Bundesgerichtshof Beschluss, 23. Mai 2019 - 1 StR 479/18
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers und des Generalbundesanwalts – zu 3. auf dessen Antrag – am 23. Mai 2019 gemäß § 44 Satz 1, § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
4. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Gründe:
- 1
- Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gewerbs- und bandenmäßigen Schmuggels in sieben Fällen, wegen Beihilfe zum gewerbs- und bandenmäßigen Schmuggel in drei Fällen und wegen Beihilfe zum bandenmäßigen Schmuggel zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und vier Monaten verurteilt und die Vollstreckung der Strafe zur Bewährung ausgesetzt. Des Weiteren hat es die Einziehung des Wertes von Taterträgen gegen den Angeklagten – als Gesamtschuldner mit dem Nichtrevidenten E. – in Höhe von 106.099,60 Euro angeordnet.
- 2
- Die hiergegen eingelegte Revision des Angeklagten hat – nach Gewährung von Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Begründung der Revision, mit der der Verwerfungsbeschluss des Landgerichts Stuttgart vom 14. August 2018 gegenstandslos wird – nur hinsichtlich der Einziehungsentscheidung Erfolg. Im Übrigen ist sie offensichtlich unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).
I.
- 3
- Die Anordnung der Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 106.099,60 Euro gemäß § 73 Abs. 1, § 73c Satz 1 StGB begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
- 4
- 1. Die Strafkammer hat folgende für die Einziehungsentscheidung bedeutsame Feststellungen und Wertungen getroffen:
- 5
- Der nichtrevidierende Mitangeklagte E. handelte mit Wasserpfeifentabak aus der Schweiz, indem er regelmäßig große Mengen Wasserpfeifentabak bei verschiedenen Wasserpfeifentabaklieferanten in der Schweiz erwarb, diesen entgegen Art. 40 ZK aF i.V.m. § 21 Abs. 2 UStG, §§ 19, 21 TabStG ohne Gestellung bei der nächstgelegenen annahmebereiten Zollstelle sowie ohne Anmeldung der fälligen Einfuhrabgaben (Zoll, Tabaksteuer und Einfuhrumsatzsteuer ) über die Grenze in die Bunderepublik Deutschland in das Gemeinschaftsgebiet einführte, um diesen gewinnbringend im Inland an Betreiber diverser Shisha-Bars oder Tabakhändler zu verkaufen.
- 6
- Der Angeklagte beteiligte sich in 11 Fällen in unterschiedlicher Weise an den Einfuhrtaten des Mitangeklagten E. . Er fuhr in sieben Fällen jeweils auf dessen Weisung mit einem zuvor hierfür angemieteten Fahrzeug von Deutschland in die Schweiz, wobei er jeweils zuvor Bargeld für den Ankauf des von dem Mitangeklagten E. bestellten Wasserpfeifentabaks erhalten hatte (Fälle 1-5, 8 und 10 der Urteilsgründe). Nach Ankauf des Wasserpfeifentabaks lenkte der Angeklagte den PKW als Fahrer mit dem unversteuerten und unverzollten Wasserpfeifentabak selbst über die Grenze nach Deutschland.
- 7
- Der Angeklagte erhielt für jede der Fahrten aus der Schweiz nach Deutschland sowie in Deutschland eine Entlohnung in Höhe von 150 Euro, im Übrigen für Fahrten in der Schweiz in Höhe von 100 Euro. Das Landgericht hat, gestützt auf die Fälle 1-5, 8 und 10 der Urteilsgründe, die Einziehung von Wertersatz der von dem Angeklagten als zollamtlichem Verbringer (Art. 40 ZK) der Waren hinterzogenen Einfuhrabgaben in Höhe von insgesamt 106.099,60 Euro angeordnet.
- 8
- 2. Die strafrechtliche Vermögensabschöpfung richtet sich vorliegend gemäß Art. 316h Satz 1 EGStGB nach den durch das Gesetz zur Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung vom 13. April 2017 (BGBl. I 2017, 872) eingeführten und am 1. Juli 2017 in Kraft getretenen neuen Regelungen der §§ 73 ff. StGB.
- 9
- 3. Beim Delikt der Steuerhinterziehung kann die verkürzte Steuer „er- langtes Etwas“ i.S.v. § 73 Abs. 1 StGB sein, weil sich der Täter die Aufwendun- gen für diese Steuern erspart (st. Rspr.; BGH, Urteil vom 18. Dezember 2018 – 1 StR 36/17 Rn. 18 mwN; Beschlüsse vom 4. Juli 2018 – 1 StR 244/18 Rn. 7; vom 11. Mai 2016 – 1 StR 118/16 Rn. 8; vom 13. Juli 2010 – 1 StR 239/10, wistra 2010, 406 und vom 28. November 2000 – 5 StR 371/00 Rn. 16 ff.; Fi- scher, StGB, 66. Aufl., § 73 Rn. 20; Köhler, NStZ 2017, 497, 503 f.; Reh, wistra 2018, 414, 415).
- 10
- Dies gilt jedoch nicht schlechthin, weil die Einziehung an einen durch die Tat beim Täter tatsächlich eingetretenen Vermögensvorteil anknüpft. Im Hinblick auf die Struktur der Tabaksteuer als Verbrauch- bzw. Warensteuer (dazu Seer in Tipke/Lang, Steuerrecht, 23. Aufl., § 2 Rn. 47 mwN) ergibt sich ein unmittelbar messbarer wirtschaftlicher Vorteil nur, soweit sich die Steuerersparnis im Vermögen des Täters dadurch niederschlägt, dass er aus den Tabakwaren, auf die sich die Hinterziehung der Tabaksteuern bezieht, einen Vermögenszuwachs erzielt, beispielsweise in Form eines konkreten Vermarktungsvorteils. Offene Steuerschulden begründen hingegen – anders als das Landgericht meint – nicht stets über die Rechtsfigur der ersparten Aufwendungen einen Vorteil im Sinne des § 73 Abs. 1 StGB. Die Abschöpfung nach §§ 73 ff. StGB setzt mehr voraus als die bloße Erfüllung des Steuerstraftatbestandes. Maßgeblich bleibt immer, dass sich ein Vorteil im Vermögen widerspiegelt. Nur dann hat der Täter durch die ersparten (steuerlichen) Aufwendungen auch wirtschaftlich etwas erlangt.
- 11
- Der Angeklagte hat die Steuerersparnis in vorgenanntem Sinne zu keinem Zeitpunkt des Tatablaufs wirtschaftlich erlangt. Denn aufgrund der zwischen den Beteiligten getroffenen Abreden war der Wasserpfeifentabak, auf den sich die Hinterziehung der Einfuhrabgaben bezog, allein für den Weiterverkauf durch den Mitangeklagten E. bestimmt, so dass der Angeklagte durch die Taten zu keinem Zeitpunkt selbst einen wirtschaftlichen Vorteil gezogen hat. Als Gegenleis- tung und mithin „für die Tat“ im Sinne des § 73 Abs. 1 StGB erlangt hat er ledig- lich die Löhne für die von ihm durchgeführten Fahrten, sodass diese gemäß §§ 73, 73c StGB abzuschöpfen sind.
II.
- 12
- Die Entscheidung über die Einziehung bedarf neuer Verhandlung und Entscheidung. Da das Landgericht die Höhe der von dem Angeklagten erhaltenen Entlohnung nicht im Einzelnen festgestellt hat, sieht sich der Senat gehindert , selbst zu entscheiden. Einer Aufhebung von Feststellungen bedarf es nicht, da diese von dem Rechtsfehler nicht betroffen sind (§ 353 Abs. 2 StPO). Der neue Tatrichter kann ergänzende Feststellungen hinsichtlich der entlohnten Schmuggel- bzw. Begleitfahrten treffen.
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War jemand ohne Verschulden verhindert, eine Frist einzuhalten, so ist ihm auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Die Versäumung einer Rechtsmittelfrist ist als unverschuldet anzusehen, wenn die Belehrung nach den § 35a Satz 1 und 2, § 319 Abs. 2 Satz 3 oder nach § 346 Abs. 2 Satz 3 unterblieben ist.
(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
(1) Hat der Täter oder Teilnehmer durch eine rechtswidrige Tat oder für sie etwas erlangt, so ordnet das Gericht dessen Einziehung an.
(2) Hat der Täter oder Teilnehmer Nutzungen aus dem Erlangten gezogen, so ordnet das Gericht auch deren Einziehung an.
(3) Das Gericht kann auch die Einziehung der Gegenstände anordnen, die der Täter oder Teilnehmer erworben hat
Ist die Einziehung eines Gegenstandes wegen der Beschaffenheit des Erlangten oder aus einem anderen Grund nicht möglich oder wird von der Einziehung eines Ersatzgegenstandes nach § 73 Absatz 3 oder nach § 73b Absatz 3 abgesehen, so ordnet das Gericht die Einziehung eines Geldbetrages an, der dem Wert des Erlangten entspricht. Eine solche Anordnung trifft das Gericht auch neben der Einziehung eines Gegenstandes, soweit dessen Wert hinter dem Wert des zunächst Erlangten zurückbleibt.
(1) Die Einfuhrumsatzsteuer ist eine Verbrauchsteuer im Sinne der Abgabenordnung.
(2) Für die Einfuhrumsatzsteuer gelten die Vorschriften für Zölle sinngemäß; ausgenommen sind die Vorschriften über den passiven Veredelungsverkehr.
(2a) Abfertigungsplätze im Ausland, auf denen dazu befugte deutsche Zollbedienstete Amtshandlungen nach Absatz 2 vornehmen, gehören insoweit zum Inland. Das Gleiche gilt für ihre Verbindungswege mit dem Inland, soweit auf ihnen einzuführende Gegenstände befördert werden.
(3) Die Zahlung der Einfuhrumsatzsteuer kann ohne Sicherheitsleistung aufgeschoben werden, wenn die zu entrichtende Steuer nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 in voller Höhe als Vorsteuer abgezogen werden kann.
(3a) Einfuhrumsatzsteuer, für die ein Zahlungsaufschub gemäß Artikel 110 Buchstabe b oder c der Verordnung (EU) Nr. 952/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. Oktober 2013 zur Festlegung des Zollkodex der Union (Unionszollkodex) bewilligt ist, ist abweichend von den zollrechtlichen Vorschriften am 26. des zweiten auf den betreffenden Monat folgenden Kalendermonats fällig.
(4) Entsteht für den eingeführten Gegenstand nach dem Zeitpunkt des Entstehens der Einfuhrumsatzsteuer eine Zollschuld oder eine Verbrauchsteuer oder wird für den eingeführten Gegenstand nach diesem Zeitpunkt eine Verbrauchsteuer unbedingt, so entsteht gleichzeitig eine weitere Einfuhrumsatzsteuer. Das gilt auch, wenn der Gegenstand nach dem in Satz 1 bezeichneten Zeitpunkt bearbeitet oder verarbeitet worden ist. Bemessungsgrundlage ist die entstandene Zollschuld oder die entstandene oder unbedingt gewordene Verbrauchsteuer. Steuerschuldner ist, wer den Zoll oder die Verbrauchsteuer zu entrichten hat. Die Sätze 1 bis 4 gelten nicht, wenn derjenige, der den Zoll oder die Verbrauchsteuer zu entrichten hat, hinsichtlich des eingeführten Gegenstands nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 zum Vorsteuerabzug berechtigt ist.
(5) Die Absätze 2 bis 4 gelten entsprechend für Gegenstände, die nicht Waren im Sinne des Zollrechts sind und für die keine Zollvorschriften bestehen.
(1) Die Steuer entsteht vorbehaltlich des Satzes 2 zum Zeitpunkt der Überführung der Tabakwaren in den steuerrechtlich freien Verkehr durch die Einfuhr oder durch den unrechtmäßigen Eingang. Die Steuer entsteht nicht, wenn
- 1.
die Tabakwaren unmittelbar am Ort der Einfuhr in ein Verfahren der Steueraussetzung überführt werden, - 2.
sich eine Steuerbefreiung anschließt oder - 3.
die Einfuhrzollschuld nach Artikel 124 Absatz 1 Buchstabe e, f, g oder Buchstabe k des Unionszollkodex erlischt.
(2) Steuerschuldner ist
- 1.
jede Person nach Artikel 77 Absatz 3 des Unionszollkodex, - 2.
jede andere Person, die an einem unrechtmäßigen Eingang beteiligt ist.
(3) Für das Erlöschen, in anderen Fällen als denen des Absatzes 1 Satz 2 Nummer 3, das Steuerverfahren und, wenn die Steuer nicht durch Verwendung von Steuerzeichen entrichtet wird, für die Fälligkeit, den Zahlungsaufschub sowie die Nacherhebung, den Erlass und die Erstattung, in anderen Fällen als nach den Artikeln 119 und 120 des Unionszollkodex gelten die Zollvorschriften sinngemäß. Abweichend von Satz 1 bleiben die §§ 163 und 227 der Abgabenordnung unberührt.
(4) Abweichend von den Absätzen 1 bis 3 finden für Tabakwaren in der Truppenverwendung, die zweckwidrig verwendet werden, die Vorschriften des Truppenzollgesetzes Anwendung.
(5) Für den Eingang von Tabakwaren aus einem der in Artikel 4 Absatz 2 der Systemrichtlinie aufgeführten Gebiete in das Steuergebiet sind die in den zollrechtlichen Vorschriften der Union vorgesehenen Formalitäten für den Eingang von Waren in das Zollgebiet der Union entsprechend anzuwenden.
(6) Für den unrechtmäßigen Eingang gilt Artikel 87 des Unionszollkodex sinngemäß.
(7) Das Bundesministerium der Finanzen wird ermächtigt, in Bezug auf Absatz 3 durch Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrates Vorschriften zu erlassen und die Besteuerung abweichend von Absatz 3 zu regeln, soweit dies zur Sicherung des Steueraufkommens oder zur Anpassung an die Behandlung im Steuergebiet hergestellter Tabakwaren oder wegen der besonderen Verhältnisse bei der Einfuhr erforderlich ist.
Wird über die Anordnung der Einziehung des Tatertrages oder des Wertes des Tatertrages wegen einer Tat, die vor dem 1. Juli 2017 begangen worden ist, nach diesem Zeitpunkt entschieden, sind abweichend von § 2 Absatz 5 des Strafgesetzbuches die §§ 73 bis 73c, 75 Absatz 1 und 3 sowie die §§ 73d, 73e, 76, 76a, 76b und 78 Absatz 1 Satz 2 des Strafgesetzbuches in der Fassung des Gesetzes zur Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung vom 13. April 2017 (BGBl. I S. 872) anzuwenden. Die Vorschriften des Gesetzes zur Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung vom 13. April 2017 (BGBl. I S. 872) sind nicht in Verfahren anzuwenden, in denen bis zum 1. Juli 2017 bereits eine Entscheidung über die Anordnung des Verfalls oder des Verfalls von Wertersatz ergangen ist.
(1) Hat der Täter oder Teilnehmer durch eine rechtswidrige Tat oder für sie etwas erlangt, so ordnet das Gericht dessen Einziehung an.
(2) Hat der Täter oder Teilnehmer Nutzungen aus dem Erlangten gezogen, so ordnet das Gericht auch deren Einziehung an.
(3) Das Gericht kann auch die Einziehung der Gegenstände anordnen, die der Täter oder Teilnehmer erworben hat
Ist die Einziehung eines Gegenstandes wegen der Beschaffenheit des Erlangten oder aus einem anderen Grund nicht möglich oder wird von der Einziehung eines Ersatzgegenstandes nach § 73 Absatz 3 oder nach § 73b Absatz 3 abgesehen, so ordnet das Gericht die Einziehung eines Geldbetrages an, der dem Wert des Erlangten entspricht. Eine solche Anordnung trifft das Gericht auch neben der Einziehung eines Gegenstandes, soweit dessen Wert hinter dem Wert des zunächst Erlangten zurückbleibt.