Bundesgerichtshof Beschluss, 11. Mai 2017 - 2 StR 332/15
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 11. Mai 2017 gemäß § 406a Abs. 2 Satz 2 StPO beschlossen:
Gründe:
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- Das Landgericht hatte den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und zehn Monaten verurteilt. Darüber hinaus hatte es ihn zur Zahlung eines Schmerzensgeldes in Höhe von 5.000 € nebst Zinsen an die Neben- und Adhäsionsklägerin M. verurteilt und ihn verpflichtet, alle ihr aus „dem Schadensereignis“ entstandenen materiellen Schäden zu ersetzen. Darüber hinaus hat es ihn verpflichtet, alle künftigen materiellen und immateriellen Schäden, die der Verletzten aus dem Schadensereignis erwachsen sind, zu ersetzen.
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- Mit Beschluss vom 19. Januar 2016 hat der Senat die Revision des Angeklagten verworfen, soweit sie sich gegen die Schuld- und Strafaussprüche richtete. Er hat die Adhäsionsentscheidung aufgehoben, soweit der Angeklagte zum Ersatz aller aufgrund der Tat vom 7. August 2014 entstandenen materiel- len Schäden verpflichtet worden ist. Die Entscheidung der Revision gegen die im vorbezeichneten Urteil getroffene weitere Adhäsionsentscheidung sowie über die Kosten des Rechtsmittels hat er im Hinblick auf das mit Beschluss vom 8. Oktober 2014 – 2 StR 137/14 u.a. (NStZ-RR 2015, 382) bei den anderen Strafsenaten und beim Großen Senat für Zivilsachen eingeleitete Anfrageverfahren zur Frage der Bemessung eines Schmerzensgeldes zurückgestellt und sie einer abschließenden Entscheidung vorbehalten.
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- Nach der Entscheidung der Vereinigten Großen Senate des Bundesgerichtshofs vom 16. September 2016 – VGS 1/16 (JR 2017, 179), dem der Senat mit Beschluss vom 14. April 2016 – 2 StR 137/14 u.a. die Frage vorgelegt hatte, ob bei der Bemessung der billigen Entschädigung in Geld (§ 253 Abs. 2 BGB) die wirtschaftlichen Verhältnisse des Schädigers und des Geschädigten berücksichtigt werden dürfen und wenn ja, nach welchen Maßstäben, war nunmehr die gegen die verbleibende Adhäsionsentscheidung gerichtete Revision des Angeklagten zu entscheiden. Die Revision ist auch insoweit unbegründet.
I.
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- 1. Die Vereinigten Großen Senate des Bundesgerichtshofs haben entschieden , dass bei der Bemessung einer billigen Entschädigung in Geld nach § 253 Abs. 2 BGB (§ 847 BGB a.F.) alle Umstände des Falles berücksichtigt und dabei die wirtschaftlichen Verhältnisse des Schädigers und des Geschädigten nicht von vornherein ausgeschlossen werden können (Vereinigte Große Senate, Beschluss vom 16. September 2016 – VGS 1/16).
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- Das Schmerzensgeld hat nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs rechtlich eine doppelte Funktion. Es soll dem Geschädigten einen angemessenen Ausgleich bieten für diejenigen Schäden, für diejenige Lebenshemmung , die nicht vermögensrechtlicher Art sind (Ausgleichsfunktion). Es soll aber zugleich dem Gedanken Rechnung tragen, dass der Schädiger dem Geschädigten für das, was er ihm angetan hat, Genugtuung schuldet (Genugtuungsfunktion , st. Rspr., grundlegend BGH, Großer Senat für Zivilsachen, Beschluss vom 6. Juli 1955 – GSZ 1/55, BGHZ 18, 149, 154 ff.; BGH, VI. Zivilsenat, Urteile vom 13. Oktober 1992 – VI ZR 201/91, BGHZ 120, 1, 4 f. und vom 29. November 1994 – VI ZR 93/94, BGHZ 128, 117, 120 f.).
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- Dabei steht der Entschädigungs- oder Ausgleichsgedanke im Vordergrund. Im Hinblick auf diese Zweckbestimmung des Schmerzensgeldes bildet die Rücksicht auf Größe, Heftigkeit und Dauer der Schmerzen, Leiden und Entstellungen die wesentlichste Grundlage bei der Bemessung der billigen Entschädigung in Geld. Für bestimmte Gruppen von immateriellen Schäden hat aber auch die Genugtuungsfunktion, die aus der Regelung der Entschädigung für immaterielle Schäden nicht hinwegzudenken ist, eine besondere Bedeutung. Sie bringt insbesondere bei vorsätzlichen Taten eine durch den Schadensfall hervorgerufene persönliche Beziehung zwischen Schädiger und Geschädigtem zum Ausdruck, die nach der Natur der Sache bei der Bestimmung der Leistung die Berücksichtigung aller Umstände des Falles gebietet (BGH, Großer Senat für Zivilsachen, Beschluss vom 6. Juli 1955 – GSZ 1/55, BGHZ 18, 149, 157; VI. Zivilsenat, Urteil vom 16. Januar 1996 – VI ZR 109/95, VersR 1996, 382).
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- Bei der Bemessung der billigen Entschädigung in Geld stehen deshalb die Höhe und das Maß der Lebensbeeinträchtigung ganz im Vordergrund. Daneben können aber auch alle anderen Umstände berücksichtigt werden, die dem einzelnen Schadensfall sein besonderes Gepräge geben, wie etwa der Grad des Verschuldens des Schädigers, im Einzelfall aber auch die wirtschaftlichen Verhältnisse des Geschädigten oder diejenigen des Schädigers (Vereinig- te Große Senate, Beschluss vom 16. September 2016 – VGS 1/16 – juris, Rn. 55). Ein mit zu berücksichtigender Umstand kann dabei die Verletzung einer "armen" Partei durch einen vermögenden Schädiger etwa bei einem außergewöhnlichen "wirtschaftlichen Gefälle" sein (Vereinigte Große Senate, Beschluss vom 16. September 2016 – VGS 1/16 – juris, Rn. 57). Indem der (Tat-)Richter in einem ersten Schritt alle Umstände des Falles in den Blick nimmt, sodann die prägenden Umstände auswählt und gewichtet, dabei gegebenenfalls auch die (wirtschaftlichen) Verhältnisse der Parteien zueinander in Beziehung setzt, ergibt sich im Einzelfall, welche Entschädigung billig ist (Vereinigte Große Senate, Beschluss vom 16. September 2016 – VGS 1/16 – juris, Rn. 56, 70).
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- 2. Zur Überprüfung seiner Entscheidung durch das Revisionsgericht ist der Tatrichter regelmäßig gehalten, die für die Schmerzensgeldbemessung prägenden einzelnen Umstände, im Regelfall vor allem die Höhe und das Maß der Lebensbeeinträchtigung, in seiner Entscheidung zu benennen, im Rahmen einer sich daran anschließenden Gesamtwürdigung gegeneinander abzuwägen und daraus ein dem Einzelfall gerecht werdendes Schmerzensgeld festzusetzen. Feststellungen zu den wirtschaftlichen Verhältnissen von Schädiger und Geschädigtem und Ausführungen zu deren Einfluss auf die Bemessung der billigen Entschädigung sind dabei nur geboten, wenn die wirtschaftlichen Verhältnisse dem Einzelfall ein besonderes Gepräge geben und deshalb bei der Entscheidung ausnahmsweise berücksichtigt werden mussten (Vereinigte Große Senate, Beschluss vom 16. September 2016 – VGS 1/16 – juris, Rn. 72).
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- 3. Für die Überprüfung eines Ausspruchs über die Zuerkennung eines Schmerzensgeldes im Adhäsionsverfahren gilt danach Folgendes:
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- a) Die Nichtberücksichtigung der wirtschaftlichen Verhältnisse von Angeklagtem und Tatopfer stellt entgegen der bisherigen Rechtsprechung der Strafsenate des Bundesgerichtshofs regelmäßig keinen Rechtsfehler dar. Ausnahmsweise ist eine Berücksichtigung vonnöten, wenn die wirtschaftlichen Verhältnisse dem Fall ein „besonderes Gepräge“ geben. Dies ist etwa bei einem wirtschaftlichen Gefälle anzunehmen. Ausführungen dazu, dass die wirtschaftlichen Verhältnisse dem Fall kein besonderes Gepräge geben, sind regelmäßig nicht erforderlich.
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- b) Hat der Tatrichter die wirtschaftlichen Verhältnisse von Angeklagtem oder Tatopfer, ohne dass diese dem Fall ihr besonderes Gepräge geben, gleichwohl bei der Bemessung des Schmerzensgeldes berücksichtigt, stellt dies regelmäßig einen Rechtsfehler dar, bei dem anhand der tatrichterlichen Erwägungen im Einzelfall zu prüfen ist, ob die angefochtene Adhäsionsentscheidung darauf zum Nachteil des Angeklagten beruhen kann. Die Berücksichtigung schlechter finanzieller Verhältnisse des Angeklagten wird sich regelmäßig nicht zu seinem Nachteil ausgewirkt haben. Hingegen liegt es nahe, dass die Einbeziehung einer wirtschaftlich schlechten Situation des Tatopfers zu einer Erhöhung des Schmerzensgeldes geführt und sich nachteilig ausgewirkt hat.
II.
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- Nach diesen Maßstäben begegnet die Adhäsionsentscheidung des angefochtenen Urteils keinen Bedenken. Das Landgericht hat sich ersichtlich an dem Ausmaß des von dem Angeklagten verwirklichten Tatunrechts und den Folgen für das Opfer orientiert. Zwar hat es die wirtschaftlichen Verhältnisse der beiden Beteiligten, die beide arbeits- und vermögenslos sind und Sozialleistungen beziehen, berücksichtigt. Das Landgericht hat das Schmerzensgeld aber mit Blick auf die wirtschaftlichen Verhältnisse der Beteiligten ersichtlich weder erhöht noch reduziert; daher ist auszuschließen, dass das Urteil auf der unter den hier gegebenen Umständen rechtsfehlerhaft erfolgten Berücksichtigung der wirtschaftlichen Verhältnisse der Beteiligten beruht. Appl Krehl Eschelbach Bartel Grube
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(1) Gegen den Beschluss, mit dem nach § 406 Abs. 5 Satz 2 von einer Entscheidung über den Antrag abgesehen wird, ist sofortige Beschwerde zulässig, wenn der Antrag vor Beginn der Hauptverhandlung gestellt worden und solange keine den Rechtszug abschließende Entscheidung ergangen ist. Im Übrigen steht dem Antragsteller ein Rechtsmittel nicht zu.
(2) Soweit das Gericht dem Antrag stattgibt, kann der Angeklagte die Entscheidung auch ohne den strafrechtlichen Teil des Urteils mit dem sonst zulässigen Rechtsmittel anfechten. In diesem Falle kann über das Rechtsmittel durch Beschluss in nichtöffentlicher Sitzung entschieden werden. Ist das zulässige Rechtsmittel die Berufung, findet auf Antrag des Angeklagten oder des Antragstellers eine mündliche Anhörung der Beteiligten statt.
(3) Die dem Antrag stattgebende Entscheidung ist aufzuheben, wenn der Angeklagte unter Aufhebung der Verurteilung wegen der Straftat, auf welche die Entscheidung über den Antrag gestützt worden ist, weder schuldig gesprochen noch gegen ihn eine Maßregel der Besserung und Sicherung angeordnet wird. Dies gilt auch, wenn das Urteil insoweit nicht angefochten ist.
(1) Wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, kann Entschädigung in Geld nur in den durch das Gesetz bestimmten Fällen gefordert werden.
(2) Ist wegen einer Verletzung des Körpers, der Gesundheit, der Freiheit oder der sexuellen Selbstbestimmung Schadensersatz zu leisten, kann auch wegen des Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, eine billige Entschädigung in Geld gefordert werden.
(weggefallen)