Bundesgerichtshof Beschluss, 20. Dez. 2016 - 2 StR 432/16
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 20. Dezember 2016 gemäß § 349 Abs. 1 StPO beschlossen:
Gründe:
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- Das Landgericht hat den Angeklagten des Diebstahls in Tateinheit mit Sachbeschädigung schuldig gesprochen, ihn verwarnt und ihm auferlegt, innerhalb eines Jahres nach Rechtskraft des Urteils 60 Stunden gemeinnütziger Arbeit nach Weisung der Jugendgerichtshilfe zu erbringen. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die Verletzung materiellen Rechts gestützten Revision.
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- Die Revision des Angeklagten ist unzulässig (§ 349 Abs. 1 StPO).
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- 1. Der Angeklagte hat ausweislich des Hauptverhandlungsprotokolls nach Urteilsverkündung und Rechtsmittelbelehrung in Anwesenheit seiner beiden Verteidiger ausdrücklich, eindeutig und vorbehaltlos Rechtsmittelverzicht erklärt. Diese Prozesserklärung ist auch in Fällen, in denen – wie hier – Jugendstrafrecht auf einen Heranwachsenden angewendet wird (vgl. dazu Eisenberg , Jugendgerichtsgesetz, 14. Aufl., § 55 Rn. 11 ff. mwN), grundsätzlich un- widerruflich und unanfechtbar (vgl. BGH, Beschluss vom 14. Januar 1986 – 1 StR 589/85, NStZ 1986, 277, 278).
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- 2. Gründe, die ausnahmsweise zur Unwirksamkeit des Rechtsmittelverzichts des Angeklagten führen könnten, liegen nicht vor. Die Verzichtserklärung ist – in entsprechender Anwendung des § 302 Abs. 1 Satz 2 StPO – auch nicht deshalb unwirksam, weil dem Urteil unter Umgehung des § 257c StPO eine informelle Verständigung (vgl. Senat, Beschluss vom 24. September 2013 – 2 StR 267/13, BGHSt 59, 21, 26) zugrunde liegt.
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- a) Zwar behauptet die Revision, dem Urteil sei eine außerhalb der Hauptverhandlung erfolgte Verständigung im Sinne des § 257c StPO zwischen Staatsanwaltschaft und Verteidigung vorausgegangen, dem der Vorsitzende in einem fernmündlichen Gespräch mit der Verteidigerin beigetreten sei; Staatsanwaltschaft und Verteidigung hätten sich im Rahmen einer „über den Herrn Kammervorsitzenden“ geführten Korrespondenz dahin geeinigt, dass die Staatsanwaltschaft der von der Verteidigung nach 20 Verhandlungstagen erstrebten Abtrennung des Verfahrens gegen den Angeklagten von dem gegen weitere sechs Angeklagte geführten Verfahren nicht entgegen treten werde, wenn die Verteidigung erkläre, auf die Stellung etwaiger Beweisanträge zu verzichten. Der Vorsitzende der Jugendkammer sei dieser Verständigung – konkludent – beigetreten („so machen wir es“) und habe der Verteidigerin ge- raten, den Antrag auf Verfahrensabtrennung in der Hauptverhandlung zu wiederholen.
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- b) Dieses Revisionsvorbringen steht in Widerspruch zu dem in das Hauptverhandlungsprotokoll aufgenommenen Negativattest, gegen das der Einwand der Fälschung (vgl. dazu Senat, Beschluss vom 31. März 2010 – 2StR 31/10, NStZ-RR 2010, 213) nicht erhoben worden ist. Darüber hinaus ist das Revisionsvorbringen durch die vom Vorsitzenden der Jugendkammer abgegebene dienstliche Erklärung widerlegt. Darin hatte der Vorsitzende erklärt , dass die Verteidigerin schriftlich die Abtrennung des Verfahrens gegen ihren Mandanten beantragt habe, nachdem die umfangreiche Beweisaufnahme keine Anhaltspunkte dafür erbrachte, dass ihr Mandant über das von ihm abgelegte Geständnis hinaus die ihm zur Last liegenden drei Taten nicht allein, sondern in arbeitsteiligem Zusammenwirken mit Dritten begangen habe. Dieses Schreiben habe er an die Staatsanwaltschaft mit der Bitte um Kenntnis- und Stellungnahme weitergeleitet. Die Staatsanwaltschaft sei der begehrten Verfahrensabtrennung entgegen getreten, habe jedoch ihre Bereitschaft zu einem zeitnahen Plädoyer signalisiert, wenn die Verteidigung erkläre, auf die Stellung von Beweisanträgen zu verzichten. Die Verteidigung habe sich damit einverstanden erklärt. Er selbst habe in den mit Staatsanwaltschaft und Verteidigung geführten fernmündlichen Gesprächen erklärt, dass er „die von der Staatsanwaltschaft für die Zustimmung zur Abtrennung geforderte Erklärung der Verteidigung , keine Beweisanträge zu stellen, für unzulässig erachte“. Zugleich habe er in Aussicht gestellt, dass die Kammer, die bereits im Zwischenverfahren die Abtrennung des Verfahrens gegen den heranwachsenden Angeklagten beschlossen hatte, einem solchen Antrag positiv gegenüber stehe. Deshalb habe er der (Instanz-)Verteidigerin geraten, den Antrag auf Abtrennung des Verfahrens in der Hauptverhandlung zu wiederholen. Vor dem Hintergrund dieser dienstlichen Stellungnahme, an deren Richtigkeit zu zweifeln kein Anlass besteht , hält es der Senat für erwiesen, dass dem Urteil eine Verständigung im Sinne des § 257c StPO nicht vorausgegangen ist.
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- 3. Infolge des wirksamen Rechtsmittelverzichts ist das Urteil des Landgerichts Gera vom 25. Mai 2016 rechtskräftig. Die Revision des Angeklagten war daher als unzulässig zu verwerfen.
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- 4. Der Senat hat davon abgesehen, dem Angeklagten die Verfahrenskosten aufzuerlegen (§ 74 JGG i.V.m. § 109 Abs. 2 JGG). Fischer Eschelbach Zeng Bartel Grube
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
(1) Die Zurücknahme eines Rechtsmittels sowie der Verzicht auf die Einlegung eines Rechtsmittels können auch vor Ablauf der Frist zu seiner Einlegung wirksam erfolgen. Ist dem Urteil eine Verständigung (§ 257c) vorausgegangen, ist ein Verzicht ausgeschlossen. Ein von der Staatsanwaltschaft zugunsten des Beschuldigten eingelegtes Rechtsmittel kann ohne dessen Zustimmung nicht zurückgenommen werden.
(2) Der Verteidiger bedarf zur Zurücknahme einer ausdrücklichen Ermächtigung.
(1) Das Gericht kann sich in geeigneten Fällen mit den Verfahrensbeteiligten nach Maßgabe der folgenden Absätze über den weiteren Fortgang und das Ergebnis des Verfahrens verständigen. § 244 Absatz 2 bleibt unberührt.
(2) Gegenstand dieser Verständigung dürfen nur die Rechtsfolgen sein, die Inhalt des Urteils und der dazugehörigen Beschlüsse sein können, sonstige verfahrensbezogene Maßnahmen im zugrundeliegenden Erkenntnisverfahren sowie das Prozessverhalten der Verfahrensbeteiligten. Bestandteil jeder Verständigung soll ein Geständnis sein. Der Schuldspruch sowie Maßregeln der Besserung und Sicherung dürfen nicht Gegenstand einer Verständigung sein.
(3) Das Gericht gibt bekannt, welchen Inhalt die Verständigung haben könnte. Es kann dabei unter freier Würdigung aller Umstände des Falles sowie der allgemeinen Strafzumessungserwägungen auch eine Ober- und Untergrenze der Strafe angeben. Die Verfahrensbeteiligten erhalten Gelegenheit zur Stellungnahme. Die Verständigung kommt zustande, wenn Angeklagter und Staatsanwaltschaft dem Vorschlag des Gerichtes zustimmen.
(4) Die Bindung des Gerichtes an eine Verständigung entfällt, wenn rechtlich oder tatsächlich bedeutsame Umstände übersehen worden sind oder sich neu ergeben haben und das Gericht deswegen zu der Überzeugung gelangt, dass der in Aussicht gestellte Strafrahmen nicht mehr tat- oder schuldangemessen ist. Gleiches gilt, wenn das weitere Prozessverhalten des Angeklagten nicht dem Verhalten entspricht, das der Prognose des Gerichtes zugrunde gelegt worden ist. Das Geständnis des Angeklagten darf in diesen Fällen nicht verwertet werden. Das Gericht hat eine Abweichung unverzüglich mitzuteilen.
(5) Der Angeklagte ist über die Voraussetzungen und Folgen einer Abweichung des Gerichtes von dem in Aussicht gestellten Ergebnis nach Absatz 4 zu belehren.
Im Verfahren gegen einen Jugendlichen kann davon abgesehen werden, dem Angeklagten Kosten und Auslagen aufzuerlegen.
(1) Von den Vorschriften über das Jugendstrafverfahren (§§ 43 bis 81a) sind im Verfahren gegen einen Heranwachsenden die §§ 43, 46a, 47a, 50 Absatz 3 und 4, die §§ 51a, 68 Nummer 1, 4 und 5, die §§ 68a, 68b, 70 Absatz 2 und 3, die §§ 70a, 70b Absatz 1 Satz 1 und Absatz 2, die §§ 70c, 72a bis 73 und 81a entsprechend anzuwenden. Die Bestimmungen des § 70a sind nur insoweit anzuwenden, als sich die Unterrichtung auf Vorschriften bezieht, die nach dem für die Heranwachsenden geltenden Recht nicht ausgeschlossen sind. Die Jugendgerichtshilfe und in geeigneten Fällen auch die Schule werden von der Einleitung und dem Ausgang des Verfahrens unterrichtet. Sie benachrichtigen den Staatsanwalt, wenn ihnen bekannt wird, daß gegen den Beschuldigten noch ein anderes Strafverfahren anhängig ist. Die Öffentlichkeit kann ausgeschlossen werden, wenn dies im Interesse des Heranwachsenden geboten ist.
(2) Wendet der Richter Jugendstrafrecht an (§ 105), so gelten auch die §§ 45, 47 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 2 und 3, Abs. 2, 3, §§ 52, 52a, 54 Abs. 1, §§ 55 bis 66, 74 und 79 Abs. 1 entsprechend. § 66 ist auch dann anzuwenden, wenn die einheitliche Festsetzung von Maßnahmen oder Jugendstrafe nach § 105 Abs. 2 unterblieben ist. § 55 Abs. 1 und 2 ist nicht anzuwenden, wenn die Entscheidung im beschleunigten Verfahren des allgemeinen Verfahrensrechts ergangen ist. § 74 ist im Rahmen einer Entscheidung über die Auslagen des Antragstellers nach § 472a der Strafprozessordnung nicht anzuwenden.
(3) In einem Verfahren gegen einen Heranwachsenden findet § 407 Abs. 2 Satz 2 der Strafprozeßordnung keine Anwendung.