Bundesgerichtshof Beschluss, 12. Juli 2012 - 2 ARs 183/12

bei uns veröffentlicht am12.07.2012

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 ARs 183/12
2 AR 129/12
vom
12. Juli 2012
in der Strafsache
gegen
wegen Beihilfe zum versuchten Diebstahl
Az.: II StVK 21/12 Landgericht Leipzig
Az.: 26 Ws 112/12 Generalstaatsanwaltschaft Dresden
Az.: 2 Ws 87/12 Oberlandesgericht Dresden
Az.: 7101 Js 12051/10.1 KLs Landgericht Landau in der Pfalz
Az.: 7101 Js 12051/10 Staatsanwaltschaft Landau in der Pfalz
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
am 12. Juli 2012 beschlossen:
Für die nachträglichen Entscheidungen, die sich auf die Aussetzung des Strafrestes zur Bewährung aus dem Urteil des Landgerichts Landau vom 4. Mai 2011 - 7101 Js 12051/10.1 KLs - beziehen , ist die Strafvollstreckungskammer bei dem Landgericht Leipzig zuständig.

Gründe:


1
Der Generalbundesanwalt hat in seiner Zuschrift vom 18. Mai 2012 ausgeführt : "Der Bundesgerichtshof ist als gemeinschaftliches oberes Gericht zur Entscheidung des Zuständigkeitsstreits berufen (§ 14 StPO). Zuständig für die nachträglichen Entscheidungen in dem Verfahren 7101 Js 12051/10.1 KLs StA Rheinland-Pfalz ist die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Leipzig gemäß § 462a Abs. 4 Satz 3 in Verbindung mit Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 StPO. Da hier eine nachträgliche Gesamtstrafenbildung gemäß § 460 StPO nicht in Betracht kommt, richtet sich die Zuständigkeit nicht nach § 462a Abs. 3 Satz 1 StPO. Maßgebend ist vielmehr § 462a Abs. 4 StPO, der dem Konzentrationsprinzip Ausdruck verleiht. Durch diese Vorschrift wird die Zuständigkeit eines Gerichts für nachträgliche Entscheidungen in allen Verfahren begründet, auch wenn die Zuständigkeit in dem Einzelverfahren, in dem die Entscheidungen zu treffen sind, an sich nicht gegeben wäre. Eine Entscheidungszersplitterung soll vermieden werden. Deshalb sind alle nachträglichen Entscheidungen bei einem Gericht oder einer Strafvollstreckungskammer konzentriert, wobei die Zuständigkeit der Strafvollstreckungskammer stets die Zuständigkeit des Gerichts des ersten Rechtszuges verdrängt (BGHSt 26, 118, 120; 30, 189, 192; Appl in KK StPO 6. Auflage § 462a Rn 33). Dies gilt gerade auch in den Fällen, in denen verschiedene Gerichte den Angeklagten rechtskräftig zur Strafe verurteilt haben. Die Fortwirkungszuständigkeit der Strafvollstreckungskammer endet erst, wenn die Vollstreckung aller Strafen, hinsichtlich derer ihre Zuständigkeit aufgrund des Konzentrationsprinzips entstanden ist, vollständig erledigt ist oder der Verurteilte in eine Justizvollzugsanstalt im Bezirk einer anderen Strafvollstreckungskammer aufgenommen ist (BGH NStZ-RR 2008, 124; BGH NJW 2010, 951). Vorliegend ist die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Leipzig gemäß § 462a Abs. 1 Satz 2 StPO zuständig geblieben für Entscheidungen, die zu treffen sind, nachdem die Vollstreckung des Restes der Freiheitsstrafe zur Bewährung ausgesetzt wurde. Diese Fortwirkungszuständigkeit begründet gemäß § 462a Abs. 4 Satz 3 StPO ihre Zuständigkeit für die nachträglichen Entscheidungen aus der Verurteilung des Landgerichts Landau vom 4. Mai 2011 - 7101 Js 12051/10.1 KLs - (Appl in KK StPO 6. Auflage § 462a Rn 13). Da durch den Verweis auf Fälle des Absatzes 1 sowohl Abs. 1 Satz 1 als auch Satz 2 erfasst wird, ist für die Entscheidung ohne Bedeutung, dass die Strafvollstreckungskammer nur „zuständig“ geblieben ist (§ 462a Abs. 1 Satz 2 StPO).
Danach verdrängt - entsprechend dem allgemeinen Prinzip - die Zuständigkeit der Strafvollstreckungskammer auch hier die Zuständigkeit des Gerichts des ersten Rechtszuges (BGH NStZ 2011, 222; NStZ 2000, 446; Meyer-Goßner StPO 54. Auflage § 462a Rn 33; Appl in KK StPO 6. Auflage § 462a Rn 3/33)."
2
Dem schließt sich der Senat an.
Becker Fischer Appl Schmitt Krehl

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Besteht zwischen mehreren Gerichten Streit über die Zuständigkeit, so bestimmt das gemeinschaftliche obere Gericht das Gericht, das sich der Untersuchung und Entscheidung zu unterziehen hat.

Ist jemand durch verschiedene rechtskräftige Urteile zu Strafen verurteilt worden und sind dabei die Vorschriften über die Zuerkennung einer Gesamtstrafe (§ 55 des Strafgesetzbuches) außer Betracht geblieben, so sind die erkannten Strafen durch eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung auf eine Gesamtstrafe zurückzuführen.

(1) Wird gegen den Verurteilten eine Freiheitsstrafe vollstreckt, so ist für die nach den §§ 453, 454, 454a und 462 zu treffenden Entscheidungen die Strafvollstreckungskammer zuständig, in deren Bezirk die Strafanstalt liegt, in die der Verurteilte zu dem Zeitpunkt, in dem das Gericht mit der Sache befaßt wird, aufgenommen ist. Diese Strafvollstreckungskammer bleibt auch zuständig für Entscheidungen, die zu treffen sind, nachdem die Vollstreckung einer Freiheitsstrafe unterbrochen oder die Vollstreckung des Restes der Freiheitsstrafe zur Bewährung ausgesetzt wurde. Die Strafvollstreckungskammer kann einzelne Entscheidungen nach § 462 in Verbindung mit § 458 Abs. 1 an das Gericht des ersten Rechtszuges abgeben; die Abgabe ist bindend.

(2) In anderen als den in Absatz 1 bezeichneten Fällen ist das Gericht des ersten Rechtszuges zuständig. Das Gericht kann die nach § 453 zu treffenden Entscheidungen ganz oder zum Teil an das Amtsgericht abgeben, in dessen Bezirk der Verurteilte seinen Wohnsitz oder in Ermangelung eines Wohnsitzes seinen gewöhnlichen Aufenthaltsort hat; die Abgabe ist bindend. Abweichend von Absatz 1 ist in den dort bezeichneten Fällen das Gericht des ersten Rechtszuges zuständig, wenn es die Anordnung der Sicherungsverwahrung vorbehalten hat und eine Entscheidung darüber gemäß § 66a Absatz 3 Satz 1 des Strafgesetzbuches noch möglich ist.

(3) In den Fällen des § 460 entscheidet das Gericht des ersten Rechtszuges. Waren die verschiedenen Urteile von verschiedenen Gerichten erlassen, so steht die Entscheidung dem Gericht zu, das auf die schwerste Strafart oder bei Strafen gleicher Art auf die höchste Strafe erkannt hat, und falls hiernach mehrere Gerichte zuständig sein würden, dem Gericht, dessen Urteil zuletzt ergangen ist. War das hiernach maßgebende Urteil von einem Gericht eines höheren Rechtszuges erlassen, so setzt das Gericht des ersten Rechtszuges die Gesamtstrafe fest; war eines der Urteile von einem Oberlandesgericht im ersten Rechtszuge erlassen, so setzt das Oberlandesgericht die Gesamtstrafe fest. Wäre ein Amtsgericht zur Bildung der Gesamtstrafe zuständig und reicht seine Strafgewalt nicht aus, so entscheidet die Strafkammer des ihm übergeordneten Landgerichts.

(4) Haben verschiedene Gerichte den Verurteilten in anderen als den in § 460 bezeichneten Fällen rechtskräftig zu Strafe verurteilt oder unter Strafvorbehalt verwarnt, so ist nur eines von ihnen für die nach den §§ 453, 454, 454a und 462 zu treffenden Entscheidungen zuständig. Absatz 3 Satz 2 und 3 gilt entsprechend. In den Fällen des Absatzes 1 entscheidet die Strafvollstreckungskammer; Absatz 1 Satz 3 bleibt unberührt.

(5) An Stelle der Strafvollstreckungskammer entscheidet das Gericht des ersten Rechtszuges, wenn das Urteil von einem Oberlandesgericht im ersten Rechtszuge erlassen ist. Das Oberlandesgericht kann die nach den Absätzen 1 und 3 zu treffenden Entscheidungen ganz oder zum Teil an die Strafvollstreckungskammer abgeben. Die Abgabe ist bindend; sie kann jedoch vom Oberlandesgericht widerrufen werden.

(6) Gericht des ersten Rechtszuges ist in den Fällen des § 354 Abs. 2 und des § 355 das Gericht, an das die Sache zurückverwiesen worden ist, und in den Fällen, in denen im Wiederaufnahmeverfahren eine Entscheidung nach § 373 ergangen ist, das Gericht, das diese Entscheidung getroffen hat.