. Dies gilt entsprechend für die notwendigen Auslagen der Beteiligten.

(5) Ein Rechtsmittel gilt als erfolglos, soweit eine Anordnung nach § 69 Abs. 1 oder § 69b Abs. 1 des Strafgesetzbuches nur deshalb nicht aufrechterhalten wird, weil ihre Voraussetzungen wegen der Dauer einer vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis (§ 111a Abs. 1) oder einer Verwahrung, Sicherstellung oder Beschlagnahme des Führerscheins (§ 69a Abs. 6 des Strafgesetzbuches) nicht mehr vorliegen.

(6) Die Absätze 1 bis 4 gelten entsprechend für die Kosten und die notwendigen Auslagen, die durch einen Antrag

1.
auf Wiederaufnahme des durch ein rechtskräftiges Urteil abgeschlossenen Verfahrens oder
2.
auf ein Nachverfahren (§ 433)
verursacht worden sind.

(7) Die Kosten der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand fallen dem Antragsteller zur Last, soweit sie nicht durch einen unbegründeten Widerspruch des Gegners entstanden sind.