Bundesgerichtshof Beschluss, 02. Aug. 2016 - 2 StR 195/16

ECLI:ECLI:DE:BGH:2016:020816B2STR195.16.0
bei uns veröffentlicht am02.08.2016

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR 195/16
vom
2. August 2016
in der Strafsache
gegen
wegen versuchten Totschlags u.a.
ECLI:DE:BGH:2016:020816B2STR195.16.0

Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und der Beschwerdeführerin am 2. August 2016 gemäß § 349 Abs. 4 StPO beschlossen:
Auf die Revision der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Limburg an der Lahn vom 22. Februar 2016 mit den Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat die Angeklagte freigesprochen und ihre Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Dagegen richtet sich die Revision der Angeklagten mit der Sachrüge. Das Rechtsmittel hat Erfolg.

I.

2
Das Landgericht hat folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
3
1. Die Angeklagte leidet unter einer paranoid-halluzinatorischen Schizophrenie. Nach der Eheschließung mit D. und der Errichtung eines Wohnhauses in C. zog sie sich zurück und hielt sich fast nur noch im Haus auf. Zunehmend erzählte sie darüber, dass sie von ihrem früheren Freund misshandelt worden sei. Sie dehnte ihre Berichte über Misshandlungen auch auf Familienangehörige aus. Schließlich entwickelte sie die Vorstellung , ihr Ehemann sei mit einer anderen indonesischen Frau verheiratet. Alle Personen in ihrem Umfeld hätten sich gegen sie verschworen, weil ein arabischer Prinz, der über viel Geld verfüge, diese bezahle, damit sie einen Racheplan gegen sie verfolgten. Nachdem die Angeklagte das Ansinnen ihres Ehemanns, einen Therapeuten aufzusuchen, abgelehnt hatte, beschloss er, sich von ihr zu trennen. Am Abend des 20. August 2015 verlangte die Angeklagte von ihrem Ehemann, dass er ihr Tabletten besorge, damit sie sich töten könne. Er ging jedoch nicht darauf ein.
4
Am nächsten Morgen fuhr D. zur Arbeit, bat aber seine Eltern, sich um die Angeklagte zu kümmern. Als die Angeklagte zunächst allein im Haus war, zerschlug sie Fenster und einen Spiegel. Danach rief sie ihren Ehemann an und erklärte, er sei bestimmt böse, weil sie die Fenster eingeschlagen habe. D. nahm dies jedoch nicht ernst. Gegen 13.15 Uhr erschienen die Schwiegereltern der Angeklagten, I. und H. Di. , als die Angeklagte vor der Haustür saß. Sie hatte ihre Sachen in Tüten verpackt und im Flur abgestellt; sie erklärte, sie habe „alles kaputt gemacht“. Nachdem die Schwiegereltern den vonihr angerichteten Sachschaden besichtigt hatten, riefen sie D. an, der sie darum bat, die Polizei zu rufen. Bei Eintreffen von Polizeibeamten, die den Vorgang aufnahmen, baten die Schwiegereltern darum, die Angeklagte in ein psychiatrisches Krankenhaus einzuweisen. Die Beamten lehnten dies ab, weil sich die Angeklagte zu dieser Zeit ruhig verhielt und scheinbar keinen Anlass für eine Unterbringung bot. Nachdem die Beamten das Haus verlassen hatten, lief die Angeklagte nervös herum und sagte immer wieder: „Das ist mein Haus“.
5
Als D. eintraf, befürchtete die Angeklagte, von ihm ins Gefängnis gebracht zu werden. Er versuchte sie zu beruhigen. Sie wich ihm aus und lief von der Küche ins Wohnzimmer, von dort in den Flur. D. folgte ihr. Sie nahm aus einer Tasche ein Küchenmesser und versetzte ihrem Ehemann einen Stich in die Brust. Als er sich umdrehte, stach sie ihn auch in den Rücken. D. konnte die Angeklagte kurz darauf im Wohnzimmer auf eine Couch drücken und festhalten. Sein VaterH. Di. beteiligte sich daran. Die Angeklagte schlug und trat jedoch heftig um sich. Dabei versetzte sie H. Di. einen Messerstich in den Oberschenkel, bevor es I. Di. gelang, ihr das Messer zu entwinden.
6
2. Das Landgericht hat angenommen, die Angeklagte habe bei der Ausführung der Messerstiche gegen ihren Ehemann mit natürlichem Tötungsvor- satz gehandelt, „was aus der Gedankenwelt und der Art der Stichführung folgt“. Die Angeklagte sei dabei zumindest nicht ausschließbar unfähig gewesen, das Unrecht der Tat einzusehen. Gleiches gelte für eine nach Ansicht des Landgerichts tateinheitlich begangene gefährliche Körperverletzung zum Nachteil von H. Di. .
7
3. Das Landgericht hat die Voraussetzungen für eine Anordnung der Unterbringung der Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 StGB bejaht. Sie habe im Zustand zumindest erheblich verminderter Schuldfähigkeit eine erhebliche Straftat begangen. Die Gesamtwürdigung aller Umstände ergebe, dass künftig erhebliche rechtswidrige Taten von ihr zu erwarten seien und sie deshalb für die Allgemeinheit gefährlich sei. Aus dem Vorliegen der Wahnerkrankung ergebe sich ein erhöhtes Risiko für Gewaltdelikte. Dieses Risiko sei bei Wahnkranken drei- bis zehnmal so hoch wie bei psychisch gesunden Menschen. Der Angeklagten fehle die Krankheitseinsicht. Sie habe außerhalb eines psychiatrischen Krankenhauses keine „Compliance“. Ein sozia- ler Empfangsraum sei nicht vorhanden, nachdem sich der Ehemann von ihr distanziert habe. Die Wahrscheinlichkeit weiterer Gewaltdelikte sei mittelgradig bis hoch.

II.

8
1. Die in der Revisionsbegründungsschrift erklärte Beschränkung der Revision auf die Maßregelanordnung mit Ausnahme der Feststellungen zur rechtswidrigen Tat ist unwirksam, weil sowohl die Unterbringung nach § 63 StGB als auch der auf § 20 StGB gründende Freispruch von den Feststellungen zur Anlasstat abhängen. Deshalb besteht zwischen beiden Entscheidungen aus sachlich-rechtlichen Gründen ein untrennbarer Zusammenhang (vgl. Senat, Beschluss vom 21. Mai 2013 - 2 StR 29/13, NStZ-RR 2014, 54).
9
2. Das Rechtsmittel der Angeklagten ist mit der Sachrüge begründet.
10
a) Die Urteilsgründe zur subjektiven Tatseite sind lückenhaft.
11
Das Landgericht hat nicht näher erläutert, inwieweit sich die Wahnvorstellungen der Angeklagten aus ihrer „Gedankenwelt“ auf ihren Tötungsvorsatz und die Einsicht in das Unrecht des Angriffs auf das Leben ihres Ehemanns ausgewirkt haben. Offen bleibt in den Urteilsgründen ferner, ob die Angeklagte bei dem Versuch, sich gegen das Festhalten durch Schläge und Tritte zu wehren , auch einen zumindest natürlichen Vorsatz zu einer - nach Ansicht des Landgerichts tateinheitlich begangenen - gefährlichen Körperverletzung gemäß § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB zum Nachteil von H. Di. gehabt oder insoweit fahrlässig gehandelt hat.
12
b) Durchgreifenden rechtlichen Bedenken begegnet auch die Annahme des Landgerichts, es sei künftig mit erheblichen rechtswidrigen Taten der Angeklagten zu rechnen.
13
Die unbefristete Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 StGB ist eine außerordentlich belastende Maßnahme. Sie darf nur angeordnet werden, wenn zweifelsfrei feststeht, dass der Unterzubringende bei der Begehung der Anlasstaten aufgrund eines psychischen Defekts schuldunfähig oder vermindert schuldfähig war und die Tatbegehung hierauf beruht. Daneben muss eine Wahrscheinlichkeit höheren Grades bestehen, der Täter oder die Täterin werde infolge des fortdauernden Zustandes in Zukunft erhebliche rechtswidrige Taten begehen. Die notwendige Prognose ist auf der Grundlage einer umfassenden Würdigung der Persönlichkeit, des Vorlebens und der Anlasstat zu entwickeln. Dem tragen die Urteilsgründe des Landgerichts nicht ausreichend Rechnung.
14
Der Hinweis des Landgerichts auf ein allgemein erhöhtes Risiko von Gewaltdelikten durch Personen, die unter einer Wahnerkrankung leiden, ist für sich genommen zutreffend, er wird aber dem Einzelfall nicht gerecht. Die Tatsache fehlender Krankheitseinsicht der Angeklagten und mangelnder Unterstützung außerhalb eines psychiatrischen Krankenhauses lässt selbst im Hinblick auf ihre gefährlichen Handlungen bei der Anlasstat ebenfalls noch nicht den Schluss zu, sie werde künftig ähnliche rechtswidrige Taten begehen. Bei der Prognose muss nämlich in der Gesamtschau die konkrete Situation der Angeklagten zur Zeit der Anlasstat berücksichtigt werden. Der Ehemann hatte ihr seinen Trennungswunsch offenbart; sie sollte das in seinem Alleineigentum stehende Haus, auf das sie nach ihrer Vorstellung auch Anrechte besaß, verlassen und hatte ihre Sachen gepackt. Die Schwiegereltern hatten auf Bitte des Ehemanns die Polizei gerufen, und alle hatten sich damit aus der Sicht der An- geklagten gegen sie gewandt. Sie hatte Angst von der Polizei festgenommen und in eine Justizvollzugsanstalt verbracht zu werden. Sie war danach ohne Unterstützung. Nachdem inzwischen die Trennung der Eheleute vollzogen ist, bleibt im Rahmen der Zukunftsprognose zu erwägen, ob auch unter den veränderten Umständen mit einer Wahrscheinlichkeit höheren Grades weitere Gewalthandlungen der Angeklagten gegen dieselben oder andere Personen zu erwarten sind. Bei der Prognoseentscheidung ist schließlich zu berücksichtigen, dass trotz länger andauernder Erkrankung der Angeklagten vor und nach der Anlasstat von ihr keine rechtswidrigen Taten begangen wurden.
15
3. Der neue Tatrichter wird § 63 Satz 1 StGB in der Fassung des Gesetzes zur Novellierung des Rechts der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 des Strafgesetzbuches und zur Änderung anderer Vorschriften vom 28. April 2016, das am 1. August 2016 in Kraft getreten ist (BGBl. 2016 I, S. 1610 ff.; vgl. Regierungsentwurf dazu in BT-Drucks. 18/7244; s.a. Peglau NJW 2016, 2298 ff.), zu prüfen haben (§ 2 Abs. 6 StGB). Er hat sich gegebenenfalls auch mit der bisher nicht erörterten Frage zu befassen, ob insbesondere nach Sicherstellung einer ausreichenden Medikation der Angeklagten und ihrer sonstigen Versorgung eine Aussetzung der Maßregelvollstreckung zur Bewährung gemäß § 67b Abs. 2 Satz 1 StGB in Frage kommt. Fischer Appl Eschelbach Ott RiBGH Zeng ist wegen Urlaubs an der Unterschrift gehindert. Fischer

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Bundesgerichtshof Beschluss, 21. Mai 2013 - 2 StR 29/13

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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

Hat jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20) oder der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21) begangen, so ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Tat ergibt, daß von ihm infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder erheblich gefährdet werden oder schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird, zu erwarten sind und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist. Handelt es sich bei der begangenen rechtswidrigen Tat nicht um eine im Sinne von Satz 1 erhebliche Tat, so trifft das Gericht eine solche Anordnung nur, wenn besondere Umstände die Erwartung rechtfertigen, dass der Täter infolge seines Zustandes derartige erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird.

Ohne Schuld handelt, wer bei Begehung der Tat wegen einer krankhaften seelischen Störung, wegen einer tiefgreifenden Bewußtseinsstörung oder wegen einer Intelligenzminderung oder einer schweren anderen seelischen Störung unfähig ist, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR 29/13
vom
21. Mai 2013
in der Strafsache
gegen
wegen Mordes
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 21. Mai 2013 gemäß § 349
Abs. 4 StPO beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Aachen vom 24. August 2012 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Schwurgerichtskammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten freigesprochen und seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Ferner hat es ein sichergestelltes Messer eingezogen. Die auf den Maßregelausspruch nach § 63 StGB beschränkte, auf die Rüge der Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision hat mit einer Verfahrensbeanstandung Erfolg und führt zur Aufhebung des gesamten Urteils.
2
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts hat der Angeklagte in Gegenwart der Zeugin H. deren Lebensgefährten erstochen. Das Gericht hat die Tat als Mord (§ 211 StGB) bewertet und ist davon ausgegangen, dass die Steuerungsfähigkeit des Angeklagten zur Tatzeit aufgrund erheblicher Al- koholisierung im Zusammenwirken mit der infolge langjährigen Alkoholmissbrauchs eingetretenen Persönlichkeitsveränderung gemäß § 21 StGB erheblich vermindert war. Da nicht ausgeschlossen werden konnte, dass der Angeklagte ein der Tat unmittelbar vorangegangenes Gespräch zwischen der Zeugin H. und ihrem Lebensgefährten fälschlicherweise als gegen sich gerichtet gedeutet hat und in ihm hierdurch ein aggressiver Impuls ausgelöst wurde, durch den er zu der Tötung hingerissen wurde, hat das Gericht - auch mit Blick auf ein unter normalen Umständen nicht erkennbares Tatmotiv - nicht ausschließen können, dass die Steuerungsfähigkeit des Angeklagten zur Tatzeit auch aufgehoben im Sinne des § 20 StGB war. Es hat daher den Angeklagten freigesprochen und auf Grundlage der festgestellten verminderten Steuerungsfähigkeit seine Unterbringung gemäß § 63 StGB angeordnet.
3
2. Der Maßregelauspruch war aufzuheben. Die Anordnung der Unterbringung nach § 63 StGB setzt die Begehung einer rechtswidrigen Tat voraus. Diese hat das Landgericht nicht rechtsfehlerfrei festgestellt, denn es hat einen die Anlasstat betreffenden Beweisantrag unter Verstoß gegen § 244 Abs. 3 Satz 2 StPO abgelehnt.
4
a) Dem liegt folgender Verfahrensgang zugrunde:
5
Der die Tat bestreitende Angeklagte hat in der Hauptverhandlung den Antrag auf Einholung eines Sachverständigengutachtens zum Beweis der Tatsache gestellt, dass die Blutanhaftungen an einem am Tatort sichergestellten Papierfetzen von der Zeugin H. stammten, dass es sich dabei um ein Vollprofil der DNA der Zeugin handelte und dass Mischspuren bzw. Teilprofile Dritter nicht vorhanden waren. Das Landgericht hat den Antrag ohne weitere Begründung "wegen Bedeutungslosigkeit" abgelehnt.
6
b) Dies hält rechtlicher Prüfung nicht stand. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs muss der Beschluss, mit dem ein Beweisantrag wegen Bedeutungslosigkeit der behaupteten Tatsache abgelehnt wird, die Erwägungen anführen, aus denen der Tatrichter ihr aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen keine Bedeutung für den Schuld- oder Rechtsfolgenausspruch beimisst. Geht es wie hier letztlich um die Glaubwürdigkeit einer Zeugin, bedarf es der Darlegung, warum die zu beweisende Tatsache das Gericht auch im Falle ihres Nachweises unbeeinflusst ließe. Die Anforderungen an die Begründung entsprechen grundsätzlich den Darlegungserfordernissen bei der Würdigung von durch die Beweisaufnahme gewonnenen Indiztatsachen in den Urteilsgründen (BGH, Beschluss vom 19. Oktober 2006 - 4 StR 251/06, NStZ-RR 2007, 84, 85 mwN; Beschluss vom 27. März 2012 - 3 StR 47/12).
7
Daran fehlt es hier. Die unter Beweis gestellte Tatsache hätte die Schlussfolgerung zugelassen, dass die Zeugin H. während ihres Aufenthalts in der Wohnung des Angeklagten von ihrem Lebensgefährten körperlich misshandelt wurde und daher ein Tatmotiv hatte. Das Landgericht hat in seinem Beschluss indes weder mitgeteilt, dass es diesen möglichen Schluss nicht ziehen wollte, noch hat es seine Entscheidung mit konkreten Erwägungen begründet. Die Bedeutungslosigkeit lag auch nicht auf der Hand, was eine fallbezogene Begründung ausnahmsweise entbehrlich hätte machen können (vgl. BGH, Beschluss vom 2. Dezember 2009 - 2 StR 363/09, StV 2010, 557; Beschluss vom 27. März 2012 - 3 StR 47/12 mwN).
8
c) Auf diesem Verfahrensfehler beruht der Maßregelausspruch, denn der Senat vermag nicht auszuschließen, dass die Strafkammer bei gesetzeskonformer Behandlung des Beweisantrags eine für die Anordnung der Unterbringung erforderliche rechtswidrige Tat nicht hätte feststellen können.
9
3. Die Aufhebung des Maßregelausspruchs hat aufgrund des bestehenden inneren Zusammenhangs auch die Aufhebung des Freispruchs zur Folge.
10
a) Der Umstand, dass allein der Angeklagte Revision eingelegt hat, steht dem nicht entgegen. Wird die Anordnung einer Unterbringung nach § 63 StGB auf eine Revision des Angeklagten hin aufgehoben, hindert das Schlechterstellungsverbot des § 358 Abs. 2 Satz 1 StPO den neuen Tatrichter nicht daran, an Stelle einer Unterbringung nunmehr eine Strafe zu verhängen (§ 358 Abs. 2 Satz 2 StPO). Dadurch soll vermieden werden, dass die erfolgreiche Revision eines Angeklagten gegen die alleinige Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus dazu führt, dass eine Tat, die wegen angenommener Schuldunfähigkeit nicht zu einer Bestrafung geführt hat, ohne strafrechtliche Sanktion bleibt, wenn sich in der neuen Hauptverhandlung herausstellt, dass der Angeklagte bei Begehung der Tat schuldfähig war (vgl. BT-Drucks. 16/1344, S. 17; BGH, Beschluss vom 19. Dezember 2012 - 4 StR 494/12, StraFo 2013, 165 mwN).
11
Letzteres kann vorliegend nicht ausgeschlossen werden, denn die Annahme des Landgerichts, die Schuldfähigkeit des Angeklagten sei zur Tatzeit nicht ausschließbar aufgehoben, gründet maßgeblich auf den Feststellungen zur Anlasstat. Sollte das neue Tatgericht insbesondere zu dem Geschehen unmittelbar vor der Tat veränderte Feststellungen treffen, könnte dies auch eine veränderte Bewertung zur Frage der Schuldfähigkeit des Angeklagten nach sich ziehen.
12
b) Die Beschränkung der Revision des Angeklagten auf die Maßregelanordnung ist unwirksam, weil sowohl die Unterbringung nach § 63 StGB als auch der auf § 20 StGB gründende Freispruch von den Feststellungen der Strafkammer zur Anlasstat abhängen und deshalb zwischen beiden Entschei- dungen aus sachlich-rechtlichen Gründen ein untrennbarer Zusammenhang besteht. Da nach § 358 Abs. 2 Satz 2 StPO nunmehr eine Bestrafung des Angeklagten möglich ist, wenn sich aufgrund veränderter Feststellungen zur Anlasstat seine Schuldfähigkeit herausstellen sollte, lässt sich die Wirksamkeit einer isolierten Anfechtung der Maßregelanordnung nicht mehr mit der Erwägung rechtfertigen, dass aufgrund des Verbots der Schlechterstellung (§ 358 Abs. 2 Satz 1 StPO) unabhängig von der Bewertung der Schuldfrage in jedem Fall wieder auf Freispruch erkannt werden müsste (BGH, Beschluss vom 26. September 2012 - 4 StR 348/12). Dies wäre nur dann der Fall, wenn die den Freispruch tragende Schuldunfähigkeit des Angeklagten unabhängig von der konkret festgestellten Tat feststünde (vgl. insoweit BGH, Beschluss vom 8. Juni 2011 - 5 StR 199/11).
Fischer Appl Berger Eschelbach Ott

(1) Wer die Körperverletzung

1.
durch Beibringung von Gift oder anderen gesundheitsschädlichen Stoffen,
2.
mittels einer Waffe oder eines anderen gefährlichen Werkzeugs,
3.
mittels eines hinterlistigen Überfalls,
4.
mit einem anderen Beteiligten gemeinschaftlich oder
5.
mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung
begeht, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(2) Der Versuch ist strafbar.

Hat jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20) oder der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21) begangen, so ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Tat ergibt, daß von ihm infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder erheblich gefährdet werden oder schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird, zu erwarten sind und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist. Handelt es sich bei der begangenen rechtswidrigen Tat nicht um eine im Sinne von Satz 1 erhebliche Tat, so trifft das Gericht eine solche Anordnung nur, wenn besondere Umstände die Erwartung rechtfertigen, dass der Täter infolge seines Zustandes derartige erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird.

(1) Die Strafe und ihre Nebenfolgen bestimmen sich nach dem Gesetz, das zur Zeit der Tat gilt.

(2) Wird die Strafdrohung während der Begehung der Tat geändert, so ist das Gesetz anzuwenden, das bei Beendigung der Tat gilt.

(3) Wird das Gesetz, das bei Beendigung der Tat gilt, vor der Entscheidung geändert, so ist das mildeste Gesetz anzuwenden.

(4) Ein Gesetz, das nur für eine bestimmte Zeit gelten soll, ist auf Taten, die während seiner Geltung begangen sind, auch dann anzuwenden, wenn es außer Kraft getreten ist. Dies gilt nicht, soweit ein Gesetz etwas anderes bestimmt.

(5) Für Einziehung und Unbrauchbarmachung gelten die Absätze 1 bis 4 entsprechend.

(6) Über Maßregeln der Besserung und Sicherung ist, wenn gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, nach dem Gesetz zu entscheiden, das zur Zeit der Entscheidung gilt.

(1) Ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder einer Entziehungsanstalt an, so setzt es zugleich deren Vollstreckung zur Bewährung aus, wenn besondere Umstände die Erwartung rechtfertigen, daß der Zweck der Maßregel auch dadurch erreicht werden kann. Die Aussetzung unterbleibt, wenn der Täter noch Freiheitsstrafe zu verbüßen hat, die gleichzeitig mit der Maßregel verhängt und nicht zur Bewährung ausgesetzt wird.

(2) Mit der Aussetzung tritt Führungsaufsicht ein.