Bundesgerichtshof Beschluss, 07. Aug. 2019 - 3 StR 267/19
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 7. August 2019 gemäß § 154 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2, § 349 Abs. 2 und 4, § 354 Abs. 1 analog StPO einstimmig
beschlossen:
a) das Verfahren eingestellt, soweit der Angeklagte in den Fällen B. II. 7-14, 16, 24-28, C. 3-7, D. II. 2, 4-6, 27, 28, 32, 34 und 35 der Urteilsgründe verurteilt worden ist; im Umfang der Einstellung trägt die Staatskasse die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Angeklagten ;
b) das vorgenannte Urteil geändert aa) im Schuldspruch dahin, dass der Angeklagte des Betruges in 66 Fällen sowie des versuchten Betruges in zwei Fällen schuldig ist, bb) im Strafausspruch dahin, dass die Einzelstrafe für die Tat B. II. 1 auf sechs Monate Freiheitsstrafe festgesetzt wird. 2. Die weitergehende Revision wird verworfen. 3. Der Beschwerdeführer hat die verbleibenden Kosten des Rechtsmittels zu tragen.
Gründe:
- 1
- Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Betruges in 94 Fällen sowie versuchten Betruges in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und zwei Monaten verurteilt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Die hiergegen gerichtete, auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg. Im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
- 2
- 1. Nach den vom Landgericht getroffenen Feststellungen fingierte der Angeklagte im Wesentlichen Arbeitsverhältnisse zwischen ihm selbst sowie ihm nahestehenden Personen einerseits und verschiedenen Unternehmen andererseits , deren (faktischer) Geschäftsführer er war. Gegenüber mehreren Krankenkassen beantragte er die Erstattung von vermeintlichen Entgeltfortzahlungen an die zum Schein Beschäftigten. Teilweise leisteten die Krankenkassen daraufhin entsprechende Zahlungen, teilweise verrechneten sie Erstattungsbeträge mit eigenen angenommenen Ansprüchen auf Sozialversicherungsbeiträge.
- 3
- 2. Die Feststellungen belegen einen Vermögensschaden der Krankenkassen und einen vollendeten Betrug in denjenigen Fällen nicht, in denen keine Zahlungen geleistet, sondern Beträge lediglich verrechnet wurden. Dies führt zu einer teilweisen Einstellung des Verfahrens, einer sich daraus ergebenden Änderung des Schuldspruchs und der Herabsetzung einer Einzelstrafe, lässt den Strafausspruch ansonsten aber unberührt.
- 4
- a) Die Verrechnung selbst ergibt noch keine Vermögensminderung bei den Krankenkassen. Zwar kann in der Verrechnung mit offenen Gegenforde- rungen ein Schaden darin liegen, dass der Gläubiger durch Täuschung dazu veranlasst wird, eine ihm zustehende Forderung nicht oder nicht alsbald geltend zu machen. Eine solche Sachlage besteht etwa, wenn der Gläubiger infolge einer ins Leere gehenden Aufrechnung von einer alsbaldigen Beitreibung absieht. Allerdings setzt dies voraus, dass sein Anspruch rechtlichen Bestand hatte und die Forderung bei sofortiger Geltendmachung realisierbar gewesen wäre (im Einzelnen dazu BGH, Beschluss vom 6. April 2018 - 1 StR 13/18, juris Rn. 11 mwN). Beides ist den Urteilsgründen nicht zu entnehmen. Vielmehr liegt aufgrund der lediglich zum Schein abgeschlossenen Arbeitsverträge nahe, dass eine Versicherungspflicht und mithin Beitragsansprüche der Krankenkassen nicht entstanden sind (vgl. KassKomm/Zieglmeier, 104. EL Juni 2019, SGB IV, § 7 Rn. 32). Im Übrigen ist nichts dazu festgestellt, dass eine unmittelbare Durchsetzung etwaiger Forderungen aussichtsreich gewesen wäre.
- 5
- b) Der Senat hat das Verfahren auf Antrag des Generalbundesanwalts daher gemäß § 154 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 StPO eingestellt, soweit die Krankenkassen lediglich Verrechnungen und keine Zahlungen vornahmen. Die Einstellung hat eine entsprechende Änderung des Schuldspruchs zur Folge.
- 6
- c) In denjenigen nach der Verfahrenseinstellung verbleibenden Fällen, in denen es neben Zahlungen auch zu Verrechnungen gekommen ist, ist - mit Ausnahme von Fall II. B. 1 der Urteilsgründe - auszuschließen, dass sich die Berücksichtigung der Verrechnungen bei der Bestimmung der Schadenshöhe auf die jeweilige Einzelstrafe ausgewirkt hat.
- 7
- Das Landgericht hat die Einzelstrafen jeweils nach der Höhe der entstandenen Schäden bemessen und bei Schäden unter 500 € eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten sowie bei Schäden von 500 € bis 9.000 € eine Freiheitsstrafe von acht Monaten festgesetzt. Soweit in einigen Fällen die Krankenkas- sen auf Anträge des Angeklagten sowohl Zahlungen als auch Verrechnungen vornahmen und letztere aus den ausgeführten Gründen nicht zu berücksichtigen sind, ergibt sich daraus lediglich im Fall II. B. 1 der Urteilsgründe ein Unterschreiten der von der Strafkammer herangezogenen Wertgrenze von 500 €.
- 8
- Der Senat hat daher die Einzelstrafe für diese Tat gemäß § 354 Abs. 1 StPO analog auf sechs Monate Freiheitsstrafe herabgesetzt. Es ist auszuschließen , dass das Landgericht angesichts der von ihm beachteten Systematik auf eine geringere Strafe erkannt hätte.
- 9
- d) Die Gesamtstrafe hat Bestand. Angesichts der unveränderten Einsatzstrafe von zehn Monaten, der Vielzahl sowie der Höhe der verbleibenden Einzelstrafen und des engen Zusammenzugs ist auszuschließen, dass das Landgericht ohne Berücksichtigung der eingestellten Fälle und eingedenk der niedrigeren Einzelstrafe im Fall II. B. 1 der Urteilsgründe eine geringere Gesamtstrafe verhängt hätte.
Berg Anstötz
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
(1) Die Staatsanwaltschaft kann von der Verfolgung einer Tat absehen,
- 1.
wenn die Strafe oder die Maßregel der Besserung und Sicherung, zu der die Verfolgung führen kann, neben einer Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Beschuldigten wegen einer anderen Tat rechtskräftig verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat, nicht beträchtlich ins Gewicht fällt oder - 2.
darüber hinaus, wenn ein Urteil wegen dieser Tat in angemessener Frist nicht zu erwarten ist und wenn eine Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Beschuldigten rechtskräftig verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat, zur Einwirkung auf den Täter und zur Verteidigung der Rechtsordnung ausreichend erscheint.
(2) Ist die öffentliche Klage bereits erhoben, so kann das Gericht auf Antrag der Staatsanwaltschaft das Verfahren in jeder Lage vorläufig einstellen.
(3) Ist das Verfahren mit Rücksicht auf eine wegen einer anderen Tat bereits rechtskräftig erkannten Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung vorläufig eingestellt worden, so kann es, falls nicht inzwischen Verjährung eingetreten ist, wieder aufgenommen werden, wenn die rechtskräftig erkannte Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung nachträglich wegfällt.
(4) Ist das Verfahren mit Rücksicht auf eine wegen einer anderen Tat zu erwartende Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung vorläufig eingestellt worden, so kann es, falls nicht inzwischen Verjährung eingetreten ist, binnen drei Monaten nach Rechtskraft des wegen der anderen Tat ergehenden Urteils wieder aufgenommen werden.
(5) Hat das Gericht das Verfahren vorläufig eingestellt, so bedarf es zur Wiederaufnahme eines Gerichtsbeschlusses.
(1) Erfolgt die Aufhebung des Urteils nur wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen, so hat das Revisionsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, sofern ohne weitere tatsächliche Erörterungen nur auf Freisprechung oder auf Einstellung oder auf eine absolut bestimmte Strafe zu erkennen ist oder das Revisionsgericht in Übereinstimmung mit dem Antrag der Staatsanwaltschaft die gesetzlich niedrigste Strafe oder das Absehen von Strafe für angemessen erachtet.
(1a) Wegen einer Gesetzesverletzung nur bei Zumessung der Rechtsfolgen kann das Revisionsgericht von der Aufhebung des angefochtenen Urteils absehen, sofern die verhängte Rechtsfolge angemessen ist. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft kann es die Rechtsfolgen angemessen herabsetzen.
(1b) Hebt das Revisionsgericht das Urteil nur wegen Gesetzesverletzung bei Bildung einer Gesamtstrafe (§§ 53, 54, 55 des Strafgesetzbuches) auf, kann dies mit der Maßgabe geschehen, dass eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung über die Gesamtstrafe nach den §§ 460, 462 zu treffen ist. Entscheidet das Revisionsgericht nach Absatz 1 oder Absatz 1a hinsichtlich einer Einzelstrafe selbst, gilt Satz 1 entsprechend. Die Absätze 1 und 1a bleiben im Übrigen unberührt.
(2) In anderen Fällen ist die Sache an eine andere Abteilung oder Kammer des Gerichtes, dessen Urteil aufgehoben wird, oder an ein zu demselben Land gehörendes anderes Gericht gleicher Ordnung zurückzuverweisen. In Verfahren, in denen ein Oberlandesgericht im ersten Rechtszug entschieden hat, ist die Sache an einen anderen Senat dieses Gerichts zurückzuverweisen.
(3) Die Zurückverweisung kann an ein Gericht niederer Ordnung erfolgen, wenn die noch in Frage kommende strafbare Handlung zu dessen Zuständigkeit gehört.