Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 613/16
vom
10. Januar 2017
in der Strafsache
gegen
wegen vorsätzlichen Bestimmens eines Minderjährigen zum unerlaubten
Handeltreiben mit Betäubungsmitteln u.a.
ECLI:DE:BGH:2017:100117B1STR613.16.0

Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 10. Januar 2017 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts München II vom 16. Juni 2016 aufgehoben, soweit von der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt abgesehen worden ist.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weitergehende Revision wird als unbegründet verworfen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen verschiedener Straftaten, überwiegend solcher nach dem Betäubungsmittelgesetz, u.a. wegen unerlaubtem Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge jeweils in Tateinheit mit unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln, mit Bestimmen eines Minderjährigen zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln, mit un- erlaubter Abgabe von Betäubungsmitteln an Minderjährige sowie mit räuberischer Erpressung unter Einbeziehung der Strafe aus einer früheren Verurteilung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und drei Monaten verurteilt. Vom Vorwurf der Begehung einer weiteren Tat ist er freigesprochen worden.
2
Gegen die Verurteilung richtet sich die auf die Sachrüge gestützte, die Ablehnung der Unterbringung gemäß § 64 StGB nicht vom Rechtsmittelangriff ausnehmende Revision des Angeklagten. Das Rechtsmittel erzielt den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
3
Der Rechtsfolgenausspruch des angefochtenen Urteils hält revisionsrechtlicher Überprüfung nicht stand, soweit das sachverständig beratene Landgericht von der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB) abgesehen hat.
4
1. Nach den Feststellungen erwarb der Angeklagte in den fünf verfahrensgegenständlichen Fällen zweimal 27 g und dreimal 100 g Marihuana mit Wirkstoffkonzentrationen zwischen 10 % und 12 % THC. Von den erworbenen Mengen waren jeweils 2/3 für den gewinnbringenden Weiterverkauf und jeweils 1/3 für den Eigenkonsum des Angeklagten bestimmt. Mit dem Konsum von Marihuana hatte der Angeklagte bereits im Rahmen eines vom Tatgericht so bezeichneten Probierkonsums im Alter von neun Jahren begonnen. Zunächst handelte es sich jedoch um eine seltene und unregelmäßige Einnahme. Ab dem Alter von 15 Jahren begann der heute 25-jährige Angeklagte mit dem täglichen Konsum von Marihuana. Eine längere Konsumpause war lediglich während seines Aufenthalts in einer therapeutischen Wohngruppe zu verzeichnen.
Ab dem Jahr 2012, nach seiner Entlassung aus einer zeitweiligen stationären Unterbringung, setzte er einen Teil der dort verordneten Medikamente ab und nahm stattdessen Cannabis in einer Konsummenge von bis zu 5 g täglich zu sich. Der tägliche Cannabiskonsum in diesem Umfang blieb bis zur Inhaftierung in dem gegenständlichen Verfahren erhalten. Lediglich in einem Zeitraum von sechs bis sieben Wochen verzichtete er auf Marihuana, trank währenddessen aber vermehrt Alkohol (vgl. UA S. 8, 15). Nach dem Antritt der Untersuchungshaft litt der Angeklagte unter Schweißausbrüchen, gesteigerter Nervosität und zeitweise unter Schlafstörungen (UA S. 8).
5
Das sachverständig beratene Landgericht hat die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt abgelehnt. Bei diesem liege kein Hang i.S.v. § 64 StGB vor. Der Angeklagte habe zwar einen missbräuchlichen Konsum von Cannabis betrieben, aber nicht das Stadium eines schädlichen Gebrauchs erreicht. Durch den Konsum von Cannabis sei es nicht zu einer Einschränkung der Arbeits- und Leistungsfähigkeit des Angeklagten gekommen. Er sei auch nicht als sozial gefährdet oder gefährlich einzustufen. Ausweislich der vom Landgericht als nachvollziehbar gewerteten Ausführungen des Sachverständigen sei der Angeklagte nicht nur aufgrund fremdbestimmter Umstände zum Konsumverzicht in der Lage gewesen. Seinem Konsumverhalten wohne nicht die „Dynamik süchtigen Konsums“ inne, sondern der Gebrauch vonMarihuana stelle sich eher „als Mittel seiner Wahl zur Dämpfung seiner hyperkinetischen und Impulskontrollstörung“ dar (UA S. 55 und 56).
6
2. Diese Erwägungen zum Unterbleiben der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt halten rechtlicher Überprüfung nicht in jeder Hinsicht stand. Das Landgericht hat zwar den Begriff des Hangs i.S.v. § 64 StGB als Maßstab für die Maßregelanordnung im rechtlichen Ausgangspunkt zutreffend erfasst. Allerdings hat es nicht alle für die Anwendung dieses Maßstabs bedeutsamen, von ihm festgestellten Umstände zur Persönlichkeit des Angeklagten, insbesondere seinem Konsumverhalten, und zu den verfahrensgegenständlichen Taten in die rechtliche Beurteilung zum Hang eingestellt. Die den Hang ausschließende tatgerichtliche Wertung erweist sich deshalb als rechtsfehlerhaft.
7
a) Wie das Landgericht an sich zutreffend angenommen hat, ist für einen Hang gemäß § 64 StGB eine eingewurzelte, auf psychische Disposition zurückgehende oder durch Übung erworbene Neigung ausreichend, immer wieder Rauschmittel zu konsumieren, wobei diese Neigung noch nicht den Grad einer psychischen Abhängigkeit erreicht haben muss. Ein übermäßiger Konsum von Rauschmitteln ist jedenfalls dann gegeben, wenn der Betroffene aufgrund seiner Neigung sozial gefährdet oder gefährlich erscheint (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschlüsse vom 26. Oktober 2016 – 4 StR 408/16, Rn. 6; vom 10. November 2015 – 1 StR 482/15, NStZ-RR 2016, 113 und vom 21. August 2012 – 4 StR 311/12, RuP 2013, 34 f.). Letzteres ist der Fall bei der Begehung von zur Befriedigung des eigenen Drogenkonsums dienender Beschaffungstaten (vgl. BGH, Beschlüsse vom 26. Oktober 2016 – 4 StR 408/16, Rn. 6 und vom 2. April 2015 – 3 StR 103/15, Rn. 5; Urteil vom 10. November 2004 – 2 StR 329/04, NStZ 2005, 210). Dem Umstand, dass durch den Rauschmittelkonsum die Gesundheit sowie die Arbeits- und Leistungsfähigkeit des Betroffenen beeinträchtigt sind, kommt nur indizielle Bedeutung zu. Das Fehlen solcher Beeinträchtigungen schließt die Bejahung eines Hangs nicht aus (vgl. BGH, Beschlüsse vom 10. November 2015 – 1 StR 482/15 aaO; vom 21. August 2012 – 4 StR 311/12 aaO; vom 12. April 2012 – 5 StR 87/12, NStZ-RR 2012, 271 und vom 1. April 2008 – 4 StR 56/08, NStZ-RR 2008, 198 f.). Ebenso wenig ist für einen Hang erforderlich, dass beim Täter bereits eine Persönlichkeitsdepravation ein- getreten ist (vgl. BGH, Beschlüsse vom 26. Oktober 2016 – 4 StR 408/16, Rn. 6; vom 10. November 2015 – 1 StR 482/15 aaO und vom 25. Juli 2007 – 1 StR 332/07, NStZ-RR 2008, 7).
8
b) Bei der Bewertung der festgestellten Umstände nach diesen Maßgaben hat das Landgericht im Kontext seiner Erwägungen zum auf eigener Willensentscheidung beruhenden Konsumverzicht des Angeklagten nicht erkennbar in den Blick genommen, dass dieser während des seit 2012 maximal siebenwöchigen Konsumverzichts auf Marihuana vermehrt Alkohol – vorzugsweise Wodka oder Rum – getrunken hat (UA S. 8, 15), was von indizieller Bedeutung für eine seitens des Angeklagten nur schwer zu ertragende Cannabisabstinenz und damit für einen Hang zum übermäßigen Konsum sein kann. Die Beurteilung des Landgerichts lässt zudem nicht erkennen, warum es dem aus den getroffenen Feststellungen deutlich hervorgehenden Charakter der Taten als Beschaffungstaten für den Eigenkonsum keine Bedeutung zumisst, obwohl es die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs referiert, nach der Beschaffungskriminalität einen Hang nahe legt. Wie der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift zutreffend aufgezeigt hat, kann dem Urteil auch nicht ausreichend nachvollziehbar entnommen werden, warum nach der vom Landgericht geteilten Bewertung des Sachverständigen die bei dem Angeklagten nach Inhaftierung vorhandenen Entzugserscheinungen „im Ergebnis“ für die Beurteilung des Hangs nicht bedeutsam sein sollen. Denn regelmäßig kommt dem Vorhandensein von Entzugserscheinungen indizielle Bedeutung für einen Hang i.S.v. § 64 StGB zu, weil ihr Auftreten nach Absetzen des Rauschgifts Kennzeichen einer physischen Abhängigkeit ist (vgl. BGH, Beschluss vom 27. März 2008 – 3 StR 38/08, StV 2008, 405 f.; van Gemmeren in Münchener Kommentar zum StGB, Band 2, 3. Aufl., § 64 Rn. 29 mwN; siehe auch Schreiber/Rosenau in Venzlaff/ Foerster/Dreßing/Habermeyer, Psychiatrische Begutachtung, 6. Aufl., Kapitel 8, S. 121). Auch lässt sich nicht erkennen, ob dem Landgericht die lediglich indizielle Bedeutung von Auswirkungen des Rauschmittelkonsums auf die Arbeitsund Leistungsfähigkeit in beide Bewertungsrichtungen deutlich gewesen ist. Wie dargelegt schließt nämlich das Ausbleiben von Einschränkungen der Arbeits - und Leistungsfähigkeit einen Hang zum übermäßigen Rauschmittelkonsum nicht aus. Angesichts der nur lückenhaften Berücksichtigung für die Beurteilung eines möglichen Hangs relevanter, festgestellter Umstände ist die Ablehnung der Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt nicht tragfähig begründet.
9
c) Auf diesem Wertungsfehler des Landgerichts beruht das angefochtene Urteil insoweit. Die weiteren Anordnungsvoraussetzungen der Maßregel des § 64 StGB kommen nach den Feststellungen in Betracht. Handelt es sich wie hier um Straftaten, die begangen werden, um Rauschmittel selbst oder Geld für ihre Beschaffung zu erlangen, liegt der erforderliche symptomatische Zusammenhang (vgl. BGH, Beschluss vom 12. Oktober 2016 – 1 StR 470/16, Rn. 7 mwN) nahe (BGH aaO sowie Beschluss vom 28. August 2013 – 4 StR 277/13, NStZ-RR 2014, 75). Angesichts des Grades des bisherigen Cannabiskonsums und der bislang nur seltenen und kurzzeitigen Drogenabstinenzphasen ist ohne therapeutische Einwirkung auf den Angeklagten die Begehung weiterer Betäubungsmitteldelikte nicht von vornherein ausgeschlossen. Da das Landgericht selbst von einer Therapiebereitschaft des Angeklagten ausgeht (etwa UA S. 51), kommt auch die Prognose eines hinreichend sicheren Therapieerfolges in Betracht.
10
3. Es handelt sich lediglich um einen Wertungsfehler des Landgerichts. Die der Entscheidung bezüglich der Maßregel zugrunde liegenden Feststellungen bleiben daher aufrechterhalten (§ 353 Abs. 2 StPO).
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.

6
Für einen Hang gemäß § 64 StGB ausreichend ist eine eingewurzelte, auf psychische Disposition zurückgehende oder durch Übung erworbene Neigung , immer wieder Rauschmittel zu konsumieren, wobei diese Neigung noch nicht den Grad einer psychischen Abhängigkeit erreicht haben muss. Ein übermäßiger Konsum von Rauschmitteln ist jedenfalls dann gegeben, wenn der Betroffene aufgrund seiner Neigung sozial gefährdet oder gefährlich erscheint (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschlüsse vom 10. November 2015 – 1 StR 482/15, NStZ-RR 2016, 113; vom 21. August 2012 – 4 StR 311/12, RuP 2013, 34 f.). Letzteres ist der Fall bei der Begehung von zur Befriedigung des eigenen Drogenkonsums dienender Beschaffungstaten (vgl. BGH, Beschluss vom 2. April 2015 – 3 StR 103/15 Rn. 5; Urteil vom 10. November 2004 – 2 StR 329/04, NStZ 2005, 210). Dem Umstand, dass durch den Rauschmittelkonsum die Gesundheit sowie die Arbeits- und Leistungsfähigkeit des Betroffenen beeinträchtigt sind, kommt nur indizielle Bedeutung zu. Das Fehlen solcher Beeinträchtigungen schließt die Bejahung eines Hangs nicht aus (vgl. BGH, Beschlüsse vom 10. November 2015 – 1 StR 482/15 aaO; vom 21. August 2012 – 4 StR 311/12 aaO; vom 12. April 2012 – 5 StR 87/12, NStZ-RR 2012, 271; vom 1. April 2008 – 4 StR 56/08, NStZ-RR 2008, 198 f.). Ebenso wenig ist für einen Hang erforderlich, dass beim Täter bereits eine Persönlichkeitsdepravation ein- getreten ist (vgl. BGH, Beschlüsse vom 10. November 2015 – 1 StR 482/15 aaO; vom 6. September 2007 – 4 StR 318/07, NStZ-RR 2008, 8).

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 482/15
vom
10. November 2015
in der Strafsache
gegen
wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht
geringer Menge
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 10. November 2015 gemäß
§ 349 Abs. 4 StPO beschlossen:
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Regensburg vom 24. Februar 2015 dahin abgeändert , dass die Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt entfällt. Die Staatskasse hat die Kosten der Revision und die dem Angeklagten im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren und zehn Monaten verurteilt und seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt sowie Wertersatzverfall angeordnet.
2
Die auf die ausgeführte Sachrüge gestützte, vom Generalbundesanwalt vertretene Revision der Staatsanwaltschaft zu Gunsten des Angeklagten wendet sich allein gegen den Maßregelausspruch. Das Rechtsmittel ist begründet und führt zum Wegfall der Maßregel (§ 349 Abs. 4 StPO).
3
1. Das Landgericht hat, soweit für die Maßregelfrage relevant, im Wesentlichen die folgenden Feststellungen und Wertungen getroffen:
4
a) Der 37-jährige Angeklagte konsumiert seit dem 14. Lebensjahr Cannabis , seit dem 16. Lebensjahr Kokain, LSD und Ecstasy sowie seit dem 17. Lebensjahr Heroin, zunächst intravenös, anschließend nur noch nasal, und ist in diesem Zusammenhang vielfach mit Betäubungsmitteldelikten strafrechtlich in Erscheinung getreten. Vom 24. Oktober 2001 bis zum 25. März 2002 war er erstmals in einer Entziehungsanstalt untergebracht. Die weitere Vollstreckung des Strafrests und der Unterbringung wurde im Dezember 2003 zur Bewährung ausgesetzt. Die Aussetzung des Strafrests wurde mit Beschluss vom 17. Dezember 2005 widerrufen und zugleich die Erledigung der angeordneten Unterbringung festgestellt. Vom 29. September 2005 bis zum 25. Oktober 2005 war der Angeklagte aufgrund eines Urteils vom 29. September 2005 erneut in einer Entziehungsanstalt untergebracht. Nach Vollstreckung des Rests einer Freiheitsstrafe wurde die Unterbringung von Dezember 2005 bis zum 13. Februar 2006 weiter vollzogen. Anschließend verbüßte der Angeklagte den achtmonatigen Rest einer Freiheitsstrafe. Im September 2006 wurde die weitere Vollstreckung der Unterbringung bis Oktober 2008 zurückgestellt. Die Zurückstellung wurde im Januar 2008 widerrufen und die Unterbringung in der Entziehungsanstalt vom 20. Februar 2008 bis 30. Juni 2010 weiter vollzogen. Mit Beschluss vom 22. Juni 2010 wurde der weitere Vollzug zur Bewährung ausgesetzt. In den Jahren 2004, 2005 und 2007 hielt sich der Angeklagte viermal stationär oder teilstationär zur Entgiftung und Entwöhnung in einer Entziehungsanstalt auf.
5
Vom 1. Juli 2010 bis zum 28. Februar 2014 erfolgte in der forensischpsychiatrischen Ambulanz der Entziehungsanstalt eine ambulante Nachsorgebehandlung. Anfang 2010 zog der Angeklagte mit seiner Lebensgefährtin zusammen und begann eine Ausbildung zum Sport- und Fitnesskaufmann. Er arbeitete in einem Fitnessstudio und schloss diese Ausbildung Anfang 2012 erfolgreich ab. Bereits zuvor war ihm von seinem Arbeitgeber bei einem monat- lichen Verdienst von etwa 1300 € netto die Leitung des Fitnessstudios übertra- gen worden.
6
Im November 2011 begab sich der Angeklagte wegen einer akuten Erkrankung an Hepatitis B mit drohendem Leberversagen - bereits einige Jahre zuvor war er an chronischer Hepatitis C erkrankt - in ein Krankenhaus und wurde dort bis Anfang 2012 stationär behandelt. In dieser Zeit wurde er mit Heroin und Subutex rückfällig, nachdem es seit Dezember 2008 keine Rückfälle mehr gegeben hatte. Für beide Erkrankungen an Hepatitis war die ursprünglich intravenöse Art des Heroinkonsums ursächlich. Anfang 2012 wurde er aus dem Krankenhaus entlassen und in verschiedenen Entziehungsanstalten mehrfach substitutionsbehandelt. Im Sommer 2013 reiste der Angeklagte in die Ukraine und ließ sich dort einen Opiatblocker implantieren, der die durch Opiate verursachten Wirkungen für die Dauer von etwa sechs Monaten aufhebt, wodurch der Patient zum Unterlassen des nun wirkungslosen Opiatkonsums motiviert werden soll. Der Angeklagte konsumierte, nachdem er am 15. April 2014 in Untersuchungshaft genommen worden war, in der Justizvollzugsanstalt weiterhin Heroin.
7
Während seiner Ausbildung zum Sport- und Fitnesskaufmann verkaufte der Angeklagte am 17. Dezember 2010 aus einer Menge von mindestens einem Kilogramm Heroin 40 g und erhielt hierfür vom Käufer 1000 € in bar. Am 1. Februar 2011 verkaufte er daraus an denselben Käufer 100 g Heroin zum Preis von 1800 €. Der Angeklagte handelte in beiden Fällen in Gewinnerzie- lungsabsicht. Das Heroin hatte der Angeklagte von einem unbekannten Lieferanten aus dem westdeutschen Raum erworben.
8
b) Die Strafkammer hat einen Hang im Sinne des § 64 Satz 1 StGB bejaht. Der Angeklagte habe bereits zur Tatzeit an den gesundheitlichen Folgen seines langjährigen Heroinkonsums in Form einer chronischen Erkrankung an Hepatitis C gelitten und sei hierdurch sozial gefährdet gewesen. Bei einem langjährigen Konsum von Heroin, einem Rauschgift mit sehr großem „Abhängigkeitspotenzial“ , und der wiederholten Rückfälligkeit des Angeklagtenin der Vergangenheit könne das Fortbestehen eines Hangs nicht deswegen verneint werden, weil der Lebensweg des Angeklagten „Intervalle der Abstinenz“ auf- weise.
9
Damit ist die Kammer vom Gutachten des Sachverständigen abgewichen. Dieser hatte für den Zeitraum vor der zum 30. Juni 2010 beendeten stationären Unterbringung und dann erneut ab Ende November 2011 eine körperliche und psychische Opiatabhängigkeit diagnostiziert, nicht aber für den Tatzeitraum , in welchem der Angeklagte seit mehr als zwei Jahren abstinent war. Das Fehlen eines Hangs hatte der Sachverständige damit begründet, dass für den Tatzeitraum keine erhebliche Beeinträchtigung des psychosozialen Funktionsniveaus zweifelsfrei festzustellen sei.
10
Die Strafkammer hat auch den symptomatischen Zusammenhang zwischen dem Hang zu übermäßigem Rauschmittelkonsum und der begangenen Tat bejaht und ist auch hier vom Gutachten des Sachverständigen abgewichen. Der Sachverständige hatte ausgeführt, dass bei einem erst Ende 2011 erfolgten Rückfall anzunehmen sei, dass der Angeklagte die Tat nicht begangen hat, um sich Drogen und finanzielle Mittel für den Eigenkonsum zu beschaffen, sondern aus anderen Motiven, zum Beispiel aus Gewinnerzielungsabsicht. Schließlich sei das erworbene Heroin zum Weiterverkauf und nicht zum Eigenkonsum des Angeklagten bestimmt gewesen. Dagegen begründet die Kammer den symptomatischen Zusammenhang mit der Überlegung, dass der Angeklag- te, der seine Heroinlieferanten dem Gericht nicht genannt hatte, „ohne Zweifel seine Kenntnisse und Kontakte zu seinen früheren Lieferquellen nutzte, um sich auch dieses Kilogramm Heroin zu beschaffen“.
11
Die Strafkammer hat eine hinreichend konkrete Erfolgsaussicht (§ 64 Satz 2 StGB) einer erneuten und damit der dritten Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angenommen und ist der Auffassung des Sachverständigen auch in diesem Punkt nicht gefolgt. Der Sachverständige hatte dargelegt, beim Angeklagten fehle trotz dessen ausdrücklicher Erklärung, therapiebereit zu sein, eine hinreichend konkrete Erfolgsaussicht. Er habe sehr früh mit dem Rauschmittelkonsum und der Delinquenz begonnen, habe verschiedene Suchtmittel gebraucht und einen verfestigten langjährigen Heroinkonsum; er habe mehrere Therapien erfolglos absolviert und bereits zwei Unterbringungen im Maßregelvollzug durchlaufen; er sei mit dem kriminellen Milieu verflochten, habe lange Zeiten der Freiheitsentziehung hinter sich, weise eine verminderte Frustrationstoleranz und gewisse dissoziale Persönlichkeitszüge auf und habe in der Justizvollzugsanstalt weiter Heroin konsumiert. Die positiv zu bewertenden Faktoren wie abgeschlossene Schul- und Berufsausbildung, familiäre Bindungen , Erfahrungen in der Erwerbstätigkeit, Selbstentzug mit längerer Abstinenzphase hätten alle auch bereits zur Tatzeit vorgelegen.
12
2. Die Beschränkung des Rechtsmittels ist wirksam. Anhaltspunkte dafür , dass die Strafe von der Maßregelanordnung beeinflusst sein könnte, ergeben sich aus den Urteilsgründen nicht (vgl. hierzu BGH, Urteile vom 7. Oktober 1992 – 2 StR 374/92, BGHSt 38, 362, 364 f. und vom 31. Juli 2013 – 2 StR 620/12).
13
3. Die Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB) hält revisionsrechtlicher Überprüfung nicht stand. Die Feststellungen tragen die Annahme des Landgerichts nicht, beim Angeklagten sei ein Hang gegeben, die abgeurteilte Tat habe Symptomwert für den Hang (§ 64 Satz 1 StGB) und es bestehe eine hinreichend konkrete Aussicht, den Angeklagten durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt zumindest eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in seinen Hang zu bewahren und von der Begehung auf seinen Hang zurückgehender erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten (§ 64 Satz 2 StGB).
14
a) Für einen Hang ist nach ständiger Rechtsprechung ausreichend eine eingewurzelte, auf psychische Disposition zurückgehende oder durch Übung erworbene Neigung, immer wieder Rauschmittel zu konsumieren, wobei diese Neigung noch nicht den Grad einer physischen Abhängigkeit erreicht haben muss. Ein übermäßiger Genuss von Rauschmitteln ist jedenfalls dann gegeben, wenn der Betroffene auf Grund seiner psychischen Abhängigkeit sozial gefährdet oder gefährlich erscheint (st. Rspr.; vgl. Beschlüsse vom 6. September 2007 – 4 StR 318/07, NStZ-RR 2008, 8; vom 1. April 2008 – 4 StR 56/08, NStZ-RR 2008, 198, 199; vom 12. April 2012 – 5 StR 87/12, NStZ-RR 2012, 271; vom 21. August 2012 – 4 StR 311/12 und vom 30. Juli 2013 – 2 StR 174/13). Nicht erforderlich ist, dass beim Täter bereits eine Persönlichkeitsdepravation eingetreten ist (BGH, Beschluss vom 6. September 2007 – 4 StR 318/07, NStZ-RR 2008, 8). Dem Umstand, dass durch den Rauschmittelkonsum die Gesundheit sowie die Arbeits- und Leistungsfähigkeit des Betroffenen beeinträchtigt sind, kommt nur eine indizielle Bedeutung zu. Das Fehlen solcher Beeinträchtigungen schließt nicht notwendigerweise die Bejahung eines Hangs aus (BGH, Beschluss vom 1. April 2008 – 4 StR 56/08, NStZ-RR 2008, 198).
15
Die von der Strafkammer für das Vorliegen eines Hangs angeführte Erkrankung an Hepatitis C zur Tatzeit begründet für sich gesehen keine soziale Gefährdung des Angeklagten, sondern lediglich die Behandlungsbedürftigkeit der Erkrankung. Feststellungen der Kammer, die eine soziale Gefährdung des Angeklagten auf Grund einer Neigung zum Rauschmittelkonsum in dieser Zeit belegen könnten, hat die Strafkammer nicht getroffen. Der Angeklagte war auch nicht nur für eine kurze Zeit abstinent, sondern über einen Zeitraum von etwa drei Jahren, ohne dass die Kammer irgendwelche Leistungsdefizite feststellen konnte. Im Gegenteil, er begann im Jahr 2010 eine Ausbildung zum Sport- und Fitnesskaufmann, arbeitete in einem Fitnessstudio und schloss seine Ausbildung Anfang 2012 erfolgreich ab. Bereits vor Ausbildungsabschluss war ihm von seinem Arbeitgeber die Leitung des Fitnessstudios übertragen worden. Seine privaten Verhältnisse waren geordnet (UA S. 3). Er war so stabil, dass er trotz der über einen längeren Zeitraum vorhandenen Zugriffsmöglichkeit auf Heroin erst im November 2011 rückfällig wurde, also zehn Monate nach dem letzten festgestellten Verkauf (UA S. 10 ff.).
16
b) Beim Angeklagten fehlt es zudem an dem für die Anordnung der Unterbringung nach § 64 StGB erforderlichen Symptomcharakter der abgeurteilten Tat.
17
Eine Tat hat dann Symptomcharakter, wenn sie in dem Hang ihre Wurzel findet, also Symptomwert für den Hang des Täters zum Missbrauch von Alkohol oder anderen berauschenden Mitteln hat (BGH, Urteil vom 11. September 1990 – 1 StR 293/90, NStZ 1991, 128; Beschluss vom 28. August 2013 – 4 StR 277/13, NStZ-RR 2014, 75), also – zumindest mitursächlich – auf den Hang zurückgeht (BGH, Beschluss vom 28. August 2013 – 4 StR 277/13, NStZ-RR 2014, 75). Typisch sind hierfür Delikte, die begangen werden, um Rauschmittel oder Geld für ihre Beschaffung zu erlangen (BGH, Urteil vom 18. Februar 1997 – 1 StR 693/96, BGHR StGB § 64 Abs. 1 Rausch 1; Beschluss vom 28. August 2013 – 4 StR 277/13, NStZ-RR 2014, 75).
18
Daran fehlt es. Dem Angeklagten ging es allein darum, das erworbene Heroin mit Gewinn zu veräußern (UA S. 10). Dass er für die Beschaffung des Heroins möglicherweise Kontakte zu früheren Lieferanten genutzt hat (UA S. 21), genügt nicht. Denn dieser Umstand begründet keine besondere hangbedingte Gefährlichkeit. Ohnehin hat die Strafkammer die Nutzung solcher Kontakte auch nicht festgestellt. Zur Herkunft des Heroins findet sich nur die Feststellung , dass es der Angeklagte von einem unbekannten Lieferanten aus dem westdeutschen Raum erworben und in der Hauptverhandlung zu seinem Lieferanten keine Angaben gemacht hat. Gemäß den Feststellungen in einer früheren Verurteilung (Bundeszentralregisterauszug Ziffer 7, UA S. 7, 8) bezog er damals das Heroin aus den Niederlanden.
19
Eine Betäubungsmittelabhängigkeit jedenfalls spielte für die verfahrensgegenständliche Tat keine Rolle, da der Angeklagte zum Zeitpunkt des Handeltreibens mit Heroin keine Drogen konsumierte.
20
Andere Delikte als solche der Beschaffungskriminalität kommen als Hangtaten nur dann in Betracht, wenn sich in ihnen die hangbedingte besondere Gefährlichkeit des Täters zeigt (BGH, Urteil vom 18. Februar 1997 – 1 StR 693/96, BGHR StGB § 64 Abs. 1 Rausch 1; Beschluss vom 28. August2013 – 4StR 277/13, NStZ-RR 2014, 75). Solche Anhaltspunkte sind hier nicht ersichtlich.
21
c) Darüber hinaus besteht beim Angeklagten nach den Feststellungen des Landgerichts auch keine tragfähige Basis für die erforderliche konkrete Therapieaussicht. Der seit frühester Jugend Betäubungsmittel konsumierende Angeklagte hat zahlreiche Therapieversuche unternommen, darunter auch zwei Unterbringungen gemäß § 64 StGB. Daneben kommen weitere ungünstige Umstände hinzu, die die Erfolgsaussichten einer Entwöhnungsbehandlung weiter vermindern. Sowohl die Tat, die im Urteil unter Bundeszentralregisterauszug Ziffer 9 mitgeteilt ist, als auch die vorliegende Tat mit der bislang höchsten Betäubungsmittelmenge beging der Angeklagte nur wenige Monate nach der Entlassung aus einer Unterbringung während der ambulanten Nachsorge (UA S. 8, 9). Jedenfalls bei derart ungünstigen Ausgangsbedingungen lässt einzig die Therapiemotivation des Angeklagten im Zeitpunkt der Hauptverhandlung nicht hinreichend sicher (§ 64 Satz 2 StGB) auf einen erfolgreichen Verlauf im Sinne des Gesetzes schließen.
22
4. Da eine Bejahung der Voraussetzungen des § 64 StGB auf der Grundlage der rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen sicher ausscheidet und die Anordnung der Maßregel für den Angeklagten eine zusätzliche Beschwer darstellt (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschluss vom 13. Juni 1991 – 4 StR 105/91, BGHSt 38, 4, 7; Urteil vom 5. August 2010 – 3 StR 195/10), führt die gegen diese zusätzliche Belastung des Angeklagten gerichtete, ihn mithin aus Rechtsgründen begünstigende (§ 296 Abs. 2 StPO) Revision der Staatsanwaltschaft zum Wegfall der Maßregel.
23
Der Senat kann durch Beschluss entscheiden, da diese Folge allein zugunsten des Angeklagten wirkt.
24
5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs.2 Satz 2 StPO (BGH, Urteil vom 20. September 2011 – 1 StR 120/11; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 58. Aufl., § 473 Rn. 16). Graf Jäger Mosbacher Fischer Bär

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 311/12
vom
21. August 2012
in der Strafsache
gegen
wegen schweren Bandendiebstahls u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 21. August 2012 gemäß § 349
Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten L. wird das Urteil des Landgerichts Bochum vom 10. April 2012, soweit es ihn betrifft, mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, soweit das Landgericht von einer Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt abgesehen hat. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schweren Bandendiebstahls in 30 Fällen, wobei es in acht Fällen beim Versuch blieb, sowie wegen Diebstahls, Computerbetrugs und versuchter Nötigung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und drei Monaten verurteilt. Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützten Revision.
2
Die Überprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung hat zum Schuld- und Strafausspruch keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben (§ 349 Abs. 2 StPO). Das Rechtsmittel hat jedoch insoweit Erfolg , als das Landgericht davon abgesehen hat, die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt nach § 64 StGB anzuordnen.
3
1. Nach den Feststellungen konsumierte der Angeklagte ab dem 13. Lebensjahr Cannabis und steigerte seinen Konsum bis zu einem täglichen Bedarf von 2 Gramm im Alter von 14 Jahren. Ab dem 16. Lebensjahr kamen am Wochenende ca. 2 Gramm Amphetamin hinzu, wobei er die jeweilige Dosis nasal zu sich nahm. Den aus Anlass seiner ersten Inhaftierung im Jahre 2006 unterbrochenen Amphetaminkonsum setzte er unmittelbar nach der Haftentlassung wieder fort. Nach weiteren Verurteilungen sowie einer nachträglich gebildeten Einheitsjugendstrafe von zwei Jahren trat der Angeklagte am 22. Juni 2007, nachdem die Vollstreckung eines Strafrestes zur Bewährung ausgesetzt worden war, eine Drogentherapie im Rahmen des § 35 BtMG an. Nach Bewährungswiderruf befand er sich von November 2008 bis Dezember 2009 in Strafhaft. Ab Beginn des Jahres 2010 schnupfte und rauchte der Angeklagte auch Kokain, wobei eine Menge von 1 Gramm für zwei bis drei Tage ausreichte. Daneben konsumierte er Kokain zusammen mit den MitangeklagtenS. und O. sowie dem ehemaligen Mitangeklagten R. . Nach erneuter Inhaftierung im Jahre 2010 wurde der Angeklagte am 7. September 2010 zur Durchführung einer weiteren Drogentherapie nach § 35 BtMG aus der Haft entlassen. Bereits eine Woche später brach er die Therapie jedoch ab und kaufte sich von dem Übergangsgeld der JVA Marihuana, um Joints zu rauchen (UA S. 9 RS).
4
Das Landgericht hat in Übereinstimmung mit dem Sachverständigen die Voraussetzungen für die Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt gemäß § 64 StGB verneint, da weder eine psychische Abhängigkeit, gravierende Entzugserscheinungen, eine erheblich verminderte Steuerungsfähigkeit zu den Tatzeitpunkten oder eine Drogendepravation noch eine erhebliche Beeinträchtigung der Gesundheit sowie der Arbeit- oder Leistungsfähigkeit vorlägen. Ein symptomatischer Zusammenhang zwischen den dem Angeklagten zur Last gelegten Taten und einer „womöglich vorgelegenen Cannabisabhängigkeit“ sei ebenfalls nicht ersichtlich.
5
2. Diese Ausführungen lassen besorgen, dass die Strafkammer rechtsfehlerhaft von einem zu engen Verständnis eines Hanges im Sinne von § 64 StGB sowie des erforderlichen symptomatischen Zusammenhangs zwischen den abgeurteilten Taten und dem Hang ausgegangen ist.
6
a) Für einen Hang ist nach ständiger Rechtsprechung ausreichend eine eingewurzelte, auf psychische Disposition zurückgehende oder durch Übung erworbene Neigung, immer wieder Rauschmittel zu konsumieren, wobei diese Neigung noch nicht den Grad einer physischen Abhängigkeit erreicht haben muss. Ein übermäßiger Genuss von Rauschmitteln ist jedenfalls dann gegeben, wenn der Betroffene auf Grund seiner psychischen Abhängigkeit sozial gefährdet oder gefährlich erscheint (st. Rspr., vgl. Senatsbeschlüsse vom 6. September 2007 – 4 StR 318/07, NStZ-RR 2008, 8, und vom 1. April 2008 – 4 StR 56/08, NStZ 2008, 198, 199; BGH, Beschluss vom 12. April 2012 – 5 StR 87/12). Nicht erforderlich ist, dass beim Täter bereits eine Persönlichkeitsdepravation eingetreten ist (Senatsbeschluss vom 6. September 2007 – 4 StR 318/07, NStZ-RR 2008, 8). Dem Umstand, dass durch den Rauschmit- telkonsum die Gesundheit sowie die Arbeits- und Leistungsfähigkeit des Betroffenen beeinträchtigt sind, kommt nur eine indizielle Bedeutung zu. Das Fehlen solcher Beeinträchtigungen schließt nicht notwendigerweise die Bejahung eines Hanges aus (Senatsbeschluss vom 1. April 2008 – 4 StR 56/08, NStZ 2008, 198). Für die Maßregelanordnung nach § 64 StGB kommt es auch nicht darauf an, dass der Angeklagte die Taten im Zustand zumindest verminderter Schuldfähigkeit begangen hat (Senatsbeschluss vom 30. September 2003 – 4 StR 382/03, NStZ-RR 2004, 78, 79).
7
Danach drängt sich hier das Vorliegen eines Hanges schon angesichts des festgestellten Konsumverhaltens des Angeklagten und der beiden (abgebrochenen ) Drogentherapien aus den Jahren 2007 und 2010 auf. Demgegenüber hat das Landgericht seine Auffassung, dass eine psychische Abhängigkeit zu verneinen sei, nicht näher begründet. Es hat außerdem davon abgesehen, den Inhalt der Ausführungen des Sachverständigen hierzu mitzuteilen.
8
b) Auch der Symptomwert der festgestellten Taten für den Hang des Angeklagten liegt – entgegen der Auffassung des Landgerichts – ausgesprochen nahe. Nach ständiger Rechtsprechung ist nicht erforderlich, dass der Hang die alleinige Ursache für die Anlasstaten ist. Vielmehr ist ein symptomatischer Zusammenhang auch dann zu bejahen, wenn der Hang neben anderen Umständen mit dazu beigetragen hat, dass der Angeklagte erhebliche rechtswidrige Taten begangen hat, und dies bei unverändertem Suchtverhalten auch für die Zukunft zu besorgen ist (vgl. Senatsbeschlüsse vom 30. September 2003 – 4 StR 382/03, NStZ-RR 2004, 78, vom 25. Mai 2011 – 4 StR 27/11, NStZ-RR 2011, 309, und vom 25. Oktober 2011 – 4 StR 416/11). So liegt es hier. Denn der berufs- und arbeitslose Angeklagte hat seinen beträchtlichen Drogenkonsum ganz überwiegend durch die gewerbsmäßige Begehung von Einbruchsdiebstählen finanziert (UA S. 12 RS). Damit liegt nahe, dass der Drogenkonsum des Angeklagten die abgeurteilten Taten mit ausgelöst hat.
9
c) Den bisher getroffenen Feststellungen ist auch nicht zu entnehmen, dass die Maßregel jedenfalls deswegen ausscheiden müsste, weil es an der hinreichend konkreten Aussicht eines Behandlungserfolges fehlt (§ 64 Satz 2 StGB). Der Angeklagte ist noch vergleichsweise jung. Die in den Jahren 2007 und 2010 (abgebrochenen) Therapieversuche stehen § 64 StGB nicht zwingend entgegen (vgl. Senatsbeschlüsse vom 7. Januar 1997 – 4 StR 628/96, und vom 10. April 1997 – 4 StR 130/97, beide bei Detter, NStZ 1997, 476, 480).
10
Die Frage der Anordnung der Maßregel der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt bedarf deshalb unter Hinzuziehung eines Sachverständigen (§ 246a Satz 2 StPO) der erneuten Prüfung und Entscheidung. Der neue Tatrichter wird gegebenenfalls § 67 Abs. 2 StGB zu beachten haben.
11
3. Dass nur der Angeklagte Revision eingelegt hat, hindert die Nachholung der Unterbringungsanordnung nicht (§ 358 Abs. 2 Satz 3 StPO; BGH, Urteil vom 10. April 1990 – 1 StR 9/90, BGHSt 37, 5, 9). Der Beschwerdeführer hat die Nichtanwendung des § 64 StGB durch das Tatgericht auch nicht vom Rechtsmittelangriff ausgenommen (vgl. BGH, Urteil vom 7. Oktober 1992 – 2 StR 374/92, BGHSt 38, 362 f.).
12
4. Der Senat kann ausschließen, dass das Landgericht bei Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt mildere Einzelstrafen oder eine geringere Gesamtstrafe verhängt hätte. Der Strafausspruch kann deshalb bestehen bleiben.
13
5. Eine Erstreckung der Entscheidung (§ 357 StPO) auf die nicht Revision führenden Mitangeklagten kommt nicht in Betracht (vgl. Senatsbeschluss vom 4. Juli 2012 – 4 StR 173/12; Meyer-Goßner, StPO, 55. Aufl., § 357 Rn. 15 mwN).
Mutzbauer Roggenbuck Franke
Quentin Reiter
6
Für einen Hang gemäß § 64 StGB ausreichend ist eine eingewurzelte, auf psychische Disposition zurückgehende oder durch Übung erworbene Neigung , immer wieder Rauschmittel zu konsumieren, wobei diese Neigung noch nicht den Grad einer psychischen Abhängigkeit erreicht haben muss. Ein übermäßiger Konsum von Rauschmitteln ist jedenfalls dann gegeben, wenn der Betroffene aufgrund seiner Neigung sozial gefährdet oder gefährlich erscheint (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschlüsse vom 10. November 2015 – 1 StR 482/15, NStZ-RR 2016, 113; vom 21. August 2012 – 4 StR 311/12, RuP 2013, 34 f.). Letzteres ist der Fall bei der Begehung von zur Befriedigung des eigenen Drogenkonsums dienender Beschaffungstaten (vgl. BGH, Beschluss vom 2. April 2015 – 3 StR 103/15 Rn. 5; Urteil vom 10. November 2004 – 2 StR 329/04, NStZ 2005, 210). Dem Umstand, dass durch den Rauschmittelkonsum die Gesundheit sowie die Arbeits- und Leistungsfähigkeit des Betroffenen beeinträchtigt sind, kommt nur indizielle Bedeutung zu. Das Fehlen solcher Beeinträchtigungen schließt die Bejahung eines Hangs nicht aus (vgl. BGH, Beschlüsse vom 10. November 2015 – 1 StR 482/15 aaO; vom 21. August 2012 – 4 StR 311/12 aaO; vom 12. April 2012 – 5 StR 87/12, NStZ-RR 2012, 271; vom 1. April 2008 – 4 StR 56/08, NStZ-RR 2008, 198 f.). Ebenso wenig ist für einen Hang erforderlich, dass beim Täter bereits eine Persönlichkeitsdepravation ein- getreten ist (vgl. BGH, Beschlüsse vom 10. November 2015 – 1 StR 482/15 aaO; vom 6. September 2007 – 4 StR 318/07, NStZ-RR 2008, 8).
5
a) Zum einen ist das Landgericht von einem zu engen Begriff des Hangs ausgegangen. Hierfür ausreichend ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs eine eingewurzelte, auf psychische Disposition zurückgehende oder durch Übung erworbene Neigung, immer wieder Rauschmittel zu konsumieren, wobei diese Neigung noch nicht den Grad einer physischen Abhängigkeit erreicht haben muss. Ein übermäßiger Genuss von Rauschmitteln ist jedenfalls dann gegeben, wenn der Betroffene auf Grund seiner psychischen Abhängigkeit sozial gefährdet oder gefährlich erscheint. Das kommt nicht nur dann in Betracht, wenn der Betroffene Rauschmittel in einem solchen Umfang zu sich nimmt, dass seine Gesundheit, Arbeits- und Leistungsfähigkeit dadurch erheblich beeinträchtigt werden, sondern insbesondere auch bei Beschaffungskriminalität (BGH, Urteil vom 10. November 2004 - 2 StR 329/04, NStZ 2005, 210). Nach den Feststellungen liegt es nahe, dass es sich bei der Tat um eine solche, der Befriedigung des eigenen Drogenkonsums dienende Kriminalität handelte. Der Angeklagte konsumierte ab dem Alter von 17 Jahren "regelmäßig" Haschisch. Auch nach Abschluss seiner Ausbildung im Jahr 2010 "trank er viel und nahm Drogen" (UA S. 4). Dementsprechend musste er schon im Alter von 15 Jahren wegen Besitzes und Einfuhr von Betäubungsmitteln nach § 45 JGG ermahnt werden, 2007 wurde er wegen Besitzes von Betäubungsmitteln zu einer Jugendstrafe von sechs Monaten und 2013 unter anderem wegen desselben Delikts zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt. Die Tat beging der Angeklagte mit seinen beiden Mittätern, um Betäubungsmittel und Geld zu erbeuten. Den Alkohol- und Betäubungsmittelkonsum des Angeklagten hat das Landgericht deshalb auch als "Hintergrund" der Tat und diese wiederum im Rahmen der Rechtsfolgenentscheidung betreffend den Mitangeklagten B. auch als "Beschaffungstat" eingeordnet (UA S. 26).

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 482/15
vom
10. November 2015
in der Strafsache
gegen
wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht
geringer Menge
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 10. November 2015 gemäß
§ 349 Abs. 4 StPO beschlossen:
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Regensburg vom 24. Februar 2015 dahin abgeändert , dass die Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt entfällt. Die Staatskasse hat die Kosten der Revision und die dem Angeklagten im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren und zehn Monaten verurteilt und seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt sowie Wertersatzverfall angeordnet.
2
Die auf die ausgeführte Sachrüge gestützte, vom Generalbundesanwalt vertretene Revision der Staatsanwaltschaft zu Gunsten des Angeklagten wendet sich allein gegen den Maßregelausspruch. Das Rechtsmittel ist begründet und führt zum Wegfall der Maßregel (§ 349 Abs. 4 StPO).
3
1. Das Landgericht hat, soweit für die Maßregelfrage relevant, im Wesentlichen die folgenden Feststellungen und Wertungen getroffen:
4
a) Der 37-jährige Angeklagte konsumiert seit dem 14. Lebensjahr Cannabis , seit dem 16. Lebensjahr Kokain, LSD und Ecstasy sowie seit dem 17. Lebensjahr Heroin, zunächst intravenös, anschließend nur noch nasal, und ist in diesem Zusammenhang vielfach mit Betäubungsmitteldelikten strafrechtlich in Erscheinung getreten. Vom 24. Oktober 2001 bis zum 25. März 2002 war er erstmals in einer Entziehungsanstalt untergebracht. Die weitere Vollstreckung des Strafrests und der Unterbringung wurde im Dezember 2003 zur Bewährung ausgesetzt. Die Aussetzung des Strafrests wurde mit Beschluss vom 17. Dezember 2005 widerrufen und zugleich die Erledigung der angeordneten Unterbringung festgestellt. Vom 29. September 2005 bis zum 25. Oktober 2005 war der Angeklagte aufgrund eines Urteils vom 29. September 2005 erneut in einer Entziehungsanstalt untergebracht. Nach Vollstreckung des Rests einer Freiheitsstrafe wurde die Unterbringung von Dezember 2005 bis zum 13. Februar 2006 weiter vollzogen. Anschließend verbüßte der Angeklagte den achtmonatigen Rest einer Freiheitsstrafe. Im September 2006 wurde die weitere Vollstreckung der Unterbringung bis Oktober 2008 zurückgestellt. Die Zurückstellung wurde im Januar 2008 widerrufen und die Unterbringung in der Entziehungsanstalt vom 20. Februar 2008 bis 30. Juni 2010 weiter vollzogen. Mit Beschluss vom 22. Juni 2010 wurde der weitere Vollzug zur Bewährung ausgesetzt. In den Jahren 2004, 2005 und 2007 hielt sich der Angeklagte viermal stationär oder teilstationär zur Entgiftung und Entwöhnung in einer Entziehungsanstalt auf.
5
Vom 1. Juli 2010 bis zum 28. Februar 2014 erfolgte in der forensischpsychiatrischen Ambulanz der Entziehungsanstalt eine ambulante Nachsorgebehandlung. Anfang 2010 zog der Angeklagte mit seiner Lebensgefährtin zusammen und begann eine Ausbildung zum Sport- und Fitnesskaufmann. Er arbeitete in einem Fitnessstudio und schloss diese Ausbildung Anfang 2012 erfolgreich ab. Bereits zuvor war ihm von seinem Arbeitgeber bei einem monat- lichen Verdienst von etwa 1300 € netto die Leitung des Fitnessstudios übertra- gen worden.
6
Im November 2011 begab sich der Angeklagte wegen einer akuten Erkrankung an Hepatitis B mit drohendem Leberversagen - bereits einige Jahre zuvor war er an chronischer Hepatitis C erkrankt - in ein Krankenhaus und wurde dort bis Anfang 2012 stationär behandelt. In dieser Zeit wurde er mit Heroin und Subutex rückfällig, nachdem es seit Dezember 2008 keine Rückfälle mehr gegeben hatte. Für beide Erkrankungen an Hepatitis war die ursprünglich intravenöse Art des Heroinkonsums ursächlich. Anfang 2012 wurde er aus dem Krankenhaus entlassen und in verschiedenen Entziehungsanstalten mehrfach substitutionsbehandelt. Im Sommer 2013 reiste der Angeklagte in die Ukraine und ließ sich dort einen Opiatblocker implantieren, der die durch Opiate verursachten Wirkungen für die Dauer von etwa sechs Monaten aufhebt, wodurch der Patient zum Unterlassen des nun wirkungslosen Opiatkonsums motiviert werden soll. Der Angeklagte konsumierte, nachdem er am 15. April 2014 in Untersuchungshaft genommen worden war, in der Justizvollzugsanstalt weiterhin Heroin.
7
Während seiner Ausbildung zum Sport- und Fitnesskaufmann verkaufte der Angeklagte am 17. Dezember 2010 aus einer Menge von mindestens einem Kilogramm Heroin 40 g und erhielt hierfür vom Käufer 1000 € in bar. Am 1. Februar 2011 verkaufte er daraus an denselben Käufer 100 g Heroin zum Preis von 1800 €. Der Angeklagte handelte in beiden Fällen in Gewinnerzie- lungsabsicht. Das Heroin hatte der Angeklagte von einem unbekannten Lieferanten aus dem westdeutschen Raum erworben.
8
b) Die Strafkammer hat einen Hang im Sinne des § 64 Satz 1 StGB bejaht. Der Angeklagte habe bereits zur Tatzeit an den gesundheitlichen Folgen seines langjährigen Heroinkonsums in Form einer chronischen Erkrankung an Hepatitis C gelitten und sei hierdurch sozial gefährdet gewesen. Bei einem langjährigen Konsum von Heroin, einem Rauschgift mit sehr großem „Abhängigkeitspotenzial“ , und der wiederholten Rückfälligkeit des Angeklagtenin der Vergangenheit könne das Fortbestehen eines Hangs nicht deswegen verneint werden, weil der Lebensweg des Angeklagten „Intervalle der Abstinenz“ auf- weise.
9
Damit ist die Kammer vom Gutachten des Sachverständigen abgewichen. Dieser hatte für den Zeitraum vor der zum 30. Juni 2010 beendeten stationären Unterbringung und dann erneut ab Ende November 2011 eine körperliche und psychische Opiatabhängigkeit diagnostiziert, nicht aber für den Tatzeitraum , in welchem der Angeklagte seit mehr als zwei Jahren abstinent war. Das Fehlen eines Hangs hatte der Sachverständige damit begründet, dass für den Tatzeitraum keine erhebliche Beeinträchtigung des psychosozialen Funktionsniveaus zweifelsfrei festzustellen sei.
10
Die Strafkammer hat auch den symptomatischen Zusammenhang zwischen dem Hang zu übermäßigem Rauschmittelkonsum und der begangenen Tat bejaht und ist auch hier vom Gutachten des Sachverständigen abgewichen. Der Sachverständige hatte ausgeführt, dass bei einem erst Ende 2011 erfolgten Rückfall anzunehmen sei, dass der Angeklagte die Tat nicht begangen hat, um sich Drogen und finanzielle Mittel für den Eigenkonsum zu beschaffen, sondern aus anderen Motiven, zum Beispiel aus Gewinnerzielungsabsicht. Schließlich sei das erworbene Heroin zum Weiterverkauf und nicht zum Eigenkonsum des Angeklagten bestimmt gewesen. Dagegen begründet die Kammer den symptomatischen Zusammenhang mit der Überlegung, dass der Angeklag- te, der seine Heroinlieferanten dem Gericht nicht genannt hatte, „ohne Zweifel seine Kenntnisse und Kontakte zu seinen früheren Lieferquellen nutzte, um sich auch dieses Kilogramm Heroin zu beschaffen“.
11
Die Strafkammer hat eine hinreichend konkrete Erfolgsaussicht (§ 64 Satz 2 StGB) einer erneuten und damit der dritten Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angenommen und ist der Auffassung des Sachverständigen auch in diesem Punkt nicht gefolgt. Der Sachverständige hatte dargelegt, beim Angeklagten fehle trotz dessen ausdrücklicher Erklärung, therapiebereit zu sein, eine hinreichend konkrete Erfolgsaussicht. Er habe sehr früh mit dem Rauschmittelkonsum und der Delinquenz begonnen, habe verschiedene Suchtmittel gebraucht und einen verfestigten langjährigen Heroinkonsum; er habe mehrere Therapien erfolglos absolviert und bereits zwei Unterbringungen im Maßregelvollzug durchlaufen; er sei mit dem kriminellen Milieu verflochten, habe lange Zeiten der Freiheitsentziehung hinter sich, weise eine verminderte Frustrationstoleranz und gewisse dissoziale Persönlichkeitszüge auf und habe in der Justizvollzugsanstalt weiter Heroin konsumiert. Die positiv zu bewertenden Faktoren wie abgeschlossene Schul- und Berufsausbildung, familiäre Bindungen , Erfahrungen in der Erwerbstätigkeit, Selbstentzug mit längerer Abstinenzphase hätten alle auch bereits zur Tatzeit vorgelegen.
12
2. Die Beschränkung des Rechtsmittels ist wirksam. Anhaltspunkte dafür , dass die Strafe von der Maßregelanordnung beeinflusst sein könnte, ergeben sich aus den Urteilsgründen nicht (vgl. hierzu BGH, Urteile vom 7. Oktober 1992 – 2 StR 374/92, BGHSt 38, 362, 364 f. und vom 31. Juli 2013 – 2 StR 620/12).
13
3. Die Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB) hält revisionsrechtlicher Überprüfung nicht stand. Die Feststellungen tragen die Annahme des Landgerichts nicht, beim Angeklagten sei ein Hang gegeben, die abgeurteilte Tat habe Symptomwert für den Hang (§ 64 Satz 1 StGB) und es bestehe eine hinreichend konkrete Aussicht, den Angeklagten durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt zumindest eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in seinen Hang zu bewahren und von der Begehung auf seinen Hang zurückgehender erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten (§ 64 Satz 2 StGB).
14
a) Für einen Hang ist nach ständiger Rechtsprechung ausreichend eine eingewurzelte, auf psychische Disposition zurückgehende oder durch Übung erworbene Neigung, immer wieder Rauschmittel zu konsumieren, wobei diese Neigung noch nicht den Grad einer physischen Abhängigkeit erreicht haben muss. Ein übermäßiger Genuss von Rauschmitteln ist jedenfalls dann gegeben, wenn der Betroffene auf Grund seiner psychischen Abhängigkeit sozial gefährdet oder gefährlich erscheint (st. Rspr.; vgl. Beschlüsse vom 6. September 2007 – 4 StR 318/07, NStZ-RR 2008, 8; vom 1. April 2008 – 4 StR 56/08, NStZ-RR 2008, 198, 199; vom 12. April 2012 – 5 StR 87/12, NStZ-RR 2012, 271; vom 21. August 2012 – 4 StR 311/12 und vom 30. Juli 2013 – 2 StR 174/13). Nicht erforderlich ist, dass beim Täter bereits eine Persönlichkeitsdepravation eingetreten ist (BGH, Beschluss vom 6. September 2007 – 4 StR 318/07, NStZ-RR 2008, 8). Dem Umstand, dass durch den Rauschmittelkonsum die Gesundheit sowie die Arbeits- und Leistungsfähigkeit des Betroffenen beeinträchtigt sind, kommt nur eine indizielle Bedeutung zu. Das Fehlen solcher Beeinträchtigungen schließt nicht notwendigerweise die Bejahung eines Hangs aus (BGH, Beschluss vom 1. April 2008 – 4 StR 56/08, NStZ-RR 2008, 198).
15
Die von der Strafkammer für das Vorliegen eines Hangs angeführte Erkrankung an Hepatitis C zur Tatzeit begründet für sich gesehen keine soziale Gefährdung des Angeklagten, sondern lediglich die Behandlungsbedürftigkeit der Erkrankung. Feststellungen der Kammer, die eine soziale Gefährdung des Angeklagten auf Grund einer Neigung zum Rauschmittelkonsum in dieser Zeit belegen könnten, hat die Strafkammer nicht getroffen. Der Angeklagte war auch nicht nur für eine kurze Zeit abstinent, sondern über einen Zeitraum von etwa drei Jahren, ohne dass die Kammer irgendwelche Leistungsdefizite feststellen konnte. Im Gegenteil, er begann im Jahr 2010 eine Ausbildung zum Sport- und Fitnesskaufmann, arbeitete in einem Fitnessstudio und schloss seine Ausbildung Anfang 2012 erfolgreich ab. Bereits vor Ausbildungsabschluss war ihm von seinem Arbeitgeber die Leitung des Fitnessstudios übertragen worden. Seine privaten Verhältnisse waren geordnet (UA S. 3). Er war so stabil, dass er trotz der über einen längeren Zeitraum vorhandenen Zugriffsmöglichkeit auf Heroin erst im November 2011 rückfällig wurde, also zehn Monate nach dem letzten festgestellten Verkauf (UA S. 10 ff.).
16
b) Beim Angeklagten fehlt es zudem an dem für die Anordnung der Unterbringung nach § 64 StGB erforderlichen Symptomcharakter der abgeurteilten Tat.
17
Eine Tat hat dann Symptomcharakter, wenn sie in dem Hang ihre Wurzel findet, also Symptomwert für den Hang des Täters zum Missbrauch von Alkohol oder anderen berauschenden Mitteln hat (BGH, Urteil vom 11. September 1990 – 1 StR 293/90, NStZ 1991, 128; Beschluss vom 28. August 2013 – 4 StR 277/13, NStZ-RR 2014, 75), also – zumindest mitursächlich – auf den Hang zurückgeht (BGH, Beschluss vom 28. August 2013 – 4 StR 277/13, NStZ-RR 2014, 75). Typisch sind hierfür Delikte, die begangen werden, um Rauschmittel oder Geld für ihre Beschaffung zu erlangen (BGH, Urteil vom 18. Februar 1997 – 1 StR 693/96, BGHR StGB § 64 Abs. 1 Rausch 1; Beschluss vom 28. August 2013 – 4 StR 277/13, NStZ-RR 2014, 75).
18
Daran fehlt es. Dem Angeklagten ging es allein darum, das erworbene Heroin mit Gewinn zu veräußern (UA S. 10). Dass er für die Beschaffung des Heroins möglicherweise Kontakte zu früheren Lieferanten genutzt hat (UA S. 21), genügt nicht. Denn dieser Umstand begründet keine besondere hangbedingte Gefährlichkeit. Ohnehin hat die Strafkammer die Nutzung solcher Kontakte auch nicht festgestellt. Zur Herkunft des Heroins findet sich nur die Feststellung , dass es der Angeklagte von einem unbekannten Lieferanten aus dem westdeutschen Raum erworben und in der Hauptverhandlung zu seinem Lieferanten keine Angaben gemacht hat. Gemäß den Feststellungen in einer früheren Verurteilung (Bundeszentralregisterauszug Ziffer 7, UA S. 7, 8) bezog er damals das Heroin aus den Niederlanden.
19
Eine Betäubungsmittelabhängigkeit jedenfalls spielte für die verfahrensgegenständliche Tat keine Rolle, da der Angeklagte zum Zeitpunkt des Handeltreibens mit Heroin keine Drogen konsumierte.
20
Andere Delikte als solche der Beschaffungskriminalität kommen als Hangtaten nur dann in Betracht, wenn sich in ihnen die hangbedingte besondere Gefährlichkeit des Täters zeigt (BGH, Urteil vom 18. Februar 1997 – 1 StR 693/96, BGHR StGB § 64 Abs. 1 Rausch 1; Beschluss vom 28. August2013 – 4StR 277/13, NStZ-RR 2014, 75). Solche Anhaltspunkte sind hier nicht ersichtlich.
21
c) Darüber hinaus besteht beim Angeklagten nach den Feststellungen des Landgerichts auch keine tragfähige Basis für die erforderliche konkrete Therapieaussicht. Der seit frühester Jugend Betäubungsmittel konsumierende Angeklagte hat zahlreiche Therapieversuche unternommen, darunter auch zwei Unterbringungen gemäß § 64 StGB. Daneben kommen weitere ungünstige Umstände hinzu, die die Erfolgsaussichten einer Entwöhnungsbehandlung weiter vermindern. Sowohl die Tat, die im Urteil unter Bundeszentralregisterauszug Ziffer 9 mitgeteilt ist, als auch die vorliegende Tat mit der bislang höchsten Betäubungsmittelmenge beging der Angeklagte nur wenige Monate nach der Entlassung aus einer Unterbringung während der ambulanten Nachsorge (UA S. 8, 9). Jedenfalls bei derart ungünstigen Ausgangsbedingungen lässt einzig die Therapiemotivation des Angeklagten im Zeitpunkt der Hauptverhandlung nicht hinreichend sicher (§ 64 Satz 2 StGB) auf einen erfolgreichen Verlauf im Sinne des Gesetzes schließen.
22
4. Da eine Bejahung der Voraussetzungen des § 64 StGB auf der Grundlage der rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen sicher ausscheidet und die Anordnung der Maßregel für den Angeklagten eine zusätzliche Beschwer darstellt (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschluss vom 13. Juni 1991 – 4 StR 105/91, BGHSt 38, 4, 7; Urteil vom 5. August 2010 – 3 StR 195/10), führt die gegen diese zusätzliche Belastung des Angeklagten gerichtete, ihn mithin aus Rechtsgründen begünstigende (§ 296 Abs. 2 StPO) Revision der Staatsanwaltschaft zum Wegfall der Maßregel.
23
Der Senat kann durch Beschluss entscheiden, da diese Folge allein zugunsten des Angeklagten wirkt.
24
5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs.2 Satz 2 StPO (BGH, Urteil vom 20. September 2011 – 1 StR 120/11; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 58. Aufl., § 473 Rn. 16). Graf Jäger Mosbacher Fischer Bär

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 311/12
vom
21. August 2012
in der Strafsache
gegen
wegen schweren Bandendiebstahls u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 21. August 2012 gemäß § 349
Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten L. wird das Urteil des Landgerichts Bochum vom 10. April 2012, soweit es ihn betrifft, mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, soweit das Landgericht von einer Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt abgesehen hat. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schweren Bandendiebstahls in 30 Fällen, wobei es in acht Fällen beim Versuch blieb, sowie wegen Diebstahls, Computerbetrugs und versuchter Nötigung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und drei Monaten verurteilt. Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützten Revision.
2
Die Überprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung hat zum Schuld- und Strafausspruch keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben (§ 349 Abs. 2 StPO). Das Rechtsmittel hat jedoch insoweit Erfolg , als das Landgericht davon abgesehen hat, die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt nach § 64 StGB anzuordnen.
3
1. Nach den Feststellungen konsumierte der Angeklagte ab dem 13. Lebensjahr Cannabis und steigerte seinen Konsum bis zu einem täglichen Bedarf von 2 Gramm im Alter von 14 Jahren. Ab dem 16. Lebensjahr kamen am Wochenende ca. 2 Gramm Amphetamin hinzu, wobei er die jeweilige Dosis nasal zu sich nahm. Den aus Anlass seiner ersten Inhaftierung im Jahre 2006 unterbrochenen Amphetaminkonsum setzte er unmittelbar nach der Haftentlassung wieder fort. Nach weiteren Verurteilungen sowie einer nachträglich gebildeten Einheitsjugendstrafe von zwei Jahren trat der Angeklagte am 22. Juni 2007, nachdem die Vollstreckung eines Strafrestes zur Bewährung ausgesetzt worden war, eine Drogentherapie im Rahmen des § 35 BtMG an. Nach Bewährungswiderruf befand er sich von November 2008 bis Dezember 2009 in Strafhaft. Ab Beginn des Jahres 2010 schnupfte und rauchte der Angeklagte auch Kokain, wobei eine Menge von 1 Gramm für zwei bis drei Tage ausreichte. Daneben konsumierte er Kokain zusammen mit den MitangeklagtenS. und O. sowie dem ehemaligen Mitangeklagten R. . Nach erneuter Inhaftierung im Jahre 2010 wurde der Angeklagte am 7. September 2010 zur Durchführung einer weiteren Drogentherapie nach § 35 BtMG aus der Haft entlassen. Bereits eine Woche später brach er die Therapie jedoch ab und kaufte sich von dem Übergangsgeld der JVA Marihuana, um Joints zu rauchen (UA S. 9 RS).
4
Das Landgericht hat in Übereinstimmung mit dem Sachverständigen die Voraussetzungen für die Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt gemäß § 64 StGB verneint, da weder eine psychische Abhängigkeit, gravierende Entzugserscheinungen, eine erheblich verminderte Steuerungsfähigkeit zu den Tatzeitpunkten oder eine Drogendepravation noch eine erhebliche Beeinträchtigung der Gesundheit sowie der Arbeit- oder Leistungsfähigkeit vorlägen. Ein symptomatischer Zusammenhang zwischen den dem Angeklagten zur Last gelegten Taten und einer „womöglich vorgelegenen Cannabisabhängigkeit“ sei ebenfalls nicht ersichtlich.
5
2. Diese Ausführungen lassen besorgen, dass die Strafkammer rechtsfehlerhaft von einem zu engen Verständnis eines Hanges im Sinne von § 64 StGB sowie des erforderlichen symptomatischen Zusammenhangs zwischen den abgeurteilten Taten und dem Hang ausgegangen ist.
6
a) Für einen Hang ist nach ständiger Rechtsprechung ausreichend eine eingewurzelte, auf psychische Disposition zurückgehende oder durch Übung erworbene Neigung, immer wieder Rauschmittel zu konsumieren, wobei diese Neigung noch nicht den Grad einer physischen Abhängigkeit erreicht haben muss. Ein übermäßiger Genuss von Rauschmitteln ist jedenfalls dann gegeben, wenn der Betroffene auf Grund seiner psychischen Abhängigkeit sozial gefährdet oder gefährlich erscheint (st. Rspr., vgl. Senatsbeschlüsse vom 6. September 2007 – 4 StR 318/07, NStZ-RR 2008, 8, und vom 1. April 2008 – 4 StR 56/08, NStZ 2008, 198, 199; BGH, Beschluss vom 12. April 2012 – 5 StR 87/12). Nicht erforderlich ist, dass beim Täter bereits eine Persönlichkeitsdepravation eingetreten ist (Senatsbeschluss vom 6. September 2007 – 4 StR 318/07, NStZ-RR 2008, 8). Dem Umstand, dass durch den Rauschmit- telkonsum die Gesundheit sowie die Arbeits- und Leistungsfähigkeit des Betroffenen beeinträchtigt sind, kommt nur eine indizielle Bedeutung zu. Das Fehlen solcher Beeinträchtigungen schließt nicht notwendigerweise die Bejahung eines Hanges aus (Senatsbeschluss vom 1. April 2008 – 4 StR 56/08, NStZ 2008, 198). Für die Maßregelanordnung nach § 64 StGB kommt es auch nicht darauf an, dass der Angeklagte die Taten im Zustand zumindest verminderter Schuldfähigkeit begangen hat (Senatsbeschluss vom 30. September 2003 – 4 StR 382/03, NStZ-RR 2004, 78, 79).
7
Danach drängt sich hier das Vorliegen eines Hanges schon angesichts des festgestellten Konsumverhaltens des Angeklagten und der beiden (abgebrochenen ) Drogentherapien aus den Jahren 2007 und 2010 auf. Demgegenüber hat das Landgericht seine Auffassung, dass eine psychische Abhängigkeit zu verneinen sei, nicht näher begründet. Es hat außerdem davon abgesehen, den Inhalt der Ausführungen des Sachverständigen hierzu mitzuteilen.
8
b) Auch der Symptomwert der festgestellten Taten für den Hang des Angeklagten liegt – entgegen der Auffassung des Landgerichts – ausgesprochen nahe. Nach ständiger Rechtsprechung ist nicht erforderlich, dass der Hang die alleinige Ursache für die Anlasstaten ist. Vielmehr ist ein symptomatischer Zusammenhang auch dann zu bejahen, wenn der Hang neben anderen Umständen mit dazu beigetragen hat, dass der Angeklagte erhebliche rechtswidrige Taten begangen hat, und dies bei unverändertem Suchtverhalten auch für die Zukunft zu besorgen ist (vgl. Senatsbeschlüsse vom 30. September 2003 – 4 StR 382/03, NStZ-RR 2004, 78, vom 25. Mai 2011 – 4 StR 27/11, NStZ-RR 2011, 309, und vom 25. Oktober 2011 – 4 StR 416/11). So liegt es hier. Denn der berufs- und arbeitslose Angeklagte hat seinen beträchtlichen Drogenkonsum ganz überwiegend durch die gewerbsmäßige Begehung von Einbruchsdiebstählen finanziert (UA S. 12 RS). Damit liegt nahe, dass der Drogenkonsum des Angeklagten die abgeurteilten Taten mit ausgelöst hat.
9
c) Den bisher getroffenen Feststellungen ist auch nicht zu entnehmen, dass die Maßregel jedenfalls deswegen ausscheiden müsste, weil es an der hinreichend konkreten Aussicht eines Behandlungserfolges fehlt (§ 64 Satz 2 StGB). Der Angeklagte ist noch vergleichsweise jung. Die in den Jahren 2007 und 2010 (abgebrochenen) Therapieversuche stehen § 64 StGB nicht zwingend entgegen (vgl. Senatsbeschlüsse vom 7. Januar 1997 – 4 StR 628/96, und vom 10. April 1997 – 4 StR 130/97, beide bei Detter, NStZ 1997, 476, 480).
10
Die Frage der Anordnung der Maßregel der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt bedarf deshalb unter Hinzuziehung eines Sachverständigen (§ 246a Satz 2 StPO) der erneuten Prüfung und Entscheidung. Der neue Tatrichter wird gegebenenfalls § 67 Abs. 2 StGB zu beachten haben.
11
3. Dass nur der Angeklagte Revision eingelegt hat, hindert die Nachholung der Unterbringungsanordnung nicht (§ 358 Abs. 2 Satz 3 StPO; BGH, Urteil vom 10. April 1990 – 1 StR 9/90, BGHSt 37, 5, 9). Der Beschwerdeführer hat die Nichtanwendung des § 64 StGB durch das Tatgericht auch nicht vom Rechtsmittelangriff ausgenommen (vgl. BGH, Urteil vom 7. Oktober 1992 – 2 StR 374/92, BGHSt 38, 362 f.).
12
4. Der Senat kann ausschließen, dass das Landgericht bei Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt mildere Einzelstrafen oder eine geringere Gesamtstrafe verhängt hätte. Der Strafausspruch kann deshalb bestehen bleiben.
13
5. Eine Erstreckung der Entscheidung (§ 357 StPO) auf die nicht Revision führenden Mitangeklagten kommt nicht in Betracht (vgl. Senatsbeschluss vom 4. Juli 2012 – 4 StR 173/12; Meyer-Goßner, StPO, 55. Aufl., § 357 Rn. 15 mwN).
Mutzbauer Roggenbuck Franke
Quentin Reiter
5 StR 87/12

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
vom 12. April 2012
in der Strafsache
gegen
wegen Brandstiftung u.a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 12. April 2012

beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Itzehoe vom 9. Dezember 2011 nach § 349 Abs. 4 StPO mit den jeweils zugehörigen Feststellungen aufgehoben,
a) soweit die Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt unterblieben ist,
b) in den Einzelstrafaussprüchen in den Fällen 1, 7 und 10 der Urteilsgründe und im Gesamtstrafausspruch.
2. Die weitergehende Revision des Angeklagten wird nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.
3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
G r ü n d e
1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Brandstiftung in drei Fällen sowie wegen Sachbeschädigung in sieben Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und elf Monaten verurteilt. Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die Verurteilung wegen Brandstiftung in drei Fällen beschränkten Revision. Das auf die Sachrüge gestützte Rechtsmittel erzielt den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg. Im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts legte der Angeklagte neben den sieben rechtskräftig als Sachbeschädigungen ausgeurteilten Brandlegungen zwischen Februar 2009 und Juni 2011 drei Brände, indem er einen Papierstapel in einem Kellerverschlag des auch von ihm bewohnten Mehrfamilienhauses (Fall 1), den in einem an der Rückwand eines Restaurants stehenden Müllcontainer befindlichen Abfall (Fall 7) und im Eigentum anderer Mieter stehende Gegenstände in einem Kellerverschlag eines wiederum auch von ihm selbst bewohnten Mehrfamilienhauses (Fall 10) entzündete. In allen Fällen entstand aufgrund der vom Angeklagten billigend in Kauf genommenen Flammen- und Rauchentwicklung erheblicher Gebäudeschaden. Bei Begehung der Taten befand sich der an einer Alkoholabhängigkeit leidende Angeklagte jeweils – zumindest nicht ausschließbar – in erheblich alkoholisiertem Zustand, weshalb die Strafkammer eine erhebliche Verminderung seiner Steuerungsfähigkeit im Sinne des § 21 StGB angenommen hat.
3
Eine Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt hat das sachverständig beratene Landgericht mit der Begründung abgelehnt, bei dem Angeklagten bestehe zwar eine Alkoholabhängigkeit, ein Hang im Sinne des § 64 StGB liege jedoch nicht vor. Der Angeklagte sei stets in der Lage gewesen, seine Arbeitsfähigkeit zu erhalten. Sein erhöhter Alkoholkonsum sei nicht Ursache, sondern Folge von Antriebsmangel und Strukturverlust im Alltag. Er habe zu keinem Zeitpunkt an Entzugserscheinungen gelitten und sei in der Lage gewesen, seinen Konsum aufzuschieben.
4
2. Die Erwägungen der Strafkammer zur Ablehnung einer Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt halten revisionsrechtlicher Überprüfung nicht stand. Ihnen liegt ein zu enges Verständnis des Begriffs des Hanges zu übermäßigem Rauschmittelkonsum zugrunde. Ein Hang im Sinne des § 64 StGB setzt eine chronische, auf körperlicher Sucht beruhende Abhängigkeit oder zumindest eine eingewurzelte, auf psychischer Disposition beruhende oder durch Übung erworbene intensive Neigung voraus, immer wieder Alkohol oder andere Rauschmittel zu sich zu nehmen, wobei auch das Fehlen ausgeprägter Entzugssyndrome sowie Intervalle der Abstinenz dem nicht entgegenstehen (BGH, Beschlüsse vom 9. November2011 – 2StR 427/11 – und vom 30. März 2010 – 3 StR 88/10, NStZ-RR 2010, 216; Fischer, StGB, 59. Aufl., § 64 Rn. 9 mwN).
5
Danach lässt sich die Verneinung eines Hanges nicht mit dem vom Sachverständigen festgestellten Alkoholabhängigkeitssyndrom in Einklang bringen: Der Sachverständige hat hierzu weiter ausgeführt, dass sich der Tagesablauf des Angeklagten jedenfalls zum Teil nach seinem Alkoholkonsum gerichtet habe, die gemessenen Alkoholwerte auf eine erhebliche Alkoholgewöhnung hindeuteten, eine gewisse Verwahrlosung des Angeklagten eingetreten sei und dieser bisher nicht mit dem Trinken aufgehört habe, obwohl dies seit längerem sein Wunsch sei. Das seitens der Strafkammer herangezogene Fehlen einer erheblichen Einschränkung der Arbeits- und Leistungsfähigkeit hindert die Annahme eines Hanges nicht (BGH, Beschluss vom 9. November 2011 – 2 StR 427/11). Gleiches gilt für die Fähigkeit, den Konsum „aufzuschieben“. Es ist nicht Voraussetzungdes Hanges, dass die Rauschmittelgewöhnung auf täglichen oder häufig wiederholten Genuss zurückgeht ; vielmehr ist es auch ausreichend, wenn der Täter von Zeit zu Zeit oder bei passender Gelegenheit seiner Neigung zum Rauschmittelkonsum folgt (BGH, Beschluss vom 7. Januar 2009 – 5 StR 586/08, NStZ-RR 2009,

137).


6
3. Neben der Beanstandung der unterbliebenen Maßregelanordnung hebt der Senat auch die Aussprüche über die Einzelfreiheitsstrafen in den von der Revision erfassten Fällen – die wegen der Sachbeschädigungen verhängten, nicht angefochtenen Einzelgeldstrafen bleiben bestehen – sowie den Gesamtstrafausspruch auf, da nicht auszuschließen ist, dass das Land- gericht im Falle der Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt auf niedrigere Strafen erkannt hätte. Auf diese Weise wird eine sachgerechte Abstimmung von Maßregel und Strafe ermöglicht. Der Senat kann zudem nicht ausschließen, dass sich die fehlerhafte Beurteilung des Hanges auf die Feststellung der Voraussetzungen der §§ 21, 49 StGB, insbesondere auf die Versagung der Strafrahmenverschiebung ausgewirkt hat. Das neue Tatgericht wird deshalb unter Befragung eines Sachverständigen zu prüfen haben, ob dem Angeklagten die bei Tatbegehung vorhandene Trunkenheit trotz seiner Alkoholabhängigkeit uneingeschränkt vorwerfbar ist und inwieweit er in allen Fällen mit vergleichbaren Straftaten rechnen musste (BGH, Beschlüsse vom 20. April 2005 – 5 StR 147/05, BGHR StGB § 21 Strafrahmenverschiebung 38, und vom 27. Januar2004 – 3 StR 479/03, BGHR StGB § 21 Strafrahmenverschiebung 33).
Basdorf Raum Schaal Schneider Bellay

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 56/08
vom
1. April 2008
in der Strafsache
gegen
wegen räuberischen Angriffs auf einen Kraftfahrer u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 1. April 2008 gemäß § 349 Abs. 2
und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Traunstein vom 16. Oktober 2007 mit den Feststellungen aufgehoben, soweit von der Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt abgesehen worden ist.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten u.a. wegen schweren Raubes in Tateinheit mit räuberischem Angriff auf Kraftfahrer und Freiheitsberaubung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und sechs Monaten verurteilt. Es hat ferner eine isolierte Sperre für die Wiedererteilung der Fahrerlaubnis von zwei Jahren angeordnet. Mit seiner Revision beanstandet der Angeklagte die Verletzung formellen und materiellen Rechts.
2
Die Überprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung hat zum Schuld- und Strafausspruch keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben (§ 349 Abs. 2 StPO). Das Rechtsmittel hat jedoch insoweit Erfolg , als das Landgericht davon abgesehen hat, die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt nach § 64 StGB anzuordnen.
3
1. Nach den Feststellungen konsumiert der Angeklagte bereits seit seinem 16. Lebensjahr in großen Mengen Alkohol. Ab Anfang des Jahres 2007, mithin auch während des Tatzeitraums, hatte er zwei- oder dreimal wöchentlich einen Vollrausch. Insbesondere an den Wochenenden trank er acht bis zehn halbe Liter Bier und bis zu einer Flasche Wodka täglich. Mit 17 Jahren begann er zusätzlich Haschisch zu rauchen und ab dem 20. Lebensjahr zeitweise täglich Kokain zu schnupfen. Bei Begehung sämtlicher Taten war der Angeklagte alkoholisiert und stand teilweise zusätzlich unter erheblichem Drogeneinfluss. Während des ca. 1 ½ Stunden dauernden Raubgeschehens zum Nachteil der Nebenklägerin trank der Angeklagte mindestens vier Flaschen Bier. Bei Begehung der letzten Tat, bei der es anlässlich seiner Festnahme zu Widerstandsund Körperverletzungshandlungen kam, wies der Angeklagte eine Blutalkoholkonzentration von über 2 ‰ auf. Der wegen Körperverletzungsdelikten vorgeahndete Angeklagte weiß, dass er unter Alkoholeinfluss zu aggressivem Verhalten neigt. Bei drei der fünf ausgeurteilten Taten hat das Landgericht nicht auszuschließen vermocht, dass der Angeklagte infolge einer akuten Alkohol- bzw. Drogenintoxikation im Sinne des § 21 StGB erheblich vermindert steuerungsfähig war.
4
Das Landgericht hat in Übereinstimmung mit dem Sachverständigen einen Hang des Angeklagten, berauschende Mittel, nämlich Alkohol und Drogen, im Übermaß zu sich zu nehmen, "noch nicht" anzunehmen vermocht. Zwar lie- ge beim Angeklagten ein problematischer Umgang mit Suchtmitteln vor, eine erhebliche Beeinträchtigung der Arbeits-, Gesundheits- und Leistungsfähigkeit im Sinne einer schweren süchtigen Fehlhaltung könne bei ihm jedoch noch nicht festgestellt werden.
5
2. Diese Begründung lässt besorgen, dass das Landgericht von einem zu engen Verständnis eines Hanges im Sinne des § 64 StGB ausgegangen ist.
6
Für einen Hang ist nach ständiger Rechtsprechung ausreichend eine eingewurzelte, auf psychische Disposition zurückgehende oder durch Übung erworbene Neigung, immer wieder Rauschmittel zu konsumieren, wobei diese Neigung noch nicht den Grad einer physischen Abhängigkeit erreicht haben muss. Ein übermäßiger Genuss von Rauschmitteln im Sinne des § 64 StGB ist jedenfalls dann gegeben, wenn der Betroffene auf Grund seiner psychischen Abhängigkeit sozial gefährdet oder gefährlich erscheint (vgl. BGH NStZ 2005, 210). Insoweit kann auch dem Umstand, dass durch den Rauschmittelkonsum bereits die Gesundheit, Arbeits- und Leistungsfähigkeit des Betroffenen erheblich beeinträchtigt ist, indizielle Bedeutung für das Vorliegen eines Hanges zukommen (vgl. BGH NStZ-RR 2006, 103). Wenngleich solche Beeinträchtigungen in der Regel mit übermäßigem Rauschmittelkonsum einhergehen dürften, schließt deren Fehlen nicht notwendigerweise die Bejahung eines Hanges aus.
7
Dies zu Grunde gelegt, drängt sich das Vorliegen eines Hanges hier schon angesichts der getroffenen Feststellungen zum Konsumverhalten des Angeklagten auf. Aber auch die festgestellte Neigung des Angeklagten, unter Alkoholeinfluss Aggressionshandlungen zu begehen, deutet auf eine abhängigkeitsbedingte soziale Gefährdung und Gefährlichkeit des Angeklagten hin, zumal dieser in der Vergangenheit bereits mehrfach wegen Körperverletzungsde- likten verurteilt worden ist. Der Bejahung eines Hanges steht demgegenüber nicht entgegen, dass der Angeklagte nach seiner Inhaftierung körperliche Entzugserscheinungen nicht aufwies, mithin eine körperliche Abhängigkeit (noch) nicht festgestellt werden konnte. Ebenso wenig ist für die Annahme eines Hanges - entgegen der Auffassung des Generalbundesanwalts - erforderlich, dass bei dem Täter infolge der Rauschmittelabhängigkeit bereits eine Persönlichkeitsdepravation eingetreten ist (vgl. BGH NStZ 2007, 697; BGH NStZ-RR 2008, 8).
8
Auch der Symptomwert der festgestellten Taten für den Hang des Angeklagten liegt - entgegen der Auffassung des Landgerichts - nahe mit Blick auf dessen Neigung, nach übermäßigem Rauschmittelkonsum Aggressionshandlungen - wie sie hier mit Ausnahme der Trunkenheitsfahrt durchweg vorliegen - zu begehen. Anhaltspunkte dafür, dass eine stationäre Therapie bei dem vergleichsweise jungen und bislang noch nicht behandelten Angeklagten keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 64 Satz 2 StGB), oder dass andere Voraussetzungen der Maßregelanordnung offensichtlich nicht vorliegen, ergeben die bisherigen Feststellungen nicht.
9
Die Frage der Anordnung der Maßregel der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt bedarf deshalb der erneuten Prüfung und Entscheidung. Der neue Tatrichter wird gegebenenfalls § 67 Abs. 2 StGB n.F. zu beachten haben.
Tepperwien Maatz Athing
Ernemann Sost-Scheible
6
Für einen Hang gemäß § 64 StGB ausreichend ist eine eingewurzelte, auf psychische Disposition zurückgehende oder durch Übung erworbene Neigung , immer wieder Rauschmittel zu konsumieren, wobei diese Neigung noch nicht den Grad einer psychischen Abhängigkeit erreicht haben muss. Ein übermäßiger Konsum von Rauschmitteln ist jedenfalls dann gegeben, wenn der Betroffene aufgrund seiner Neigung sozial gefährdet oder gefährlich erscheint (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschlüsse vom 10. November 2015 – 1 StR 482/15, NStZ-RR 2016, 113; vom 21. August 2012 – 4 StR 311/12, RuP 2013, 34 f.). Letzteres ist der Fall bei der Begehung von zur Befriedigung des eigenen Drogenkonsums dienender Beschaffungstaten (vgl. BGH, Beschluss vom 2. April 2015 – 3 StR 103/15 Rn. 5; Urteil vom 10. November 2004 – 2 StR 329/04, NStZ 2005, 210). Dem Umstand, dass durch den Rauschmittelkonsum die Gesundheit sowie die Arbeits- und Leistungsfähigkeit des Betroffenen beeinträchtigt sind, kommt nur indizielle Bedeutung zu. Das Fehlen solcher Beeinträchtigungen schließt die Bejahung eines Hangs nicht aus (vgl. BGH, Beschlüsse vom 10. November 2015 – 1 StR 482/15 aaO; vom 21. August 2012 – 4 StR 311/12 aaO; vom 12. April 2012 – 5 StR 87/12, NStZ-RR 2012, 271; vom 1. April 2008 – 4 StR 56/08, NStZ-RR 2008, 198 f.). Ebenso wenig ist für einen Hang erforderlich, dass beim Täter bereits eine Persönlichkeitsdepravation ein- getreten ist (vgl. BGH, Beschlüsse vom 10. November 2015 – 1 StR 482/15 aaO; vom 6. September 2007 – 4 StR 318/07, NStZ-RR 2008, 8).

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 482/15
vom
10. November 2015
in der Strafsache
gegen
wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht
geringer Menge
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 10. November 2015 gemäß
§ 349 Abs. 4 StPO beschlossen:
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Regensburg vom 24. Februar 2015 dahin abgeändert , dass die Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt entfällt. Die Staatskasse hat die Kosten der Revision und die dem Angeklagten im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren und zehn Monaten verurteilt und seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt sowie Wertersatzverfall angeordnet.
2
Die auf die ausgeführte Sachrüge gestützte, vom Generalbundesanwalt vertretene Revision der Staatsanwaltschaft zu Gunsten des Angeklagten wendet sich allein gegen den Maßregelausspruch. Das Rechtsmittel ist begründet und führt zum Wegfall der Maßregel (§ 349 Abs. 4 StPO).
3
1. Das Landgericht hat, soweit für die Maßregelfrage relevant, im Wesentlichen die folgenden Feststellungen und Wertungen getroffen:
4
a) Der 37-jährige Angeklagte konsumiert seit dem 14. Lebensjahr Cannabis , seit dem 16. Lebensjahr Kokain, LSD und Ecstasy sowie seit dem 17. Lebensjahr Heroin, zunächst intravenös, anschließend nur noch nasal, und ist in diesem Zusammenhang vielfach mit Betäubungsmitteldelikten strafrechtlich in Erscheinung getreten. Vom 24. Oktober 2001 bis zum 25. März 2002 war er erstmals in einer Entziehungsanstalt untergebracht. Die weitere Vollstreckung des Strafrests und der Unterbringung wurde im Dezember 2003 zur Bewährung ausgesetzt. Die Aussetzung des Strafrests wurde mit Beschluss vom 17. Dezember 2005 widerrufen und zugleich die Erledigung der angeordneten Unterbringung festgestellt. Vom 29. September 2005 bis zum 25. Oktober 2005 war der Angeklagte aufgrund eines Urteils vom 29. September 2005 erneut in einer Entziehungsanstalt untergebracht. Nach Vollstreckung des Rests einer Freiheitsstrafe wurde die Unterbringung von Dezember 2005 bis zum 13. Februar 2006 weiter vollzogen. Anschließend verbüßte der Angeklagte den achtmonatigen Rest einer Freiheitsstrafe. Im September 2006 wurde die weitere Vollstreckung der Unterbringung bis Oktober 2008 zurückgestellt. Die Zurückstellung wurde im Januar 2008 widerrufen und die Unterbringung in der Entziehungsanstalt vom 20. Februar 2008 bis 30. Juni 2010 weiter vollzogen. Mit Beschluss vom 22. Juni 2010 wurde der weitere Vollzug zur Bewährung ausgesetzt. In den Jahren 2004, 2005 und 2007 hielt sich der Angeklagte viermal stationär oder teilstationär zur Entgiftung und Entwöhnung in einer Entziehungsanstalt auf.
5
Vom 1. Juli 2010 bis zum 28. Februar 2014 erfolgte in der forensischpsychiatrischen Ambulanz der Entziehungsanstalt eine ambulante Nachsorgebehandlung. Anfang 2010 zog der Angeklagte mit seiner Lebensgefährtin zusammen und begann eine Ausbildung zum Sport- und Fitnesskaufmann. Er arbeitete in einem Fitnessstudio und schloss diese Ausbildung Anfang 2012 erfolgreich ab. Bereits zuvor war ihm von seinem Arbeitgeber bei einem monat- lichen Verdienst von etwa 1300 € netto die Leitung des Fitnessstudios übertra- gen worden.
6
Im November 2011 begab sich der Angeklagte wegen einer akuten Erkrankung an Hepatitis B mit drohendem Leberversagen - bereits einige Jahre zuvor war er an chronischer Hepatitis C erkrankt - in ein Krankenhaus und wurde dort bis Anfang 2012 stationär behandelt. In dieser Zeit wurde er mit Heroin und Subutex rückfällig, nachdem es seit Dezember 2008 keine Rückfälle mehr gegeben hatte. Für beide Erkrankungen an Hepatitis war die ursprünglich intravenöse Art des Heroinkonsums ursächlich. Anfang 2012 wurde er aus dem Krankenhaus entlassen und in verschiedenen Entziehungsanstalten mehrfach substitutionsbehandelt. Im Sommer 2013 reiste der Angeklagte in die Ukraine und ließ sich dort einen Opiatblocker implantieren, der die durch Opiate verursachten Wirkungen für die Dauer von etwa sechs Monaten aufhebt, wodurch der Patient zum Unterlassen des nun wirkungslosen Opiatkonsums motiviert werden soll. Der Angeklagte konsumierte, nachdem er am 15. April 2014 in Untersuchungshaft genommen worden war, in der Justizvollzugsanstalt weiterhin Heroin.
7
Während seiner Ausbildung zum Sport- und Fitnesskaufmann verkaufte der Angeklagte am 17. Dezember 2010 aus einer Menge von mindestens einem Kilogramm Heroin 40 g und erhielt hierfür vom Käufer 1000 € in bar. Am 1. Februar 2011 verkaufte er daraus an denselben Käufer 100 g Heroin zum Preis von 1800 €. Der Angeklagte handelte in beiden Fällen in Gewinnerzie- lungsabsicht. Das Heroin hatte der Angeklagte von einem unbekannten Lieferanten aus dem westdeutschen Raum erworben.
8
b) Die Strafkammer hat einen Hang im Sinne des § 64 Satz 1 StGB bejaht. Der Angeklagte habe bereits zur Tatzeit an den gesundheitlichen Folgen seines langjährigen Heroinkonsums in Form einer chronischen Erkrankung an Hepatitis C gelitten und sei hierdurch sozial gefährdet gewesen. Bei einem langjährigen Konsum von Heroin, einem Rauschgift mit sehr großem „Abhängigkeitspotenzial“ , und der wiederholten Rückfälligkeit des Angeklagtenin der Vergangenheit könne das Fortbestehen eines Hangs nicht deswegen verneint werden, weil der Lebensweg des Angeklagten „Intervalle der Abstinenz“ auf- weise.
9
Damit ist die Kammer vom Gutachten des Sachverständigen abgewichen. Dieser hatte für den Zeitraum vor der zum 30. Juni 2010 beendeten stationären Unterbringung und dann erneut ab Ende November 2011 eine körperliche und psychische Opiatabhängigkeit diagnostiziert, nicht aber für den Tatzeitraum , in welchem der Angeklagte seit mehr als zwei Jahren abstinent war. Das Fehlen eines Hangs hatte der Sachverständige damit begründet, dass für den Tatzeitraum keine erhebliche Beeinträchtigung des psychosozialen Funktionsniveaus zweifelsfrei festzustellen sei.
10
Die Strafkammer hat auch den symptomatischen Zusammenhang zwischen dem Hang zu übermäßigem Rauschmittelkonsum und der begangenen Tat bejaht und ist auch hier vom Gutachten des Sachverständigen abgewichen. Der Sachverständige hatte ausgeführt, dass bei einem erst Ende 2011 erfolgten Rückfall anzunehmen sei, dass der Angeklagte die Tat nicht begangen hat, um sich Drogen und finanzielle Mittel für den Eigenkonsum zu beschaffen, sondern aus anderen Motiven, zum Beispiel aus Gewinnerzielungsabsicht. Schließlich sei das erworbene Heroin zum Weiterverkauf und nicht zum Eigenkonsum des Angeklagten bestimmt gewesen. Dagegen begründet die Kammer den symptomatischen Zusammenhang mit der Überlegung, dass der Angeklag- te, der seine Heroinlieferanten dem Gericht nicht genannt hatte, „ohne Zweifel seine Kenntnisse und Kontakte zu seinen früheren Lieferquellen nutzte, um sich auch dieses Kilogramm Heroin zu beschaffen“.
11
Die Strafkammer hat eine hinreichend konkrete Erfolgsaussicht (§ 64 Satz 2 StGB) einer erneuten und damit der dritten Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angenommen und ist der Auffassung des Sachverständigen auch in diesem Punkt nicht gefolgt. Der Sachverständige hatte dargelegt, beim Angeklagten fehle trotz dessen ausdrücklicher Erklärung, therapiebereit zu sein, eine hinreichend konkrete Erfolgsaussicht. Er habe sehr früh mit dem Rauschmittelkonsum und der Delinquenz begonnen, habe verschiedene Suchtmittel gebraucht und einen verfestigten langjährigen Heroinkonsum; er habe mehrere Therapien erfolglos absolviert und bereits zwei Unterbringungen im Maßregelvollzug durchlaufen; er sei mit dem kriminellen Milieu verflochten, habe lange Zeiten der Freiheitsentziehung hinter sich, weise eine verminderte Frustrationstoleranz und gewisse dissoziale Persönlichkeitszüge auf und habe in der Justizvollzugsanstalt weiter Heroin konsumiert. Die positiv zu bewertenden Faktoren wie abgeschlossene Schul- und Berufsausbildung, familiäre Bindungen , Erfahrungen in der Erwerbstätigkeit, Selbstentzug mit längerer Abstinenzphase hätten alle auch bereits zur Tatzeit vorgelegen.
12
2. Die Beschränkung des Rechtsmittels ist wirksam. Anhaltspunkte dafür , dass die Strafe von der Maßregelanordnung beeinflusst sein könnte, ergeben sich aus den Urteilsgründen nicht (vgl. hierzu BGH, Urteile vom 7. Oktober 1992 – 2 StR 374/92, BGHSt 38, 362, 364 f. und vom 31. Juli 2013 – 2 StR 620/12).
13
3. Die Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB) hält revisionsrechtlicher Überprüfung nicht stand. Die Feststellungen tragen die Annahme des Landgerichts nicht, beim Angeklagten sei ein Hang gegeben, die abgeurteilte Tat habe Symptomwert für den Hang (§ 64 Satz 1 StGB) und es bestehe eine hinreichend konkrete Aussicht, den Angeklagten durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt zumindest eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in seinen Hang zu bewahren und von der Begehung auf seinen Hang zurückgehender erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten (§ 64 Satz 2 StGB).
14
a) Für einen Hang ist nach ständiger Rechtsprechung ausreichend eine eingewurzelte, auf psychische Disposition zurückgehende oder durch Übung erworbene Neigung, immer wieder Rauschmittel zu konsumieren, wobei diese Neigung noch nicht den Grad einer physischen Abhängigkeit erreicht haben muss. Ein übermäßiger Genuss von Rauschmitteln ist jedenfalls dann gegeben, wenn der Betroffene auf Grund seiner psychischen Abhängigkeit sozial gefährdet oder gefährlich erscheint (st. Rspr.; vgl. Beschlüsse vom 6. September 2007 – 4 StR 318/07, NStZ-RR 2008, 8; vom 1. April 2008 – 4 StR 56/08, NStZ-RR 2008, 198, 199; vom 12. April 2012 – 5 StR 87/12, NStZ-RR 2012, 271; vom 21. August 2012 – 4 StR 311/12 und vom 30. Juli 2013 – 2 StR 174/13). Nicht erforderlich ist, dass beim Täter bereits eine Persönlichkeitsdepravation eingetreten ist (BGH, Beschluss vom 6. September 2007 – 4 StR 318/07, NStZ-RR 2008, 8). Dem Umstand, dass durch den Rauschmittelkonsum die Gesundheit sowie die Arbeits- und Leistungsfähigkeit des Betroffenen beeinträchtigt sind, kommt nur eine indizielle Bedeutung zu. Das Fehlen solcher Beeinträchtigungen schließt nicht notwendigerweise die Bejahung eines Hangs aus (BGH, Beschluss vom 1. April 2008 – 4 StR 56/08, NStZ-RR 2008, 198).
15
Die von der Strafkammer für das Vorliegen eines Hangs angeführte Erkrankung an Hepatitis C zur Tatzeit begründet für sich gesehen keine soziale Gefährdung des Angeklagten, sondern lediglich die Behandlungsbedürftigkeit der Erkrankung. Feststellungen der Kammer, die eine soziale Gefährdung des Angeklagten auf Grund einer Neigung zum Rauschmittelkonsum in dieser Zeit belegen könnten, hat die Strafkammer nicht getroffen. Der Angeklagte war auch nicht nur für eine kurze Zeit abstinent, sondern über einen Zeitraum von etwa drei Jahren, ohne dass die Kammer irgendwelche Leistungsdefizite feststellen konnte. Im Gegenteil, er begann im Jahr 2010 eine Ausbildung zum Sport- und Fitnesskaufmann, arbeitete in einem Fitnessstudio und schloss seine Ausbildung Anfang 2012 erfolgreich ab. Bereits vor Ausbildungsabschluss war ihm von seinem Arbeitgeber die Leitung des Fitnessstudios übertragen worden. Seine privaten Verhältnisse waren geordnet (UA S. 3). Er war so stabil, dass er trotz der über einen längeren Zeitraum vorhandenen Zugriffsmöglichkeit auf Heroin erst im November 2011 rückfällig wurde, also zehn Monate nach dem letzten festgestellten Verkauf (UA S. 10 ff.).
16
b) Beim Angeklagten fehlt es zudem an dem für die Anordnung der Unterbringung nach § 64 StGB erforderlichen Symptomcharakter der abgeurteilten Tat.
17
Eine Tat hat dann Symptomcharakter, wenn sie in dem Hang ihre Wurzel findet, also Symptomwert für den Hang des Täters zum Missbrauch von Alkohol oder anderen berauschenden Mitteln hat (BGH, Urteil vom 11. September 1990 – 1 StR 293/90, NStZ 1991, 128; Beschluss vom 28. August 2013 – 4 StR 277/13, NStZ-RR 2014, 75), also – zumindest mitursächlich – auf den Hang zurückgeht (BGH, Beschluss vom 28. August 2013 – 4 StR 277/13, NStZ-RR 2014, 75). Typisch sind hierfür Delikte, die begangen werden, um Rauschmittel oder Geld für ihre Beschaffung zu erlangen (BGH, Urteil vom 18. Februar 1997 – 1 StR 693/96, BGHR StGB § 64 Abs. 1 Rausch 1; Beschluss vom 28. August 2013 – 4 StR 277/13, NStZ-RR 2014, 75).
18
Daran fehlt es. Dem Angeklagten ging es allein darum, das erworbene Heroin mit Gewinn zu veräußern (UA S. 10). Dass er für die Beschaffung des Heroins möglicherweise Kontakte zu früheren Lieferanten genutzt hat (UA S. 21), genügt nicht. Denn dieser Umstand begründet keine besondere hangbedingte Gefährlichkeit. Ohnehin hat die Strafkammer die Nutzung solcher Kontakte auch nicht festgestellt. Zur Herkunft des Heroins findet sich nur die Feststellung , dass es der Angeklagte von einem unbekannten Lieferanten aus dem westdeutschen Raum erworben und in der Hauptverhandlung zu seinem Lieferanten keine Angaben gemacht hat. Gemäß den Feststellungen in einer früheren Verurteilung (Bundeszentralregisterauszug Ziffer 7, UA S. 7, 8) bezog er damals das Heroin aus den Niederlanden.
19
Eine Betäubungsmittelabhängigkeit jedenfalls spielte für die verfahrensgegenständliche Tat keine Rolle, da der Angeklagte zum Zeitpunkt des Handeltreibens mit Heroin keine Drogen konsumierte.
20
Andere Delikte als solche der Beschaffungskriminalität kommen als Hangtaten nur dann in Betracht, wenn sich in ihnen die hangbedingte besondere Gefährlichkeit des Täters zeigt (BGH, Urteil vom 18. Februar 1997 – 1 StR 693/96, BGHR StGB § 64 Abs. 1 Rausch 1; Beschluss vom 28. August2013 – 4StR 277/13, NStZ-RR 2014, 75). Solche Anhaltspunkte sind hier nicht ersichtlich.
21
c) Darüber hinaus besteht beim Angeklagten nach den Feststellungen des Landgerichts auch keine tragfähige Basis für die erforderliche konkrete Therapieaussicht. Der seit frühester Jugend Betäubungsmittel konsumierende Angeklagte hat zahlreiche Therapieversuche unternommen, darunter auch zwei Unterbringungen gemäß § 64 StGB. Daneben kommen weitere ungünstige Umstände hinzu, die die Erfolgsaussichten einer Entwöhnungsbehandlung weiter vermindern. Sowohl die Tat, die im Urteil unter Bundeszentralregisterauszug Ziffer 9 mitgeteilt ist, als auch die vorliegende Tat mit der bislang höchsten Betäubungsmittelmenge beging der Angeklagte nur wenige Monate nach der Entlassung aus einer Unterbringung während der ambulanten Nachsorge (UA S. 8, 9). Jedenfalls bei derart ungünstigen Ausgangsbedingungen lässt einzig die Therapiemotivation des Angeklagten im Zeitpunkt der Hauptverhandlung nicht hinreichend sicher (§ 64 Satz 2 StGB) auf einen erfolgreichen Verlauf im Sinne des Gesetzes schließen.
22
4. Da eine Bejahung der Voraussetzungen des § 64 StGB auf der Grundlage der rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen sicher ausscheidet und die Anordnung der Maßregel für den Angeklagten eine zusätzliche Beschwer darstellt (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschluss vom 13. Juni 1991 – 4 StR 105/91, BGHSt 38, 4, 7; Urteil vom 5. August 2010 – 3 StR 195/10), führt die gegen diese zusätzliche Belastung des Angeklagten gerichtete, ihn mithin aus Rechtsgründen begünstigende (§ 296 Abs. 2 StPO) Revision der Staatsanwaltschaft zum Wegfall der Maßregel.
23
Der Senat kann durch Beschluss entscheiden, da diese Folge allein zugunsten des Angeklagten wirkt.
24
5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs.2 Satz 2 StPO (BGH, Urteil vom 20. September 2011 – 1 StR 120/11; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 58. Aufl., § 473 Rn. 16). Graf Jäger Mosbacher Fischer Bär

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 332/07
vom
25. Juli 2007
in der Strafsache
gegen
wegen Diebstahls u.a.
http://rsw.beck.de/bib/bin/reference.asp?Y=100&G=StGB&P=64
[Link]
http://rsw.beck.de/bib/bin/reference.asp?Y=300&Z=NStZ-RR&B=2003&S=106
- 2 -
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 25. Juli 2007 beschlossen:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Nürnberg -Fürth vom 8. März 2007 wird als unbegründet verworfen, da die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat (§ 349 Abs. 2 StPO).
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.
Ergänzend bemerkt der Senat: Von Rechts wegen ist nichts dagegen zu erinnern, dass die Strafkammer davon abgesehen hat, die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt anzuordnen (§ 64 StGB). Voraussetzung für eine solche Unterbringung ist unter anderem ein Hang, berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen. Von einem Hang ist auszugehen, wenn eine eingewurzelte, auf psychische Disposition zurückgehende oder durch Übung erworbene intensive Neigung besteht, immer wieder Rauschmittel zu konsumieren, wobei diese Neigung noch nicht den Grad physischer Abhängigkeit erreicht haben muss. „Im Übermaß“ bedeutet, dass der Täter berauschende Mittel in einem solchen Umfang zu sich nimmt, dass seine Gesundheit, Arbeits- und Leistungsfähigkeit dadurch erheblich beeinträchtigt wird (BGH NStZ-RR 2006, 103; 2003, 106 st. Rspr.). Der Senat stellt klar, dass ein Hang im Sinne des § 64 StGB keine Depravation voraussetzt. Dem Fehlen einer Depravation kann jedoch, ebenso wie dem Vorliegen einer Depravation, in diesem Zusammenhang eine nicht unerhebliche indizielle Bedeutung zukommen (vgl. in diesem Sinne BGHR StGB § 64 Nichtanordnung 1).
Das Vorliegen eines Hangs zur Einnahme von Drogen im Übermaß ist den Urteilsgründen hier nicht zu entnehmen. Die Strafkammer stellt fest, dass sich die Entwicklungsdefizite und der dissoziale Lebensstil beim Angeklagten bereits frühzeitig gezeigt hätten und nicht auf einem Betäubungsmittelmissbrauch beruht hätten. Nach den Urteilsgründen ist schließlich auch ein symptomatischer Zusammenhang zwischen dem Drogenkonsum des Angeklagten und den Taten nicht gegeben. Der Angeklagte hatte sich mit seinen jeweiligen Mittätern unabhängig von seinem aktuellen Suchtverlangen jeweils spontan, wenige Stunden vor den Taten, zu deren Ausführungen entschlossen. Nack Wahl Boetticher Kolz Graf

Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 38/08
vom
27. März 2008
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen schwerer räuberischer Erpressung u. a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung der Beschwerdeführer
und des Generalbundesanwalts - zu 1. und 2. b) auf dessen Antrag - am
27. März 2008 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
1. Die Revision des Angeklagten K. gegen das Urteil des Landgerichts Hannover vom 21. August 2007 wird verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
2. a) Auf die Revision des Angeklagten P. wird das vorbezeichnete Urteil mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, soweit die Anordnung seiner Unterbringung in einer Entziehungsanstalt abgelehnt wurde.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

b) Die weitergehende Revision des Angeklagten P. wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat die Angeklagten jeweils wegen schwerer räuberischer Erpressung in Tateinheit mit schwerem Raub und mit gefährlicher Körperverletzung zur Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt. Die Anordnung der Unterbringung des Angeklagten P. in einer Entziehungsanstalt hat es abgelehnt. Gegen dieses Urteil wenden sich die Angeklagten mit ihren Revisionen. Beide Angeklagte rügen die Verletzung materiellen Rechts, der Angeklagte P. beanstandet zusätzlich das Verfahren. Die Revision des Angeklagten K. ist unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO. Das Rechtsmittel des Angeklagten P. führt auf die Sachrüge zur Aufhebung des angefochtenen Urteils, soweit das Landgericht die Anordnung einer Maßregel gemäß § 64 StGB gegen diesen Angeklagten abgelehnt hat; im Übrigen ist es ebenfalls offensichtlich unbegründet.
2
1. Ohne Erfolg rügt die Revision des Angeklagten P. insbesondere, das Landgericht habe unter Verstoß gegen § 261 StPO der Verurteilung dessen (geständige) Einlassung zugrunde gelegt, obwohl er sich in der Hauptverhandlung nicht (selbst) eingelassen habe. Nach dem insoweit maßgeblichen Inhalt des Protokolls hat die Instanzverteidigerin des Angeklagten nach dessen Erklärung , er sei zur Äußerung bereit, "für ihren Mandanten" eine Einlassung abgegeben , deren schriftliche Fassung sie sodann überreicht hat; das Schriftstück ist als Anlage zum Hauptverhandlungsprotokoll genommen worden. Nach der Vernehmung von Zeugen und dem Verzicht auf die Einvernahme weiterer Zeugen hat der Angeklagte geäußert, dass er sich der Erklärung seiner Verteidigerin anschließe. Der Einwand der Revision in der Erwiderung auf den Antrag des Generalbundesanwalts, dieser Anschluss habe sich nicht - wie vom General- bundesanwalt dargelegt - auf die vor der Beweisaufnahme abgegebene Erklärung der Verteidigerin, sondern auf den der Äußerung des Angeklagten unmittelbar vorausgegangenen Verzicht auf die Vernehmung weiterer Zeugen bezogen , überzeugt nicht: Zwar spricht für die Auffassung der Revision die zeitliche Abfolge der Verfahrensvorgänge und der sich hieraus ergebende beträchtliche Abstand zwischen der Verteidigererklärung und dem Anschluss des Angeklagten. Indes ist nach dem Protokollinhalt auf die Vernehmung weiterer Zeugen "allseits" verzichtet worden, demnach auch durch den Angeklagten. Einer (zusätzlichen ) Anschlusserklärung des Angeklagten an den auch von seiner Verteidigerin erklärten Verzicht hat es angesichts dessen in diesem Zusammenhang nicht bedurft. Dies legt nahe, dass sich die dem Verzicht unmittelbar nachfolgende Äußerung des Angeklagten tatsächlich auf die frühere, für den Angeklagten abgegebene Verteidigererklärung bezogen hat. Danach ist der behauptete Verfahrensverstoß zumindest nicht erwiesen.
3
2. Die Ablehnung der Anordnung einer Unterbringung des Angeklagten P. in einer Entziehungsanstalt hält hingegen rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
4
a) Das Landgericht hat diese Entscheidung damit begründet, dass zum einen bereits keine Anhaltspunkte dafür bestünden, der Angeklagte habe den Hang, andere berauschende Mittel (Kokain) im Übermaß zu sich zu nehmen. Denn der Angeklagte habe weder ein Rauscherlebnis noch Entzugserscheinungen oder tatsächliche Beeinträchtigungen seiner Leistungsfähigkeit im alltäglichen Leben geschildert. Zum anderen handele es sich bei der vorliegenden Straftat nicht um eine sogenannte Anlasstat, also um eine Tat, die der Angeklagte im Rausch begangen habe oder die auf seinen Hang im Sinne des § 64 Abs. 1 StGB zurückzuführen sei. Die Tat sei in Bereicherungsabsicht nach ei- nem Tipp, demzufolge viel Geld seinen Besitzer wechseln sollte, verübt worden. Es habe ein sorgfältiger Tatplan mit entsprechender Vorbereitung - Sturmhauben, Reizgas - zugrunde gelegen. Ein Symptomwert der Tat lasse sich daher nicht feststellen.
5
b) Diese Begründung lässt vom Landgericht getroffene andere, in diesem Zusammenhang bedeutsame Feststellungen außer Betracht.
6
Das Landgericht hat festgestellt, dass der Angeklagte bereits ab dem Jahre 1996 an den Wochenenden regelmäßig Kokain konsumierte und im Jahre 1998 nach Odessa fuhr, um eine Therapie zu absolvieren, die aus einer Entgiftung sowie Hypnose bestehen sollte und auf eine Dauer von vier Monaten angelegt war; der Angeklagte konnte diese Behandlung indes wegen finanzieller Schwierigkeiten nicht beenden. Nach einer mehrjährigen Drogenabstinenz konsumierte der Angeklagte ab Mai 2005 erneut Drogen. Er rauchte Haschisch und Marihuana und nahm jeden Tag Kokain zu sich. Die gegenständliche Tat hat der Angeklagte begangen, weil er aufgrund seines Drogenkonsums Schulden hatte. Vor der Tat hat er ein Gramm Kokain zu sich genommen. Bei der Beweiswürdigung hat die Strafkammer im Rahmen ihrer Erörterung der - schließlich verneinten - Frage einer erheblich verminderten Steuerungsfähigkeit des Angeklagten zur Tatzeit ausgeführt, dass Drogenabhängigkeit allein eine solche Annahme nicht begründe. Abschließend hat das Landgericht dargelegt , dass gegebenenfalls im Rahmen des Strafvollzugs dem Wunsch des Angeklagten entsprechend nach § 35 BtMG verfahren werden möge.
7
Diese Feststellungen und Erwägungen hat die - nicht durch einen Sachverständigen beratene - Strafkammer ersichtlich nicht in die insoweit gebotene Gesamtwürdigung (vgl. BGH, Beschl. vom 11. Januar 2005 - 3 StR 474/04) einbezogen. Dies lässt besorgen, dass das Landgericht bereits deshalb bei der Beurteilung, ob bei dem Angeklagten ein Hang im Sinne des § 64 StGB vorliegt, zu einem rechtlich unzutreffenden Ergebnis gelangt ist (vgl. Fischer, StGB 55. Aufl. § 64 Rdn. 10 f., 13 f.).
8
Dies gilt insbesondere auch für die Bewertung des Kokainkonsums des Angeklagten, die das Landgericht vorgenommen hat. Bei der Prüfung der Schuldfähigkeit des Angeklagten sowie bei der Befürwortung eines Vorgehens nach § 35 BtMG geht es von einer Drogenabhänigkeit des Angeklagten aus. Dies ist mit der Verneinung eines Hangs des Angeklagten, im Sinne des § 64 StGB Betäubungsmittel im Übermaß zu sich zu nehmen, nicht vereinbar.
9
c) Aber auch im Übrigen ist die Ablehnung der Maßregelanordnung rechtlich nicht tragfähig begründet. Denn die Strafkammer hat bei der Prüfung der Anordnungsvoraussetzungen für sich gesehen unzutreffende Maßstäbe angelegt.
10
Dies gilt zunächst, soweit sie einen Hang des Angeklagten zu übermäßigem Kokainkonsum unter Hinweis darauf abgelehnt hat, der Angeklagte habe keine Entzugserscheinungen geschildert. Das Fehlen von Entzugserscheinungen ist im Hinblick auf den Kokainkonsum des Angeklagten für das Vorliegen eines Hangs im Sinne des § 64 StGB nur begrenzt aussagefähig; denn bei reiner Kokainabhängigkeit treten nach dem derzeitigen Stand der medizinischen Erkenntnis körperliche Entzugserscheinungen kaum auf (vgl. BGH, Beschl. vom 30. Januar 2001 - 1 StR 542/00 m. w. N.). Im Übrigen kennzeichnen beim Absetzen eines Rauschmittels auftretende Entzugserscheinungen die physische Abhängigkeit. Diesen Grad der Neigung zum Rauschmittelmissbrauch muss der Täter für die Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt aber nicht erreicht haben (vgl. van Gemmeren in MünchKomm § 64 Rdn. 19).
11
Ferner kommt auch dem weiteren zur Begründung herangezogenen Umstand , dass der Angeklagte keine Beeinträchtigung seiner Leistungsfähigkeit im alltäglichen Leben geschildert hat, für die Beurteilung der Anordnungsvoraussetzungen keine tragfähige Bedeutung zu. Denn ausreichend für die Annahme eines Hangs zum übermäßigen Genuss von Rauschmitteln ist es bereits, dass der Betroffene aufgrund seiner Abhängigkeit sozial gefährdet oder gefährlich erscheint (vgl. BGH NStZ 2005, 210). Dies kommt - entgegen der Ansicht des Landgerichts - nicht nur dann in Betracht, wenn der Betroffene Rauschmittel in einem solchen Umfang zu sich nimmt, dass seine Gesundheit oder Arbeits- und Leistungsfähigkeit dadurch erheblich beeinträchtigt werden (vgl. BGH NStZ 2004, 384; NStZ-RR 2003, 106 f. jew. m. w. N.), sondern unabhängig hiervon auch bei so genannter Beschaffungskriminalität.
12
Insoweit hat das Landgericht bei seiner Beurteilung, das gegenständliche Delikt sei nicht als "Anlasstat" im Sinne des § 64 StGB anzusehen und ein Symptomwert der Tat für den Hang lasse sich nicht feststellen, nicht bedacht, dass der Angeklagte sich mit seiner Tat Geld zur Tilgung von Schulden aus seinem Kokainkonsum verschaffen wollte. Unabhängig davon, dass die vom Landgericht als Argument für seine Ansicht herangezogene sorgfältige Planung der Tat jedenfalls für sich nicht gegen das Vorliegen eines symptomatischen Zusammenhangs zwischen der Tat und einem Hang im Sinne des § 64 StGB spricht, ist für die Bejahung eines solchen Zusammenhangs ausreichend, dass der Hang - gegebenenfalls neben anderen Umständen - mit dazu beigetragen hat, dass der Täter die Tat begangen hat. Ein solcher Zusammenhang ist typischerweise bei der so genannten Beschaffungskriminalität von Rauschgiftsüchtigen gegeben, wenn also die Straftat unmittelbar oder - wie hier - mittelbar der Beschaffung von Drogen für den Eigenkonsum dient (vgl. van Gemmeren aaO § 64 Rdn. 32 f.).
13
d) Schließlich konnte die Ablehnung der Unterbringungsanordnung auch nicht tragfähig damit begründet werden, dass - dem Wunsche des Angeklagten entsprechend - die Zurückstellung der Vollstreckung nach § 35 BtMG in Betracht gekommen ist. Denn die Unterbringung nach § 64 StGB geht dieser dem Vollstreckungsverfahren vorbehaltenen Maßnahme vor; von der Anordnung der Unterbringung darf daher nicht abgesehen werden, weil eine Entscheidung nach § 35 BtMG ins Auge gefasst ist (vgl. BGHR StGB § 64 Ablehnung 7 und 8; BGH StraFo 2003, 100 m. w. N.). Hieran hat sich durch die Neufassung des § 64 StGB durch das Gesetz zur Sicherung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus und in einer Entziehungsanstalt vom 16. Juli 2007 (BGBI I 1327) grundsätzlich nichts geändert (vgl. Fischer aaO § 64 Rdn. 23,

26).


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3. Über die Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt muss nach alledem - unter Hinzuziehung eines Sachverständigen (§ 246 a StPO) - neu verhandelt und entschieden werden. Anhaltspunkte dafür, dass der Angeklagte nicht gefährlich im Sinne dieser Vorschrift ist oder keine hinreichend konkrete Aussicht besteht, ihn durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt von seinem Hang zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren (§ 64 Satz 2 StGB), sind nicht ersichtlich. Dass nur der Angeklagte Revision eingelegt hat, hindert die Nachholung der Unterbringungsanordnung nicht (§ 358 Abs. 2 Satz 2 StPO; BGHSt 37, 5; BGH NStZ-RR 2008, 107). Er hat die Nichtanwendung des § 64 StGB durch das Tatgericht auch nicht vom Rechtsmittelangriff ausgenommen (vgl. BGHSt 38, 362 f.).
15
Der Senat kann ausschließen, dass der Tatrichter bei Anordnung der Unterbringung auf eine niedrigere Strafe erkannt hätte. Der Strafausspruch kann deshalb bestehen bleiben.
16
4. Der neue Tatrichter wird im Falle der Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt nach § 67 Abs. 2 Satz 2 und 3, Abs. 5 Satz 1 StGB über die Reihenfolge der Vollstreckung von Strafe und Maßregel zu befinden haben (vgl. BGH NStZ 2008, 28; NStZ-RR 2008, 74). Bei Vorwegvollzug eines Teils der verhängten Freiheitsstrafe wird es für dessen Berechnung notwendig sein, die für den Angeklagten voraussichtlich erforderliche Therapiedauer zu bestimmen. RiBGH Dr. Miebach ist wegen Urlaubs an der Unterzeichnung gehindert Becker Becker Pfister Hubert Schäfer

Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.

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a) Ein symptomatischer Zusammenhang liegt vor, wenn der Hang allein oder zusammen mit anderen Umständen dazu beigetragen hat, dass der Täter eine erhebliche rechtswidrige Tat begangen hat und dies bei unverändertem Verhalten auch für die Zukunft zu erwarten ist (BGH, Beschlüsse vom 25. November 2015 – 1 StR 379/15, NStZ-RR 2016, 113; vom 6. November 2013 – 5StR 432/13 und vom 25. Mai 2011 – 4 StR 27/11, NStZ-RR 2011, 309), mithin die konkrete Tat in dem Hang ihre Wurzel findet (vgl. BGH, Beschluss vom 28. August 2013 – 4 StR 277/13, NStZ-RR 2014, 75). Dieser Zusammenhang liegt bei Delikten, die begangen werden, um Rauschmittel selbst oder Geld für ihre Beschaffung zu erlangen, nahe (BGH, Urteil vom 18. Februar 1997 – 1 StR 693/96, BGHR StGB § 64 Abs. 1 Rausch 1; Beschluss vom 28. August 2013 – 4 StR 277/13, NStZ-RR 2014, 75).

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 277/13
vom
28. August 2013
in der Strafsache
gegen
wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 28. August 2013 gemäß § 349
Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Frankenthal (Pfalz) vom 7. Februar 2013 wird mit der Maßgabe als unbegründet verworfen, dass die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt entfällt. 2. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen. Jedoch wird die Gebühr für das Rechtsmittelverfahren um die Hälfte ermäßigt. Die Staatskasse hat die Hälfte der insoweit entstandenen Auslagen sowie der notwendigen Auslagen des Angeklagten zu tragen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis in drei Fällen unter Einbeziehung der Einzelstrafen aus dem Berufungsurteil des Landgerichts Frankenthal (Pfalz) vom 27. März 2012 und Auflösung der dort gebildeten Gesamtstrafe zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt. Vom Vorwurf der Vergewaltigung hat es ihn freigesprochen. Weiterhin hat es die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet. Die auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg. Im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Die Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt hält einer rechtlichen Prüfung schon deshalb nicht stand, weil ein symptomatischer Zusammenhang zwischen dem Hang des Angeklagten, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und den Anlasstaten nicht belegt ist.
3
a) Die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt setzt gemäß § 64 Satz 1 StGB – neben dem Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen – voraus, dass die Anlasstat im Rausch begangen wurde oder – zumindest mitursächlich – auf den Hang zurückgeht, wobei die erste dieser Alternativen ein Unterfall der zweiten Alternative ist (BGH, Urteil vom 18. Februar 1997 – 1 StR 693/96, NStZ 1998, 130 mwN). Die konkrete Tat muss in dem Hang ihre Wurzel finden, also Symptomwert für den Hang des Täters zum Missbrauch von Alkohol oder anderen berauschenden Mitteln haben (BGH, Urteil vom 11. September 1990 – 1 StR 293/90, NStZ 1991, 128).
4
Eine Tatbegehung „im Rausch“ hat das Landgericht nicht festgestellt, sondern lediglich, dass der Angeklagte im Jahr 2011, in dem die verfahrensgegenständlichen Taten begangen wurden, generell Amphetamin und gelegentlich Marihuana konsumierte (UA S. 5, 16).
5
Anhaltspunkte dafür, dass die Taten, obwohl nicht im Rausch begangen, doch auf einen Hang zum Alkohol- oder Drogenmissbrauch zurückgingen, bestehen nicht. Typisch sind hierfür Delikte, die begangen werden, um Rauschmit- tel selbst oder Geld für ihre Beschaffung zu erlangen (BGH, Urteil vom 18. Februar 1997 – 1 StR 693/96 aaO). Derartige Delikte liegen hier nicht vor. Andere Delikte kommen als Hangtaten nur dann in Betracht, wenn besondere Anhaltspunkte dafür bestehen, dass sie gerade in dem Hang ihre Wurzeln finden, sich darin die hangbedingte besondere Gefährlichkeit des Täters zeigt (BGH, Urteil vom 18. Februar 1997 – 1 StR 693/96 aaO). Solche Anhaltspunkte sind hier nicht ersichtlich. Der Angeklagte hat die Fahrten ohne Fahrerlaubnis jeweils aus Anlass seiner Beziehung zu einer Frau unternommen, ohne dass seine Betäubungsmittelabhängigkeit eine erkennbare Rolle gespielt hätte.
6
Soweit das Landgericht in Übereinstimmung mit dem Sachverständigen angenommen hat, die Taten seien auf den Hang zurückzuführen, weil „bei dem Angeklagten durch den jahrelangen übermäßigen Betäubungsmittelkonsum bereits eine deutliche und dauernde Verantwortungslosigkeit unter Missachtung sozialer Normen, Regeln und Verpflichtungen eingetreten“ (UA S. 18) sei, kann dem nicht gefolgt werden. Auch damit ist ein ursächlicher Zusammenhang zwi- schen den Taten und dem Hang nicht dargetan (vgl. zur „Enthemmung“ BGH, Urteil vom 20. September 2011 – 1 StR 120/11, NStZ-RR 2012, 72, 74 f.). Die Urteilsfeststellungen enthalten keinen Beleg dafür, dass der Angeklagte die ausgeurteilten Taten wegen einer aufgrund jahrelangen Betäubungsmittelkonsums herabgesetzten Hemmschwelle begangen hat. Dagegen spricht, dass er bereits seit 2004 mit Straftaten in Erscheinung getreten ist, seine Straffälligkeit also zu einer Zeit einsetzte, als er mit dem Konsum von Betäubungsmitteln gerade begonnen hatte.
7
b) Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem rechtskräftigen Berufungsurteil des Landgerichts Frankenthal vom 27. März 2012, das vier der Beschaffungskriminalität zuzuordnende Taten des (in einem Fall versuchten) Diebstahls zum Gegenstand hatte. Im Rahmen einer nachträglichen Gesamtstrafenbildung gemäß § 55 StGB kann das Gericht zwar erstmals auf eine Maßregel erkennen, wenn sich entweder aufgrund der neu abzuurteilenden Tat allein oder in Verbindung mit der schon abgeurteilten Tat die Erforderlichkeit der Maßregel ergibt (vgl. BGH, Urteil vom 16. Dezember 1954 – 3 StR 189/54, BGHSt 7, 180, 182; Rissing-van Saan in LK-StGB, 12. Aufl., § 55 Rn. 53; Stree/Sternberg-Lieben in Schönke/Schröder, StGB, 28. Aufl., § 55 Rn. 55; Bringewat, Die Bildung der Gesamtstrafe, 1987, Rn. 305). Die erstmalige Verhängung der Maßregel kann aber nicht allein mit dem Symptomcharakter der bereits rechtskräftig abgeurteilten Taten begründet werden. Diese bilden deshalb im vorliegenden Verfahren keine Grundlage für die Anordnung der Maßregel gemäß § 64 StGB.
8
2. Der Senat kann sicher ausschließen, dass eine neue Verhandlung Feststellungen ergeben könnte, die eine Unterbringungsanordnung rechtfertigen würden. Daher ist in entsprechender Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO auf den Wegfall der Maßregel zu erkennen (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 56. Aufl., § 354 Rn. 26f).
9
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 4 Satz 1 StPO. Im vorliegenden Fall ist durch den Wegfall der Anordnung gemäß § 64 StGB das Gewicht des Rechtsfolgenausspruchs so gemindert, dass es unbillig wäre, dem Angeklagten die gesamten Rechtsmittelkosten aufzubürden. Angemessen ist es vielmehr, die Hälfte der Rechtsmittelkosten der Staatskasse aufzuerlegen und die Revisionsgebühr um die Hälfte zu ermäßigen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 21. Oktober 1986 – 4 StR 553/86, BGHR StPO § 473 Abs. 4 Quotelung 1; vom 11. Februar 1983 – 3 StR 484/82 (S)).
Sost-Scheible Roggenbuck Franke
Mutzbauer Quentin

(1) Soweit die Revision für begründet erachtet wird, ist das angefochtene Urteil aufzuheben.

(2) Gleichzeitig sind die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen aufzuheben, sofern sie durch die Gesetzesverletzung betroffen werden, wegen deren das Urteil aufgehoben wird.