Bundesgerichtshof Beschluss, 04. Aug. 2011 - 2 StR 219/11

bei uns veröffentlicht am04.08.2011

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR 219/11
vom
4. August 2011
in der Strafsache
gegen
wegen versuchten Mordes u.a.
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 4. August 2011 gemäß § 349
Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Mühlhausen vom 20. Januar 2011 mit den Feststellungen aufgehoben ; jedoch bleiben die Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen aufrecht erhalten. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Schwurgerichtskammer des Landgerichts zurückverwiesen. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchten Mordes in fünf tateinheitlichen Fällen in Tateinheit mit Herbeiführen einer Sprengstoffexplosion "mit versuchter Todesfolge" in fünf tateinheitlichen Fällen sowie in weiterer Tateinheit mit Tötung auf Verlangen zu einer Freiheitsstrafe von acht Jahren verurteilt. Das Rechtsmittel ist mit der aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Einschränkung begründet.
2
Das Landgericht hat Folgendes festgestellt: Der Angeklagte und seine Ehefrau Elfriede befanden sich nach Verlust ihrer Arbeitsplätze in erheblichen finanziellen Schwierigkeiten. Nach der Zwangsversteigerung ihres Wohnhauses mieteten sie eine Doppelhaushälfte. Im Jahr 2009 kam es zu Mietrückständen und zur fristlosen Kündigung sowie zum Räumungsurteil. Elfriede H. litt seit 1990 unter Depressionen. Ärztliche Behandlungen lehnte sie ab; stattdessen gab sie sich dem Alkoholkonsum hin. Auch der Angeklagte fühlte sich hoffnungslos. Etwa drei Monate vor der Tat begannen gemeinsame Selbstmordüberlegungen , die eine Tötung durch Gas nach Einnahme von Schlaftabletten vorsahen. Für den 25. Mai 2010 war die Zwangsräumung des Hauses angekündigt ; zur Tat kam es am Tag zuvor. Gegen 10.00 Uhr fassten der Angeklagte und seine Ehefrau endgültig den Entschluss, sich zu töten. Gegen 19.00 Uhr tranken die Eheleute Sekt, dann nahmen sie Schlaftabletten ein. Elfriede H. legte sich schon im Schlafzimmer im Obergeschoss zu Bett, während der Angeklagte im Gäste-WC im Erdgeschoss an der Gastherme den Hauptanschluss öffnete, so dass Gas austreten konnte. Dann stellte er im Wohnzimmer und im Arbeitszimmer im Obergeschoß brennende Kerzen auf. Anschließend öffnete er den Gashahn vollständig, so dass ein Rauschen durch entweichendes Gas entstand. Der Angeklagte rechnete mit einer Explosion. Er ging davon aus, dass dadurch auch die andere Doppelhaushälfte zerstört werden könnte, und nahm in Kauf, dass hierdurch die Eheleute K. , deren zwei Kinder und die Freundin des Sohnes getötet werden könnten. Der Angeklagte legte sich sodann zu seiner Ehefrau auf das Bett. Gegen 20.00 Uhr vernahmen auch die Nachbarn ein Rauschen, dann hörten sie einen Knall. Hierauf lief Frank K. auf die Straße. In diesem Moment kam der Angeklagte um die Hausecke und rief dem Nachbarn zu: "hier brennt alles ab, haut ab". Dann entfernte sich der Angeklagte und Frank K. lief in seine Wohnung. In diesem Moment kam es zu einer zweiten Explosion, durch die der Dachstuhl der Doppelhaushälfte des Ange- klagten abgesprengt wurde. Mauern wurden beschädigt, Fenster flogen heraus und die Doppelhaushälfte des Angeklagten brannte. In der anderen Hälfte des Doppelhauses wölbte sich die Trennwand nach innen, das Dach und die Treppe wurden beschädigt; die dortigen Bewohner blieben aber unverletzt. Elfriede H. starb dagegen. Der Angeklagte erlitt Verbrennungen und wurde von der Feuerwehr aus dem Obergeschoss gerettet.
3
Das Landgericht hat angenommen, ein strafbefreiender Rücktritt des Angeklagten vom Versuch der Tötung der Bewohner der benachbarten Doppelhaushälfte scheide aus. Er habe die Vollendung der Tat nicht verhindert (§ 24 Abs. 1 Satz 1 StGB). Es hätten auch keine zur Strafbefreiung zumindest erforderlichen Verhinderungsbemühungen vorgelegen (§ 24 Abs. 1 Satz 2 StGB). Der Angeklagte habe zwar den Nachbarn auf einen bevorstehenden Brand hingewiesen, aber nicht auf eine bevorstehende Explosion. Außerdem wäre von ihm zu fordern gewesen, die Explosionsgefahr durch Versperren des Gashahns zu beseitigen.
4
Die Begründung für die Ablehnung eines strafbefreienden Rücktritts vom Tötungsversuch trägt nicht. § 24 Abs. 1 Satz 2 StGB setzt voraus, dass der Täter tut, was in seinen Kräften steht und nach seiner Überzeugung zur Erfolgsabwendung erforderlich ist (vgl. BGH, Urteil vom 20. Mai 2010 - 3 StR 78/10, NStZ-RR 2010, 276 f.). Dabei reicht nicht bereits ein irgendwie geartetes Bemühen aus; erforderlich ist vielmehr ein solches Bemühen, das sich in der Vorstellung des Täters als ein Abbrechen des in Gang gesetzten Kausalverlaufs darstellt. Es fehlen jedoch Feststellungen des Landgerichts dazu, welche Vorstellung der Angeklagte zur Zeit der Warnung des Nachbarn vom weiteren Geschehen hatte. Nachdem die Entzündung des Gases zu einer ersten Explosion geführt hatte, könnte der Angeklagte angenommen haben, dass danach nur noch mit einem Brand zu rechnen war. Es liegt nicht auf der Hand, dass er die Vorstellung hatte, es könne zu einer zweiten, schwereren Explosion kommen. Fehlte eine solche Vorstellung des Angeklagten, dann hätte er sich durch seinen Warnruf im Sinne von § 24 Abs. 1 Satz 2 StGB auch unter Beachtung der bei Rettung eines Menschenlebens zu stellenden hohen Anforderungen innerhalb des rasch ablaufenden Geschehens ausreichend darum bemüht, die Vollendung der Tat zu verhindern. Dass ihm Zeit verblieben war, nach der Warnung des Nachbarn auch noch den Gashahn zu schließen, ist nicht ersichtlich.
Fischer Appl Berger Eschelbach Ott

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Strafgesetzbuch - StGB | § 24 Rücktritt


(1) Wegen Versuchs wird nicht bestraft, wer freiwillig die weitere Ausführung der Tat aufgibt oder deren Vollendung verhindert. Wird die Tat ohne Zutun des Zurücktretenden nicht vollendet, so wird er straflos, wenn er sich freiwillig und ernsthaft be

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Bundesgerichtshof Urteil, 20. Mai 2010 - 3 StR 78/10

bei uns veröffentlicht am 20.05.2010

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 3 StR 78/10 vom 20. Mai 2010 in der Strafsache gegen wegen versuchten Totschlags u. a. Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 20. Mai 2010, an der teilgenommen haben: Vorsitzen
1 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Bundesgerichtshof Beschluss, 04. Aug. 2011 - 2 StR 219/11.

Bundesgerichtshof Urteil, 07. Feb. 2018 - 2 StR 171/17

bei uns veröffentlicht am 07.02.2018

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 2 StR 171/17 vom 7. Februar 2018 in der Strafsache gegen wegen versuchten Mordes u.a. ECLI:DE:BGH:2018:070218U2STR171.17.0 Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 7. Februar

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(1) Wegen Versuchs wird nicht bestraft, wer freiwillig die weitere Ausführung der Tat aufgibt oder deren Vollendung verhindert. Wird die Tat ohne Zutun des Zurücktretenden nicht vollendet, so wird er straflos, wenn er sich freiwillig und ernsthaft bemüht, die Vollendung zu verhindern.

(2) Sind an der Tat mehrere beteiligt, so wird wegen Versuchs nicht bestraft, wer freiwillig die Vollendung verhindert. Jedoch genügt zu seiner Straflosigkeit sein freiwilliges und ernsthaftes Bemühen, die Vollendung der Tat zu verhindern, wenn sie ohne sein Zutun nicht vollendet oder unabhängig von seinem früheren Tatbeitrag begangen wird.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
3 StR 78/10
vom
20. Mai 2010
in der Strafsache
gegen
wegen versuchten Totschlags u. a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 20. Mai 2010,
an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Becker,
die Richter am Bundesgerichtshof
Pfister,
von Lienen,
Richterin am Bundesgerichtshof
Sost-Scheible,
Richter am Bundesgerichtshof
Hubert
als beisitzende Richter,
Staatsanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Rechtsanwältin
als Vertreterin der Nebenklägerin,
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Düsseldorf vom 13. November 2009 mit den Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels und die dem Angeklagten sowie der Nebenklägerin dadurch entstandenen notwendigen Auslagen , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Die Staatsanwaltschaft rügt mit ihrer Revision, die vom Generalbundesanwalt vertreten wird, die Verletzung sachlichen Rechts. Nach ihrer Auffassung hat das Landgericht zu Unrecht einen strafbefreienden Rücktritt vom Totschlagsversuch sowie eine erhebliche Verminderung der Schuldfähigkeit des Angeklagten angenommen.
2
Das Rechtsmittel hat Erfolg.
3
1. Das Landgericht hat folgende Feststellungen getroffen:
4
Der nicht vorbestrafte Angeklagte lebte seit Februar 2009 wieder im Haushalt seiner 74jährigen Mutter, dem späteren Tatopfer. Diese litt an einer schweren Lungenerkrankung und war darauf angewiesen, sich täglich für mehrere Stunden über einen Nasenschlauch ergänzend Sauerstoff zuzuführen. Zwischen dem Angeklagten und seiner Mutter kam es alsbald vermehrt zu Streitigkeiten. In der Wahrnehmung des Angeklagten, die möglicherweise durch seinen regelmäßigen Cannabis-Konsum beeinträchtigt war, beruhten die Auseinandersetzungen darauf, dass seine Mutter ihn ständig grundlos kritisierte und ihn als Versager darstellte. Infolge dieses vom Angeklagten als kränkende Zurückweisung empfundenen Verhaltens, entwickelte sich bei ihm zunehmend ein Gefühl der Unzulänglichkeit und Verärgerung, aus dem heraus er drei Tage vor der Tat anlässlich einer erneuten Meinungsverschiedenheit mit seiner Mutter gegenüber seinem Schwager äußerte "die blöde Kuh wär´ sowieso besser tot".
5
Am Tattag war er nach einer aus seiner Sicht missbilligenden Äußerung seiner Mutter über seine Freundin niedergeschlagen und zog sich in sein Zimmer zurück. Nach dem Konsum von Haschisch und Alkohol sprang er gegen 21 Uhr einem plötzlichen Entschluss folgend aus dem Fenster seines im ersten Stock gelegenen Zimmers, um sich das Leben zu nehmen. Er zog sich durch den Sturz jedoch lediglich leichte Verletzungen zu und wurde auf seine Hilferufe von seiner Mutter wieder in das Haus eingelassen, wo er sich auf deren Bett legte. Währendessen forderte seine Mutter telefonisch einen Notarzt für den Angeklagten an. Nach Beendigung des Telefonats stürzte sich der Angeklagte plötzlich in Wut auf seine Mutter, die er für seine Lage verantwortlich machte, riss ihr den Bademantel herunter, warf sie auf das Bett und hielt ihr mit den Worten "jetzt bist Du dran", "Verreck´ doch endlich, Du Miststück" Mund und Nase zu in der Absicht, sie zu töten. Die Geschädigte, die Todesangst hatte, stellte sich tot. Als sich die von dem Tatopfer zuvor alarmierten Rettungskräfte mit Signalton dem Tatort näherten, ließ der Angeklagte von seiner Mutter ab, lief zur Wohnung der Nachbarn und rief um Hilfe, weil seine Mutter sterbe. Sodann ließ er die mittlerweile eingetroffenen Rettungskräfte in die Wohnung seiner Mutter ein. Das Tatopfer erlitt durch den Verschluss der Atemwege lebensbedrohliche Verletzungen und konnte nur mit Mühe gerettet werden.
6
2. Die Annahme des Landgerichts, der Angeklagte sei strafbefreiend vom (tateinheitlich begangenen) Totschlagsversuch zurückgetreten, hält auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
7
Das Landgericht ist zwar im Ansatz zutreffend davon ausgegangen, dass der Totschlagsversuch beendet war; denn der Angeklagte glaubte, dass seine Mutter an den ihr zugefügten Verletzungen versterben konnte. Die Voraussetzungen eines strafbefreienden Rücktritts vom beendeten Versuch sind hingegen nicht ausreichend belegt. Die Urteilsfeststellungen sind insoweit lückenhaft und erlauben nicht den Schluss, dass der Angeklagte entweder die Vollendung der Tat freiwillig verhindert (§ 24 Abs. 1 Satz 2 2. Halbs. StGB) oder sich freiwillig und ernsthaft bemüht hat, die Vollendung zu verhindern (§ 24 Abs. 1 Satz 2 StGB).
8
a) Ein strafbefreiender Rücktritt vom Versuch gemäß § 24 Abs. 1 Satz 1 2. Halbs. StGB kommt zwar auch in Betracht, wenn der Täter unter mehreren Möglichkeiten der Erfolgsverhinderung nicht die sicherste oder "optimale" gewählt hat (BGHSt 48, 147). Erforderlich ist aber stets, dass der Täter eine neue Kausalkette in Gang gesetzt hat, die für die Nichtvollendung der Tat ursächlich, oder jedenfalls mitursächlich wird (BGHSt 33, 295, 301; BGH NStZ 2008, 508).
9
Mit den Voraussetzungen dieser Rücktrittsregelung hat sich das Landgericht nicht ausdrücklich befasst. Es hat lediglich festgestellt, dass der Angeklagte die aus anderen Gründen herbeigerufenen Rettungskräfte in die Wohnung der Geschädigten einließ. Ausreichende Anhaltspunkte dafür, dass dieses Ver- halten im Sinne des § 24 Abs. 1 Satz 1 2. Halbs. StGB für die Erfolgsverhinderung kausal oder zumindest mitursächlich wurde, enthält das Urteil indes nicht. Es verhält sich insbesondere nicht dazu, ob der Angeklagte den Notarzt und die Sanitäter, die nicht zur Rettung seiner Mutter herbeigerufen, sondern von dieser wegen seines Selbstmordversuchs alarmiert worden waren, über die veränderte Sachlage in Kenntnis setzte und ihnen den Weg zu seiner verletzten Mutter wies und auf diese Weise deren Rettung erleichterte oder beschleunigte - was in Anbetracht der konkreten Umstände für die Annahme eines strafbefreienden Rücktritts nach § 24 Abs. 1 Satz 1 2. Halbs. StGB ausgereicht hätte -, oder ob der Notarzt die Wohnung der Verletzten auch ohne Zutun des Angeklagten ohne wesentliche Verzögerung betreten, das Tatopfer finden und dieses damit auch ohne Mitwirkung des Angeklagten retten konnte (BGH NJW 1990, 3219; BGH NStZ aaO).
10
b) Dass sich der Angeklagte - wovon das Landgericht ausgegangen ist - im Sinne des § 24 Abs. 1 Satz 2 StGB jedenfalls freiwillig und ernsthaft bemüht hat, die Vollendung zu verhindern, ist durch die Feststellungen ebenfalls nicht hinreichend belegt.
11
§ 24 Abs. 1 Satz 2 StGB setzt voraus, dass der Täter alles tut, was in seinen Kräften steht und nach seiner Überzeugung zur Erfolgsabwendung erforderlich ist, und dass er die aus seiner Sicht ausreichenden Verhinderungsmöglichkeiten ausschöpft, wobei er sich auch der Hilfe Dritter bedienen kann (BGHSt 33, 295, 301 f.; BGH NStZ 2008, 329). Allerdings sind, wenn - wie hier - ein Menschenleben auf dem Spiel steht, insoweit hohe Anforderungen zu stellen. Der Täter muss sich um die bestmögliche Maßnahme bemühen. Hilft er nicht selbst, so muss er sich zumindest vergewissern, ob die Hilfspersonen das Notwendige und Erforderliche veranlassen (BGHSt aaO).
12
Auch insoweit lässt das Urteil ausreichende Feststellungen vermissen. Das Herbeirufen eines Krankenwagens oder Arztes war hier die am ehesten zur Rettung des Tatopfers geeignete Maßnahme. Entsprechende Bemühungen entfaltete der Angeklagte jedoch nicht selbst; denn seine Mutter hatte die Rettungskräfte bereits vor der Tat verständigt. Ob sich das bloße Einlassen des aus anderen Gründen herbeigerufenen Notarztes in die Wohnung des Tatopfers in der konkreten Situation objektiv und aus Sicht des Angeklagten als die bestmögliche Maßnahme zur Rettung des Tatopfers darstellte, ist in Anbetracht der fehlenden Feststellungen zu den Umständen des Zusammentreffens des Angeklagten mit den Rettungskräften, deren Kenntnisstand und dem diesbezüglichen Vorstellungsbild des Angeklagten nicht ausreichend dargelegt. Gleiches gilt, soweit sich der Angeklagte durch Hilferufe und mit dem Hinweis, seine Mutter sterbe, an die Wohnungsnachbarn wandte; denn die Urteilsgründe ergeben bereits nicht, welche Vorstellungen der Angeklagte mit diesem Vorgehen verband (BGH NStZ 2000, 41 f.).
13
3. Da das Urteil schon wegen der rechtsfehlerhaften Bejahung eines strafbefreienden Rücktritts vom tateinheitlich begangenen Totschlagsversuchs der Aufhebung unterliegt, kommt es nicht mehr entscheidend darauf an, ob die knappen Darlegungen des Landgerichts zum Vorliegen einer erheblich verminderten Steuerungsfähigkeit des Angeklagten infolge einer tiefgreifenden Bewusstseinsstörung im Sinne der §§ 20, 21 StGB eine noch ausreichende revisionsrechtliche Nachprüfung ermöglichen. Der Senat sieht jedoch Anlass, darauf hinzuweisen, dass der Tatrichter, wenn er sich darauf beschränkt, sich der Beurteilung eines Sachverständigen zur Frage der Schuldfähigkeit anzuschließen, dessen wesentliche Anknüpfungs- und Befundtatsachen im Urteil so wiederzugeben hat, wie dies zum Verständnis des Gutachtens erforderlich ist (BGH NStZ-RR 2003, 232). Der neue Tatrichter wird darüber hinaus Gelegenheit haben , die von der Revision vermissten Umstände bei der Prüfung der Schuldfä- higkeit im Rahmen der gebotenen Gesamtwürdigung zu berücksichtigen. Er wird ferner in den Blick zu nehmen haben, ob möglicherweise ein Zusammenwirken mehrerer Ursachen zu einer Beeinträchtigung der Steuerungsfähigkeit des Angeklagten geführt hat (BGHR StGB § 21 Ursachen, mehrere 3 und 4).
14
4. Das Urteil weist - was gemäß § 301 StPO auch auf die Revision der Staatsanwaltschaft zu prüfen ist - hingegen keinen durchgreifenden Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten auf. Becker Pfister von Lienen Sost-Scheible Hubert

(1) Wegen Versuchs wird nicht bestraft, wer freiwillig die weitere Ausführung der Tat aufgibt oder deren Vollendung verhindert. Wird die Tat ohne Zutun des Zurücktretenden nicht vollendet, so wird er straflos, wenn er sich freiwillig und ernsthaft bemüht, die Vollendung zu verhindern.

(2) Sind an der Tat mehrere beteiligt, so wird wegen Versuchs nicht bestraft, wer freiwillig die Vollendung verhindert. Jedoch genügt zu seiner Straflosigkeit sein freiwilliges und ernsthaftes Bemühen, die Vollendung der Tat zu verhindern, wenn sie ohne sein Zutun nicht vollendet oder unabhängig von seinem früheren Tatbeitrag begangen wird.