Bundesgerichtshof Beschluss, 22. Nov. 2000 - 1 StR 479/00

published on 22/11/2000 00:00
Bundesgerichtshof Beschluss, 22. Nov. 2000 - 1 StR 479/00
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Gericht


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 479/00
vom
22. November 2000
in der Strafsache
gegen
wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer
Menge u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 22. November 2000 gemäß §
349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 5. Juli 2000 mit den Feststellungen aufgehoben , soweit eine Entscheidung über die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt unterblieben ist. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weitergehende Revision des Angeklagten wird verworfen.

Gründe:

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in fünf Fällen, jeweils in Tateinheit mit Erwerb von Betäubungsmitteln, zu vier Jahren Gesamtfreiheitsstrafe verurteilt. Zudem hat es gemäß §§ 73, 73a StGB im Hinblick auf die vom Angeklagten durch diese Straftaten (Kokainverkäufe) erlangten Bruttoerlöse einen Wertersatzverfall in Höhe von 70.000 DM angeordnet. Das auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkte Rechtsmittel des Angeklagten führt zur Aufhebung des Urteils, soweit eine Entscheidung hinsichtlich einer Maßregelanordnung unterblieben ist.
1. Die Strafkammer hat nicht geprüft, ob der Angeklagte gemäß § 64 StGB in einer Entziehungsanstalt unterzubringen ist. Diese Erörterung drängte sich hier auf: Nach den Feststellungen war der Angeklagte, der seit Jahren Haschisch , Ecstasy und Kokain konsumierte, abhängig. Der Betäubungsmittelhandel diente u.a. der Finanzierung des eigenen Drogenkonsums. Daß beim Angeklagten eine hinreichend konkrete Aussicht eines Behandlungserfolgs nicht besteht, kann den Urteilsgründen nicht entnommen werden. Vielmehr hat sich der Angeklagte in der Untersuchungshaft selbst an einen Drogenberater gewandt und einer stationären Therapie zugestimmt. Das Landgericht hätte daher darlegen müssen, warum es gleichwohl von der Unterbringung, deren Anordnung beim Vorliegen der Voraussetzungen zwingend ist, abgesehen hat. Die Sache bedarf somit insoweit neuer tatrichterlicher Prüfung unter Hinzuziehung eines Sachverständigen (§ 246a StPO). Der Strafausspruch kann bestehen bleiben, da angesichts der großen Rauschgiftmengen auszuschließen ist, daß der Tatrichter bei Anordnung der Unterbringung eine niedrigere Strafe verhängt hätte. Auf die Verfahrensrügen, die ausschließlich die nicht erfolgte Maßregelanordnung betreffen, kommt es daher nicht mehr an. 2. Im übrigen hat die Nachprüfung des Urteils keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Die Revision beanstandet ohne Erfolg, daß die Anordnung des Verfalls bei der Strafzumessung unberücksichtigt geblieben ist, obwohl dem Bruttoerlös die vom Angeklagten gezahlten Einkaufspreise gegenüberstünden und der Reingewinn daher lediglich etwa 20.000 DM betrage. Daß dieser mit dem Brutto-Wertersatzverfall verbundene Nachteil bei der Strafzumessung nicht
berücksichtigt wurde, stellt keinen Rechtsfehler dar, da die Verfallanordnung gemäß §§ 73, 73a StGB nicht zu einer Strafmilderung führen muß (BGH NStZ 1995, 491; BGH NStZ-RR 1996, 129, 130; BGH Urteil vom 5. Dezember 1996 - 5 StR 542/96; BGH NJW 1998, 1723, 1728; BGH NStZ 2000, 137; LK-Schmidt 11. Aufl. § 73 Rdn. 7 und 11 ff.). Die hiergegen von der Revision und Teilen der Literatur (vgl. Lackner/Kühl StGB 23. Aufl. § 73 Rdn. 4b f. m.w.N.) vorgebrachten Bedenken, wonach zumindest bei über den Nettogewinn des Täters hinausgehenden Vermögensverlusten wegen des strafähnlichen Charakters der Verfallanordnung eine Strafmilderung vorzunehmen sei, greifen nicht durch. Der Senat verkennt nicht, daß es beim Verfall des Wertersatzes zu Härten kommen kann. Dies hat der Gesetzgeber bedacht und in § 73c StGB einen Härteausgleich vorgesehen; in Ausnahmefällen (vgl. BGH NStZ 1995, 495 und 2000, 481) kann demnach ganz oder teilweise von der Verfallanordnung abgesehen werden. Die Strafkammer hat sich mit dieser Härtevorschrift auseinandergesetzt, dabei bedacht, daß es sich um nicht mehr im Vermögen des Angeklagten vorhandene Bruttoerlöse handelt, und im Hinblick auf die dem Angeklagten zumutbare Einschränkung bei der Lebensführung das Vorliegen einer unbilligen Härte verneint. Lag die Anwendbarkeit der Härtevorschrift nahe und hat der Tatrichter mit rechtsfehlerfreien Ausführungen ihr Eingreifen verneint, so muß er die Verfallanordnung auch nicht mehr im Rahmen der Strafzumessung erörtern und berücksichtigen. Dem steht nicht entgegen, daß die Einziehung als Nebenstrafe im Rahmen der Strafzumessung zu berücksichtigen ist (vgl. BGH StV 1987, 389). Anders als etwa bei der Einziehung eines mit legalen Einkünften finanzierten
Tatfahrzeuges gemäß § 74 StGB betrifft der Verfall des Rauschgifterlöses einen unrechtmäßig erlangten Vermögensbestandteil. Hinzu kommt, daß der Angeklagte aufgrund der Nichtigkeit der Kaufpreisübereignung gemäß § 134 BGB (BGH NJW 1983, 636; Palandt/Heinrichs BGB 59. Aufl. § 134 Rdn. 13) kein Eigentum an dem für das Kokain erhaltenen Geld erworben hat (was nach §§ 73 Abs. 4, 73a StGB dem Verfall des Wertersatzes nicht entgegensteht). Die Abschöpfung betrifft mithin Vermögensbestandteile, hinsichtlich der ein rechtlich schützenswertes Vertrauen, sie behalten zu dürfen, beim Angeklagten nie bestanden hat. Außerdem hätte auch das seinerseits vom Angeklagten aufgewandte Kaufgeld, wenn er bereits beim Einkauf des Kokains festgenommen worden wäre, eingezogen werden können (vgl. BGH NStZ 1995, 491). Anders als die der Einziehung unterliegenden Gegenstände sind die dem Verfall unterliegenden Vermögensbestandteile auch häufig zuvor nicht sichergestellt worden, so daß im Zeitpunkt der Urteilsverkündung - wie hier - noch nicht feststeht, ob der Staat den Zahlungsanspruch überhaupt durchsetzen kann (eine Ersatzfreiheitsstrafe droht dem Täter insoweit nicht). Die strafmildernde Berücksichtigung des Verfalls bei Tätern, die später nicht zahlen, wäre ebenso ungerechtfertigt wie die Beschränkung auf im Zeitpunkt der Hauptverhandlung wohlhabende Angeklagte. Die Auffassung des Bundesgerichtshofs steht auch mit dem Gesetzeszweck im Einklang. Die vor dem 7. März 1992 gültigen Regelungen über den Verfall waren wegen ihrer Kompliziertheit heftiger Kritik ausgesetzt (vgl. Schäfer , Praxis der Strafzumessung 2. Aufl. Rdn. 166). So unterlag ursprünglich nur der Nettogewinn des Täters dem Verfall, was den Tatrichter dazu zwang, sämtliche gewinnmindernden Unkosten des Straftäters (Reisekosten, Hotelkosten, Einkaufspreis, Kurierlohn, Schmiergelder usw.) festzustellen und abzuziehen.
Dem trug der Gesetzgeber durch die Neufassung dieser Vorschriften und die Einführung der Bruttogewinnabschöpfung Rechnung. Der Rechtsgedanke des § 817 Satz 2 BGB, wonach das in ein verbotenes Geschäft Investierte unwiederbringlich verloren ist, sollte nach dem Willen des Gesetzgebers auch beim Verfall Anwendung finden (LK-Schmidt 11. Aufl. § 73 Rdn. 5 f. mit Nachw.). Dieser Vereinfachungsbestrebung würde es entgegenstehen, wenn der Tatrichter nunmehr bei der Strafzumessung die dem Rauschgifthändler im Rahmen seiner kriminellen und daher im Verborgenen abgewickelten Geschäfte entstandenen (zunächst verschleierten und später dann häufig unüberprüfbar aufgeblähten) Unkosten feststellen und berücksichtigen müßte.
Schäfer Nack Schluckebier Kolz Schaal
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published on 12/07/2011 00:00

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published on 28/01/2015 00:00

Tenor Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Braunschweig vom 2. Juli 2014 im Strafausspruch hinsichtlich der Taten 3 bis 7 und im Gesamtstrafausspruch aufgehoben.
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Annotations

(1) Hat der Täter oder Teilnehmer durch eine rechtswidrige Tat oder für sie etwas erlangt, so ordnet das Gericht dessen Einziehung an.

(2) Hat der Täter oder Teilnehmer Nutzungen aus dem Erlangten gezogen, so ordnet das Gericht auch deren Einziehung an.

(3) Das Gericht kann auch die Einziehung der Gegenstände anordnen, die der Täter oder Teilnehmer erworben hat

1.
durch Veräußerung des Erlangten oder als Ersatz für dessen Zerstörung, Beschädigung oder Entziehung oder
2.
auf Grund eines erlangten Rechts.

(1) Ist eine rechtswidrige Tat begangen worden, so ordnet das Gericht die Einziehung von Gegenständen des Täters oder Teilnehmers auch dann an, wenn diese Gegenstände durch andere rechtswidrige Taten oder für sie erlangt worden sind.

(2) Hat sich der Täter oder Teilnehmer vor der Anordnung der Einziehung nach Absatz 1 an einer anderen rechtswidrigen Tat beteiligt und ist erneut über die Einziehung seiner Gegenstände zu entscheiden, berücksichtigt das Gericht hierbei die bereits ergangene Anordnung.

Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.

(1) Kommt in Betracht, dass die Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus oder in der Sicherungsverwahrung angeordnet oder vorbehalten werden wird, so ist in der Hauptverhandlung ein Sachverständiger über den Zustand des Angeklagten und die Behandlungsaussichten zu vernehmen. Gleiches gilt, wenn das Gericht erwägt, die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt anzuordnen.

(2) Ist Anklage erhoben worden wegen einer in § 181b des Strafgesetzbuchs genannten Straftat zum Nachteil eines Minderjährigen und kommt die Erteilung einer Weisung nach § 153a dieses Gesetzes oder nach den §§ 56c, 59a Absatz 2 Satz 1 Nummer 4 oder § 68b Absatz 2 Satz 2 des Strafgesetzbuchs in Betracht, wonach sich der Angeklagte psychiatrisch, psycho- oder sozialtherapeutisch betreuen und behandeln zu lassen hat (Therapieweisung), soll ein Sachverständiger über den Zustand des Angeklagten und die Behandlungsaussichten vernommen werden, soweit dies erforderlich ist, um festzustellen, ob der Angeklagte einer solchen Betreuung und Behandlung bedarf.

(3) Hat der Sachverständige den Angeklagten nicht schon früher untersucht, so soll ihm dazu vor der Hauptverhandlung Gelegenheit gegeben werden.

(1) Hat der Täter oder Teilnehmer durch eine rechtswidrige Tat oder für sie etwas erlangt, so ordnet das Gericht dessen Einziehung an.

(2) Hat der Täter oder Teilnehmer Nutzungen aus dem Erlangten gezogen, so ordnet das Gericht auch deren Einziehung an.

(3) Das Gericht kann auch die Einziehung der Gegenstände anordnen, die der Täter oder Teilnehmer erworben hat

1.
durch Veräußerung des Erlangten oder als Ersatz für dessen Zerstörung, Beschädigung oder Entziehung oder
2.
auf Grund eines erlangten Rechts.

(1) Ist eine rechtswidrige Tat begangen worden, so ordnet das Gericht die Einziehung von Gegenständen des Täters oder Teilnehmers auch dann an, wenn diese Gegenstände durch andere rechtswidrige Taten oder für sie erlangt worden sind.

(2) Hat sich der Täter oder Teilnehmer vor der Anordnung der Einziehung nach Absatz 1 an einer anderen rechtswidrigen Tat beteiligt und ist erneut über die Einziehung seiner Gegenstände zu entscheiden, berücksichtigt das Gericht hierbei die bereits ergangene Anordnung.

Ist die Einziehung eines Gegenstandes wegen der Beschaffenheit des Erlangten oder aus einem anderen Grund nicht möglich oder wird von der Einziehung eines Ersatzgegenstandes nach § 73 Absatz 3 oder nach § 73b Absatz 3 abgesehen, so ordnet das Gericht die Einziehung eines Geldbetrages an, der dem Wert des Erlangten entspricht. Eine solche Anordnung trifft das Gericht auch neben der Einziehung eines Gegenstandes, soweit dessen Wert hinter dem Wert des zunächst Erlangten zurückbleibt.

(1) Gegenstände, die durch eine vorsätzliche Tat hervorgebracht (Tatprodukte) oder zu ihrer Begehung oder Vorbereitung gebraucht worden oder bestimmt gewesen sind (Tatmittel), können eingezogen werden.

(2) Gegenstände, auf die sich eine Straftat bezieht (Tatobjekte), unterliegen der Einziehung nach der Maßgabe besonderer Vorschriften.

(3) Die Einziehung ist nur zulässig, wenn die Gegenstände zur Zeit der Entscheidung dem Täter oder Teilnehmer gehören oder zustehen. Das gilt auch für die Einziehung, die durch eine besondere Vorschrift über Absatz 1 hinaus vorgeschrieben oder zugelassen ist.

Ein Rechtsgeschäft, das gegen ein gesetzliches Verbot verstößt, ist nichtig, wenn sich nicht aus dem Gesetz ein anderes ergibt.

(1) Hat der Täter oder Teilnehmer durch eine rechtswidrige Tat oder für sie etwas erlangt, so ordnet das Gericht dessen Einziehung an.

(2) Hat der Täter oder Teilnehmer Nutzungen aus dem Erlangten gezogen, so ordnet das Gericht auch deren Einziehung an.

(3) Das Gericht kann auch die Einziehung der Gegenstände anordnen, die der Täter oder Teilnehmer erworben hat

1.
durch Veräußerung des Erlangten oder als Ersatz für dessen Zerstörung, Beschädigung oder Entziehung oder
2.
auf Grund eines erlangten Rechts.

(1) Ist eine rechtswidrige Tat begangen worden, so ordnet das Gericht die Einziehung von Gegenständen des Täters oder Teilnehmers auch dann an, wenn diese Gegenstände durch andere rechtswidrige Taten oder für sie erlangt worden sind.

(2) Hat sich der Täter oder Teilnehmer vor der Anordnung der Einziehung nach Absatz 1 an einer anderen rechtswidrigen Tat beteiligt und ist erneut über die Einziehung seiner Gegenstände zu entscheiden, berücksichtigt das Gericht hierbei die bereits ergangene Anordnung.

War der Zweck einer Leistung in der Art bestimmt, dass der Empfänger durch die Annahme gegen ein gesetzliches Verbot oder gegen die guten Sitten verstoßen hat, so ist der Empfänger zur Herausgabe verpflichtet. Die Rückforderung ist ausgeschlossen, wenn dem Leistenden gleichfalls ein solcher Verstoß zur Last fällt, es sei denn, dass die Leistung in der Eingehung einer Verbindlichkeit bestand; das zur Erfüllung einer solchen Verbindlichkeit Geleistete kann nicht zurückgefordert werden.