Bundesgerichtshof Beschluss, 12. Feb. 2008 - 1 StR 649/07

bei uns veröffentlicht am12.02.2008

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 649/07
vom
12. Februar 2008
in der Strafsache
gegen
wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 12. Februar 2008 beschlossen
:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts
Nürnberg-Fürth vom 31. Juli 2007 wird verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:


1
Der Angeklagte wurde wegen einer Reihe von Verstößen gegen das BtMG zu einer Gesamtfreiheitsstrafe verurteilt, ein Geldbetrag (Wertersatz) wurde für verfallen erklärt.
2
Die Revision des Angeklagten ist mit mehreren Verfahrensrügen (Revisionsbegründung von Rechtsanwältin G. ) und der näher ausgeführten Sachrüge (Revisionsbegründung von Rechtsanwalt Gi. ) begründet. Sie bleibt erfolglos (§ 349 Abs. 2 StPO).

I.

3
Zu den Verfahrensrügen:
4
1. Vergeblich wendet sich die Revision dagegen, dass ihr Antrag auf Aussetzung (Abbruch) der Hauptverhandlung im Hinblick auf die Einholung eines Sachverständigengutachtens erfolglos blieb.
5
a) Folgender Verfahrensablauf liegt zu Grunde:
6
Mit Fax vom 6. Juli 2007 beantragte die Verteidigerin, den Termin vom 10. Juli 2007 abzusetzen. Wie ein Gutachten eines bestimmten Psychiaters der JVA Würzburg belegen werde, sei der Angeklagte verhandlungsunfähig. Außerdem solle das Gutachten auch belegen, dass der Angeklagte bei den Taten jedenfalls erheblich vermindert schuldfähig, wenn nicht schuldunfähig gewesen sei. Im Termin vom 10. Juli 2007 gab der Vorsitzende bekannt, nach fernmündlicher Auskunft des von der Verteidigerin benannten Sachverständigen sei der Angeklagte verhandlungsfähig; dieser selbst erklärte auf entsprechende Frage, es ginge ihm gut. Der Vorsitzende ordnete dann an, dass der Sachverständige im nächsten Hauptverhandlungstermin vom 31. Juli 2007 sein Gutachten erstatten solle. Zu nennenswertem weiterem Verfahrensgeschehen kam es an diesem Tage nicht mehr. Am 12. Juli 2007 beantragte die Verteidigerin, dass der Sachverständige schon vor der Hauptverhandlung vom 31. Juli 2007 ein schriftliches Vorgutachten vorlegen müsse, da sie sonst nicht prüfen könne, ob das Gutachten fehlerhaft und deswegen ein weiteres Gutachten einzuholen sei. Dies sei unfair. Deshalb müsse das Verfahren auch gemäß § 265 StPO ausgesetzt (abgebrochen ) werden. Sie mache nämlich vom 14. Juli bis 30. Juli 2007 Urlaub. Sie könne also das schriftliche Gutachten nicht angemessen prüfen, selbst wenn es ihr vorläge. Am 19. Juli 2007 legte der Sachverständige ein vorläufiges Gutachten vor, das der Verteidigung alsbald zur Verfügung gestellt wurde. In der Haupt- verhandlung vom 31. Juli 2007 wiederholte die Verteidigerin vergeblich die Anträge vom 12. Juli 2007, noch bevor der Sachverständige sein Gutachten erstattete.
7
b) Das Gericht hat hier einem Beweisantrag der Verteidigung stattgegeben. Die Auffassung der Revision, die Anordnung des Gerichts, ein Gutachten sei einzuholen, sei schon für sich genommen eine Änderung der Sachlage, die einen Aussetzungsanspruch begründe (§ 265 Abs. 4 StPO) trifft nicht zu, ohne dass dies weiterer Darlegung bedürfte.
8
c) Der Senat hat erwogen, ob unbeschadet der rechtlich unzutreffenden gegenteiligen Auffassung der Revision deren Vorbringen unter einem anderen rechtlichen Gesichtspunkt Erfolg haben könnte (Rechtsgedanke des § 300 StPO; vgl. auch BGH, Beschl. vom 27. Juli 2006 - 1 StR 147/06). Dies war zu verneinen :
9
(1) Gutachten zu für den Schuld- oder Strafausspruch wesentlichen Fragen sind stets mündlich in der Hauptverhandlung zu erstatten, Gutachten zu anderen Fragen (z.B. Verhandlungsfähigkeit) dann, wenn es das Gericht - wie hier - anordnet (vgl. Senge in KK 5. Aufl. § 82 Rdn. 3). Dabei ist der Gutachter stets berechtigt, auch ohne gerichtliche Anordnung ein vorläufiges schriftliches Gutachten zu den Akten zu bringen (BGH GA 1963, 18; Senge aaO). Die unterschiedlich beurteilte Frage, ob die Verfahrensbeteiligten bei einem mündlich in der Hauptverhandlung zu erstattenden Gutachten unabhängig von den Umständen des Einzelfalls stets einen Anspruch darauf haben, dass ihnen dieses Gutachten auch schriftlich vorgelegt wird (bejahend z.B. Krause in Löwe/Rosenberg , StPO 25. Aufl. § 82 Rdn. 5; verneinend z.B. Senge aaO) und ob dies gegebenenfalls schon vor Erstattung des Gutachtens in der Hauptverhandlung zu geschehen hat (vgl. G. Schäfer, Praxis des Strafverfahrens 6. Aufl. Rdn. 1041), kann der Senat hier offen lassen. Hier hat nämlich der Sachverständige ein schriftliches Vorgutachten vorgelegt, das der Verteidigung mehr als zehn Tage vor dem nächsten Termin zur Fortsetzung der Hauptverhandlung, an dem der Sachverständige sein Gutachten erstatten sollte, zur Verfügung gestellt wurde.
10
(2) Aus den Grundsätzen der Unmittelbarkeit und Mündlichkeit und der Notwendigkeit, gegebenenfalls auch erst in der Hauptverhandlung angefallene Erkenntnisse in das Gutachten einzubeziehen, folgt, dass allein der Inhalt des in der Hauptverhandlung erstatteten Gutachtens maßgebend ist (vgl. Senge aaO; BGH, Beschl. vom 12. September 2007 - 1 StR 407/07). Nur hierauf kann die Entscheidung beruhen, nur dessen Mängel oder Unklarheiten - die sich im Einzelfall auch aus nicht ohne weiteres erklärlichen oder jedenfalls erläuterten Differenzen zu einem vorläufigen schriftlichen Gutachten ergeben können (vgl. G. Schäfer aaO) - können den Bestand des Urteils gefährden. Eine auf den - schon nicht näher mitgeteilten - Inhalt des in der Hauptverhandlung erstatteten Gutachtens bezogene Verfahrensrüge ist hier jedoch nicht erhoben. Die Annahme der Verteidigung, der von ihr benannte Gutachter könne generell oder jedenfalls vorliegend zur Erstattung des von ihr beantragten Gutachtens nicht kompetent genug sein, hat keine erkennbaren konkreten Anknüpfungspunkte. Die gegenteilige Auffassung der Verteidigung, im Hinblick auf die (antragsgemäße) Anordnung der Einholung eines Gutachtens könne die Verteidigung die Aussetzung (den Abbruch) der Hauptverhandlung verlangen, weil wegen zwar durch nichts belegter , theoretisch aber auch nicht ausschließbarer Inkompetenz des Gutachters das nächste Gutachten erforderlich werden könne, kann einen wie auch immer gearteten verfahrensrechtlichen Anspruch des Angeklagten nicht begründen.
11
(3) Schon daher geht auch der Hinweis auf den Urlaub der Verteidigerin ins Leere. Der Senat bemerkt jedoch, dass ein Rechtsanwalt für seine Vertretung sorgen muss, wenn er, wie die Verteidigerin hier, länger als eine Woche abwe- send ist (§ 53 Abs. 1 BRAO). Einem Vertreter stehen die anwaltlichen Befugnisse des Vertretenen zu (§ 53 Abs. 7 BRAO), die Bestellung des vertretenen Rechtsanwalts zum Verteidiger gilt auch für den vertretenden Rechtsanwalt (vgl. BGH NStZ 1992, 248; BGH, Beschl. vom 15. August 2007 - 1 StR 341/07 m.w.N.). Ohne dass es letztlich hier darauf ankäme, liegt es auch nicht nahe, dass ein Vertreter eines Rechtsanwalts nicht diejenigen Maßnahmen ergreift - hier: Überprüfung eines vorläufigen Sachverständigengutachtens zu in Strafverfahren nicht ungewöhnlichen Fragen auf elementare fachliche Mängel -, die nach Auffassung des vertretenen Rechtsanwalts voraussehbar innerhalb eines laufenden Verfahrens anfallen können und unverzüglich noch während seiner Abwesenheit durchgeführt werden müssen.
12
2. Die Revision macht weiter geltend, die Hauptverhandlung hätte auch noch aus einem anderen Grunde am 31. Juli 2007 abgebrochen werden müssen. Es sei unfair, dass stattdessen der Antrag der Verteidigerin, ihre Bestellung zu widerrufen, zurückgewiesen worden sei. Auch diese Rüge bleibt erfolglos.
13
a) Folgendes liegt zu Grunde:
14
Zunächst hatte der Angeklagte Rechtsanwalt Gi. als Verteidiger bevollmächtigt , ehe dieser antragsgemäß zum Verteidiger bestellt wurde. Ebenfalls antragsgemäß wurde er dann entpflichtet und Rechtsanwältin G. , die sich zwischenzeitlich als Wahlverteidigerin gemeldet hatte, zur Verteidigerin bestellt. Im Laufe der Hauptverhandlung schrieb der Angeklagte an das Gericht, er wolle, dass Rechtsanwalt Gi. (wieder) zum Pflichtverteidiger bestellt werde. Er habe kein Vertrauen zu Rechtsanwältin G. , die viel Geld erhalten habe, aber keine Leistung erbringe. Näher wollte er dies, wie die Strafkammer ausdrücklich feststellt , nicht erläutern. Am 31. Juli 2007, dem vierten (und letzten) Tag der Hauptverhandlung , beantragte Rechtsanwältin G. , ihre Bestellung zur Verteidigerin aufzuheben. Der Angeklagte habe sie „auf das Übelste beschimpft und mit unhaltbaren Vorwürfen überzogen“. Näher könne dies im Hinblick auf die anwaltliche Schweigepflicht nicht ausgeführt werden. Auch habe er ihr näher gekennzeichnete Informationen vorenthalten. Sämtliche Anträge blieben erfolglos.
15
b) Die hiergegen gerichtete Verfahrensrüge versagt.
16
(1) Die Behauptung, das Vertrauen zwischen Verteidiger und Angeklagten bestehe nicht mehr, kann für sich genommen einen Anspruch auf Widerruf der Bestellung eines Verteidigers nicht begründen. Sie müsste auf konkreten Tatsachenvortrag gestützt sein (BGH NStZ 1998, 311, 312; Laufhütte in KK 5. Aufl. § 143 Rdn. 5 jew. m.w.N.). Die nicht näher ausgeführte Behauptung des Angeklagten , wegen der Leistungen von Rechtsanwältin G. entziehe er ihr sein Vertrauen und übertrage es auf Rechtsanwalt Gi. zurück, nachdem er es ihm früher entzogen und es auf Rechtsanwältin G. übertragen hatte, ist hierfür offensichtlich ungeeignet.
17
(2) Der Umstand, dass die Verteidigerin hier auch selbst ihre Entpflichtung beantragt hat, führt zu keinem anderen Ergebnis (BGHSt 39, 310, 314 m.w.N.). Ein im Verhältnis des Angeklagten zum Verteidiger wurzelnder wichtiger Grund zur Entpflichtung eines bestellten Verteidigers kann regelmäßig nicht bejaht werden , wenn dieser Grund allein vom Angeklagten verschuldet ist (BGHSt aaO 315 m.w.N.). So verhält es sich hier. Die Möglichkeit, einem Verteidiger Informationen vorzuenthalten, ihn „aufs Übelste zu beschimpfen“ und ihn mit „unhaltbaren Vorwürfen“ zu überziehen, steht jedem Angeklagten faktisch unbegrenzt zur Verfügung. Könnte er damit die Auswechslung eines Verteidigers erzwingen, könnte er ein Verfahren ohne sachlichen Grund nahezu beliebig verzögern und blockieren (vgl. BGHSt aaO 313 m.w.N.). Ob und unter welchen besonderen Umständen Ausnahmen von alledem in Betracht kommen können, etwa weil der Verteidiger Strafanzeige gegen den Angeklagten erstattet hat (vgl. BGH NStZ 1997, 401; BGHSt aaO 315 f. m.w.N.), kann hier offen bleiben, da Anhaltspunkte für derartige Besonderheiten hier nicht ersichtlich sind. Ebenso wenig muss der Senat unter den gegebenen Umständen der Frage nachgehen, ob die anwaltliche Schweigepflicht näheren Darlegungen zu ungerechtfertigten Beschimpfungen des Angeklagten gegenüber der Verteidigerin notwendig entgegengestanden hätte, nachdem der Angeklagte gegenüber dem Gericht geltend gemacht hatte, diese erbringe keine Leistungen (vgl. BGH NStZ 2000, 326, 327).

II.

18
Die auf Grund der Sachrüge gebotene Überprüfung des Urteils hat ebenfalls keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Insoweit nimmt der Senat auf die zutreffenden Ausführungen des Generalbundesanwalts Bezug, die durch die Erwiderung der Revision (§ 349 Abs. 3 Satz 2 StPO) nicht entkräftet werden. Nack Wahl Kolz RiBGH Dr. Graf ist urlaubsabwesend und deshalb an der Unterschrift gehindert. Elf Nack

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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Der Angeklagte darf nicht auf Grund eines anderen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten Strafgesetzes verurteilt werden, ohne daß er zuvor auf die Veränderung des rechtlichen Gesichtspunktes besonders hingewiesen und ihm Gelegenheit zur Verteidigung gegeben worden ist.

(2) Ebenso ist zu verfahren, wenn

1.
sich erst in der Verhandlung vom Strafgesetz besonders vorgesehene Umstände ergeben, welche die Strafbarkeit erhöhen oder die Anordnung einer Maßnahme oder die Verhängung einer Nebenstrafe oder Nebenfolge rechtfertigen,
2.
das Gericht von einer in der Verhandlung mitgeteilten vorläufigen Bewertung der Sach- oder Rechtslage abweichen will oder
3.
der Hinweis auf eine veränderte Sachlage zur genügenden Verteidigung des Angeklagten erforderlich ist.

(3) Bestreitet der Angeklagte unter der Behauptung, auf die Verteidigung nicht genügend vorbereitet zu sein, neu hervorgetretene Umstände, welche die Anwendung eines schwereren Strafgesetzes gegen den Angeklagten zulassen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten oder die zu den in Absatz 2 Nummer 1 bezeichneten gehören, so ist auf seinen Antrag die Hauptverhandlung auszusetzen.

(4) Auch sonst hat das Gericht auf Antrag oder von Amts wegen die Hauptverhandlung auszusetzen, falls dies infolge der veränderten Sachlage zur genügenden Vorbereitung der Anklage oder der Verteidigung angemessen erscheint.

Ein Irrtum in der Bezeichnung des zulässigen Rechtsmittels ist unschädlich.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 147/06
vom
27. Juli 2006
in der Strafsache
gegen
wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 27. Juli 2006 beschlossen:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts München II vom 15. September 2005 wird verworfen. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:

1
Bei einer polizeilichen Kontrolle des vom Angeklagten geführten Pkw am 19. September 2004 wurden in der Stoßstange versteckt mehrere Kilogramm Kokain sichergestellt. Im Pkw waren mehrere "Duftbäumchen" aufgehängt, um den Geruch des Kokains zu überdecken. Der Angeklagte hat geltend gemacht, er sei auf dem Rückweg von den Niederlanden nach Italien, wo er den Pkw gekauft habe. Dass darin Kokain versteckt gewesen sei, sei ihm unbekannt gewesen. Einen Vertrag oder irgendwelche anderen Dokumente, die auf einen Kauf des Pkw durch den Angeklagten hingewiesen hätten, hatte er nicht in seinem Besitz. Die Strafkammer hat die Einlassung des Angeklagten nicht geglaubt, sondern hat ihn wegen eines Verbrechens gemäß § 30 Abs. 1 Nr. 4 BtMG zu einer Freiheitsstrafe verurteilt und einen Geldbetrag für verfallen erklärt.
2
Seine auf mehrere Verfahrensrügen und die näher ausgeführte Sachrüge gestützte Revision ist unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).

I.

3
Hinsichtlich der Verfahrensrügen bedarf der näheren Ausführung nur folgendes :
4
1. Die Revision beruft sich auf § 338 Nr. 5 StPO und rügt "die Verletzung von § 140 Abs. 1, Abs. 2 und §§ 141 ff. StPO." Der Sache nach macht sie geltend , der Angeklagte sei am 7. Verhandlungstag (24. August 2005) nicht ordnungsgemäß verteidigt gewesen.
5
Folgendes liegt zu Grunde:
6
Der Angeklagte hatte im Laufe des Verfahrens schon einer ganzen Reihe von Rechtsanwälten schriftliche Verteidigervollmacht erteilt, zum Teil nach zwischenzeitlicher Mandatsbeendigung mehrfach. Seit dem 4. Verhandlungstag war Rechtsanwältin K. alleinige Verteidigerin, inzwischen vertritt sie den Angeklagten nicht mehr. Nach dem 5. Verhandlungstag (29. Juli 2005) erkrankte sie. Am 6. Verhandlungstag (22. August 2005) - Dauer: zehn Minuten - erschien ausweislich des Protokolls eine derselben Kanzlei angehörige Rechtsanwältin "in Untervollmacht für RAin K. , die erkrankt ist. Der Angeklagte erklärte hiermit Einverständnis". Im Übrigen beschränkte sich die Verhandlung auf eine Erklärung des Angeklagten, wonach er bestätigte, in Anwesenheit von Rechtsanwältin K. eine Erklärung abgeben zu wollen, und die Erörterung des weiteren Verfahrensgangs. Am 7. Verhandlungstag erschien Rechtsanwalt F. , "der erklärte, dass er in Untervollmacht für RAin K. auftrete und eine schriftliche Untervollmacht nachreichen werde". Es wurden drei Telefonkarten in Augenschein genommen und ein Notizzettel mit einer Adresse in Augenschein genommen und verlesen. Erklärungen wurden zu alledem nicht abgegeben , die Verhandlung dauerte sieben Minuten. Am nächsten Verhandlungstag (15. September 2005) erschien dann wieder Rechtsanwältin K. und führte die Verteidigung. Die am 24. August 2005 angekündigte Untervollmachtsurkunde war schon am 23. August 2005 ausgestellt. Sie gelangte allerdings erst im Rahmen des Revisionsverfahrens am 7. Februar 2006 zu den Verfahrensakten.
7
Der Verfahrensverlauf vom 7. Verhandlungstag lässt keinen Rechtsfehler erkennen.
8
a) Ohne dass es auf Weiteres ankäme, wäre der Angeklagte nicht ordnungsgemäß verteidigt gewesen, wenn nicht die Voraussetzungen von § 138 Abs. 1 StPO erfüllt gewesen wären. Die Revision (Schriftsatz vom 8. Mai 2006) hat angeregt, der Senat möge "klären, ob die … Untervollmacht tatsächlich einem zugelassenen Rechtsanwalt erteilt worden ist". Gestützt ist dies auf Erwägungen , die an den Inhalt des Anrufbeantworters des Anschlusses F. anknüpfen.
9
Verfahrensrügen sind in der Frist des § 345 StPO zu erheben. Diese ist hier nicht eingehalten. Freilich liegen hier Besonderheiten vor. Die Staatsanwaltschaft hat im Rahmen ihrer Revisionsgegenerklärung auf die genannte Untervollmachtsurkunde Bezug genommen, sie dem (jetzigen) Verteidiger aber nicht bekannt gemacht. Er hat von dieser Urkunde erst im Rahmen ihm vom Senat gewährter Akteneinsicht Kenntnis genommen.
10
Der Senat braucht nicht darüber zu befinden, ob und wie sich das geschilderte Verfahrensgeschehen auf die Frist des § 345 StPO auswirkt. Auch wenn man das genannte Vorbringen als rechtzeitig ansieht, fehlt es jedenfalls an der gemäß § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO erforderlichen schlüssigen tatsächlichen Behauptung einer Rechtsverletzung, da nicht eindeutig und klar behauptet ist, der als Rechtsanwalt F. aufgetretene Verteidiger sei in Wahrheit kein Rechtsanwalt. Eine entsprechende Vermutung in den Raum zu stellen, genügt nicht. Es wäre Sache der Revision gewesen, die tatsächliche Tragfähigkeit ihrer Erwägungen zu überprüfen, etwa durch ohne weiteres mögliche Anfragen bei der früheren Verteidigerin (vgl. BGH NStZ 2005, 283 f.; hierzu BVerfG StraFo 2005, 512 f.) oder bei zuständigen Stellen wie der Rechtsanwaltskammer oder dem Präsidenten des Landgerichts; gegebenenfalls hätte sie das Ergebnis ihrer Überprüfungen dem Senat darzulegen gehabt. Gebotener Vortrag kann nicht durch die Anregung ersetzt werden, der Senat möge prüfen, ob die angedeutete Möglichkeit eines Rechtsfehlers in tatsächlicher Hinsicht eine tragfähige Grundlage hat oder nicht.
11
b) Die Revision macht im Zusammenhang mit der Vollmachtsurkunde weiter geltend, an einer ordnungsgemäßen Verteidigung habe es (auch) deshalb gefehlt, weil im Termin vom 24. August 2005, (noch) keine schriftliche Untervollmacht für Rechtsanwalt F. vorgelegen habe. Eine solche Untervollmacht muss aber nicht notwendig schriftlich nachgewiesen werden (vgl. OLG Düsseldorf StraFo 1998, 227 f.; OLG Hamm JMBl. NW 1980, 83; OLG Köln VRS 60, 441 f.; Meyer-Goßner, StPO 49. Aufl. vor § 137 Rdn. 11). Deshalb gehen zugleich die Ausführungen der Revision ins Leere, wonach es unzulässig sei, die später zu den Akten gelangte schriftliche Untervollmacht vom 23. August 2005 zur Kenntnis zu nehmen und zu berücksichtigen.
12
c) Über die genannten einzelfallbezogenen Fragen (beruflicher Status des Unterbevollmächtigten; Art des Nachweises seiner Unterbevollmächtigung) hinaus erhebt die Revision auch generelle Bedenken gegen die Berechtigung von Rechtsanwältin K. zur Erteilung einer Untervollmacht und dementsprechend gegen die Wirksamkeit dieser Untervollmacht.
13
(1) Bedenken gegen die Wirksamkeit der Klausel in der Vollmacht für Rechtsanwältin K. , die ihr die Erteilung von Untervollmacht gestattete, bestehen nicht.
14
Für die in einer Verteidigervollmacht vorformulierte Befugnis zur Erteilung von Untervollmacht gelten, soweit hier von Interesse, die Regeln über Allgemeine Geschäftsbedingungen in Verträgen. Ob die genannte Befugnis wirksamer Bestandteil der Vollmacht ist, richtet sich insbesondere nach § 305c Abs. 1 BGB (vgl. zu alledem näher Jahn/Kett-Straub StV 2005, 601, 602 m. w. N. ). Sie ist allgemein gebräuchlich - auch sämtliche der (zahlreich) vom Angeklagten ausgestellten Verteidigervollmachten enthalten diese Klausel, zuletzt die für seinen jetzigen Verteidiger im Revisionsverfahren - und daher nicht überraschend im Sinne des § 305c BGB (Jahn/Kett-Straub aaO).
15
Die Revision meint, in diesem Zusammenhang habe es auch Bedeutung, dass der Angeklagte die deutsche Sprache nicht beherrsche. Der Senat braucht diesem Hinweis aber unter keinem Gesichtspunkt näher nachzugehen. Es erscheint fern liegend und ist auch nicht konkret behauptet, dass die Verteidiger nicht mit dem Angeklagten kommunizieren konnten (zur Dolmetscherzuziehung bei Verteidigergesprächen vgl. Wickern in Löwe/Rosenberg StPO 25. Aufl. § 185 GVG Rdn. 10).
16
(2) Der unterschiedlich beurteilten Frage, ob eine nur formularmäßig erteilte Zustimmung eine gemäß § 139 StPO genügende Grundlage zur Unterbevollmächtigung eines Referendars durch einen Verteidiger ist (verneinend KG JR 1972, 206; Bedenken hiergegen etwa bei Jahn/Kett-Straub aaO m. w. N. in Fußn. 19) braucht der Senat hier ebenfalls nicht näher nachzugehen. Selbst wenn in diesem Fall keine ausreichende Grundlage für die Unterbevollmächti- gung vorläge, könnte dies wegen des Unterschieds zwischen einem Rechtsanwalt und einem Referendar nicht auf die vorliegende Fallgestaltung übertragen werden (vgl. Jahn/Kett-Straub aaO). All dies gilt noch mehr für die von der Revision genannte Entscheidung LG Berlin NStZ 2000, 51, die sich von der vorliegenden Fallgestaltung zusätzlich noch dadurch unterscheidet, dass die Bevollmächtigung des Referendars durch einen Pflichtverteidiger erfolgte (vgl. auch Jahn/Kett-Straub aaO Fußn. 19 a. E.).
17
(3) Die hier in Rede stehende Bevollmächtigung ist auch nicht dahin eingeschränkt , dass jedenfalls ein Verteidiger, "der aufgrund seiner Prozesserfahrung und seines Bekanntheitsgrades … besonderes Vertrauen für sich in Anspruch nimmt", von einem ihm eingeräumten Recht, Untervollmacht zu erteilen, keinen Gebrauch machen dürfe (so LG Duisburg StV 2005, 600; auf diese Entscheidung weist die Revision hin). Ob diese Voraussetzungen bei Rechtsanwältin K. gegeben sind oder nicht, hatte die Strafkammer nicht zu prüfen. Das Gesetz behandelt nämlich alle zugelassenen Verteidiger, die ihre Stellung nicht einer Einzelfallprüfung des Gerichts verdanken (vgl. § 138 Abs. 2 StPO), gleich. Es räumt, wie sich aus § 138 Abs. 1 StPO ergibt, dem Gericht nicht die Möglichkeit ein, etwa im Rahmen der Prüfung der Wirksamkeit einer Untervollmacht, auf der Grundlage seiner eigenen Auffassung z.B. über die fachliche Qualität eines Verteidigers ("Prozesserfahrung") und das Maß des Vertrauens zu befinden , das er deshalb von seinen Mandanten erwarten darf (Jahn/Kett-Straub aaO).
18
(4) Auch im Übrigen gibt es keinen Rechtsanspruch des Angeklagten, auch dann ausschließlich vom (Haupt-)Verteidiger verteidigt zu werden, wenn er uneingeschränkt die Befugnis zur Erteilung von Untervollmachten erteilt hat. Weder ist eine solche Regelung ausdrücklich dem Gesetz zu entnehmen, noch gibt es übergeordnete Gesichtspunkte, die es gebieten würden, die bewährte und sinnvolle Möglichkeit der Unterbevollmächtigung in Strafsachen letztlich in Frage zu stellen. Missbräuche oder sonstige Fehlentwicklungen in der Praxis der Strafrechtspflege, die eine generell andere Beurteilung nahe legen könnten, sind nicht bekannt.
19
(5) All dies gilt entsprechend auch hinsichtlich des von der Revision hervorgehobenen Umstands, dass Rechtsanwalt F. nicht derselben Sozietät wie Rechtsanwältin K. angehört. Auch hieraus ergeben sich keine rechtlichen Einschränkungen der Rechtsanwältin K. vom Angeklagten uneingeschränkt eingeräumten Befugnis zur Erteilung von Untervollmacht. Es ist nicht ersichtlich, warum sich daran deshalb etwas ändern könnte, weil die Unterbevollmächtigte vom 6. Verhandlungstag in derselben Kanzlei tätig war wie Rechtsanwältin K. .
20
(6) Dass es schließlich auch keinen Rechtssatz gibt, wonach eine Unterbevollmächtigung unwirksam sei, wenn sie für einen Verhandlungsteil erteilt ist, in dem Beweis erhoben wird, bedarf keiner Darlegung.
21
d) Das sonstige Vorbringen der Revision, etwa - das Gericht habe den Angeklagten nicht nach seinem Einverständnis mit der Verteidigung durch Rechtsanwalt F. befragt, wie dies am 6. Verhandlungstag geschehen sei; - das Gericht hätte den Angeklagten darüber belehren müssen, dass er eine Verteidigervollmacht jederzeit kündigen kann; - Rechtsanwalt F. habe nicht sachgerecht agiert, kann der Revision ebenfalls nicht zum Erfolg verhelfen.
22
Es bedarf keiner näheren Darlegung, dass die behaupteten Fehler, selbst wenn man ihr Vorliegen unterstellt, nicht dazu führen könnten, dass ein ordnungsgemäß (unter)bevollmächtigter, anwesender Verteidiger als im Sinne des § 338 Nr. 5 StPO nicht anwesend anzusehen wäre; Erwägungen der Revision , weshalb das Urteil aus den genannten Gründen in besonderem Maße auf dem behaupteten Verstoß gegen § 338 Nr. 5 StPO beruhe, gehen daher schon im Ansatz ins Leere. Ebenso wenig stellt sich im Fall der Anwesenheit eines Wahlverteidigers oder eines von ihm ordnungsgemäß unterbevollmächtigten Verteidigers die Frage nach der Bestellung eines Pflichtverteidigers (§§ 141 ff. StPO). Das genannte Vorbringen ist daher schon im Ansatz keine schlüssige Behauptung der von der Revision geltend gemachten Verletzungen von § 338 Nr. 5, §§ 141 ff. StPO.
23
Aber auch wenn man auf all dies den Rechtsgedanken des § 300 StPO anwenden würde (vgl. auch § 352 Abs. 2 StPO), könnte es der Revision nicht zum Erfolg verhelfen.
24
(1) Das Gericht ist regelmäßig nicht verpflichtet, die Tätigkeit eines Verteidigers daraufhin zu überwachen, ob er seine Verteidigertätigkeit ordnungsgemäß erfüllt (vgl. BGH b. Holtz, MDR 1996, 120). Dies gilt nicht nur für die inhaltliche , sondern auch für die formale Gestaltung der Verteidigung. Macht der Verteidiger von einer ihm - wie dem Gericht bekannt ist - vom Angeklagten erteilten Befugnis Gebrauch, so braucht das Gericht dies im Grundsatz nicht zu hinterfragen. Besondere über die Erteilung der Untervollmacht hinausgehende Umstände des Einzelfalles, die ausnahmsweise eine andere Beurteilung nahe legen könnten, sind nicht ersichtlich.
25
Daran ändert sich auch durch den Verlauf des vorangegangenen 6. Verhandlungstages nichts, wenn es auch regelmäßig untunlich ist, wenn das Ge- richt in identischen Verfahrenssituationen, dem Auftreten eines unterbevollmächtigten Verteidigers, unterschiedlich agiert, indem es einmal den Angeklagten nach seinem Einverständnis fragt und einmal nicht, zumindest das Protokoll unterschiedlich gestaltet.
26
Es bedarf jedoch keiner näheren Darlegung, dass eine nicht gebotene, aber auch unschädliche Frage nicht die objektive Rechtslage verändert hat.
27
(2) Eine Verletzung eines wie auch immer gearteten Vertrauenstatbestandes ist ebenfalls nicht ersichtlich.
28
Worauf sich ein Vertrauen überhaupt gerichtet haben soll, erschließt sich aus dem Vortrag, - wegen des 6. Verhandlungstages habe der Angeklagte darauf vertraut, das Auftreten eines Unterbevollmächtigten sei nur mit seiner nochmaligen Einwilligung zulässig, wenn er vom Gericht danach gefragt wird; - deshalb habe er am 7. Verhandlungstag geglaubt, es käme nicht auf sein nochmaliges Einverständnis an, da er nicht danach gefragt wurde; nicht leicht.
29
Letztlich kann dies aber auf sich beruhen. Wie der Bundesgerichtshof in anderem Zusammenhang bereits entschieden hat, kann die Verletzung eines Vertrauenstatbestandes nur dann mit Erfolg geltend gemacht werden, wenn der Angeklagte durch das in Rede stehende Verhalten in eine Lage versetzt wurde, die sein Verteidigungsverhalten beeinflusst hat und bei verständiger Einschätzung der Verfahrenslage auch beeinflussen konnte. Es lassen sich insoweit keine starren Regeln aufstellen, maßgeblich sind die Umstände des jeweiligen Verfahrens (BGH NStZ 2004, 277, 278 m.w.N.). Diese Grundsätze gelten auch hier. Allein das Erscheinen eines ordnungsgemäß unterbevollmächtigten Verteidigers war bei verständiger Würdigung nicht geeignet, den Angeklagten dazu zu veranlassen, sich hiergegen zu wehren. Darauf, dass es angesichts der Vielzahl der von ihm erteilten und widerrufenen Verteidigervollmachten auch fern liegt, er könne geglaubt haben, seine Möglichkeiten und Rechte hingen von einer Frage des Gerichts ab, kommt es daher nicht mehr an.
30
(3) Sprach aber nichts gegen die Wahrnehmung der Verteidigung durch den Unterbevollmächtigten, braucht das Gericht den Angeklagten offensichtlich auch nicht, wie die Revision meint, "darauf hinzuweisen, dass es Probleme mit der Verteidigung durch den Unterbevollmächtigten geben könnte und er das Recht hat, … von einem 'Sonderkündigungsrecht' … Gebrauch zu machen“. Auf nichts gestützte Spekulationen des Gerichts über zu erwartende Schwierigkeiten können eine Fürsorgepflicht für einen Hinweis auf ein Kündigungsrecht (vgl. §§ 627, 671 BGB) nicht begründen. Der Senat kann daher auch offen lassen, wann und gegebenenfalls unter welchen Umständen ein Hinweis des Gerichts an den Angeklagten, er könne seinem Wahlverteidiger kündigen, überhaupt geboten sein könnte.
31
(4) Die Behauptung unzulänglichen Agierens durch Rechtsanwalt F. begründet die Revision damit, er habe nach den genannten Beweiserhebungen keine Erklärungen abgegeben. Er hätte sagen müssen, dass in den Niederlanden sämtliche Verkäufe von Telefonkarten schriftlich festgehalten würden, weshalb sich aus den Nummern der verlesenen Telefonkarten zahlreiche für den Angeklagten günstige Erkenntnisse ergeben hätten; zu dem Notizzettel mit der Adresse hätte er sagen müssen, dass es sich dabei um die Adresse eines bei dem Kauf des Pkw nicht zum Zuge gekommenen Mitinteressenten gehandelt hätte; dies hätte die Richtigkeit des Vorbringens des Angeklagten unterstrichen, dass er den Pkw gekauft und nichts von Rauschgift gewusst hätte (vgl. oben vor I.).
32
Wie dargelegt, hat das Gericht die Gestaltung der Verteidigung grundsätzlich nicht zu überprüfen oder zu kontrollieren (vgl. oben I. 1 d (1) ). Gründe, aus denen ausnahmsweise im Hinblick auf eine Fürsorgepflicht des Gerichts für den Angeklagten etwas anderes gelten könnte- etwa, weil die Unfähigkeit eines Verteidigers zu ordnungsgemäßer Verteidigung klar auf der Hand liegt (vgl. BGH b. Holtz MDR 1996, 120) - sind nicht erkennbar. Mit dem Vortrag, ein Verteidiger habe nach einer Beweiserhebung nicht von der Möglichkeit des § 257 Abs. 2 StPO Gebrauch gemacht, wird im Übrigen auch nicht behauptet, dass Vortrag zu dem Beweisergebnis nicht im Rahmen der Schlussausführungen erfolgte.
33
Abgesehen davon ist das, was nach Ansicht der Revision - die im Übrigen eine Aufklärungsrüge im Zusammenhang mit Telefonkarten und Notizzettel nicht erhebt - hätte vorgetragen werden sollen, inhaltlich (sehr) fern liegend. Allein die Behauptung, der Verteidiger habe fern liegende Gesichtspunkte dem Gericht nicht unterbreitet, kann jedoch die Möglichkeit eines Rechtsfehlers unter keinem Gesichtspunkt verdeutlichen.
34
e) Ein wie auch immer gearteter Rechtsfehler im Zusammenhang mit der Verteidigung des Angeklagten durch den ordnungsgemäß unterbevollmächtigten Rechtsanwalt F. ist nach alledem nicht zu erkennen. Die Strafkammer hat vielmehr, wie die nur geringe Förderung der Hauptverhandlung am 6. und. 7. Verhandlungstag (vgl. oben I. 1 vor a)) zeigt, der an diesen Tagen verhinderten Rechtsanwältin K. die Führung der Verteidigung des Angeklagten bis unmittelbar an die von § 229 StPO gezogenen Grenzen (vgl. hierzu MeyerGoßner aaO § 229 Rdn. 11) ermöglicht.
35
2. Wie dargelegt (I. 1 d (4)) führt die Revision im Einzelnen aus, was der Verteidiger anlässlich der Beweisaufnahme über Notizzettel und Telefonkarten hätte erklären sollen. Angesichts dieses Vorbringens erhellt sich die tatsächliche und vor allem rechtliche Bedeutung der zusätzlichen Rüge, Notizzettel und Telefonkarten seien nicht Teil der Akten, zumindest nicht ohne weiteres. Der Senat braucht dem aber nicht näher nachzugehen, da dies nur "vorsorglich" gerügt sein soll. Vorsorglich, also hilfsweise erhobene Verfahrensrügen sind jedoch nicht zulässig (BGH NStZ-RR 2006, 181, 182 m. w. N.), das entsprechende Vorbringen also einer inhaltlichen Überprüfung nicht zugänglich.
36
3. Die auf § 244 Abs. 5 Satz 2 StPO gestützte Ablehnung der Vernehmung des Zeugen A. hält aus den vom Generalbundesanwalt zutreffend dargelegten, von der Erwiderung der Revision nicht entkräfteten Gründen rechtlicher Überprüfung stand. Daher kann das Vorbringen der Revision, das sich gegen die zunächst mit der Unmöglichkeit der Ermittlung dieses Zeugen anderweitig begründeten Ablehnung seiner Vernehmung richtet, ebenso auf sich beruhen, wie die auf § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO gestützten Bedenken des Generalbundesanwalts gegen die Zulässigkeit dieses Vorbringens. Gleiches gilt für die von den Verfahrensbeteiligten unterschiedlich beurteilte Frage, ob die Strafkammer im Laufe der Hauptverhandlung die Gründe zur Ablehnung der Vernehmung dieses Zeugen ausgewechselt oder ergänzt hat. Beides ist zulässig (vgl. Alsberg/Nüse/Meyer Der Beweisantrag im Strafprozess 5. Aufl. S. 772 f. m. w. N.).
37
4. Auch die übrigen Verfahrensrügen sind unbegründet. Insoweit verweist der Senat auf die zutreffenden Ausführungen des Generalbundesanwalts, die durch die Erwiderung der Revision nicht entkräftet werden.

II.

38
Auch die auf Grund der Sachrüge gebotene Überprüfung des Urteils hat aus den vom Generalbundesanwalt zutreffend dargelegten, ebenfalls von der Revisionserwiderung nicht entkräfteten Gründen keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Wieso das Verfahren (und damit die Untersuchungshaft ) übermäßig lang gedauert haben könnte, ist weder nachvollziehbar vorgetragen noch sonst ersichtlich. Nack Wahl Boetticher Kolz Hebenstreit

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 407/07
vom
12. September 2007
in der Strafsache
gegen
wegen Mordes
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 12. September 2007 beschlossen
:
Die Revision der Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts
Hechingen vom 14. Mai 2007 wird verworfen.
Die Beschwerdeführerin hat die Kosten ihres Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:

1
Um ihren geschiedenen Ehemann zu töten, übergoss ihn die Angeklagte von hinten mit einer brennbaren Flüssigkeit und zündete ihn an. Er erlitt schwerste Verbrennungen, denen er nach einigen Tagen erlag.
2
Deshalb wurde sie wegen heimtückischen Mordes zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt.
3
Ihre auf Verfahrensrügen und die näher ausgeführte Sachrüge gestützte Revision ist unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).
4
1. Der psychiatrische Sachverständige hatte bereits mehrere Monate vor der Hauptverhandlung ein - vorläufiges - schriftliches Gutachten zu den Akten gebracht. Danach hatte die Verteidigung, immer noch längere Zeit vor der Hauptverhandlung, Akteneinsicht gehabt, kannte also das vorläufige Gutachten. Dies belegt auch der Umstand, dass bereits vor der Hauptverhandlung ein Antrag einging, mit dem der Sachverständige (unter anderem auch) wegen des Inhalts des vorläufigen Gutachtens wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt wurde. Sein - endgültiges - Gutachten hat der Sachverständige - selbst- verständlich - in der Hauptverhandlung erstattet. Eine wie auch immer geartete Verletzung prozessualer Rechte der Angeklagten durch diesen Verfahrensablauf ist nicht erkennbar.
5
a) Demgegenüber vertritt die Revision offenbar die Auffassung, ein Sachverständiger müsse (nicht nur ein vorläufiges, sondern bereits) sein endgültiges Gutachten schon vor der Hauptverhandlung zu den Akten bringen. Die Auffassung der Revision hätte die Konsequenz, dass ein Sachverständiger Erkenntnisse bei seiner Begutachtung auszuklammern habe, die erst in der Hauptverhandlung angefallen sind. Dies liegt neben der Sache.
6
b) Weiteres Revisionsvorbringen stützt sich in diesem Zusammenhang auf die Annahme, der Verteidigung sei zugemutet worden, in einem kurzen Zeitraum zwischen Erstattung des Gutachtens in der Hauptverhandlung und der Befragung des Sachverständigen durch die Verteidigung dessen umfangreiches (61 Seiten langes) vorläufiges Gutachten durchzuarbeiten. Dies ist in tatsächlicher Hinsicht falsch, wie sich aus der - von der Revision entgegen § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO nicht mitgeteilten - vorherigen Akteneinsicht der Verteidigung ergibt.
7
c) Nach alledem gehen sämtliche in diesem Zusammenhang erhobenen Verfahrensrügen (z. B. Behinderung der Verteidigung, § 338 Nr. 8 StPO, Verletzung des Rechts auf Einsicht in Sachverständigengutachten, § 147 Abs. 3 StPO) fehl. Anzumerken ist lediglich Folgendes: Der im Zusammenhang mit dem Gutachten geltend gemachte Aussetzungsantrag könnte allenfalls dann eine Grundlage haben, wenn - etwa im Hinblick auf neue Erkenntnisse aus der Hauptverhandlung - das in der Hauptverhandlung erstattete Gutachten in wesentlichen Punkten von dem vorläufigen Gutachten abgewichen wäre. Hierfür ist dem Revisionsvorbringen jedoch nichts zu entnehmen.
8
2. Ohne Erfolg bleibt auch die Rüge, ein Antrag auf Ablehnung des psychiatrischen Sachverständigen wegen Besorgnis der Befangenheit (§ 74 StPO) sei zu Unrecht zurückgewiesen worden.
a) Zur Begründung des Ablehnungsantrags war vorgetragen worden: (1) Bei einer Exploration, bei der auch der Verteidiger anwesend war, habe der Sachverständige der Angeklagten folgendes auseinandergesetzt : Der Bundesgerichtshof habe schon einmal eine Entscheidung der - erkennenden - Strafkammer aufgehoben, der ein Sachverhalt zu Grunde gelegen habe, der dem ähnlich sei, wie er von der Angeklagten behauptet werde. In einem weiteren ebenfalls vergleichbaren Fall sei deshalb die Strafe nach Auffassung des Vorsitzenden der Strafkammer zu milde ausgefallen. Deshalb werde der Vorsitzende bei der geringsten Unstimmigkeit Einlassungen wie die der Angeklagten gar nicht erst glauben. Die Angeklagte solle sich daher ihre Einlassung nochmals durch den Kopf gehen lassen. (2) Im Übrigen sei dem Sachverständigen im Rahmen dieser Expoloration erklärt worden, dass die Angeklagte erst in der Hauptverhandlung weitere Angaben zum Tatgeschehen machen werde. Nachdem der Verteidiger die Vollzugsanstalt wieder verlassen gehabt habe, habe der Sachverständige sich dann aber doch die Angeklagte nochmals vorführen lassen und versucht, sie zum Tatgeschehen zu befragen. (3) Außerdem sei sein - vorläufiges - Gutachten unvollständig.
9
b) Die Strafkammer hat zu diesem Vorbringen den Sachverständigen angehört und weitere Ermittlungen angestellt. Sodann hat sie den Antrag zurückgewiesen. (1) Die in Anwesenheit des Verteidigers abgegebene Empfehlung des Sachverständigen zu einer Überprüfung der Einlassung - die, so der Sachverständige, mit dem Akteninhalt nicht übereingestimmt habe - hat sie als "übertriebene Fürsorge" des Sachverständigen bewertet. Auf die in dem Ablehnungsantrag näher ausgeführten Darlegungen des Sachverständigen zu den Gründen für seine Prognose - die dieser in seiner Stellungnahme weder bestätigt noch bestritten hatte - ist sie dabei nicht eingegangen. (2) Soweit der Antrag auf Vorbringen zum Geschehen gestützt war, das sich abgespielt haben soll, nachdem der Verteidiger die Vollzugsanstalt verlassen hatte, wurde der Antrag abgelehnt, weil die ihm zu Grunde liegenden Behauptungen nicht erwiesen seien. Nach den Angaben des Sachverständigen stelle es sich vielmehr so dar, dass er, nachdem er zuvor in ihre Krankenakte im Revier Einblick genommen gehabt habe, die Angeklagte in Abwesenheit des Verteidigers nur zu ihrer depressiven Verstimmung am Tattag befragt habe, wie dies auch mit dem Verteidiger vereinbart gewesen sei; zum Tatgeschehen habe er sie nicht befragt. (3) Die (behauptete) Unvollständigkeit des vorläufigen Gutachtens sei bedeutungslos. Entscheidend sei das endgültige Gutachten.
10
c) Die Revision hält diesen Beschluss für fehlerhaft. Zur Begründung führt sie näher aus, dass und warum die Strafkammer den in dem Ablehnungsantrag geschilderten Geschehensablauf hinsichtlich des Befragungsversuchs in Abwesenheit des Verteidigers hätte als bewiesen ansehen müssen. Demgegenüber befasst sich das Revisionsvorbringen nicht mit den Teilen des Beschlusses , die den Ablehnungsantrag zurückweisen, soweit dieser auf die Empfehlung des Sachverständigen, das Verteidigungsvorbringen zu überdenken, und die Unvollständigkeit des vorläufigen Gutachtens gestützt war.
11
d) Der Senat neigt nicht zu der Auffassung, dass ein Sachverständiger verständigerweise das Misstrauen hervorruft, er selbst sei zum Nachteil einer Angeklagten voreingenommen, wenn er ihr und ihrem Verteidiger eingehend erläutert , dass und warum aus seiner Sicht ein bestimmtes Verteidigungsvorbringen bei Gericht keinen Erfolg haben wird und deshalb dessen Abänderung empfiehlt. Einer Entscheidung hierüber bedarf es aber nicht. Der Ablehnungsantrag ist nämlich mit mehreren, voneinander unabhängigen Vorwürfen begründet, die Entscheidung hierüber dementsprechend auf mehrere, ebenso voneinander unabhängige Gründe gestützt. Eine solche Entscheidung hat das Revisionsgericht nur in dem Umfang zu überprüfen, in dem sie von der Revision ausweislich ihrer Begründung als rechtsfehlerhaft gerügt ist (zur Maßgeblichkeit der "Angriffsrichtung" einer Rüge vgl. auch BGH NStZ 2007, 161, 162; Kuckein in KK 5. Aufl. § 344 Rdn. 34; Cirener/Sander JR 2006, 300 jew. m. w. N.). Dies ist hinsichtlich des Teils des Beschlusses nicht der Fall, der sich mit der angesonnenen Änderung des Verteidigungsvorbringens befasst.
12
Unabhängig von alledem bemerkt der Senat, dass ein Sachverständiger keine Fürsorgepflicht für den Erfolg (der Anklage oder) der Verteidigung hat. Vielmehr hat er sich darauf zu beschränken, den ihm von seinem Auftraggeber (Staatsanwaltschaft oder Gericht) vorgegebenen Sachverhalt (vgl. § 78 StPO) aus seiner fachlichen Sicht zu bewerten. Findet er im Rahmen seiner Tätigkeit Anhaltspunkte für einen abweichenden Sachverhalt - diese können sich auch aus (neuen) Angaben des Beschuldigten (Angeklagten) ergeben - hat er seinen Auftraggeber hierauf hinzuweisen; gegebenenfalls kann er dann als (sachverständiger ) Zeuge in Betracht kommen (vgl. BGH NStZ-RR 2005, 264, 265 m. w. N.). Die Bewertung derartiger Anhaltspunkte ist allein Sache des Gerichts, das dem Sachverständigen gegebenenfalls zu verdeutlichen hat, von welchem Sachverhalt - erforderlichenfalls welchen alternativen Sachverhalten - er bei seinem Gutachten auszugehen hat. Zu (hier jedenfalls unbestritten behaupteten ) Voraussagen, wie und warum das Gericht Beweiswürdigung und Strafzumessung vermengen werde, und einer Beratung von Verfahrensbeteiligten über ihr Prozessverhalten ist ein Sachverständiger keinesfalls berufen (zur Abgrenzung der Zuständigkeitsbereiche vgl. auch Nedopil NStZ 1999, 433, 437 f.). Wie hier deutlich wird, kann derartiges Verhalten zu Missdeutungen Anlass geben und so das Verfahren belasten.
13
e) Hinsichtlich der gerügten Bewertung der geltend gemachten Befragung in Abwesenheit des Verteidigers bleibt die Revision ebenfalls erfolglos:
14
Das Recht des Beschuldigten (Angeklagten), sich in jeder Lage des Verfahrens anwaltlicher Hilfe zu bedienen, führt nicht zu einem Anwesenheitsrecht des Verteidigers bei der Exploration durch einen Sachverständigen, der mit der Erstellung eines Gutachtens (hier: zur Frage der Schuldfähigkeit der Angeklagten ) beauftragt ist (BGH NStZ 2003, 101). Hier ist nun allerdings geltend gemacht , der Sachverständige habe - gleichwohl - zunächst zugesagt, (weitere) Explorationen nur in Anwesenheit des Verteidigers vorzunehmen, sich dann aber nicht an diese Zusage gehalten. Es verstünde sich auch bei einem solchen - freilich inkonsequenten - Verhalten des Sachverständigen nicht von selbst, dass allein die Stellung sachgerechter Fragen - anderes ist weder konkret behauptet noch sonst ersichtlich - verständigerweise die Besorgnis begründete, der Sachverständige sei zum Nachteil der Angeklagten befangen.
15
Einer abschließenden Entscheidung hierüber bedarf es aber nicht, da die Strafkammer die in dem Ablehnungsantrag aufgestellten tatsächlichen Behauptungen als widerlegt ansieht. Mit dem Vorbringen, in Wahrheit sei es doch so gewesen, wie in dem Antrag behauptet, kann die Revision nicht gehört werden. Bei der Beurteilung der Ablehnung von Sachverständigen ist das Revisionsgericht an die Tatsachen gebunden, die der Tatrichter seiner Entscheidung zu Grunde gelegt hat. Eigene Ermittlungen des Revisionsgerichts kommen - anders als bei der Richterablehnung - nicht in Betracht. Es entscheidet als Rechtsfrage, ob die Strafkammer über das Ablehnungsgesuch ohne Verfahrensfehler und mit ausreichender Begründung befunden hat (st. Rspr., vgl. BGH NStZ 1994, 388; BGH bei Becker NStZ-RR 2002, 66 m. w. N.). Die Strafkammer ist in ihrem Beschluss aber rechtsfehlerfrei zu dem Ergebnis gelangt, die Äußerung des Sachverständigen zu dem Ablehnungsantrag ergebe, dass er seine Absprache mit dem Verteidiger eingehalten habe. Unabhängig davon belegen die Ausführungen des Sachverständigen jedenfalls, dass er nicht davon ausgegangen ist, eine mit dem Verteidiger getroffene Vereinbarung zu verletzen. Selbst wenn das Verhalten des Sachverständigen zunächst die Besorgnis der Befangenheit begründet hätte, hätte die Erläuterung des Sachverständigen diese Besorgnis ausgeräumt. Es gilt insoweit nichts anderes als hinsichtlich der dienstlichen Erklärung eines wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnten Richters. Diese kann ebenfalls ein ursprünglich berechtigt erscheinendes Misstrauen ausräumen (vgl. BGH wistra 2002, 267; StV 2004, 356, 357 jew. m. w. N.).
16
f) Soweit die Ablehnung mit der Unvollständigkeit des vorläufigen Gutachtens begründet ist, sind die Ausführungen der Strafkammer, mit denen dieser Teil des Ablehnungsantrags zurückgewiesen wurde, von der Revision nicht erkennbar angegriffen. Es gilt insoweit nichts anderes als hinsichtlich der geltend gemachten Besorgnis der Befangenheit des Sachverständigen wegen sei- ner Empfehlungen zum Verteidigungsverhalten. Darauf, dass allein der (im Übrigen nicht in einer den Anforderungen von § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO genügenden Weise mitgeteilte) Inhalt eines Gutachtens - also die fachliche Qualität des Gutachters - in aller Regel die Besorgnis der Befangenheit ohnehin nicht begründen könnte (vgl. BGHR StPO § 74 Ablehnung 1 m. w. N.), kommt es daher nicht mehr an.
17
3. Die Rüge gegen den Beschluss, mit dem der Antrag auf Ablehnung des Gerichts wegen Besorgnis der Befangenheit zurückgewiesen wurde, ist ebenfalls offensichtlich unbegründet. Da dieser Antrag allein auf die Bescheidung des Vorbringens zur angeblich unzulänglichen Möglichkeit, von dem vorläufigen Gutachten Kenntnis zu nehmen und auf die Zurückweisung des gegen den Sachverständigen gerichteten Ablehnungsantrags gestützt war, bedarf dies keiner weiteren Darlegung.
18
4. Schließlich bleibt auch die Sachrüge erfolglos. Insoweit nimmt der Senat auf die zutreffenden Ausführungen des Generalbundesanwalts Bezug. Nack Wahl Kolz Hebenstreit Graf

(1) Der Rechtsanwalt muss für seine Vertretung sorgen, wenn er

1.
länger als eine Woche daran gehindert ist, seinen Beruf auszuüben, oder
2.
sich länger als zwei Wochen von seiner Kanzlei entfernen will.

(2) Die Vertretung soll einem anderen Rechtsanwalt übertragen werden. Sie kann auch durch Personen erfolgen, die die Befähigung zum Richteramt erworben oder mindestens zwölf Monate des Vorbereitungsdienstes nach § 5b des Deutschen Richtergesetzes absolviert haben. In den Fällen des Satzes 2 gilt § 7 entsprechend.

(3) Soll die Vertretung einem anderen Rechtsanwalt übertragen werden, so soll der Rechtsanwalt diesen selbst bestellen. Soll die Vertretung durch eine andere Person erfolgen oder findet der Rechtsanwalt keine Vertretung, so ist die Vertretung auf Antrag des Rechtsanwalts von der Rechtsanwaltskammer zu bestellen.

(4) Hat es ein Rechtsanwalt in den Fällen des Absatzes 1 unterlassen, eine Vertretung zu bestellen oder deren Bestellung zu beantragen, so soll die Rechtsanwaltskammer eine Vertretung von Amts wegen bestellen. Zuvor soll sie den Rechtsanwalt auffordern, die Vertretung selbst zu bestellen oder deren Bestellung zu beantragen. Ein Rechtsanwalt, der von Amts wegen als Vertretung bestellt wird, kann die Vertretung nur aus wichtigem Grund ablehnen.

(5) Die Bestellung kann jederzeit widerrufen werden.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 341/07
vom
15. August 2007
in der Strafsache
gegen
wegen Mordes u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 15. August 2007 beschlossen
:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts
Freiburg vom 8. März 2007 wird verworfen.
Der Beschwerdeführer trägt die Kosten des Rechtsmittels und die
dem Nebenkläger im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen
Auslagen.

Gründe:


1
Der von Beginn an geständige Angeklagte wurde wegen Totschlags und Mordes in zwei Fällen - Opfer waren die Ehefrau sowie deren Bruder und Schwester - zu lebenslanger Gesamtfreiheitsstrafe verurteilt; die besondere Schwere der Schuld wurde festgestellt. Seine auf Verfahrensrügen und die ausgeführte Sachrüge gestützte Revision ist unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).

I.

2
Mit den Verfahrensrügen wird unter mehreren Aspekten geltend gemacht, der Angeklagte sei nicht ordnungsgemäß verteidigt gewesen.
3
1. Bei Eröffnung des Haftbefehls am 15. August 2006 erklärte der Angeklagte (damals Beschuldigter) auf entsprechende richterliche Fragen: "Ich brau- che keinen Anwalt. Ich kenne keinen Rechtsanwalt. Ich überlasse die Auswahl des Rechtsanwalts dem zuständigen Gericht".
4
Am nächsten Tag beantragte die Staatsanwaltschaft beim Vorsitzenden der Strafkammer, Rechtsanwalt T. , der sich telefonisch zur Übernahme der Verteidigung bereit erklärt hatte, zum Verteidiger zu bestellen. Am 18. August 2006 bestellte der Vorsitzende ihn zum Verteidiger.
5
Die Revision meint, hier habe die Staatsanwaltschaft, nicht der Vorsitzende den Verteidiger ausgewählt. Dies sei unfair, die Staatsanwaltschaft sei Gegner des Angeklagten. Sein Einverständnis mit der Auswahl des Verteidigers durch das Gericht habe dieses Vorgehen nicht umfasst. Jedenfalls wäre er dann nochmals anzuhören gewesen.
6
a) Wieso eine Entscheidung des Gerichts nach Antrag der Staatsanwaltschaft deren Entscheidung wäre, erschließt sich nicht.
7
b) Die Annahme, die Staatsanwaltschaft habe kein Interesse an einer sachgemäßen Verteidigung, geht im Ansatz fehl. Die Staatsanwaltschaft ist im Strafprozess nicht Partei (BGHSt 15, 155, 159; Pfeiffer in KK 5. Aufl. Einl. Rdn. 63; Bergmann in Anwaltskommentar, StPO § 141 GVG Rdn. 1 jew. m. w. N.), sondern ein der rechtsprechenden Gewalt zugeordnetes Organ (BGHSt 24, 170, 171; Pfeiffer aaO Rdn. 61), das, wie sich etwa aus § 160 Abs. 2 StPO ohne weiteres ergibt, der Objektivität verpflichtet ist (vgl. Pfeiffer aaO Rdn. 63 m. w. N.). Wenn sie nach ausdrücklichem Verzicht des Beschuldigten, selbst einen Verteidiger zu benennen, ihrerseits mit ihrem Antrag gemäß § 141 Abs. 3 Satz 2 StPO einen Rechtsanwalt namhaft macht (vgl. auch § 33 Abs. 2 StPO), so spricht allein dies nicht gegen dessen Bestellung.
8
c) Nach der Erklärung des Angeklagten, er überlasse die Auswahl dem Gericht, war seine (erneute) Anhörung vor der Bestellung an sich nicht mehr erforderlich. Anderes behauptet auch die Revision nicht. Aus den dargelegten Gründen (vgl. oben 1 b) ergibt sich zugleich, dass eine erneute Anhörung auch nicht vor der Bestellung des von der Staatsanwaltschaft vorgeschlagenen Rechtsanwalts erforderlich war.
9
2. Rechtsanwalt T. ist nicht Fachanwalt für Strafrecht. Die Revision meint, es spräche vieles dafür, in einem Fall wie hier einen Fachanwalt für Strafrecht zu bestellen. Sie fährt fort: "Nach der Rechtsprechung (ergibt sich) in jedem Fall die ausreichende Qualifikation als Verteidiger aus der Zulassung zur Anwaltschaft. Dies würde für sich genommen einen Revisionsgrund darstellen." Es mag dahinstehen, ob damit die Bestellung von Rechtsanwalt T. auch deshalb als rechtsfehlerhaft gerügt sein soll, weil er nicht Fachanwalt für Strafrecht ist. Es gibt keinen Rechtssatz, wonach - grundsätzlich oder zumindest bei einer Fallgestaltung wie hier - nur ein Fachanwalt für Strafrecht als Verteidiger bestellt werden könnte. Im Übrigen besteht auch keine forensische Erfahrung, wonach deshalb, weil ein Rechtsanwalt kein Fachanwalt für Strafrecht ist, regelmäßig zu erwarten sei, dass eine von ihm geführte Verteidigung weniger sachgerecht wäre.
10
Benennt der Beschuldigte (Angeklagte) selbst keinen Verteidiger (§ 142 Abs. 1 Sätze 2 und 3 StPO), so bestimmt der Vorsitzende nach pflichtgemäßem Ermessen, welchen Rechtsanwalt er zum Verteidiger bestellt. Von dem hier unproblematischen Grundsatz abgesehen, dass dieser möglichst im Bezirk des betreffenden Gerichts niedergelassen sein sollte (§ 142 Abs. 1 Satz 1 StPO), enthält das Gesetz keine ausdrücklichen Regeln, die dieses Ermessen begrenzten. Es wäre jedoch mit der allgemeinen Fürsorgepflicht des Vorsitzenden unvereinbar , bestellte er einen Rechtsanwalt, der keine Gewähr für eine sachgerechte und ordnungsgemäße Verteidigung des Angeklagten bietet oder bei dem zu be- fürchten ist, dass er verfahrensfremde Zwecke verfolgen wird (vgl. zusammenfassend Thielmann StraFo 2006, 358, 359 m. w. N.). Anhaltspunkte dafür, dass die Auswahl von Rechtsanwalt T. mit solchen Mängeln behaftet sei, gibt es nicht. Ausweislich der Revisionsgegenerklärung der Staatsanwaltschaft, der die Revision nicht entgegengetreten ist, ist Rechtsanwalt T. "seit Jahren schwerpunktmäßig als Strafverteidiger tätig; unter anderem verteidigte er in zahlreichen Schwurgerichtsverfahren". Die Revision legt vielmehr selbst eine "Anwaltsauskunft des DAV" über Rechtsanwalt T. vor, in der unter der Rubrik "Rechtsgebiete" auch "Straf- und Strafverfahrensrecht" genannt sind. Die Bedeutung des Hinweises der Revision, dort seien "vor dem Strafrecht zunächst Eheund Familienrecht sowie Erbrecht" angegeben, erschließt sich nicht. Die dort aufgeführten Rechtsgebiete sind - von "Eherecht" bis "Verkehrsrecht" - alphabetisch geordnet.
11
3. Im Übrigen macht die Revision im Zusammenhang mit der Verteidigung durch Rechtsanwalt T. folgendes geltend:
12
Am 28. August 2006 richtete die mit Rechtsanwalt T. in derselben Kanzlei tätige Rechtsanwältin P. "in Vertretung des derzeit urlaubsbedingt abwesenden Kollegen" ein Schreiben an die Staatsanwaltschaft. Hierin ersucht sie um Akteneinsicht und fragt an, "ob für die Besprechungen mit Herrn Tr. ein Dolmetscher hinzugezogen werden muss." Für diesen Fall ("wenn ja") wird um Genehmigung der Zuziehung eines Dolmetschers auf Kosten der Staatskasse gebeten. Neben Ausführungen dazu, wer mit der psychiatrischen Begutachtung betraut werden soll (vgl. Nr. 70 RiStBV) ist dann noch abschließend mitgeteilt, dass Rechtsanwalt T. voraussichtlich spätestens am 18. September 2006 aus dem Urlaub zurück sein werde.
13
Die Staatsanwaltschaft erteilte alsbald Akteneinsicht. Zur Notwendigkeit eines Dolmetschers äußerte sie sich nicht. Im weiteren Verlauf, so trägt die Revision vor, habe Rechtsanwalt T. an von ihr näher bezeichneten Tagen den Beschuldigten (Angeklagten) nur zweimal aufgesucht, jeweils ohne Dolmetscher. Außerdem habe er noch an einer (mit Dolmetscher durchgeführten) polizeilichen Vernehmung teilgenommen.
14
Die Revision meint, Rechtsanwalt T. hätte schon wegen seines bevorstehenden Urlaubs nicht zum Verteidiger bestellt werden dürfen. Er habe den Beschuldigten (Angeklagten) nicht oft genug aufgesucht. Außerdem hätte er einen Dolmetscher hinzuziehen müssen, wie dies auch sonst im Verfahren (z. B. bei polizeilichen Vernehmungen, der Haftbefehlseröffnung, dem überwiegenden Teil der Anhörung durch den Sachverständigen und der Hauptverhandlung) der Fall gewesen sei. Hierfür hätte unter den gegebenen Umständen die Justiz (zunächst die Staatsanwaltschaft, nach Anklageerhebung das Gericht) sorgen müssen.
15
Mit alledem ist schon im Ansatz verkannt, dass das Gericht (vor allem im Ermittlungsverfahren auch die Staatsanwaltschaft) grundsätzlich nicht zu überwachen hat, ob ein - sei es gewählter, sei es bestellter - Verteidiger seine Pflichten ordnungsgemäß erfüllt (st. Rspr., vgl. schon BGH, Urt. vom 2. Juni 1967 - 4 StR 154/67; ferner BGH b. Holtz MDR 1996, 120; NStZ 1998, 311, 312; Beschl. vom 27. Juli 2006 - 1 StR 147/06). Gleichwohl kann die Fürsorgepflicht gebieten, den bestellten Verteidiger abzulösen, wenn klar erkennbar ist, dass er nicht fähig ist, den Angeklagten sachgerecht zu verteidigen (BGH b. Holtz aaO). Hierfür ist hier nichts ersichtlich:
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a) Die Revision meint, dem Gericht oder jedenfalls der Staatsanwaltschaft sei bei der Bestellung von Rechtsanwalt T. dessen Urlaub bekannt gewesen. Dies erscheint schon in tatsächlicher Hinsicht zweifelhaft, der Brief von Rechtsanwältin P. könnte eher dagegen sprechen. Näher nachzugehen braucht der Senat dem aber nicht:
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Zum Zeitpunkt der Bestellung von Rechtsanwalt T. am 18. August 2006 stand das Verfahren ganz am Anfang. Es war ohne weiteres absehbar, dass es noch einige Zeit in Anspruch nehmen würde, tatsächlich wurde dann am 19. Dezember 2006 Anklage erhoben. Bei diesem Verfahrensstand, bei dem insbesondere noch keine konkreten Termine (z. B. Hauptverhandlungstermin) feststehen , die in einen Urlaub fallen könnten, steht ein (in der Ferienzeit stets nahe liegender) Urlaub des Rechtsanwalts einer Bestellung zum Verteidiger nicht entgegen. Dementsprechend ist er auch nicht nach seinen Urlaubsplänen zu befragen. Es ist vielmehr allein Sache des Rechtsanwalts zu beurteilen, ob trotz seines Urlaubs eine sachgerechte Verteidigung möglich ist. Hat er hieran keine Zweifel, braucht er seine Urlaubspläne auch nicht ungefragt zu offenbaren.
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Bei alledem ist nämlich zu berücksichtigen, dass ein Rechtsanwalt für seine Vertretung sorgen muss, wenn er, wie hier, länger als eine Woche abwesend ist (§ 53 Abs. 1 BRAO). Der mit "i. V. für RA T. " unterschriebene Brief von Rechtsanwältin P. deutet darauf hin - anderes behauptet auch die Revision nicht - dass sie zur Vertreterin bestellt war (§ 53 Abs. 2 Sätze 1 und 2 BRAO). Einem Vertreter stehen die anwaltlichen Befugnisse des Vertretenen zu (§ 53 Abs. 7 BRAO), die Bestellung des vertretenen Rechtsanwalts zum Verteidiger gilt auch für den vertretenden Rechtsanwalt (vgl. BGH NStZ 1992, 248; OLG Frankfurt StV 1988, 195; Laufhütte in KK 5. Aufl. § 142 Rdn. 10 m. w. N.). Anwaltliche Vertretung war daher auch während der Urlaubsabwesenheit von Rechtsanwalt T. gewährleistet.

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b) Im Übrigen hatte allein Rechtsanwalt T. , während seines Urlaubs Rechtsanwältin P. , zu entscheiden, wann erstmals Akteneinsicht beantragt wird und wann und wie oft der Beschuldigte aufgesucht wird. Die Überlegung der Revision, wegen der Gestaltung der Verteidigung sei der unwiederbringliche Verlust der Erinnerung des Beschuldigten an für ihn "positive Umstände" nicht auszuschließen , kann nicht verdeutlichen, dass hier ein Widerruf der Bestellung von Rechtsanwalt T. in Betracht gekommen wäre.
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c) An alledem ändert auch der Vortrag der Revision zur Notwendigkeit der Hinzuziehung eines Dolmetschers nichts, auch nicht unter Berücksichtigung der Behandlung der Anfrage von Rechtsanwältin P. durch die Staatsanwaltschaft.
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(1) Die Staatsanwaltschaft hat die Frage nach der Notwendigkeit der Heranziehung eines Dolmetschers allerdings nicht ausdrücklich beantwortet. Sie hat jedoch der Verteidigung mit der Überlassung der Akten sämtliche Unterlagen zur Verfügung gestellt, die es zur - vorläufigen - Beurteilung der Beherrschung der deutschen Sprache durch den Angeklagten gab. Diese ergaben, wie auch die Revision im Übrigen selbst vorträgt, dass der - seit 1992 in Deutschland lebende - Angeklagte bei der Polizei erklärt hatte, er sei "der deutschen Sprache relativ gut mächtig". Erkennbar auf dieser Grundlage hat die Staatsanwaltschaft offenbar aus ihrer Sicht die Heranziehung eines Dolmetschers nicht für zwingend gehalten. Ausdrückliche Ausführungen hierzu waren nicht unerlässlich, nachdem um eine Kostenübernahmeerklärung nur für den Fall gebeten worden war, dass nach Auffassung der Staatsanwaltschaft die Heranziehung eines Dolmetschers erforderlich sei ("wenn ja").
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(2) Es spricht auch nichts dafür, dass Rechtsanwalt T. der Auffassung gewesen sein könnte, im Hinblick auf die unterbliebene Stellungnahme der Staatsanwaltschaft sei er unwiderruflich aus zwingenden rechtlichen Gründen gehindert gewesen, einen Dolmetscher auf Staatskosten hinzuziehen, selbst wenn eine solche Hinzuziehung aus seiner Sicht für eine sachgerechte Verteidigung geboten gewesen sei. Weder sind objektive Anhaltspunkte für eine solche gravierende und schon daher nicht nahe liegende offensichtliche Fehleinschätzung der Rechtslage durch Rechtsanwalt T. zu erkennen, noch hat er je eine Erklärung abgegeben, wonach er gehindert gewesen sei, die Verteidigung so zu führen, wie er dies für erforderlich gehalten habe (zur Bedeutung einer solchen Erklärung vgl. BGHSt 13, 337 ff.; BGH NStZ 1998, 311, 312).
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(3) Im Übrigen entscheidet dann, wenn ein Angeklagter in gewissem Umfang der deutschen Sprache mächtig ist, der Verteidiger nach seinem - einer Überprüfung nur begrenzt zugänglichen - pflichtgemäßen Ermessen, ob für Verteidigungsgespräche ein Dolmetscher notwendig ist oder nicht. Insoweit gilt vergleichbares wie für den Richter, der in derartigen Fällen ebenfalls nach pflichtgemäßem Ermessen entscheidet, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang ein Dolmetscher für gerichtliche Verhandlungen erforderlich ist (vgl. BGH NStZ 1984, 328; NStZ 2002, 275; Kissel/Mayer, GVG 4. Aufl. § 185 Rdn. 6). Es liegt nicht nahe, dass ein Verteidiger nicht sachgerecht beurteilen könnte, ob er mit seinem Mandanten kommunizieren kann oder nicht (vgl. BGH, Beschl. vom 27. Juli 2006 - 1 StR 147/06). Allein der Umstand, dass das Gericht und sonstige für eine Vernehmung oder Anhörung des Beschuldigten Verantwortliche (Polizei, Sachverständiger ) hier ihr Ermessen letztlich anders ausgeübt haben, belegt unter den gegebenen Umständen keinen offensichtlichen Ermessensfehlgebrauch des Verteidigers. Es besteht daher hier kein Anlass, wegen besonderer Umstände des Einzelfalls ausnahmsweise von dem Grundsatz abzuweichen, dass das Gericht die Gestaltung der Verteidigung auch im Hinblick auf etwaige Sprachschwierig- keiten des Angeklagten (Beschuldigten) nicht zu überwachen hat (vgl. BGH b. Holtz MDR 1996, 120).

II.

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Die Sachrüge bleibt aus den vom Generalbundesanwalt zutreffend dargelegten Gründen erfolglos. Nack Wahl Boetticher Kolz Hebenstreit

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.