Bundesgerichtshof Beschluss, 19. Apr. 2018 - 3 StR 24/18
Bundesgerichtshof
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf dessen Antrag - am 19. April 2018 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen; jedoch wird der Urteilstenor dahingehend ergänzt, dass der Angeklagte im Übrigen freigesprochen ist.
Gründe:
- 1
- Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schweren Raubes in Tateinheit mit Körperverletzung unter Einbeziehung der Einzelstrafen aus einer früheren Verurteilung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und acht Monaten und wegen gefährlicher Körperverletzung in zwei Fällen zu einer weiteren Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und zwei Monaten verurteilt. Die auf die allgemeine Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg, im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
- 2
- 1. Die Entscheidung des Landgerichts, von der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt abzusehen, hält sachlichrechtlicher Überprüfung nicht stand.
- 3
- a) Die Annahme des sachverständig beratenen Landgerichts, dass "für den tatrelevanten Zeitraum ein Hang iSd § 64 StGB nicht vorgelegen habe" (UA S. 27), begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Nach den getroffenen Feststellungen besteht bei dem Angeklagten bereits seit jugendlichem Alter eine chronische, auf körperlicher Sucht beruhende Abhängigkeit von Opiaten und Heroin; daneben konsumiert er seit Jahren Alkohol im Übermaß. Er absolvierte im Jahr 1997 eine Alkoholentwöhnungstherapie und war von 2004 bis 2006 in einer Entziehungsanstalt; beides führte nicht zum Erfolg. Im Tatzeitraum wurde er mit Polamidon substituiert. Zumindest zwei der Anlasstaten beging der Angeklagte unter dem Einfluss von Alkohol und verschiedenen Drogen und Medikamenten. Entgegen der Wertung des Landgerichts besteht daher ein "Hang" des Angeklagten zum übermäßigen Genuss berauschender Mittel im Sinne des § 64 Satz 1 StGB (vgl. zum Begriff BGH, Beschlüsse vom 13. Januar 2011 - 3 StR 429/10, juris Rn. 4; vom 6. Februar 2018 - 3 StR 629/17, juris Rn. 12).
- 4
- b) Das Landgericht ist zudem - mit teils widersprüchlichen Erwägungen - von einem zu engen und deshalb rechtsfehlerhaften Verständnis von dem erforderlichen symptomatischen Zusammenhang zwischen Hang und Anlasstaten ausgegangen. Insoweit gilt:
- 5
- aa) Nach ständiger Rechtsprechung ist nicht erforderlich, dass der Hang die alleinige Ursache für die Anlasstat ist. Vielmehr ist ein solcher Zusammenhang bereits dann zu bejahen, wenn der Hang neben anderen Umständen mit dazu beigetragen hat, dass der Angeklagte erhebliche rechtswidrige Taten begangen hat (vgl. BGH, Beschluss vom 19. Mai 2009 - 3 StR 191/09, BGHR StGB § 64 Zusammenhang, symptomatischer 5). Dass außer dem Hang weitere Persönlichkeitsmängel eine Disposition für die Begehung von Straftaten begründen , steht dem erforderlichen symptomatischen Zusammenhang nicht entgegen (BGH, Beschluss vom 20. Dezember 1996 - 2 StR 470/96, BGHR StGB § 64 Zusammenhang, symptomatischer 1).
- 6
- bb) Soweit das Landgericht ausgeführt hat, dass die Persönlichkeitsdefizite des Angeklagten tatbestimmend gewesen seien und seine Betäubungsmittelabhängigkeit "allenfalls einen tatbegleitenden Faktor" darstellte, steht dies - ebenso wie die Erwägung, dass sich die Taten "mit situativen Befindlichkeiten des Angeklagten" erklären ließen - bereits im Widerspruch zu den Feststellungen zum Tatgeschehen. Danach geriet der Angeklagte bei dem schweren Raub und der damit einhergehenden Körperverletzungshandlung "aufgrund seiner Persönlichkeitsstruktur in Verbindung mit dem bestehenden Mischintoxikationszustand" in einen hochgradigen Reizzustand, in dem er sich zur Wegnahme des Bargeldes unter Gewaltanwendung entschloss. Auf ihn wirkten zur Tatzeit eine Blutalkoholkonzentration von 1,77 ‰ und ein Drogengemisch von Polamidon, Diazepam, Resten von Cannabis und einem flupirtinhaltigen Medikament "so enthemmend und aggressionsfördernd" ein, dass er nur noch eingeschränkt in der Lage war, sein Verhalten zu steuern (UA S. 20). Damit ist ein hinreichender Zusammenhang zwischen seinem Hang und zumindest dieser Tat belegt.
- 7
- c) Anhaltspunkte dafür, dass der vielfach, auch einschlägig vorbestrafte Angeklagte nicht gefährlich im Sinne des § 64 Satz 1 StGB ist, sind nicht ersichtlich. Da auch die für die Anordnung der Maßregel erforderlichen Erfolgsaussicht (§ 64 Satz 2 StGB), zu der sich das Urteil nicht verhält, nicht von vornherein ausscheidet, muss über die Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt - wiederum unter Hinzuziehung eines Sachverständigen (§ 246a StPO) - neu verhandelt und entschieden werden.
- 8
- d) Dem steht nicht entgegen, dass nur der Angeklagte Revision eingelegt hat (§ 358 Abs. 2 Satz 3 StPO; BGH, Urteil vom 10. April 1990 - 1 StR 9/90, BGHSt 37, 5, 9; Beschluss vom 19. Dezember 2007 - 5 StR 485/07, NStZ-RR 2008, 107); er hat die Nichtanwendung des § 64 StGB auch nicht vom Rechtsmittelangriff ausgenommen.
- 9
- 2. Die Urteilsformel bedarf der Ergänzung, da der Teilfreispruch vom Vorwurf der gefährlichen Körperverletzung zum Nachteil der Zeugin E. (II.4. der Urteilsgründe) dort nicht enthalten ist. Die Kostenentscheidung ("So- weit der Angeklagte freigesprochen wurde…")und die Ausführungen zum Teil- freispruch in den Urteilsgründen belegen, dass es sich nur um ein offensichtliches Versehen handelt, das einer Berichtigung im Revisionsverfahren zugänglich ist.
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.
BUNDESGERICHTSHOF
Gründe:
- 1
- Das Landgericht hatte den Angeklagten mit Urteil vom 28. Februar 2008 wegen Totschlags und wegen versuchten Totschlags in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von dreizehn Jahren verurteilt und außerdem Sicherungsverwahrung angeordnet. Auf die Revision des Angeklagten hob der Senat mit Beschluss vom 17. Juli 2008 (vgl. NStZ-RR 2008, 335) diese Entscheidung im Rechtsfolgenausspruch mit den Feststellungen auf und verwies die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurück. Dieses hat den Angeklagten nunmehr mit dem angefochtenen Urteil zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von elf Jahren und sechs Monaten verurteilt und erneut die Unterbringung in der Sicherungsver- wahrung angeordnet. Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die Verletzung materiellen Rechts gestützten Revision.
- 2
- Das Rechtsmittel hat zum Maßregelausspruch Erfolg. Im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
- 3
- 1. Die Anordnung der Sicherungsverwahrung nach § 66 Abs. 3 Satz 2 StGB hält rechtlicher Prüfung nicht stand. Das Landgericht hat bei der vorrangig anzustellenden Prüfung, ob der Gefährlichkeit des Angeklagten nicht allein durch eine andere Maßregel begegnet werden kann (§ 72 Abs. 1 StGB), dessen Unterbringung in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB) mit rechtlich unzureichender Begründung abgelehnt.
- 4
- a) Der u. a. wegen Gewaltdelikten vorbestrafte Angeklagte konsumierte seit seiner Jugend bis zu seiner Festnahme in vorliegender Sache regelmäßig und massiv Cannabis und Alkohol. Er hielt sich seit Jahren im Obdachlosenund Alkoholikermilieu auf. Zeugenaussagen zufolge war er häufiger volltrunken. Insbesondere unter dem Einfluss von Alkohol, allerdings auch in nüchternem Zustand, kam es in der Vergangenheit zu vielfachen, teils erheblichen gewaltsamen Übergriffen gegen seine frühere Ehefrau, seine Stiefkinder und später gegen seine Lebensgefährtin. Auch bei Begehung der vorliegenden Taten war der Angeklagte erheblich alkoholisiert.
- 5
- Das sachverständig beratene Landgericht hat in allen Fällen rechtsfehlerfrei eine erheblich verminderte Steuerungsfähigkeit im Sinne des § 21 StGB infolge eines Zusammenwirkens der alkoholischen Beeinflussung bei Tatbegehung und einer beim Angeklagten vorliegenden dissozialen Persönlichkeitsakzentuierung nicht auszuschließen vermocht. Die Voraussetzungen des § 64 StGB hat das Landgericht abgelehnt. Es hat zunächst offen gelassen, ob beim Angeklagten ein Hang zum übermäßigen Konsum von Rauschmitteln vorliegt und hat sodann - einen Hang unterstellend - in Übereinstimmung mit der psychiatrischen Sachverständigen angenommen, dass zwischen den abgeurteilten Taten und einem Hang des Angeklagten zu übermäßigem Alkoholgenuss jedenfalls ein symptomatischer Zusammenhang nicht bestehe. Die Taten gingen nicht auf einen solchen Hang zurück, sondern seien vielmehr Ausdruck der dissozialen Wesensart des Angeklagten.
- 6
- b) Diese Begründung trägt das Absehen von einer Maßregelanordnung nach § 64 StGB nicht. Bei seiner Bewertung ist das Landgericht von einem zu engen und deshalb rechtsfehlerhaften Verständnis von dem erforderlichen symptomatischen Zusammenhang zwischen einem Hang zum übermäßigen Konsum von Rauschmitteln und der Anlasstat des Täters ausgegangen. Nach ständiger Rechtsprechung ist nicht erforderlich, dass der Hang die alleinige Ursache für die Anlasstat ist. Vielmehr ist ein solcher Zusammenhang auch dann zu bejahen, wenn der Hang neben anderen Umständen mit dazu beigetragen hat, dass der Angeklagte erhebliche rechtswidrige Taten begangen hat und dies bei unverändertem Suchtverhalten auch für die Zukunft zu besorgen ist (vgl. BGH NStZ-RR 2004, 78 f. m. w. N.).
- 7
- So liegt es hier. Das Landgericht hat zur Begründung der erheblich verminderten Steuerungsfähigkeit auch auf die Alkoholisierung des Angeklagten zur Tatzeit abgestellt, so dass sich deren Mitursächlichkeit für die Begehung der Taten von selbst versteht. Es drängt sich darüber hinaus nach den vom Landgericht zum Konsumverhalten des Angeklagten getroffenen Feststellungen auf, dass die zur Tatzeit vorliegende Alkoholisierung des Angeklagten auf einen Hang zum übermäßigen Konsum alkoholischer Getränke zurückzuführen ist.
- 8
- 2. Erweist sich danach die Ablehnung einer Maßregelanordnung nach § 64 StGB als rechtsfehlerhaft, so ist damit zugleich der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung die Grundlage entzogen (§ 72 Abs. 1 Satz 1 StGB). Der Senat kann nicht ausschließen, dass die Strafkammer, wäre sie vom Vorliegen eines Hanges ausgegangen und hätte sie den Anlasstaten Symptomwert für den Hang zugeschrieben, nicht nur die Gefahrprognose, sondern auch eine hinreichend konkrete Aussicht auf eine erfolgreiche Suchtbehandlung und eine damit einhergehende deutliche Verringerung der Tätergefährlichkeit bejaht hätte , zumal zwischen der Persönlichkeitsakzentuierung des Angeklagten und seinem Rauschmittelkonsum nach den Feststellungen durchaus Wechselwirkungen bestehen.
- 9
- 3. Danach muss über die Frage der Maßregelanordnung nach § 66 und § 64 StGB neu verhandelt und entschieden werden. Der neue Tatrichter wird dabei zu beachten haben, dass Unsicherheiten über den Erfolg allein der milderen Maßregel zur kumulativen Anordnung von Maßregeln führen (vgl. BGH StV 2007, 633).
- 10
- Für die neue Hauptverhandlung wird es sich empfehlen, einen anderen Sachverständigen beizuziehen.
Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.
(1) Kommt in Betracht, dass die Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus oder in der Sicherungsverwahrung angeordnet oder vorbehalten werden wird, so ist in der Hauptverhandlung ein Sachverständiger über den Zustand des Angeklagten und die Behandlungsaussichten zu vernehmen. Gleiches gilt, wenn das Gericht erwägt, die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt anzuordnen.
(2) Ist Anklage erhoben worden wegen einer in § 181b des Strafgesetzbuchs genannten Straftat zum Nachteil eines Minderjährigen und kommt die Erteilung einer Weisung nach § 153a dieses Gesetzes oder nach den §§ 56c, 59a Absatz 2 Satz 1 Nummer 4 oder § 68b Absatz 2 Satz 2 des Strafgesetzbuchs in Betracht, wonach sich der Angeklagte psychiatrisch, psycho- oder sozialtherapeutisch betreuen und behandeln zu lassen hat (Therapieweisung), soll ein Sachverständiger über den Zustand des Angeklagten und die Behandlungsaussichten vernommen werden, soweit dies erforderlich ist, um festzustellen, ob der Angeklagte einer solchen Betreuung und Behandlung bedarf.
(3) Hat der Sachverständige den Angeklagten nicht schon früher untersucht, so soll ihm dazu vor der Hauptverhandlung Gelegenheit gegeben werden.
(1) Das Gericht, an das die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung verwiesen ist, hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung des Urteils zugrunde gelegt ist, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen.
(2) Das angefochtene Urteil darf in Art und Höhe der Rechtsfolgen der Tat nicht zum Nachteil des Angeklagten geändert werden, wenn lediglich der Angeklagte, zu seinen Gunsten die Staatsanwaltschaft oder sein gesetzlicher Vertreter Revision eingelegt hat. Wird die Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus aufgehoben, hindert diese Vorschrift nicht, an Stelle der Unterbringung eine Strafe zu verhängen. Satz 1 steht auch nicht der Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder einer Entziehungsanstalt entgegen.
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels des Angeklagten E. , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weitergehende Revision des Angeklagten E. und die Revision der Angeklagten M. werden nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.
4. Die Angeklagte M. hat die Kosten ihres Rechtsmittels zu tragen.
G r ü n d e
- 1
- Das angefochtene Urteil weist lediglich betreffend den Angeklagten E. einen sachlich-rechtlichen Mangel auf, als das Landgericht die Prüfung einer Unterbringung in einer Entziehungsanstalt gemäß § 64 StGB unterlassen hat, obwohl sich dies aufdrängte. Hierzu hat der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift vom 18. Oktober 2007 zutreffend ausgeführt:
- 2
- „Hat ein Täter den Hang, berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen , und wird er wegen einer auf den Hang zurückzuführenden rechtswidrigen Tat verurteilt, so muss nach § 64 StGB das Gericht eine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass er auch in Zukunft infolge seines Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Ob von einer Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt zu Recht abgesehen worden ist, kann vom Revisionsgericht auf die Sachrüge hin überprüft werden, auch wenn – wie hier – nur der Angeklagte Revision eingelegt und die Nichtanwendung des § 64 StGB nicht vom Revisionsangriff ausgenommen hat (vgl. BGHSt 37, 5; BGHR StGB § 64 Ablehnung 5). Anlass hierfür besteht allerdings nur dann, wenn es nach den Urteilsfeststellungen nahe liegt, dass die Voraussetzungen für eine Unterbringungsanordnung gegeben sind (vgl. BGHR StGB § 64 Ablehnung 10).
- 3
- Dies ist hier der Fall.
- 4
- Der Angeklagte ist alkohol- und betäubungsmittelabhängig (UA S. 9). Zur Finanzierung seines Kokainbedarfs war er insbesondere ab Februar 2006 auf die Erschließung zusätzlicher Einnahmequellen angewiesen (UA S. 11), wobei er sich gerade durch den verfahrensgegenständlichen Transport von Betäubungsmitteln eine solche erhoffte (UA S. 21). Für die Strafkammer steht fest, dass die Tathandlungen nicht nur im Zusammenhang mit seiner Abhängigkeitserkrankung standen (UA S. 60), sondern durch diese ersichtlich begünstigt wurden (UA S. 67). Die Feststellungen ergeben weiter, dass der Angeklagte weiterhin ein Verlangen nach dem Konsum von Kokain empfindet und therapiewillig ist (UA S. 11).“
- 5
- Die Frage der Unterbringung des Angeklagten E. in einer Entziehungsanstalt bedarf daher unter Hinzuziehung eines Sachverständigen (§ 246a StPO) der Prüfung und Entscheidung durch ein neues Tatgericht. Für den Fall, dass es die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anord- nen sollte, wird gemäß der jetzt geltenden Fassung der Vorschrift des § 67 Abs. 2 StGB auch über die Reihenfolge der Vollstreckung von Freiheitsstrafe und Maßregel zu entscheiden sein.
Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.