Bundesgerichtshof Beschluss, 27. Nov. 2018 - 2 StR 254/18

published on 27.11.2018 00:00
Bundesgerichtshof Beschluss, 27. Nov. 2018 - 2 StR 254/18
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Gericht


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR 254/18
vom
27. November 2018
in der Strafsache
gegen
wegen Geiselnahme u. a.
ECLI:DE:BGH:2018:271118B2STR254.18.0

Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 27. November 2018 gemäß § 349 Abs. 2 und 4, § 354 Abs. 1 analog StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten K. wird das Urteil des Landgerichts Aachen vom 31. Januar 2018, soweit es ihn betrifft , im Schuldspruch dahin geändert, dass er des versuchten schweren Raubes in Tateinheit mit erpresserischem Menschenraub und mit gefährlicher Körperverletzung schuldig ist. 2. Die weitergehende Revision wird verworfen. 3. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Geiselnahme in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt, von der es fünf Monate für bereits vollstreckt erklärt hat. Die dagegen gerichtete und auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten führt zur Änderung des Schuldspruchs ; im Übrigen ist sie unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).

I.

2
Das Landgericht hat folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
3
1. Im Frühjahr 2014 wurden in D. mehrere professionell geführte Cannabisplantagen aufgedeckt und deren mutmaßliche Betreiber, darunter der Zeuge V. , in Untersuchungshaft, genommen. Kurz darauf wandte sich ein Mittelsmann des V. telefonisch an den Mitangeklagten Y. und äußerte den Verdacht, noch vor der Räumung seiner Plantage habe sich der Nebenkläger deren technische Ausrüstung angeeignet und betreibe damit nun selbst eine Plantage. Der Mittelsmann fragte Y. , ob er jemanden kenne, der den Nebenkläger dazu bringen könne, den Ort seiner Plantage zu verraten. Y. warb dafür den Mitangeklagten S. P. an. Da Y. nicht vor Ort sein konnte, übernahm der Angeklagte K. , dem eine Gewinnbeteiligung an der Plantage in Aussicht gestellt worden war, die Aufgabe, sich in der Nähe des Wohnortes des Nebenklägers mit P. zu treffen und ihm weitere Instruktionen zu geben. Am Tattag trafen sich K. und S. P. , der seinen Bruder F. als Verstärkung mitgebracht hatte, auf einem Parkplatz nahe dem Wohnhaus des Nebenklägers. Alle waren sich darüber im Klaren, dass es darum ging, vom Nebenkläger die Nennung des Standorts der Plantage durch Drohung oder Gewalt zu erzwingen. Die einzelnen Zwangsmittel wurden nicht besprochen, sondern den vor Ort agierenden Tätern überlassen. Außerdem sollte der Nebenkläger bis zum „Leerräumen“ der Plantage über mehrere Stun- den festgehalten werden. Der Angeklagte K. nannte den Brüdern P. den Namen und die Adresse des Nebenklägers. Die Angeklagten P. begaben sich zum Wohnhaus des Nebenklägers und klingelten. Als der Nebenkläger die Wohnungstür öffnete, drängten sie ihn in die Wohnung, klebten ihm den Mund mit Klebeband zu, fesselten ihn und fragten ihn nach dem Ort der Plantage. Als der Nebenkläger angab, nichts von einer Plantage zu wissen, schlugen sie mehrfach auf ihr Opfer ein. S. P. informierte daraufhin den Angeklagten K. telefonisch, dass der Nebenkläger nichts wisse. Als K. entgegnete, dass dies nicht sein könne, äußerte P. , dass er dann anders agieren müsse. Nachdem auch weitere Schläge nicht die erhoffte Wirkung gezeigt hatten, nahm F. P. eine im Raum befindliche Schere, hielt sie dem Nebenkläger vor und drohte ihm damit, seine Finger einzeln abzuschneiden. Der Nebenkläger, der unter dem Eindruck der körperlichen Misshandlungen Todesangst hatte, wusste sich schließlich nicht anders zu helfen , als den Brüdern eine fiktive Örtlichkeit zu nennen. Während F. P. den Nebenkläger weiter in der Wohnung festhielt, ging sein Bruder S. zu dem in der Nähe wartenden K. . Gemeinsam machten sie sich mit dem Auto auf den Weg zu dem vom Nebenkläger genannten Ort und hielten telefonischen Kontakt zu F. P. . Noch während der Suche gelang es dem Nebenkläger, sich aus der Wohnung zu befreien und die Polizei zu verständigen. Die von F. P. telefonisch über die Flucht informierten Angeklagten K. und S. P. gaben schließlich die Suche nach der Plantage auf.
4
2. Das Landgericht hat die Tat des Angeklagten sowie der Mitangeklagten jeweils als Geiselnahme in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung bewertet. Dabei ist es davon ausgegangen, dass der Angeklagte und die Mitangeklagten als Mittäter handelten.

II.

5
1. Der Senat ändert den Schuldspruch ab, da sich die Tat des Angeklagten K. entgegen der Auffassung des Landgerichts als versuchter schwerer Raub in Tateinheit mit erpresserischem Menschenraub und mit gefährlicher Körperverletzung darstellt.
6
a) Bei der erzwungenen Preisgabe des Versteckes einer noch wegzunehmenden Beute handelt es sich um einen (versuchten) Raub (vgl. BGH, Beschluss vom 13. Oktober 2005 – 5 StR 366/05, NStZ 2006, 38; Schönke/ Schröder/Bosch, StGB, 30. Aufl., § 249 Rn. 2; MüKo/Sander, StGB, 3. Aufl., § 249 Rn. 34). Die mittäterschaftlich handelnden Angeklagten haben den Nebenkläger allein deshalb gefesselt, geschlagen und bedroht, um die spätere Wegnahme der am Ort der Plantage erwarteten Gegenstände zu ermöglichen. Der zwischen Gewaltanwendung und Wegnahme erforderliche örtliche und zeitliche Zusammenhang war nach den Feststellungen gegeben, da einer der Täter den Nebenkläger bewachte, während die anderen die Plantage suchten und dabei telefonischen Kontakt mit dem Bewacher hielten. Im Hinblick auf den von allen Tätern gebilligten Einsatz des mitgebrachten Klebebands zur Fesselung und Knebelung ist der Qualifikationstatbestand des § 250 Abs. 1 Nr. 1b StGB erfüllt. Dass das Klebeband nach der konkreten Art seiner Verwendung geeignet war, erhebliche Verletzungen hervorzurufen und damit die Verwendung eines gefährlichen Werkzeugs im Sinne des § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB vorlag, ergibt sich aus den Feststellungen nicht.
7
b) Anders als bei den Mitangeklagten P. ist beim Revidenten der subjektive Tatbestand der Geiselnahme gemäß § 239b StGB nicht erfüllt. Nach den Feststellungen hatte er den Brüdern P. die Auswahl der angewandten Zwangsmittel überlassen und besaß insoweit bezüglich der gegenüber dem Nebenkläger geäußerten Drohung, ihm die Finger abzuschneiden lediglich „bedingten Vorsatz“ (UA S. 49). Der subjektive Tatbestand des § 239b Abs. 1 StGB erfordert jedoch hinsichtlich des Einsatzes der besonderen Drohungsmittel – hierder Drohung mit einer schweren Körperverletzung (§ 226) – Absicht im Sinne zielgerichteten Handelns (Schönke/Schröder/Eisele, aaO, § 239b Rn. 16; MüKo/Renzikowski, aaO, § 239b Rn. 27). Ungeachtet dessen sind bei allen Tätern die Voraussetzungen einer Strafbarkeit wegen mittäterschaftlich begangenen erpresserischen Menschenraubs gemäß § 239a Abs. 1, 2. Alt. StGB erfüllt, da eine geschaffene stabile Bemächtigungslage zu einem versuchten Raub ausgenutzt wurde (vgl. BGH, Beschluss vom 2. Februar 2012 – 3 StR 385/11, NStZ-RR 2012, 173, 174).
8
c) Zwischen dem versuchten schweren Raub, dem erpresserischen Menschenraub und der gefährlichen Körperverletzung besteht Tateinheit (vgl. BGH, Urteil vom 26. November 1985 – 1 StR 393/85, NStZ 1986, 166; Schönke/Schröder/Eisele, aaO, § 239a Rn. 44).
9
2. Der Änderung des Schuldspruchs steht § 265 StPO nicht entgegen, da ausgeschlossen werden kann, dass sich der geständige Angeklagte anders als geschehen verteidigt hätte.
10
3. Der Rechtsfolgenausspruch bleibt von der Schuldspruchänderung unberührt. Der Senat kann ausschließen, dass das Landgericht bei zutreffendem Schuldspruch eine niedrigere Strafe gegen den Angeklagten verhängt hätte; der vom Landgericht zu Grunde gelegte Strafrahmen des § 239b Abs. 2 StGB entspricht demjenigen des § 239a Abs. 2 StGB.
Franke Appl Zeng Grube Schmidt
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Annotations

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Auf Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren ist zu erkennen, wenn

1.
der Täter oder ein anderer Beteiligter am Raub
a)
eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug bei sich führt,
b)
sonst ein Werkzeug oder Mittel bei sich führt, um den Widerstand einer anderen Person durch Gewalt oder Drohung mit Gewalt zu verhindern oder zu überwinden,
c)
eine andere Person durch die Tat in die Gefahr einer schweren Gesundheitsschädigung bringt oder
2.
der Täter den Raub als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Raub oder Diebstahl verbunden hat, unter Mitwirkung eines anderen Bandenmitglieds begeht.

(2) Auf Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter oder ein anderer Beteiligter am Raub

1.
bei der Tat eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug verwendet,
2.
in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 eine Waffe bei sich führt oder
3.
eine andere Person
a)
bei der Tat körperlich schwer mißhandelt oder
b)
durch die Tat in die Gefahr des Todes bringt.

(3) In minder schweren Fällen der Absätze 1 und 2 ist die Strafe Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren.

(1) Wer einen Menschen entführt oder sich eines Menschen bemächtigt, um ihn oder einen Dritten durch die Drohung mit dem Tod oder einer schweren Körperverletzung (§ 226) des Opfers oder mit dessen Freiheitsentziehung von über einer Woche Dauer zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung zu nötigen, oder wer die von ihm durch eine solche Handlung geschaffene Lage eines Menschen zu einer solchen Nötigung ausnutzt, wird mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren bestraft.

(2) § 239a Abs. 2 bis 4 gilt entsprechend.

(1) Der Angeklagte darf nicht auf Grund eines anderen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten Strafgesetzes verurteilt werden, ohne daß er zuvor auf die Veränderung des rechtlichen Gesichtspunktes besonders hingewiesen und ihm Gelegenheit zur Verteidigung gegeben worden ist.

(2) Ebenso ist zu verfahren, wenn

1.
sich erst in der Verhandlung vom Strafgesetz besonders vorgesehene Umstände ergeben, welche die Strafbarkeit erhöhen oder die Anordnung einer Maßnahme oder die Verhängung einer Nebenstrafe oder Nebenfolge rechtfertigen,
2.
das Gericht von einer in der Verhandlung mitgeteilten vorläufigen Bewertung der Sach- oder Rechtslage abweichen will oder
3.
der Hinweis auf eine veränderte Sachlage zur genügenden Verteidigung des Angeklagten erforderlich ist.

(3) Bestreitet der Angeklagte unter der Behauptung, auf die Verteidigung nicht genügend vorbereitet zu sein, neu hervorgetretene Umstände, welche die Anwendung eines schwereren Strafgesetzes gegen den Angeklagten zulassen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten oder die zu den in Absatz 2 Nummer 1 bezeichneten gehören, so ist auf seinen Antrag die Hauptverhandlung auszusetzen.

(4) Auch sonst hat das Gericht auf Antrag oder von Amts wegen die Hauptverhandlung auszusetzen, falls dies infolge der veränderten Sachlage zur genügenden Vorbereitung der Anklage oder der Verteidigung angemessen erscheint.

(1) Wer einen Menschen entführt oder sich eines Menschen bemächtigt, um ihn oder einen Dritten durch die Drohung mit dem Tod oder einer schweren Körperverletzung (§ 226) des Opfers oder mit dessen Freiheitsentziehung von über einer Woche Dauer zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung zu nötigen, oder wer die von ihm durch eine solche Handlung geschaffene Lage eines Menschen zu einer solchen Nötigung ausnutzt, wird mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren bestraft.

(2) § 239a Abs. 2 bis 4 gilt entsprechend.

(1) Wer einen Menschen entführt oder sich eines Menschen bemächtigt, um die Sorge des Opfers um sein Wohl oder die Sorge eines Dritten um das Wohl des Opfers zu einer Erpressung (§ 253) auszunutzen, oder wer die von ihm durch eine solche Handlung geschaffene Lage eines Menschen zu einer solchen Erpressung ausnutzt, wird mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren bestraft.

(2) In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr.

(3) Verursacht der Täter durch die Tat wenigstens leichtfertig den Tod des Opfers, so ist die Strafe lebenslange Freiheitsstrafe oder Freiheitsstrafe nicht unter zehn Jahren.

(4) Das Gericht kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 mildern, wenn der Täter das Opfer unter Verzicht auf die erstrebte Leistung in dessen Lebenskreis zurückgelangen läßt. Tritt dieser Erfolg ohne Zutun des Täters ein, so genügt sein ernsthaftes Bemühen, den Erfolg zu erreichen.