Bundesgerichtshof Beschluss, 14. Aug. 2012 - 3 StR 274/12
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Gründe:
- 1
- Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge unter Einbeziehung der Strafe aus einer Vorverurteilung zu einer Gesamtstrafe von einem Jahr und neun Monaten sowie wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in drei Fällen, davon einmal in Tateinheit mit Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, zu einer weiteren Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt. Die hiergegen gerichtete Revision des Angeklagten hat mit der Sachrüge Erfolg.
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- Der Schuldspruch hält in allen vier Fällen sachlichrechtlicher Nachprüfung nicht stand.
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- 1. Nach den Feststellungen verfügte der Angeklagte über Kontakte zu potentiellen Lieferanten von Rauschgift in den Niederlanden. Er vermittelte in vier Fällen Rauschgiftgeschäfte über große Mengen Marihuana zwischen ihm bekannten Erwerbern und Verkäufern. In zwei Fällen war ihm hierfür ein Fest- betrag von 200 bzw. 1.000 € als Provision versprochen worden. In den anderen beiden Fällen handelte er, weil er sich als jemand bekannt machen wollte, der Betäubungsmittelgeschäfte zu vermitteln in der Lage ist, um an künftigen weiteren zu vermittelnden Geschäften finanziell partizipieren zu können. Der Angeklagte war jeweils bei der Abwicklung des Kaufs anwesend; teilweise nahm er den Kaufpreis entgegen und leitete das Geld weiter.
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- 2. Diese Feststellungen belegen nicht, dass der Angeklagte jeweils täterschaftlich Handel mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge trieb.
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- a) Ob die Beteiligung an unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln als Mittäterschaft oder Beihilfe zu werten ist, beurteilt sich nach den allgemeinen Grundsätzen über die Abgrenzung zwischen diesen Beteiligungsformen. Mittäter ist, wer nicht nur fremdes Tun fördert, sondern einen eigenen Tatbeitrag derart in eine gemeinschaftliche Tat einfügt, dass sein Beitrag als Teil der Tätigkeit des anderen und umgekehrt dessen Tun als Ergänzung seines eigenen Tatanteils erscheint. Ob ein Beteiligter ein so enges Verhältnis zur Tat hat, ist nach den gesamten Umständen, die von seiner Vorstellung umfasst sind, in wertender Betrachtung zu beurteilen. Wesentliche Anhaltspunkte können der Grad des eigenen Interesses am Taterfolg, der Umfang der Tatbeteiligung und die Tatherrschaft oder wenigstens der Wille zur Tatherrschaft sein. Diese Grundsätze gelten auch für denjenigen, der ein Betäubungsmittelgeschäft vermittelt (BGH, Beschluss vom 5. Oktober 2010 - 3 StR 339/10, BGHR BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 1 Handeltreiben 75 mwN).
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- b) Nach diesem Maßstab rechtfertigen die bisherigen Feststellungen nur die Annahme jeweils einer Beihilfe des Angeklagten zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge. Er vermittelte und begleitete lediglich fremde Umsatzgeschäfte. Einen eigenen Einfluss auf die angefragten Mengen, deren Preise sowie deren jeweiligen Weiterverkauf hatte er nicht. Für seine Mitwirkung war ihm in zwei Fällen ein vor dem Hintergrund der Menge und des Verkaufswerts des gehandelten Rauschgifts vergleichsweise geringer Festbetrag als Entlohnung zugesagt worden. In den weiteren zwei Fällen handelte er lediglich in der Aussicht auf eine mögliche Beteiligung an weiteren, in jeder Hinsicht noch völlig unbestimmten Rauschgiftverkäufen, so dass die Voraussetzungen für ein täterschaftliches Handeltreiben mit Blick auf die hierfür erforderliche Eigennützigkeit (vgl. Weber, BtMG, 3. Aufl., § 29 Rn. 286 ff. mwN) erst recht nicht hinreichend belegt sind. Das landgerichtliche Urteil enthält auch keine Feststellungen zu anlässlich der Übergaben des Rauschgifts vorgenommenen , ausreichend gewichtigen Aktivitäten des Angeklagten, die seine Täterschaft begründen könnten.
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- 3. Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat ergänzend auf Folgendes hin:
- 8
- a) Insbesondere weil die Vollstreckung der durch das Urteil des Amtsgerichts Osnabrück vom 9. Juni 2010 verhängten Strafe zur Bewährung ausgesetzt worden war, versteht es sich nicht ohne Weiteres von selbst, dass die grundsätzlich bei der Bildung einer nachträglichen Gesamtstrafe gemäß § 55 StGB gebotene Anwendung des Grundsatzes "in dubio pro reo" im vorliegenden Fall dazu führt davon auszugehen, der Angeklagte habe die erste Tatvor dem genannten Urteil begangen.
- 9
- b) Sollte das neue Tatgericht gleichwohl insoweit erneut eine nachträgliche Gesamtstrafe bilden, wird es zu beachten haben, dass die geleisteten 120 Stunden gemeinnützige Arbeit nicht nur allgemein strafmildernd zu berücksichtigen , sondern gemäß § 58 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. § 56f Abs. 3 StGB auf die neue Strafe anzurechnen sind.
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Annotations
(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer
- 1.
Betäubungsmittel unerlaubt anbaut, herstellt, mit ihnen Handel treibt, sie, ohne Handel zu treiben, einführt, ausführt, veräußert, abgibt, sonst in den Verkehr bringt, erwirbt oder sich in sonstiger Weise verschafft, - 2.
eine ausgenommene Zubereitung (§ 2 Abs. 1 Nr. 3) ohne Erlaubnis nach § 3 Abs. 1 Nr. 2 herstellt, - 3.
Betäubungsmittel besitzt, ohne zugleich im Besitz einer schriftlichen Erlaubnis für den Erwerb zu sein, - 4.
(weggefallen) - 5.
entgegen § 11 Abs. 1 Satz 2 Betäubungsmittel durchführt, - 6.
entgegen § 13 Abs. 1 Betäubungsmittel - a)
verschreibt, - b)
verabreicht oder zum unmittelbaren Verbrauch überläßt,
- 6a.
entgegen § 13 Absatz 1a Satz 1 und 2 ein dort genanntes Betäubungsmittel überlässt, - 6b.
entgegen § 13 Absatz 1b Satz 1 Betäubungsmittel verabreicht, - 7.
entgegen § 13 Absatz 2 - a)
Betäubungsmittel in einer Apotheke oder tierärztlichen Hausapotheke, - b)
Diamorphin als pharmazeutischer Unternehmer
- 8.
entgegen § 14 Abs. 5 für Betäubungsmittel wirbt, - 9.
unrichtige oder unvollständige Angaben macht, um für sich oder einen anderen oder für ein Tier die Verschreibung eines Betäubungsmittels zu erlangen, - 10.
einem anderen eine Gelegenheit zum unbefugten Erwerb oder zur unbefugten Abgabe von Betäubungsmitteln verschafft oder gewährt, eine solche Gelegenheit öffentlich oder eigennützig mitteilt oder einen anderen zum unbefugten Verbrauch von Betäubungsmitteln verleitet, - 11.
ohne Erlaubnis nach § 10a einem anderen eine Gelegenheit zum unbefugten Verbrauch von Betäubungsmitteln verschafft oder gewährt, oder wer eine außerhalb einer Einrichtung nach § 10a bestehende Gelegenheit zu einem solchen Verbrauch eigennützig oder öffentlich mitteilt, - 12.
öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten eines Inhalts (§ 11 Absatz 3 des Strafgesetzbuches) dazu auffordert, Betäubungsmittel zu verbrauchen, die nicht zulässigerweise verschrieben worden sind, - 13.
Geldmittel oder andere Vermögensgegenstände einem anderen für eine rechtswidrige Tat nach Nummern 1, 5, 6, 7, 10, 11 oder 12 bereitstellt, - 14.
einer Rechtsverordnung nach § 11 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 oder § 13 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1, 2a oder 5 zuwiderhandelt, soweit sie für einen bestimmten Tatbestand auf diese Strafvorschrift verweist.
(2) In den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 1, 2, 5 oder 6 Buchstabe b ist der Versuch strafbar.
(3) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter
- 1.
in den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 1, 5, 6, 10, 11 oder 13 gewerbsmäßig handelt, - 2.
durch eine der in Absatz 1 Satz 1 Nr. 1, 6 oder 7 bezeichneten Handlungen die Gesundheit mehrerer Menschen gefährdet.
(4) Handelt der Täter in den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 1, 2, 5, 6 Buchstabe b, Nummer 6b, 10 oder 11 fahrlässig, so ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe.
(5) Das Gericht kann von einer Bestrafung nach den Absätzen 1, 2 und 4 absehen, wenn der Täter die Betäubungsmittel lediglich zum Eigenverbrauch in geringer Menge anbaut, herstellt, einführt, ausführt, durchführt, erwirbt, sich in sonstiger Weise verschafft oder besitzt.
(6) Die Vorschriften des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 1 sind, soweit sie das Handeltreiben, Abgeben oder Veräußern betreffen, auch anzuwenden, wenn sich die Handlung auf Stoffe oder Zubereitungen bezieht, die nicht Betäubungsmittel sind, aber als solche ausgegeben werden.
(1) Die §§ 53 und 54 sind auch anzuwenden, wenn ein rechtskräftig Verurteilter, bevor die gegen ihn erkannte Strafe vollstreckt, verjährt oder erlassen ist, wegen einer anderen Straftat verurteilt wird, die er vor der früheren Verurteilung begangen hat. Als frühere Verurteilung gilt das Urteil in dem früheren Verfahren, in dem die zugrundeliegenden tatsächlichen Feststellungen letztmals geprüft werden konnten.
(2) Nebenstrafen, Nebenfolgen und Maßnahmen (§ 11 Abs. 1 Nr. 8), auf die in der früheren Entscheidung erkannt war, sind aufrechtzuerhalten, soweit sie nicht durch die neue Entscheidung gegenstandslos werden.
(1) Das Gericht widerruft die Strafaussetzung, wenn die verurteilte Person
- 1.
in der Bewährungszeit eine Straftat begeht und dadurch zeigt, daß die Erwartung, die der Strafaussetzung zugrunde lag, sich nicht erfüllt hat, - 2.
gegen Weisungen gröblich oder beharrlich verstößt oder sich der Aufsicht und Leitung der Bewährungshelferin oder des Bewährungshelfers beharrlich entzieht und dadurch Anlaß zu der Besorgnis gibt, daß sie erneut Straftaten begehen wird, oder - 3.
gegen Auflagen gröblich oder beharrlich verstößt.
(2) Das Gericht sieht jedoch von dem Widerruf ab, wenn es ausreicht,
- 1.
weitere Auflagen oder Weisungen zu erteilen, insbesondere die verurteilte Person einer Bewährungshelferin oder einem Bewährungshelfer zu unterstellen, oder - 2.
die Bewährungs- oder Unterstellungszeit zu verlängern.
(3) Leistungen, die die verurteilte Person zur Erfüllung von Auflagen, Anerbieten, Weisungen oder Zusagen erbracht hat, werden nicht erstattet. Das Gericht kann jedoch, wenn es die Strafaussetzung widerruft, Leistungen, die die verurteilte Person zur Erfüllung von Auflagen nach § 56b Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 bis 4 oder entsprechenden Anerbieten nach § 56b Abs. 3 erbracht hat, auf die Strafe anrechnen.