Bundesgerichtshof Beschluss, 24. Jan. 2012 - 1 StR 614/11

bei uns veröffentlicht am24.01.2012

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 614/11
vom
24. Januar 2012
in der Strafsache
gegen
wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 24. Januar 2012 gemäß
§ 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Karlsruhe - Auswärtige Große Strafkammer Pforzheim - vom 24. August 2011
a) aufgehoben, soweit der Angeklagte wegen Förderung sexueller Handlungen Minderjähriger in 30 Fällen verurteilt worden ist; insoweit wird das Verfahren eingestellt;
b) im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern in 356 Fällen in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Schutzbefohlenen in 342 Fällen und wegen sexuellen Missbrauchs von Schutzbefohlenen in 558 Fällen schuldig ist. 2. Die weitergehende Revision wird verworfen. 3. Soweit das Verfahren eingestellt wurde, trägt die Staatskasse die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Angeklagten. 4. Der Angeklagte hat die verbleibenden Kosten seines Rechtsmittels und die der Nebenklägerin im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Gründe:

1
I. Im Fall III. 4. a) der Urteilsgründe ist die Verfolgung der Förderung sexueller Handlungen Minderjähriger verjährt; insoweit wird das Verfahren gemäß § 206a StPO eingestellt. Soweit der Angeklagte unter III. 1. der Urteilsgründe wegen 14 - tateinheitlich verwirklichter - Fälle des sexuellen Missbrauchs von Schutzbefohlenen verurteilt wurde, hat der Senat den Schuldspruch geändert. Der Generalbundesanwalt hat dazu zutreffend t ausgeführt: „ 1. In vierzehn der unter III. 1. der Urteilsgründe festgestellten Fälle unterliegt der Schuldspruch der Änderung dahin, dass der Angeklagte jeweils allein des schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes schuldig ist. Die Verurteilung wegen tateinheitlich verwirklichten sexuellen Missbrauchs einer Schutzbefohlenen (§ 174 Abs. 1 Nr. 1 StGB) muss insoweit wegen Strafverfolgungsverjährung entfallen.
Die Verjährungsfrist für § 174 Abs. 1 StGB beträgt fünf Jahre (§ 78 Abs. 3 Nr. 4 StGB). Nach den Feststellungen beging der Angeklagte die unter III. 1. festgestellten Taten zu nicht näher feststellbaren Zeitpunkten von September 1998 bis September 2002 regelmäßig zweimal im Monat, außer während seiner Urlaube in Algerien, mindestens jedoch zwanzig Mal jährlich. Nach diesen im Strengbeweisverfahren getroffenen Feststellungen muss von vierzehn Verstößen gegen § 174 StGB - je zwei in den sieben Monaten von September 1998 bis März 1999 - ausgegangen werden (vgl. BGH, Beschl. vom 16.08.1996 - 1 StR 745/95; BGH, Beschl. vom 11.06.2002 - 1 StR 178/02), die am 01.04.2004, dem Zeitpunkt des Inkrafttretens des
Sexualdelikts-ÄndG vom 27.12.2003, bereits verjährt waren. Zwar ruht nach § 78 b Abs. 1 Nr. 1 StGB in der durch Art. 1 Nr. 4 des Gesetzes zur Änderung der Vorschriften über die Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung vom 27.12.2003 (BGBl. I 3007) geänderten Fassung die Verjährung auch bei Straftaten nach § 174 StGB bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres des Opfers. Diese Regelung gilt zudem auch rückwirkend für vor Inkrafttreten dieses Gesetzes am 01.04.2004 begangene Taten; ihre Anwendung ist indes ausgeschlossen, wenn - wie hier - zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Änderungsgesetzes bereits Strafverfolgungsverjährung eingetreten war (vgl. BGH, Beschl. vom 08.02.2006 - 1 StR 7/06; aber auch BGHR StGB § 78b Abs. 1 Ruhen 7).
2. Auch die Verurteilung wegen Förderung sexueller Handlungen in 30 Fällen (III. 4. a) kann keinen Bestand haben, weil insoweit die Strafverfolgung verjährt ist. Die Verjährungsfrist beträgt auch hier fünf Jahre (§78 Abs. 3 Nr. 4 StGB). Die Taten wurden zu einem nicht genau bestimmbaren Zeitpunkt von Mitte bis Ende 2005 begangen. Im Zweifel ist zu Gunsten des Angeklagten davon auszugehen, dass die Tatzeiten vor Dezember 2005 lagen (vgl. BGH, Beschl. vom 11.06.2002 - 1 StR 178/02), sodass die Verjährungsfrist spätestens am 30.11.2010 endete. Der Lauf der Verjährungsfrist kann bis dahin aber nicht unterbrochen worden sein, weil das vorliegende Ermittlungsverfahren gegen den Angeklagten erst Anfang Dezember 2010 auf die Strafanzeige der Geschädigten eingeleitet wurde (I 29f).
2
Das Verfahren ist insoweit gemäß § 206 a StPO einzustellen.“
3
II. Die Korrektur des Schuldspruchs nötigt nicht zur Aufhebung des Strafausspruchs. Sowohl die Einzelstrafen wie auch die Gesamtstrafe können bestehen bleiben (§ 354 Abs. 1 StPO).
4
Angesichts der über 900 festgestellten Straftaten, welche entscheidend durch den über viele Jahre andauernden schweren sexuellen Missbrauch geprägt sind, fallen im Verhältnis hierzu die 30 Fälle der Förderung sexueller Handlungen Minderjähriger sowie die tateinheitlich begangenen 14 Fälle eines sexuellen Missbrauchs von Schutzbefohlenen, die infolge Verjährung einzustellen waren, nicht allzu schwer ins Gewicht. Der Senat kann daher und auch wegen des ohnehin straffen Strafzusammenzugs ausschließen, dass das Landgericht ohne die tateinheitlich begangenen, verjährten Straftaten sowie die Taten der Förderung sexueller Handlungen Minderjähriger auf niedrigere Einzelstrafen (soweit es den tateinheitlich begangenen sexuellen Missbrauch von Schutzbefohlenen betrifft) und auch auf eine niedrigere Gesamtfreiheitsstrafe erkannt hätte (vgl. Senat, Beschluss vom 18. Februar 2009 - 1 StR 14/09; Beschluss vom 6. Mai 2008 - 1 StR 176/08). Außerdem können tateinheitlich ver- wirklichte Gesetzesverletzungen auch dann strafschärfend berücksichtigt werden , wenn sie verjährt sind (Senat, Beschluss vom 24. Februar 2010 - 1 StR 14/10). Nack Wahl Elf Graf Jäger

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Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafprozeßordnung - StPO | § 354 Eigene Entscheidung in der Sache; Zurückverweisung


(1) Erfolgt die Aufhebung des Urteils nur wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen, so hat das Revisionsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, sofern ohne weitere tatsächliche Erört

Strafgesetzbuch - StGB | § 78 Verjährungsfrist


(1) Die Verjährung schließt die Ahndung der Tat und die Anordnung von Maßnahmen (§ 11 Abs. 1 Nr. 8) aus. § 76a Absatz 2 bleibt unberührt. (2) Verbrechen nach § 211 (Mord) verjähren nicht. (3) Soweit die Verfolgung verjährt, beträgt die Verjäh

Strafgesetzbuch - StGB | § 174 Sexueller Mißbrauch von Schutzbefohlenen


(1) Wer sexuelle Handlungen 1. an einer Person unter achtzehn Jahren, die ihm zur Erziehung oder zur Betreuung in der Lebensführung anvertraut ist,2. an einer Person unter achtzehn Jahren, die ihm im Rahmen eines Ausbildungs-, Dienst- oder Arbeitsver

Strafprozeßordnung - StPO | § 206a Einstellung des Verfahrens bei Verfahrenshindernis


(1) Stellt sich nach Eröffnung des Hauptverfahrens ein Verfahrenshindernis heraus, so kann das Gericht außerhalb der Hauptverhandlung das Verfahren durch Beschluß einstellen. (2) Der Beschluß ist mit sofortiger Beschwerde anfechtbar.

Strafgesetzbuch - StGB | § 78b Ruhen


(1) Die Verjährung ruht 1. bis zur Vollendung des 30. Lebensjahres des Opfers bei Straftaten nach den §§ 174 bis 174c, 176 bis 178, 182, 184b Absatz 1 Satz 1 Nummer 3, auch in Verbindung mit Absatz 2, §§ 225, 226a und 237,2. solange nach dem Gesetz d

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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Stellt sich nach Eröffnung des Hauptverfahrens ein Verfahrenshindernis heraus, so kann das Gericht außerhalb der Hauptverhandlung das Verfahren durch Beschluß einstellen.

(2) Der Beschluß ist mit sofortiger Beschwerde anfechtbar.

(1) Wer sexuelle Handlungen

1.
an einer Person unter achtzehn Jahren, die ihm zur Erziehung oder zur Betreuung in der Lebensführung anvertraut ist,
2.
an einer Person unter achtzehn Jahren, die ihm im Rahmen eines Ausbildungs-, Dienst- oder Arbeitsverhältnisses untergeordnet ist, unter Missbrauch einer mit dem Ausbildungs-, Dienst- oder Arbeitsverhältnis verbundenen Abhängigkeit oder
3.
an einer Person unter achtzehn Jahren, die sein leiblicher oder rechtlicher Abkömmling ist oder der seines Ehegatten, seines Lebenspartners oder einer Person, mit der er in eheähnlicher oder lebenspartnerschaftsähnlicher Gemeinschaft lebt,
vornimmt oder an sich von dem Schutzbefohlenen vornehmen läßt, wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft. Ebenso wird bestraft, wer unter den Voraussetzungen des Satzes 1 den Schutzbefohlenen dazu bestimmt, dass er sexuelle Handlungen an oder vor einer dritten Person vornimmt oder von einer dritten Person an sich vornehmen lässt.

(2) Mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren wird eine Person bestraft, der in einer dazu bestimmten Einrichtung die Erziehung, Ausbildung oder Betreuung in der Lebensführung von Personen unter achtzehn Jahren anvertraut ist, und die sexuelle Handlungen

1.
an einer Person unter sechzehn Jahren, die zu dieser Einrichtung in einem Rechtsverhältnis steht, das ihrer Erziehung, Ausbildung oder Betreuung in der Lebensführung dient, vornimmt oder an sich von ihr vornehmen lässt oder
2.
unter Ausnutzung ihrer Stellung an einer Person unter achtzehn Jahren, die zu dieser Einrichtung in einem Rechtsverhältnis steht, das ihrer Erziehung, Ausbildung oder Betreuung in der Lebensführung dient, vornimmt oder an sich von ihr vornehmen lässt.
Ebenso wird bestraft, wer unter den Voraussetzungen des Satzes 1 den Schutzbefohlenen dazu bestimmt, dass er sexuelle Handlungen an oder vor einer dritten Person vornimmt oder von einer dritten Person an sich vornehmen lässt.

(3) Wer unter den Voraussetzungen des Absatzes 1 oder 2

1.
sexuelle Handlungen vor dem Schutzbefohlenen vornimmt, um sich oder den Schutzbefohlenen hierdurch sexuell zu erregen, oder
2.
den Schutzbefohlenen dazu bestimmt, daß er sexuelle Handlungen vor ihm vornimmt,
wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(4) Der Versuch ist strafbar.

(5) In den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 1, des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 oder des Absatzes 3 in Verbindung mit Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 oder mit Absatz 2 Satz 1 Nummer 1 kann das Gericht von einer Bestrafung nach dieser Vorschrift absehen, wenn das Unrecht der Tat gering ist.

(1) Die Verjährung schließt die Ahndung der Tat und die Anordnung von Maßnahmen (§ 11 Abs. 1 Nr. 8) aus. § 76a Absatz 2 bleibt unberührt.

(2) Verbrechen nach § 211 (Mord) verjähren nicht.

(3) Soweit die Verfolgung verjährt, beträgt die Verjährungsfrist

1.
dreißig Jahre bei Taten, die mit lebenslanger Freiheitsstrafe bedroht sind,
2.
zwanzig Jahre bei Taten, die im Höchstmaß mit Freiheitsstrafen von mehr als zehn Jahren bedroht sind,
3.
zehn Jahre bei Taten, die im Höchstmaß mit Freiheitsstrafen von mehr als fünf Jahren bis zu zehn Jahren bedroht sind,
4.
fünf Jahre bei Taten, die im Höchstmaß mit Freiheitsstrafen von mehr als einem Jahr bis zu fünf Jahren bedroht sind,
5.
drei Jahre bei den übrigen Taten.

(4) Die Frist richtet sich nach der Strafdrohung des Gesetzes, dessen Tatbestand die Tat verwirklicht, ohne Rücksicht auf Schärfungen oder Milderungen, die nach den Vorschriften des Allgemeinen Teils oder für besonders schwere oder minder schwere Fälle vorgesehen sind.

(1) Wer sexuelle Handlungen

1.
an einer Person unter achtzehn Jahren, die ihm zur Erziehung oder zur Betreuung in der Lebensführung anvertraut ist,
2.
an einer Person unter achtzehn Jahren, die ihm im Rahmen eines Ausbildungs-, Dienst- oder Arbeitsverhältnisses untergeordnet ist, unter Missbrauch einer mit dem Ausbildungs-, Dienst- oder Arbeitsverhältnis verbundenen Abhängigkeit oder
3.
an einer Person unter achtzehn Jahren, die sein leiblicher oder rechtlicher Abkömmling ist oder der seines Ehegatten, seines Lebenspartners oder einer Person, mit der er in eheähnlicher oder lebenspartnerschaftsähnlicher Gemeinschaft lebt,
vornimmt oder an sich von dem Schutzbefohlenen vornehmen läßt, wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft. Ebenso wird bestraft, wer unter den Voraussetzungen des Satzes 1 den Schutzbefohlenen dazu bestimmt, dass er sexuelle Handlungen an oder vor einer dritten Person vornimmt oder von einer dritten Person an sich vornehmen lässt.

(2) Mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren wird eine Person bestraft, der in einer dazu bestimmten Einrichtung die Erziehung, Ausbildung oder Betreuung in der Lebensführung von Personen unter achtzehn Jahren anvertraut ist, und die sexuelle Handlungen

1.
an einer Person unter sechzehn Jahren, die zu dieser Einrichtung in einem Rechtsverhältnis steht, das ihrer Erziehung, Ausbildung oder Betreuung in der Lebensführung dient, vornimmt oder an sich von ihr vornehmen lässt oder
2.
unter Ausnutzung ihrer Stellung an einer Person unter achtzehn Jahren, die zu dieser Einrichtung in einem Rechtsverhältnis steht, das ihrer Erziehung, Ausbildung oder Betreuung in der Lebensführung dient, vornimmt oder an sich von ihr vornehmen lässt.
Ebenso wird bestraft, wer unter den Voraussetzungen des Satzes 1 den Schutzbefohlenen dazu bestimmt, dass er sexuelle Handlungen an oder vor einer dritten Person vornimmt oder von einer dritten Person an sich vornehmen lässt.

(3) Wer unter den Voraussetzungen des Absatzes 1 oder 2

1.
sexuelle Handlungen vor dem Schutzbefohlenen vornimmt, um sich oder den Schutzbefohlenen hierdurch sexuell zu erregen, oder
2.
den Schutzbefohlenen dazu bestimmt, daß er sexuelle Handlungen vor ihm vornimmt,
wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(4) Der Versuch ist strafbar.

(5) In den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 1, des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 oder des Absatzes 3 in Verbindung mit Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 oder mit Absatz 2 Satz 1 Nummer 1 kann das Gericht von einer Bestrafung nach dieser Vorschrift absehen, wenn das Unrecht der Tat gering ist.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 178/02
vom
11. Juni 2002
in der Strafsache
gegen
wegen sexuellen Mißbrauchs von Kindern u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 11. Juni 2002 beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Heilbronn vom 11. Juni 2002
a) in den Fällen II 1 bis 4 der Urteilsgründe dahin abgeändert, daß der Schuldspruch wegen sexuellen Mißbrauchs einer Schutzbefohlenen entfällt;
b) im Ausspruch über die Einzelstrafen in den vorbezeichneten Fällen sowie im Ausspruch über die Gesamtstrafe aufgehoben. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Jugendkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:


I.

1. Der Angeklagte wurde wie folgt verurteilt:
a) Wegen sieben Fällen des sexuellen Miûbrauchs eines Kindes in Tateinheit mit sexuellem Miûbrauch einer Schutzbefohlenen zu je zwei Jahren Freiheitsstrafe (Fälle II 1 bis 7 der Urteilsgründe).
b) Wegen Vergewaltigung in Tateinheit mit sexuellem Miûbrauch einer Schutzbefohlenen zu drei Jahren und sechs Monaten Freiheitsstrafe (Fall II 9 der Urteilsgründe). - Opfer jeweils die Nebenklägerin, die 1985 geborene Stieftochter des Angeklagten -
c) Wegen vorsätzlicher Körperverletzung (z.N. seiner Ehefrau) zu sechs Monaten Freiheitsstrafe (Fall II 8 der Urteilsgründe). Aus den genannten Strafen wurde eine Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und sechs Monaten gebildet. Zugleich wurde der Nebenklägerin dem Grunde nach ein Schmerzensgeld zuerkannt (§ 406 Abs. 1 Satz 2 StPO). 2. Die Revision des Angeklagten hat insoweit Erfolg, als der Vorwurf des sexuellen Miûbrauchs einer Schutzbefohlenen in den Fällen II 1 bis 4 der Urteilsgründe verjährt ist. Die damit verbundene Änderung des Schuldspruchs führt hier zur Aufhebung der in diesen Fällen verhängten Einzelstrafen und der Gesamtstrafe.

II.

1. Die Taten in den Fällen II 1 bis 4 der Urteilsgründe hat der Angeklagte jeweils zwischen Juli 1995 und Dezember 1996 begangen. Ebenso wie alle anderen Sexualstraftaten wurden sie den Ermittlungsbehörden erstmals am 29. Oktober 2000 bekannt. 2. Die Möglichkeit zusätzlicher Feststellungen, die den Tatzeitraum weiter eingrenzen, kann der Senat ausschlieûen. In Anwendung des Zweifelssatzes (vgl. BGHSt 18, 274; 43, 381, 394 m.w.N.) ist daher davon auszugehen, daû am 29. Oktober 2000 die für Vergehen gemäû § 174 StGB geltende Verjährungsfrist von fünf Jahren (§ 78 Abs. 3 Nr. 4 StGB) bereits abgelaufen war. Daû zugleich jeweils ein im Hinblick auf § 78b Abs. 1 Nr. 1 StGB nicht verjährtes Vergehen gemäû § 176 StGB vorliegt, ändert an alledem nichts. Auch bei Tateinheit unterliegt jede Gesetzesverletzung einer eigenen Verjährung (st. Rspr., vgl. nur BGH NStZ 1990, 80, 81). 3. Die danach gebotene Änderung des Schuldspruchs in den genannten Fällen führt hier zur Aufhebung der jeweiligen Einzelstrafen. Die Jugendkammer stellt ausdrücklich darauf ab, daû der Angeklagte zwei Straftatbestände erfüllt hat (speziell zu dieser Fallgestaltung ebenso Senatsbeschluû vom 27. August 2001 - 1 StR 333/01, insoweit in NStZ 2002, 29 nicht abgedruckt). Damit entfällt zugleich der Ausspruch über die Gesamtstrafe (§ 349 Abs. 4 StPO). 4. Im übrigen hat die auf Grund der Revisionsrechtfertigung gebotene Überprüfung des Urteils keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben (§ 349 Abs. 2 StPO). Insoweit verweist der Senat auf die Ausführungen des Generalbundesanwalts.
5. Der Rechtsfehler, der hier zur teilweisen Aufhebung des Urteils führt, berührt die tatsächlichen Feststellungen des Urteils nicht, so daû diese insgesamt bestehen bleiben. Ergänzende Feststellungen, die zu den bisherigen nicht in Widerspruch stehen, bleiben jedoch zulässig. Schäfer Wahl Schluckebier Herr RiBGH Hebenstreit ist wegen Krankheit an der Unterschrift verhindert. Kolz Schäfer

(1) Wer sexuelle Handlungen

1.
an einer Person unter achtzehn Jahren, die ihm zur Erziehung oder zur Betreuung in der Lebensführung anvertraut ist,
2.
an einer Person unter achtzehn Jahren, die ihm im Rahmen eines Ausbildungs-, Dienst- oder Arbeitsverhältnisses untergeordnet ist, unter Missbrauch einer mit dem Ausbildungs-, Dienst- oder Arbeitsverhältnis verbundenen Abhängigkeit oder
3.
an einer Person unter achtzehn Jahren, die sein leiblicher oder rechtlicher Abkömmling ist oder der seines Ehegatten, seines Lebenspartners oder einer Person, mit der er in eheähnlicher oder lebenspartnerschaftsähnlicher Gemeinschaft lebt,
vornimmt oder an sich von dem Schutzbefohlenen vornehmen läßt, wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft. Ebenso wird bestraft, wer unter den Voraussetzungen des Satzes 1 den Schutzbefohlenen dazu bestimmt, dass er sexuelle Handlungen an oder vor einer dritten Person vornimmt oder von einer dritten Person an sich vornehmen lässt.

(2) Mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren wird eine Person bestraft, der in einer dazu bestimmten Einrichtung die Erziehung, Ausbildung oder Betreuung in der Lebensführung von Personen unter achtzehn Jahren anvertraut ist, und die sexuelle Handlungen

1.
an einer Person unter sechzehn Jahren, die zu dieser Einrichtung in einem Rechtsverhältnis steht, das ihrer Erziehung, Ausbildung oder Betreuung in der Lebensführung dient, vornimmt oder an sich von ihr vornehmen lässt oder
2.
unter Ausnutzung ihrer Stellung an einer Person unter achtzehn Jahren, die zu dieser Einrichtung in einem Rechtsverhältnis steht, das ihrer Erziehung, Ausbildung oder Betreuung in der Lebensführung dient, vornimmt oder an sich von ihr vornehmen lässt.
Ebenso wird bestraft, wer unter den Voraussetzungen des Satzes 1 den Schutzbefohlenen dazu bestimmt, dass er sexuelle Handlungen an oder vor einer dritten Person vornimmt oder von einer dritten Person an sich vornehmen lässt.

(3) Wer unter den Voraussetzungen des Absatzes 1 oder 2

1.
sexuelle Handlungen vor dem Schutzbefohlenen vornimmt, um sich oder den Schutzbefohlenen hierdurch sexuell zu erregen, oder
2.
den Schutzbefohlenen dazu bestimmt, daß er sexuelle Handlungen vor ihm vornimmt,
wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(4) Der Versuch ist strafbar.

(5) In den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 1, des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 oder des Absatzes 3 in Verbindung mit Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 oder mit Absatz 2 Satz 1 Nummer 1 kann das Gericht von einer Bestrafung nach dieser Vorschrift absehen, wenn das Unrecht der Tat gering ist.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 7/06
vom
8. Februar 2006
in der Strafsache
gegen
wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 8. Februar 2006 beschlossen:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Ellwangen vom 5. Oktober 2005 wird mit der Maßgabe verworfen, dass in sämtlichen Fällen die tateinheitliche Verurteilung wegen sexuellen Missbrauchs von Schutzbefohlenen entfällt. Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels und die der Nebenklägerin dadurch entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Gründe:


1
1. Der Angeklagte hat sich 1990 wiederholt an seiner damals acht Jahre alten Stieftochter, der Nebenklägerin, sexuell vergangen, als er sie zu Bett brachte, während seine Ehefrau, die Mutter der Nebenklägerin, mit der Versorgung eines Säuglings befasst war. Er hat der Nebenklägerin z.B. Gegenstände in die Scheide eingeführt, ist mit einem oder mehreren Fingern - er versuchte es auch mit der ganzen Hand - oder seiner Zunge dort eingedrungen, führte ihre Hand an sein Geschlechtsteil oder rieb damit an ihren Schamlippen.
2
Die Nebenklägerin, die die Vorfälle erst 2005 zur Anzeige brachte, ist als Folge der Taten nach wie vor psychisch schwer belastet und therapiebedürftig. Der Angeklagte hat sich in der Hauptverhandlung bei ihr entschuldigt; sie akzeptiert dies jedoch nicht und lehnt Kontakt mit ihm ab. Allerdings hat sie er- klärt, eine von ihm angekündigte - freilich noch nicht erbrachte - Schmerzensgeldzahlung von 15.000.- € zu akzeptieren.
3
2. Auf der Grundlage dieser Feststellungen wurde der Angeklagte wegen insgesamt acht Fällen des sexuellen Missbrauchs von Kindern, jeweils in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Schutzbefohlenen, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt, wobei die Einzelstrafen zweimal acht Monate , viermal ein Jahr und zweimal ein Jahr und drei Monate betrugen. Die Strafkammer war von besonders schweren Fällen i. S. d. § 176 Abs. 3 StGB aF ausgegangen, hatte aber die Voraussetzungen des § 46a Nr. 2 StGB bejaht und von der danach eröffneten Möglichkeit zur Strafrahmenmilderung Gebrauch gemacht.
4
3. Die auf die näher ausgeführte Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten ist zwar auf den Strafausspruch beschränkt, führt aber insoweit zu einer Abänderung des Schuldspruchs (§ 349 Abs. 4 StPO), als der sexuelle Missbrauch von Schutzbefohlenen (§ 174 StGB) verjährt ist (§ 78 StGB i.V.m. § 78b StGB aF).
5
Wie der Generalbundesanwalt zutreffend im Einzelnen dargelegt hat, gilt § 78b Abs. 1 Nr. 1 StGB nF (BGBl. I 2003, 3007), wonach die Verjährung jetzt auch bei Straftaten gemäß § 174 StGB bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres des Opfers ruht, auch rückwirkend für vor Inkrafttreten dieser Bestimmung (1. April 2004) begangene Taten. Anderes gilt, wenn zu diesem Zeitpunkt bereits Verjährung eingetreten war (BGH, Beschluss vom 6. Dezember 2005 - 4 StR 443/05; BGH NStZ 2005, 89, 90). So verhält es sich hier. Die Verjährungsfrist für Vergehen gemäß § 174 StGB beträgt gemäß § 78 Abs. 3 Nr. 4 StGB fünf Jahre, war also angesichts der erst 2005 erfolgten Anzeige bei der ersten zur Unterbrechung der Verjährung geeigneten Handlung abgelaufen. Der danach gebotenen Änderung des Schuldspruchs steht der Umstand, dass die Revision auf den Strafausspruch beschränkt ist, nicht entgegen (vgl. BGHSt 11, 393, 394; BGH bei Spiegel DAR 1978, 146, 160 ).
6
4. Im Übrigen bleibt die Revision erfolglos (§ 349 Abs. 2 StPO).
7
a) Die Änderung des Schuldspruchs gefährdet den Strafausspruch hier nicht. Abgesehen davon, dass auch verjährte Taten bei der Strafzumessung nicht unberücksichtigt bleiben müssen, kommt dem Umstand, dass der Angeklagte eine Vertrauensstellung missbraucht hat, unabhängig von der Anwendbarkeit des § 174 StGB straferschwerende Wirkung zu, da dieser Gesichtspunkt die Tatschuld erhöht (vgl. BGH bei Pfister NStZ-RR 1999, 321, 322 ; Renzikowski in MünchKomm, StGB § 176 Rdn. 66 jew. m. w. N.).
8
b) Die - wohl versehentliche - fehlerhafte Bezeichnung der angewendeten Fassung des § 176 StGB - die Strafkammer spricht von der Fassung des 6. Strafrechtsänderungsgesetzes, statt richtig von der des zur Tatzeit geltenden 4. Strafrechtsreformgesetzes, dessen Strafrahmen sie aber zu Grunde gelegt hat - gefährdet, so auch im Ergebnis die Revision, den Strafausspruch nicht.
9
c) Zu Recht weist die Revision allerdings darauf hin, dass die Strafkammer die abgeurteilten Delikte als Verbrechen bezeichnet hat. Dies trifft nicht zu, wie sich aus § 12 Abs. 3 StGB ohne weiteres ergibt. Der Unterschied zwischen Verbrechen und Vergehen hat faktisch jedoch vor allem noch gesetzestechnische Bedeutung und ist vorwiegend formal zu verstehen (vgl. Radtke in MünchKomm, StGB § 12 Rdn. 6). Der sachliche Unterschied zwischen Verbrechen und Vergehen ist vor allem dort nicht hoch, wo, wie auch hier, der besonders schwere Fall eines Vergehens mit ebenso hoher Mindeststrafe bedroht ist wie ein Verbrechen (vgl. hierzu näher Radtke aaO Rdn. 9 m. w. N.). Daher lässt allein die hier vorliegende fehlerhafte Bezeichnung Taten - auch angesichts der konkreten Höhe der verhängten Strafen - eine rechtsfehlerhafte Strafzumessung nicht besorgen. Konkrete Umstände, die eine andere Beurteilung nahe legen könnten, sind nicht ersichtlich.
10
d) Die Revision wendet sich gegen die Annahme besonders schwerer Fälle i. S. d. § 176 Abs. 3 StGB (der genannten Fassung). Vor allem, so trägt sie vor, habe in diesem Zusammenhang der Umstand entscheidende Bedeutung , dass die Taten bereits länger zurückliegen.
11
Der Senat vermag dem nicht zu folgen. Dem langen zeitlichen Abstand zwischen Tat und Urteil kommt bei Fällen sexuellen Kindesmissbrauchs nicht eine gleich hohe Bedeutung wie in anderen Fällen zu (wie etwa in den von der Revision genannten Entscheidungen BGHSt 40, 48, 58 und BGH, Beschluss vom 6. November 2001 - 4 StR 461/01, bei denen es nicht um Sexualdelikte z. N. von Kindern, sondern um Totschlag und schwere räuberische Erpressung ging). Dies gilt insbesondere in den Fällen, in denen, wie hier, ein Kind vom im selben Familienverband lebenden (hier: Stief-)Vater missbraucht wird und (wie ebenfalls hier) erst im Erwachsenenalter die Kraft zu einer Aufarbeitung des Geschehens mit Hilfe einer Strafanzeige findet. Deshalb hat der Gesetzgeber auch die besondere Verjährungsregelung in § 78b StGB getroffen (vgl. BGH NJW 2000, 748, 749; G. Schäfer, Praxis der Strafzumessung, 3. Aufl. Rdn. 437).
12
e) Auch die übrigen Erwägungen der Revision, die im Kern darauf hinauslaufen , die Strafkammer habe nicht rechtsfehlerfrei zwischen Strafrahmenbestimmung und Festsetzung der Einzelstrafen differenziert und dadurch im Ergebnis - von ihr nicht übersehene - strafmildernde Gesichtspunkte (z. B. das Geständnis, die sozialen Folgen der Strafe für den bisher nicht vorbestraften Angeklagten und der Versuch einer Entschuldigung) zu gering und strafschärfende Gesichtspunkte (z. B. die Folgen der Tat) zu schwer gewichtet, können hier schon angesichts der sehr maßvollen Einzelstrafen und der hieraus nach - so auch die Strafkammer selbst - straffem Zusammenzug gebildeten Gesamtstrafe durchgreifende Rechtsfehler nicht verdeutlichen.
13
Rechtlichen Bedenken gegen die von der Strafkammer bejahte Anwendbarkeit von § 46a StGB - der von der Strafkammer angewendete § 46a Nr. 2 StGB betrifft vorwiegend einen hier nicht vorliegenden materiellen Schaden des Opfers (vgl. Tröndle/Fischer StGB 53. Aufl. § 46a Rdn. 11 m. w. N.), § 46a Nr. 1 StGB erfordert einen "kommunikativen Prozess" zwischen Täter und Opfer (vgl. aaO Rdn. 10a m. w. N.), für den hier wenig spricht - braucht der Senat dabei nicht näher nachzugehen, da der Angeklagte insoweit nur begünstigt sein kann.
14
5. Auf den Hinweis des Generalbundesanwalts, dass vor allem angesichts der schwerwiegenden und noch immer fortwirkenden psychischen Belastungen der Nebenklägerin die Strafe auch angemessen i. S. d. § 354 Abs. 1a Satz 1 StPO wäre, kommt es unter den gegebenen Umständen ebenfalls nicht mehr an. Wahl Kolz Hebenstreit Elf Graf

(1) Die Verjährung ruht

1.
bis zur Vollendung des 30. Lebensjahres des Opfers bei Straftaten nach den §§ 174 bis 174c, 176 bis 178, 182, 184b Absatz 1 Satz 1 Nummer 3, auch in Verbindung mit Absatz 2, §§ 225, 226a und 237,
2.
solange nach dem Gesetz die Verfolgung nicht begonnen oder nicht fortgesetzt werden kann; dies gilt nicht, wenn die Tat nur deshalb nicht verfolgt werden kann, weil Antrag, Ermächtigung oder Strafverlangen fehlen.

(2) Steht der Verfolgung entgegen, daß der Täter Mitglied des Bundestages oder eines Gesetzgebungsorgans eines Landes ist, so beginnt die Verjährung erst mit Ablauf des Tages zu ruhen, an dem

1.
die Staatsanwaltschaft oder eine Behörde oder ein Beamter des Polizeidienstes von der Tat und der Person des Täters Kenntnis erlangt oder
2.
eine Strafanzeige oder ein Strafantrag gegen den Täter angebracht wird (§ 158 der Strafprozeßordnung).

(3) Ist vor Ablauf der Verjährungsfrist ein Urteil des ersten Rechtszuges ergangen, so läuft die Verjährungsfrist nicht vor dem Zeitpunkt ab, in dem das Verfahren rechtskräftig abgeschlossen ist.

(4) Droht das Gesetz strafschärfend für besonders schwere Fälle Freiheitsstrafe von mehr als fünf Jahren an und ist das Hauptverfahren vor dem Landgericht eröffnet worden, so ruht die Verjährung in den Fällen des § 78 Abs. 3 Nr. 4 ab Eröffnung des Hauptverfahrens, höchstens jedoch für einen Zeitraum von fünf Jahren; Absatz 3 bleibt unberührt.

(5) Hält sich der Täter in einem ausländischen Staat auf und stellt die zuständige Behörde ein förmliches Auslieferungsersuchen an diesen Staat, ruht die Verjährung ab dem Zeitpunkt des Zugangs des Ersuchens beim ausländischen Staat

1.
bis zur Übergabe des Täters an die deutschen Behörden,
2.
bis der Täter das Hoheitsgebiet des ersuchten Staates auf andere Weise verlassen hat,
3.
bis zum Eingang der Ablehnung dieses Ersuchens durch den ausländischen Staat bei den deutschen Behörden oder
4.
bis zur Rücknahme dieses Ersuchens.
Lässt sich das Datum des Zugangs des Ersuchens beim ausländischen Staat nicht ermitteln, gilt das Ersuchen nach Ablauf von einem Monat seit der Absendung oder Übergabe an den ausländischen Staat als zugegangen, sofern nicht die ersuchende Behörde Kenntnis davon erlangt, dass das Ersuchen dem ausländischen Staat tatsächlich nicht oder erst zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen ist. Satz 1 gilt nicht für ein Auslieferungsersuchen, für das im ersuchten Staat auf Grund des Rahmenbeschlusses des Rates vom 13. Juni 2002 über den Europäischen Haftbefehl und die Übergabeverfahren zwischen den Mitgliedstaaten (ABl. EG Nr. L 190 S. 1) oder auf Grund völkerrechtlicher Vereinbarung eine § 83c des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen vergleichbare Fristenregelung besteht.

(6) In den Fällen des § 78 Absatz 3 Nummer 1 bis 3 ruht die Verjährung ab der Übergabe der Person an den Internationalen Strafgerichtshof oder den Vollstreckungsstaat bis zu ihrer Rückgabe an die deutschen Behörden oder bis zu ihrer Freilassung durch den Internationalen Strafgerichtshof oder den Vollstreckungsstaat.

(1) Die Verjährung schließt die Ahndung der Tat und die Anordnung von Maßnahmen (§ 11 Abs. 1 Nr. 8) aus. § 76a Absatz 2 bleibt unberührt.

(2) Verbrechen nach § 211 (Mord) verjähren nicht.

(3) Soweit die Verfolgung verjährt, beträgt die Verjährungsfrist

1.
dreißig Jahre bei Taten, die mit lebenslanger Freiheitsstrafe bedroht sind,
2.
zwanzig Jahre bei Taten, die im Höchstmaß mit Freiheitsstrafen von mehr als zehn Jahren bedroht sind,
3.
zehn Jahre bei Taten, die im Höchstmaß mit Freiheitsstrafen von mehr als fünf Jahren bis zu zehn Jahren bedroht sind,
4.
fünf Jahre bei Taten, die im Höchstmaß mit Freiheitsstrafen von mehr als einem Jahr bis zu fünf Jahren bedroht sind,
5.
drei Jahre bei den übrigen Taten.

(4) Die Frist richtet sich nach der Strafdrohung des Gesetzes, dessen Tatbestand die Tat verwirklicht, ohne Rücksicht auf Schärfungen oder Milderungen, die nach den Vorschriften des Allgemeinen Teils oder für besonders schwere oder minder schwere Fälle vorgesehen sind.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 178/02
vom
11. Juni 2002
in der Strafsache
gegen
wegen sexuellen Mißbrauchs von Kindern u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 11. Juni 2002 beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Heilbronn vom 11. Juni 2002
a) in den Fällen II 1 bis 4 der Urteilsgründe dahin abgeändert, daß der Schuldspruch wegen sexuellen Mißbrauchs einer Schutzbefohlenen entfällt;
b) im Ausspruch über die Einzelstrafen in den vorbezeichneten Fällen sowie im Ausspruch über die Gesamtstrafe aufgehoben. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Jugendkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:


I.

1. Der Angeklagte wurde wie folgt verurteilt:
a) Wegen sieben Fällen des sexuellen Miûbrauchs eines Kindes in Tateinheit mit sexuellem Miûbrauch einer Schutzbefohlenen zu je zwei Jahren Freiheitsstrafe (Fälle II 1 bis 7 der Urteilsgründe).
b) Wegen Vergewaltigung in Tateinheit mit sexuellem Miûbrauch einer Schutzbefohlenen zu drei Jahren und sechs Monaten Freiheitsstrafe (Fall II 9 der Urteilsgründe). - Opfer jeweils die Nebenklägerin, die 1985 geborene Stieftochter des Angeklagten -
c) Wegen vorsätzlicher Körperverletzung (z.N. seiner Ehefrau) zu sechs Monaten Freiheitsstrafe (Fall II 8 der Urteilsgründe). Aus den genannten Strafen wurde eine Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und sechs Monaten gebildet. Zugleich wurde der Nebenklägerin dem Grunde nach ein Schmerzensgeld zuerkannt (§ 406 Abs. 1 Satz 2 StPO). 2. Die Revision des Angeklagten hat insoweit Erfolg, als der Vorwurf des sexuellen Miûbrauchs einer Schutzbefohlenen in den Fällen II 1 bis 4 der Urteilsgründe verjährt ist. Die damit verbundene Änderung des Schuldspruchs führt hier zur Aufhebung der in diesen Fällen verhängten Einzelstrafen und der Gesamtstrafe.

II.

1. Die Taten in den Fällen II 1 bis 4 der Urteilsgründe hat der Angeklagte jeweils zwischen Juli 1995 und Dezember 1996 begangen. Ebenso wie alle anderen Sexualstraftaten wurden sie den Ermittlungsbehörden erstmals am 29. Oktober 2000 bekannt. 2. Die Möglichkeit zusätzlicher Feststellungen, die den Tatzeitraum weiter eingrenzen, kann der Senat ausschlieûen. In Anwendung des Zweifelssatzes (vgl. BGHSt 18, 274; 43, 381, 394 m.w.N.) ist daher davon auszugehen, daû am 29. Oktober 2000 die für Vergehen gemäû § 174 StGB geltende Verjährungsfrist von fünf Jahren (§ 78 Abs. 3 Nr. 4 StGB) bereits abgelaufen war. Daû zugleich jeweils ein im Hinblick auf § 78b Abs. 1 Nr. 1 StGB nicht verjährtes Vergehen gemäû § 176 StGB vorliegt, ändert an alledem nichts. Auch bei Tateinheit unterliegt jede Gesetzesverletzung einer eigenen Verjährung (st. Rspr., vgl. nur BGH NStZ 1990, 80, 81). 3. Die danach gebotene Änderung des Schuldspruchs in den genannten Fällen führt hier zur Aufhebung der jeweiligen Einzelstrafen. Die Jugendkammer stellt ausdrücklich darauf ab, daû der Angeklagte zwei Straftatbestände erfüllt hat (speziell zu dieser Fallgestaltung ebenso Senatsbeschluû vom 27. August 2001 - 1 StR 333/01, insoweit in NStZ 2002, 29 nicht abgedruckt). Damit entfällt zugleich der Ausspruch über die Gesamtstrafe (§ 349 Abs. 4 StPO). 4. Im übrigen hat die auf Grund der Revisionsrechtfertigung gebotene Überprüfung des Urteils keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben (§ 349 Abs. 2 StPO). Insoweit verweist der Senat auf die Ausführungen des Generalbundesanwalts.
5. Der Rechtsfehler, der hier zur teilweisen Aufhebung des Urteils führt, berührt die tatsächlichen Feststellungen des Urteils nicht, so daû diese insgesamt bestehen bleiben. Ergänzende Feststellungen, die zu den bisherigen nicht in Widerspruch stehen, bleiben jedoch zulässig. Schäfer Wahl Schluckebier Herr RiBGH Hebenstreit ist wegen Krankheit an der Unterschrift verhindert. Kolz Schäfer

(1) Erfolgt die Aufhebung des Urteils nur wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen, so hat das Revisionsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, sofern ohne weitere tatsächliche Erörterungen nur auf Freisprechung oder auf Einstellung oder auf eine absolut bestimmte Strafe zu erkennen ist oder das Revisionsgericht in Übereinstimmung mit dem Antrag der Staatsanwaltschaft die gesetzlich niedrigste Strafe oder das Absehen von Strafe für angemessen erachtet.

(1a) Wegen einer Gesetzesverletzung nur bei Zumessung der Rechtsfolgen kann das Revisionsgericht von der Aufhebung des angefochtenen Urteils absehen, sofern die verhängte Rechtsfolge angemessen ist. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft kann es die Rechtsfolgen angemessen herabsetzen.

(1b) Hebt das Revisionsgericht das Urteil nur wegen Gesetzesverletzung bei Bildung einer Gesamtstrafe (§§ 53, 54, 55 des Strafgesetzbuches) auf, kann dies mit der Maßgabe geschehen, dass eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung über die Gesamtstrafe nach den §§ 460, 462 zu treffen ist. Entscheidet das Revisionsgericht nach Absatz 1 oder Absatz 1a hinsichtlich einer Einzelstrafe selbst, gilt Satz 1 entsprechend. Die Absätze 1 und 1a bleiben im Übrigen unberührt.

(2) In anderen Fällen ist die Sache an eine andere Abteilung oder Kammer des Gerichtes, dessen Urteil aufgehoben wird, oder an ein zu demselben Land gehörendes anderes Gericht gleicher Ordnung zurückzuverweisen. In Verfahren, in denen ein Oberlandesgericht im ersten Rechtszug entschieden hat, ist die Sache an einen anderen Senat dieses Gerichts zurückzuverweisen.

(3) Die Zurückverweisung kann an ein Gericht niederer Ordnung erfolgen, wenn die noch in Frage kommende strafbare Handlung zu dessen Zuständigkeit gehört.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 14/09
vom
18. Februar 2009
in der Strafsache
gegen
wegen Vergewaltigung
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 18. Februar 2009 gemäß
§ 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Karlsruhe vom 14. Oktober 2008 im Schuldspruch dahin abgeändert, dass der Angeklagte der schweren Vergewaltigung in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch einer Schutzbefohlenen sowie des sexuellen Missbrauchs eines Kindes schuldig ist. 2. Die weitergehende Revision wird verworfen. 3. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels und die der Nebenklägerin im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Gründe:


1
Die Revision des Angeklagten führt zu einer Änderung des Schuldspruchs hinsichtlich des Falls II. 1 der Urteilsgründe; im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
2
Der Generalbundesanwalt weist zu Recht darauf hin, dass die Verurteilung des Angeklagten im Fall II. 1 wegen tateinheitlich begangenen sexuellen Missbrauchs von Schutzbefohlenen gemäß § 174 Abs. 1 Nr. 1 StGB keinen Bestand hat, da insoweit Verfolgungsverjährung eingetreten ist.
3
Danach ist der Angeklagte im Fall II. 1 der Urteilsgründe allein des sexuellen Missbrauchs eines Kindes gemäß § 176 Abs. 1 StGB aF schuldig.
4
Der Senat hat dementsprechend den Schuldspruch geändert und neu gefasst.
5
Die Korrektur des Schuldspruchs nötigt nicht zur Aufhebung des Strafausspruchs. Sowohl die Einzelstrafen wie auch die Gesamtstrafe können bestehen bleiben (§ 354 Abs. 1 StPO). Zwar hat das Landgericht bei den Einzelstrafaussprüchen strafschärfend gewertet, dass der Angeklagte tateinheitlich mehrere Delikte verwirklicht hat, also strafschärfend auch auf die verjährte Tat abgestellt. Angesichts der jeweiligen Tatbilder und der besonders zu gewichtenden erheblichen Tatfolgen für das Opfer schließt der Senat jedoch aus, dass das Landgericht ohne die tateinheitlich begangene, verjährte Straftat des sexuellen Missbrauchs von Schutzbefohlenen im Fall II. 1 auf eine niedrigere Einzeloder in der Gesamtschau auf eine niedrigere Gesamtstrafe erkannt hätte. Nack Kolz Hebenstreit Elf Graf

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 176/08
vom
6. Mai 2008
in der Strafsache
gegen
wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts
und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 6. Mai 2008 gemäß
§ 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts München I vom 10. August 2007 im Schuldspruch dahin abgeändert, dass der Angeklagte des sexuellen Missbrauchs eines Kindes in zwei Fällen, des schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes in sieben Fällen und der Misshandlung einer Schutzbefohlenen in fünf Fällen, davon in vier Fällen in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung schuldig ist.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
3. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels und die der Nebenklägerin im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Gründe:


1
Die Revision des Angeklagten führt zu einer Änderung des Schuldspruchs hinsichtlich der Fälle II. 2. - 4. der Urteilsgründe; im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.

I.


2
Der Generalbundesanwalt weist zu Recht darauf hin, dass die Verurteilung des Angeklagten wegen in den vorgenannten Fällen jeweils tateinheitlich begangenen sexuellen Missbrauchs von Schutzbefohlenen gemäß § 174 Abs. 1 Nr. 1 StGB keinen Bestand hat, da insoweit Verfolgungsverjährung eingetreten ist.
3
Er hat dazu ausgeführt:
4
„Das Landgericht hat in den genannten Fällen als Tatzeiten einen Zeitraum ‘vom 06.04.1998 bis Oktober/November 1999‘ festgestellt (UA S. 10). Die erste zur Unterbrechung der Verjährung geeignete Handlung im vorliegenden Strafverfahren sowie im Ermittlungsverfahren 459 Js der Staatsanwaltschaft München I, das wegen der nämlichen prozessualen Taten gegen den Angeklagten geführt, jedoch bereits am 08.02.2001 eingestellt worden war, war der Haftbefehl vom 23.05.2006 (I 87). Zu diesem Zeitpunkt war die für § 174 Abs. 1 StGB und § 223 Abs. 1 StGB geltende fünfjährige Verjährungsfrist (§ 78 Abs. 3 Nr. 4 StGB) bereits abgelaufen. Dass diese Vorwürfe jeweils mit dem nicht verjährten sexuellen Missbrauch eines Kindes in den unter II. 2. festgestellten zwei Fällen oder dem schweren sexuellen Missbrauch eines Kindes in den unter II. 3. und 4. festgestellten sieben Fällen in Tateinheit stehen, ist insoweit ohne Bedeutung; denn die Verjährung bestimmt sich bei tateinheitlichem Zusammentreffen für jede Gesetzesverletzung gesondert (vgl. Fischer StGB 55. Aufl. § 78a Rdn. 5 m.w.N.).
5
Die Anwendung von Art. 1 Nr. 4 des Gesetzes zur Änderung der Vorschriften über die Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung vom 27.
Dezember 2003 (BGBl I 3007), durch den bestimmt ist, dass nach § 78b Abs. 1 Nr. 1 StGB auch bei Straftaten nach § 174 StGB die Verjährung bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres des Opfers ruht, ist im vorliegenden Fall ausgeschlossen , weil zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Gesetzes am 01.04.2004 bereits Strafverfolgungsverjährung eingetreten war (vgl. BGHR StGB § 78b Abs. 1 Ruhen 12; BGH, Beschl. vom 28.06.2005 - 3 StR 178/05).
6
Danach ist der Angeklagte in den beiden Fällen II. 2. der Urteilsgründe jeweils allein des sexuellen Missbrauchs eines Kindes gemäß § 176 Abs. 1 StGB a. F. und in den sieben Fällen II. 3. und 4. der Urteilsgründe jeweils allein des schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes gemäß § 176a Abs. 1 Nr. 1 StGB schuldig.“

II.


7
Der Senat hat dementsprechend den Schuldspruch geändert und neu gefasst.
8
Die Korrektur des Schuldspruchs nötigt nicht zur Aufhebung des Strafausspruchs. Sowohl die Einzelstrafen wie auch die Gesamtstrafe können bestehen bleiben (§ 354 Abs. 1 StPO). Zwar hat das Landgericht bei den Einzelstrafaussprüchen strafschärfend gewertet, dass der Angeklagte tateinheitlich mehrere Delikte verwirklicht hat, also strafschärfend auch auf die verjährten Taten abgestellt. Angesichts der jeweiligen Tatbilder, welche in mindestens drei Fällen zusätzlich noch die Begehung einer Vergewaltigung nahe legen, schließt der Senat jedoch aus, dass das Landgericht ohne die tateinheitlich begangenen , verjährten Straftaten des sexuellen Missbrauchs von Schutzbefohlenen auf niedrigere Einzel- oder auf eine niedrigere Gesamtstrafe erkannt hätte.
Wahl Boetticher Kolz
Hebenstreit Graf