Bundesgerichtshof Beschluss, 19. Juni 2012 - 3 StR 124/12
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Gründe:
- 1
- Das Landgericht hat den Angeklagten A. wegen versuchten schweren Raubes, schweren Raubes in Tateinheit mit Sichverschaffen von Betäubungsmitteln , Raubes, schweren Raubes, versuchten Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und versuchtem Sichverschaffen von Betäubungsmitteln sowie wegen Beleidigung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren verurteilt. Im Übrigen hat es ihn freigesprochen. Gegen den Angeklagten P. hat es wegen schweren Raubes sowie wegen versuchten Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und versuchtem Sichverschaffen von Betäubungsmitteln unter Einbeziehung einer Vorverurteilung eine einheitliche Jugendstrafe von zwei Jahren und drei Monaten verhängt. Den Mitangeklagten K. , der seine Revision vor deren Anhängigkeit beim Senat zurückgenommen hat, hat es wegen versuchten schweren Raubes, schweren Raubes in Tateinheit mit Sichverschaffen von Betäubungsmitteln, Raubes, schweren Raubes sowie wegen versuchten Raubes in Tateinheit mit gefährli- cher Körperverletzung und versuchtem Sicherverschaffen von Betäubungsmitteln zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und drei Monaten verurteilt. Die auf sachlichrechtliche Beanstandungen gestützten Revisionen der Angeklagten haben den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen sind sie unbegründet.
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- 1. Nach den Feststellungen begaben sich die drei Angeklagten am Abend des 19. April 2011 aufgrund eines gemeinsamen Tatplans zunächst in die Wohnung des Zeugen S. und verlangten von diesem unter konkludenter Drohung mit gegenwärtiger Leibesgefahr Geld oder Drogen heraus. Der Angeklagte A. nahm dabei das Rohr eines Staubsaugers in die Hand und hielt dies, während er die Forderung nach Geld oder Drogen wiederholte, drohend in Richtung des Opfers. Die Angeklagten durchsuchten die Wohnung und nahmen aus einem Umschlag 308 € an sich. Drogen fanden sie nicht. Nach- dem der in der Wohnung anwesende Zeuge Kn. geäußert hatte, S. habe Drogen im selben Haus in der Wohnung des Zeugen F. gelagert, forderten sie den S. auf, mit ihnen zu dieser Wohnung zu gehen und ihnen dort Zutritt zu verschaffen. In der Wohnung schlug der Angeklagte P. , dem gemeinsamen Tatplan folgend, mehrfach auf den Zeugen F. ein und forderte ihn auf, das Drogenversteck preiszugeben. Trotz der Schläge machte F. keine Angaben. Dem S. gelang die Flucht, darauf ließen die Angeklagten von F. ab und verfolgten den S. , ohne an Betäubungsmittel gelangen zu können.
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- 2. Das Landgericht hat dieses Geschehen als zwei selbständige Taten gewertet: als schweren Raub zum Nachteil des Zeugen S. sowie als versuchten Raub in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und versuchtem Sichverschaffen von Betäubungsmitteln zum Nachteil des Zeugen F. . Diese Wertung hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Es liegt vielmehr nur eine Tat vor.
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- Den gemeinsamen Plan, neben Geld auch Drogen von dem Zeugen S. gewaltsam zu erlangen, haben die Angeklagten ununterbrochen verfolgt , als sie sich nach ergebnisloser Suche nach Drogen in der Wohnung S. in diejenige des F. begaben, um sich dort nunmehr unter Gewaltanwendung auch gegen diesen Betäubungsmittel des S. zu beschaffen. Die in der Wohnung des S. begonnene Raubtat hat daher in der vergeblichen Suche nach Drogen in der Wohnung des F. lediglich ihre Fortsetzung gefunden. Damit belegen die Feststellungen nur einen vollendeten schweren Raub zum Nachteil des S. durch Wegnahme dessen Geldes. Dass die Angeklagten daneben vergeblich weitere Beute in Form von Betäubungsmitteln des S. erzielen wollten, führt nicht zur Annahme eines weiteren versuchten Raubdelikts. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass sie zur Erlangung der erstrebten weiteren Beute nicht nur zunächst S. bedrohten, sondern später auch F. schlugen (vgl. LK/Vogel, StGB, 12. Aufl., § 249 Rn. 67; S/SEser /Bosch, StGB, 28. Aufl., § 249 Rn. 13). Die auf die Wegnahme der Drogen zielenden Tathandlungen sind daher lediglich als tateinheitlich zu dem vollendeten schweren Raub hinzutretendes versuchtes Sichverschaffen von Betäubungsmitteln nebst gefährlicher Körperverletzung zu werten.
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- Der Senat hat den Schuldspruch entsprechend geändert. § 265 StPO steht nicht entgegen, da sich die Angeklagten gegen den Tatvorwurf in seiner abweichenden rechtlichen Bewertung nicht anders als geschehen hätten verteidigen können.
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- Die auf die Sachrüge veranlasste Abänderung des Schuldspruchs erstreckt sich auch auf die Verurteilung des Mitangeklagten K. (§ 357 StPO); denn die rechtsfehlerhafte Würdigung als zwei in Tatmehrheit zueinander stehende Taten betrifft alle Angeklagten in gleicher Weise.
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- 3. Damit entfallen bezüglich des Angeklagten A. die wegen der beiden Taten verhängten Einzelstrafen von drei Jahren und sechs Monaten sowie zwei Jahren und sechs Monaten und damit auch die Gesamtstrafe. Gleiches gilt für die bezüglich des Angeklagten K. wegen der beiden Taten verhängten Einzelstrafen von drei Jahren und drei Monaten sowie zwei Jahren und drei Monaten sowie die gegen ihn ausgesprochene Gesamtstrafe.
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- Die Änderung des Schuldspruchs entzieht ebenso der gegen den Angeklagten P. verhängten Jugendstrafe die Grundlage. Der Senat kann - insbesondere angesichts der nur knapp über der Grenze zur Aussetzungsfähigkeit liegenden Strafe und der auch vom Landgericht anerkannten positiven Entwicklung des Angeklagten in der letzten Zeit - nicht ausschließen, dass die Strafkammer bei Wegfall einer selbständigen Tat die Jugendstrafe geringer bemessen hätte.
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- 4. Das angefochtene Urteil hat unter lediglich einem Gliederungspunkt fünf (bei zutreffender Würdigung: vier) selbständige Taten festgestellt. Das gibt dem Senat Anlass zu dem Hinweis, dass es sich in Punktesachen aus Gründen der Übersichtlichkeit stets empfiehlt, die Einzelfälle jeweils mit einer Ordnungs- zahl zu versehen, die den jeweiligen Einzelfall bei den Feststellungen zur Sache , bei der Beweiswürdigung, bei der rechtlichen Würdigung, bei der Strafzumessung und bei weiteren Sanktionsentscheidungen gleichermaßen kennzeichnet (vgl. BGH, Beschluss vom 28. November 2000 - 5 StR 453/00, BGHR StPO § 267 Abs. 1 Satz 1 Sachdarstellung 12).
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
(1) Erfolgt die Aufhebung des Urteils nur wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen, so hat das Revisionsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, sofern ohne weitere tatsächliche Erörterungen nur auf Freisprechung oder auf Einstellung oder auf eine absolut bestimmte Strafe zu erkennen ist oder das Revisionsgericht in Übereinstimmung mit dem Antrag der Staatsanwaltschaft die gesetzlich niedrigste Strafe oder das Absehen von Strafe für angemessen erachtet.
(1a) Wegen einer Gesetzesverletzung nur bei Zumessung der Rechtsfolgen kann das Revisionsgericht von der Aufhebung des angefochtenen Urteils absehen, sofern die verhängte Rechtsfolge angemessen ist. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft kann es die Rechtsfolgen angemessen herabsetzen.
(1b) Hebt das Revisionsgericht das Urteil nur wegen Gesetzesverletzung bei Bildung einer Gesamtstrafe (§§ 53, 54, 55 des Strafgesetzbuches) auf, kann dies mit der Maßgabe geschehen, dass eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung über die Gesamtstrafe nach den §§ 460, 462 zu treffen ist. Entscheidet das Revisionsgericht nach Absatz 1 oder Absatz 1a hinsichtlich einer Einzelstrafe selbst, gilt Satz 1 entsprechend. Die Absätze 1 und 1a bleiben im Übrigen unberührt.
(2) In anderen Fällen ist die Sache an eine andere Abteilung oder Kammer des Gerichtes, dessen Urteil aufgehoben wird, oder an ein zu demselben Land gehörendes anderes Gericht gleicher Ordnung zurückzuverweisen. In Verfahren, in denen ein Oberlandesgericht im ersten Rechtszug entschieden hat, ist die Sache an einen anderen Senat dieses Gerichts zurückzuverweisen.
(3) Die Zurückverweisung kann an ein Gericht niederer Ordnung erfolgen, wenn die noch in Frage kommende strafbare Handlung zu dessen Zuständigkeit gehört.
Erfolgt zugunsten eines Angeklagten die Aufhebung des Urteils wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Strafgesetzes und erstreckt sich das Urteil, soweit es aufgehoben wird, noch auf andere Angeklagte, die nicht Revision eingelegt haben, so ist zu erkennen, als ob sie gleichfalls Revision eingelegt hätten. § 47 Abs. 3 gilt entsprechend.
(1) Der Angeklagte darf nicht auf Grund eines anderen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten Strafgesetzes verurteilt werden, ohne daß er zuvor auf die Veränderung des rechtlichen Gesichtspunktes besonders hingewiesen und ihm Gelegenheit zur Verteidigung gegeben worden ist.
(2) Ebenso ist zu verfahren, wenn
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sich erst in der Verhandlung vom Strafgesetz besonders vorgesehene Umstände ergeben, welche die Strafbarkeit erhöhen oder die Anordnung einer Maßnahme oder die Verhängung einer Nebenstrafe oder Nebenfolge rechtfertigen, - 2.
das Gericht von einer in der Verhandlung mitgeteilten vorläufigen Bewertung der Sach- oder Rechtslage abweichen will oder - 3.
der Hinweis auf eine veränderte Sachlage zur genügenden Verteidigung des Angeklagten erforderlich ist.
(3) Bestreitet der Angeklagte unter der Behauptung, auf die Verteidigung nicht genügend vorbereitet zu sein, neu hervorgetretene Umstände, welche die Anwendung eines schwereren Strafgesetzes gegen den Angeklagten zulassen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten oder die zu den in Absatz 2 Nummer 1 bezeichneten gehören, so ist auf seinen Antrag die Hauptverhandlung auszusetzen.
(4) Auch sonst hat das Gericht auf Antrag oder von Amts wegen die Hauptverhandlung auszusetzen, falls dies infolge der veränderten Sachlage zur genügenden Vorbereitung der Anklage oder der Verteidigung angemessen erscheint.
Erfolgt zugunsten eines Angeklagten die Aufhebung des Urteils wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Strafgesetzes und erstreckt sich das Urteil, soweit es aufgehoben wird, noch auf andere Angeklagte, die nicht Revision eingelegt haben, so ist zu erkennen, als ob sie gleichfalls Revision eingelegt hätten. § 47 Abs. 3 gilt entsprechend.
(1) Wird der Angeklagte verurteilt, so müssen die Urteilsgründe die für erwiesen erachteten Tatsachen angeben, in denen die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden. Soweit der Beweis aus anderen Tatsachen gefolgert wird, sollen auch diese Tatsachen angegeben werden. Auf Abbildungen, die sich bei den Akten befinden, kann hierbei wegen der Einzelheiten verwiesen werden.
(2) Waren in der Verhandlung vom Strafgesetz besonders vorgesehene Umstände behauptet worden, welche die Strafbarkeit ausschließen, vermindern oder erhöhen, so müssen die Urteilsgründe sich darüber aussprechen, ob diese Umstände für festgestellt oder für nicht festgestellt erachtet werden.
(3) Die Gründe des Strafurteils müssen ferner das zur Anwendung gebrachte Strafgesetz bezeichnen und die Umstände anführen, die für die Zumessung der Strafe bestimmend gewesen sind. Macht das Strafgesetz Milderungen von dem Vorliegen minder schwerer Fälle abhängig, so müssen die Urteilsgründe ergeben, weshalb diese Umstände angenommen oder einem in der Verhandlung gestellten Antrag entgegen verneint werden; dies gilt entsprechend für die Verhängung einer Freiheitsstrafe in den Fällen des § 47 des Strafgesetzbuches. Die Urteilsgründe müssen auch ergeben, weshalb ein besonders schwerer Fall nicht angenommen wird, wenn die Voraussetzungen erfüllt sind, unter denen nach dem Strafgesetz in der Regel ein solcher Fall vorliegt; liegen diese Voraussetzungen nicht vor, wird aber gleichwohl ein besonders schwerer Fall angenommen, so gilt Satz 2 entsprechend. Die Urteilsgründe müssen ferner ergeben, weshalb die Strafe zur Bewährung ausgesetzt oder einem in der Verhandlung gestellten Antrag entgegen nicht ausgesetzt worden ist; dies gilt entsprechend für die Verwarnung mit Strafvorbehalt und das Absehen von Strafe. Ist dem Urteil eine Verständigung (§ 257c) vorausgegangen, ist auch dies in den Urteilsgründen anzugeben.
(4) Verzichten alle zur Anfechtung Berechtigten auf Rechtsmittel oder wird innerhalb der Frist kein Rechtsmittel eingelegt, so müssen die erwiesenen Tatsachen, in denen die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden, und das angewendete Strafgesetz angegeben werden; bei Urteilen, die nur auf Geldstrafe lauten oder neben einer Geldstrafe ein Fahrverbot oder die Entziehung der Fahrerlaubnis und damit zusammen die Einziehung des Führerscheins anordnen, oder bei Verwarnungen mit Strafvorbehalt kann hierbei auf den zugelassenen Anklagesatz, auf die Anklage gemäß § 418 Abs. 3 Satz 2 oder den Strafbefehl sowie den Strafbefehlsantrag verwiesen werden. Absatz 3 Satz 5 gilt entsprechend. Den weiteren Inhalt der Urteilsgründe bestimmt das Gericht unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls nach seinem Ermessen. Die Urteilsgründe können innerhalb der in § 275 Abs. 1 Satz 2 vorgesehenen Frist ergänzt werden, wenn gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung des Rechtsmittels Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt wird.
(5) Wird der Angeklagte freigesprochen, so müssen die Urteilsgründe ergeben, ob der Angeklagte für nicht überführt oder ob und aus welchen Gründen die für erwiesen angenommene Tat für nicht strafbar erachtet worden ist. Verzichten alle zur Anfechtung Berechtigten auf Rechtsmittel oder wird innerhalb der Frist kein Rechtsmittel eingelegt, so braucht nur angegeben zu werden, ob die dem Angeklagten zur Last gelegte Straftat aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen nicht festgestellt worden ist. Absatz 4 Satz 4 ist anzuwenden.
(6) Die Urteilsgründe müssen auch ergeben, weshalb eine Maßregel der Besserung und Sicherung angeordnet, eine Entscheidung über die Sicherungsverwahrung vorbehalten oder einem in der Verhandlung gestellten Antrag entgegen nicht angeordnet oder nicht vorbehalten worden ist. Ist die Fahrerlaubnis nicht entzogen oder eine Sperre nach § 69a Abs. 1 Satz 3 des Strafgesetzbuches nicht angeordnet worden, obwohl dies nach der Art der Straftat in Betracht kam, so müssen die Urteilsgründe stets ergeben, weshalb die Maßregel nicht angeordnet worden ist.