Bundesgerichtshof Beschluss, 11. Sept. 2018 - 1 StR 413/18

bei uns veröffentlicht am11.09.2018

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 413/18
vom
11. September 2018
in der Strafsache
gegen
wegen besonders schweren Raubes u.a.
ECLI:DE:BGH:2018:110918B1STR413.18.0

Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers und des Generalbundesanwalts – zu 3. auf dessen Antrag – am 11. September 2018 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Ulm vom 2. Mai 2018 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben
a) im Schuldspruch im Fall II.1. der Urteilsgründe,
b) im Gesamtstrafenausspruch und im Ausspruch über die Einziehungsanordnung, soweit die Einziehung von Taterträgen über einen Betrag von 995 € hinaus angeordnet worden ist. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weitergehende Revision des Angeklagten wird als unbegründet verworfen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen besonders schweren Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung sowie wegen Computerbetrugs zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und sechs Monaten verurteilt. Ferner hat es die Einziehung von Taterträgen in Höhe von 1.095 € angeordnet.
2
Hiergegen richtet sich die auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten. Sein Rechtsmittel hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO); im Übrigen ist es aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts vom 31. Juli 2018 unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.

I.


3
Das Landgericht hat in Bezug auf Fall II.1. der Urteilsgründe folgende Feststellungen getroffen:
4
Der Angeklagte machte gegenüber dem späteren Geschädigten H. Zahlungen bis zu einer Gesamtsumme von 700 € im Hinblick auf eine – aus seiner Sicht – von diesem zu verantwortende unberechtigte Sicherstellung eines Mobiltelefons in Höhe dieses Wertes durch die Polizei am 25. April 2017 geltend. Vor diesem Hintergrund vermied der leicht einzuschüchternde und ängstliche Geschädigte, der bereits 150 € an den Angeklagten gezahlt hatte, Örtlichkeiten, welche die Gefahr eines Zusammentreffens mit dem Angeklagten boten, so dass es zu keinen weiteren Geldzahlungen kam.
5
Am Nachmittag des 5. Mai 2017 verabredete der Geschädigte ein Treffen mit dem Zeugen L. in dessen Zimmer in G. für den Abend. Der Geschädigte, der selbst dort gewohnt hatte, aber wegen diverser Schwierigkeiten des Hauses verwiesen worden war und ein Hausverbot erhalten hatte, wollte dabei das Gebäude nicht durch die Eingangstür, sondern über ein zur Straße gerichtetes Fenster des Zimmers betreten. Zwischen dem Fenster und der Straße befindet sich lediglich ein verwilderter Vorgarten. Als der Geschädigte gegen 21.20 Uhr dort am Fenster erschien, öffnete der Zeuge L. das Fenster. Zu diesem Zeitpunkt hatte sich der Angeklagte im hinteren Teil des Zimmers hinter einem Vorhang versteckt. Dem Zeugen L. , der die Vorgeschichte zwischen dem Geschädigten und dem Angeklagten kannte, war bewusst, dass der Geschädigte sofort flüchten würde, wenn er den Angeklagten bemerkte. Der Zeuge reichte dem Geschädigten die Hand, um ihm das Einsteigen in das Zimmer über das Fenster zu erleichtern. Noch im Hochklettern bemerkte der Geschädigte den Angeklagten und versuchte sich von dem Zeugen loszureißen. Der Angeklagte sprang daraufhin mit einem Messer, dessen Spitze nach vorne gerichtet war, in der rechten Hand bewaffnet aus dem Fenster, wobei er den Geschädigten umstieß. Entweder im Fallen auf den Gartenboden oder aber am Boden versetzte der Angeklagte dem Geschädigten eine 15 cm lange, 3 mm tiefe Schnittwunde an der linken Halsseite, die zur Öffnung des Halsmuskels führte und geeignet war, dessen Leben zu gefährden. Der Angeklagte führte den Schnitt, um den Geschädigten einzuschüchtern und auf Grund der polizeilichen Sicherstellung des Mobiltelefons unberechtigt das Mobiltelefon oder sonstige vermögenswerte Gegenstände vom Geschädigten zu erlangen. Während des Sturzes fiel das Mobiltelefon des Geschädigten aus seiner Hosentasche auf den Boden des Vorgartens. Nachdem der Angeklagte wenige Sekunden auf dem Geschädigten lag, nahm er unter Ausnutzung der von ihm geschaffenen Lage das auf dem Boden liegende Mobiltelefon des Geschädigten an sich, um es für sich zu behalten und verließ die Örtlichkeit, wobei er den Geschädigten aufforderte, bei der Polizei eine Geschichte zu erfinden, die seine Verletzungen erkläre.

II.


6
1. Die Verurteilung des Angeklagten im Fall II.1. der Urteilsgründe hat keinen Bestand, weil das angefochtene Urteil hinsichtlich der Annahme eines besonderen schweren Raubes sachlich-rechtliche Mängel aufweist.
7
Die rechtliche Würdigung des Landgerichts wird von den Urteilsfeststellungen nicht getragen, da die bisherigen Feststellungen eine für die Verurteilung wegen Raubes notwendige finale Verknüpfung zwischen dem Einsatz der qualifizierten Nötigungsmittel und der Wegnahme dergestalt, dass es zu einer nötigungsbedingten Einschränkung der Dispositionsfreiheit des Gewahrsamsinhabers über das Tatobjekt gekommen ist, nicht tragen.
8
a) Nach ständiger Rechtsprechung muss zwischen der Drohung mit oder dem Einsatz von Gewalt und der Wegnahme beim Raub eine finale Verknüpfung bestehen; Gewalt oder Drohung müssen das Mittel zur Ermöglichung der Wegnahme sein. An einer solchen Verknüpfung fehlt es, wenn eine Nötigungshandlung nicht zum Zwecke der Wegnahme vorgenommen wird, sondern der Täter den Entschluss zur Wegnahme erst nach Abschluss dieser Handlung fasst (vgl. nur BGH, Urteile vom 20. Januar 2016 – 1 StR 398/15, BGHSt 61, 141; vom 22. September 1983 – 4 StR 376/83, BGHSt 32, 88, 92 und vom 20. April 1995 – 4 StR 27/95, BGHSt 41, 123, 124 und vom 16. Januar 2003 – 4 StR 422/02, NStZ 2003, 431, 432; Beschlüsse vom 21. März 2006 – 3 StR 3/06, NStZ 2006, 508; vom 24. Februar 2009 – 5 StR 39/09, NStZ 2009, 325; vom 25. September 2012 – 2 StR 340/12, NStZ-RR 2013, 45, 46 und vom 18. Februar 2014 – 5 StR 41/14, NStZ 2015, 156). Deshalb genügt der Umstand, dass die Wirkungen eines ohne Wegnahmevorsatz eingesetzten Nötigungsmittels noch andauern und der Täter dies ausnutzt, für die Annahme eines Raubes nicht. Auch das bloße Ausnutzen der Angst eines der Einwirkung des Täters schutzlos ausgelieferten Opfers vor Fortführung bislang nicht auf die Ermöglichung der Wegnahme von Sachen gerichteter Gewalthandlungen reicht – ohne aktuelle Drohung erneuter Gewaltanwendung – nicht aus (vgl. nur BGH, Urteil vom 20. Januar 2016 – 1 StR 398/15, BGHSt 61, 141 mwN).
9
Demnach ist der Straftatbestand des Raubes regelmäßig dann gegeben, wenn mit dem Nötigungsmittel körperlicher Widerstand überwunden oder aufgrund der Zwangswirkung unterlassen und es hierdurch dem Täter ermöglicht wird, den Gewahrsam zu brechen. Der Tatbestand verlangt allerdings nicht, dass der Einsatz des Nötigungsmittels objektiv erforderlich ist oder die Wegnahme zumindest kausal fördert (BGH, Urteile vom 20. Januar 2016 – 1 StR 398/15, BGHSt 61, 141; vom 21. Mai 1953 – 4 StR 787/52, BGHSt 4, 210, 211 und vom 19. April 1963 – 4 StR 92/63, BGHSt 18, 329, 331). Es genügt, dass aus Sicht des Täters der Einsatz des Nötigungsmittels notwendig ist (Finalzusammenhang ). Allein seine Vorstellung und sein Wille sind für den Finalzusammenhang maßgebend (BGH, Urteile vom 20. Januar 2016 – 1 StR 398/15, BGHSt 61, 141 und vom 6. Oktober 1992 – 1 StR 554/92, NStZ 1993, 79; Beschluss vom 28. April 1989 – 4 StR 184/89, StV 1990, 159, 160).
10
b) Dieser notwendige Finalzusammenhang lässt sich den bisherigen Feststellungen des Landgerichts nicht entnehmen.
11
Das Landgericht hat zunächst keine ausreichenden Feststellungen dazu getroffen, ob der Einsatz des Nötigungsmittels – hier des Messers – überhaupt zu dem Zweck erfolgte, um vom Geschädigten etwas Stehlenswertes oder Werthaltiges gewaltsam zu erlangen. Es bleibt auch offen, aus welchen Gründen der Angeklagte sich im Vorfeld der Tat hinter einem Vorhang versteckte sowie ob und wann er sich letztlich zur Wegnahme des Mobiltelefons entschieden hat. Soweit das Landgericht annimmt, dass der Geschädigte durch die massive Gewaltanwendung des Angeklagten mit dem Messer eingeschüchtert werden sollte, ist dies weder durch Angaben des Geschädigten noch durch sonstige Beweismittel belegt. Selbst wenn man davon ausgeht, dass der Geschädigte durch den Messereinsatz eingeschüchtert war und bei Widerstand mit weiterer Gewaltanwendung rechnete, käme zwar auch eine konkludente Drohung des Angeklagten als Nötigungsmittel der Wegnahme in Betracht. Dies würde aber voraussetzen, dass der Angeklagte diese Situation bewusst ausgenutzt hätte, um den Geschädigten zu veranlassen, die Wegnahme zu dulden. Dafür reicht aber nach den bisherigen Feststellungen des Landgerichts das bloße Ergreifen des aus der Hosentasche des Geschädigten gefallenen Mobiltelefons , um es für sich zu behalten, noch nicht. Allein der Umstand, dass die Wirkungen eines ohne Wegnahmeabsicht eingesetzten Nötigungsmittels noch andauern und der Täter dies ausnutzt, vermag den erforderlichen Finalzusammenhang nicht zu begründen.
12
c) Der Senat kann nicht ausschließen, dass weitere Feststellungen getroffen werden können, welche die Annahme eines besonders schweren Raubes rechtfertigen könnten. Dies vor allem auch vor dem Hintergrund, dass das Landgericht bisher die Angaben der Zeugin A. , die das Tatgeschehen überwiegend beobachtet hat, für die Feststellungen und Wertungen nicht berücksichtigt hat. Diese hat bei ihrer Vernehmung angegeben, dass der zitternde Geschädigte seine leeren Hosentaschen nach außen gedreht und dabei angegeben habe, nichts mehr zu haben (UA S. 24). Dies kann darauf hindeuten, dass dieser Handlung eine Geldforderung des Angeklagten vorausgegangen ist.
13
2. Der aufgezeigte Rechtsfehler führt auch zur Aufhebung der an sich rechtsfehlerfreien Verurteilung wegen gefährlicher Körperverletzung und be- dingt auch die Aufhebung aller Feststellungen zum Fall II.1., auch derjenigen, die zum objektiven Tatgeschehen getroffen worden sind, da diese in der vorliegenden Fallkonstellation eng mit denjenigen zur subjektiven Tatseite verknüpft sind (vgl. BGH, Urteil vom 9. Februar 2017 – 3 StR 415/16, NStZ 2017, 342), um dem neuen Tatrichter insgesamt widerspruchsfreie eigene Feststellungen zu ermöglichen.
14
3. Die Aufhebung der Verurteilung in Bezug auf Fall II.1. der Urteilsgründe bedingt auch die Aufhebung der vom Landgericht gebildeten Gesamtfreiheitsstrafe sowie der unter Ziffer 3. des Urteilstenors angeordneten Einziehung eines Geldbetrags in Höhe von 100 €, dem Wert der bei der Tat im Fall II.1. erlangten Tatbeute.
Raum Bellay RinBGH Dr. Fischer und RinBGH Bär Dr. Hohoff befinden sich im Urlaub und sind an der Unterschriftsleistung gehindert. Raum

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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 398/15
vom
20. Januar 2016
BGHSt: ja
BGHR: ja
Nachschlagewerk: ja
Veröffentlichung: ja
_________________________
Notwendige Voraussetzung für eine Strafbarkeit wegen Raubes ist eine finale Verknüpfung
zwischen dem Einsatz der qualifizierten Nötigungsmittel und der Wegnahme
sowie eines räumlich-zeitlichen Zusammenhangs dergestalt, dass es zu einer
nötigungsbedingten Einschränkung der Dispositionsfreiheit des Gewahrsamsinhabers
über das Tatobjekt gekommen ist.
BGH, Urteil vom 20. Januar 2016 – 1 StR 398/15 – LG München II
in der Strafsache
gegen
ECLI:DE:BGH:2016:200116U1STR398.15.0


wegen besonders schweren Raubes u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 20. Januar 2016, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof Dr. Raum,
die Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. Graf, Prof. Dr. Jäger, Prof. Dr. Radtke und die Richterin am Bundesgerichtshof Dr. Fischer,
Oberstaatsanwältin beim Bundesgerichtshof als Vertreterin der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt – in der Verhandlung – als Verteidiger, Rechtsanwalt – in der Verhandlung – als Vertreter des Nebenklägers,
Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts München II vom 27. April 2015 mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schweren Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von neun Jahren verurteilt.
2
Die auf die Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat Erfolg.

I.

3
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts lernte der Angeklagte über die Website „P. “, die der Anbahnung homosexueller Kontakte dient, den späteren Geschädigten K. kennen. Der Angeklagte, der selbst ohne Wohnung und mittellos war, besuchte ihn am 10. Juli 2014. Sie verabredeten einen weiteren Besuch des Angeklagten für den Abend desselben Tages. Am Ende des Abends legten sie sich gemeinsam schlafen.
4
Spätestens gegen 5.00 Uhr am nächsten Morgen fasste der Angeklagte den Entschluss, den Geschädigten durch Schläge auf den Kopf „kampfunfähig“ zu machen, um ungestört die Wohnung nach Wertgegenständen durchsuchen zu können. Er holte aus der Küche einen hölzernen Fleischhammer mit einer Stiellänge von 29 cm, der an den Schlagflächen mit Metallplatten von 5 cm Durchmesser versehen war, und eine ungeöffnete Flasche Sekt mit einem Inhalt von 0,75 l und einem Gewicht von 1,6 kg. Den Hals der Flasche umwickelte er mit einer Serviette, um sich beim Zerbrechen der Flasche nicht zu verletzen.
5
Ihm war bewusst, dass heftige Schläge mit harten Gegenständen gegen den Kopf eines Menschen geeignet sind, lebensgefährliche Verletzungen hervorzurufen. Dies und den möglichen Tod des Geschädigten als Folge seines Handelns nahm der Angeklagte billigend in Kauf.
6
Mit dem Fleischhammer und der Sektflasche in den Händen trat der Angeklagte an das Bett des schlafenden Geschädigten heran und schlug ihm die Flasche und den Fleischhammer gegen den Kopf. Hierbei ging die Flasche zu Bruch. Der Geschädigte wachte auf und lief in den Flur. Dort schlug der Angeklagte dem Geschädigten ein Blumentopfgestell aus Acryl gegen den Kopf oder gegen die Schulter. Dabei zerbrach das Gestell. Das Geschehen verlagerte sich in die Küche und der Angeklagte schlug nunmehr mit einem Barhocker auf den Geschädigten ein. Als es dem Geschädigten gelang, den Angeklagten wegzudrücken, ließ dieser von weiteren Attacken ab. Insgesamt versetzte der Angeklagte dem Geschädigten mindestens fünf Schläge gegen den Kopf.
7
Der Geschädigte erlitt einen Schädelbasisbruch mit einem Bruch im Bereich der rechten Stirnhöhlen mit Verbringung von Fragmenten in die Stirnhöhle , einen Bruch des Nasenbeins sowie einen Bruch der unteren linken Augenhöhle , der inneren linken Augenhöhle und des Augenhöhlendachs links sowie weitere Verletzungen.
8
Aufgrund der erlittenen Kopfverletzungen blutete er stark, weswegen er fast nichts sah. Er ging deshalb ins Badezimmer, um sich zu säubern, und anschließend ins Schlafzimmer, um sich anzuziehen. Während dessen duschte der Angeklagte im Badezimmer. Dort nahm er aus einem Schrank eine im Ei- gentum des Geschädigten stehende Goldkette im Wert von mindestens 930 € an sich und kleidete sich in der Küche an. Das in der Küche liegende Smartphone des Geschädigten steckte er ebenfalls ein und begab sich zur Wohnungstür. Es gelang ihm aber nicht, den Mechanismus der Sperrkette zu öffnen , so dass ihm der Geschädigte öffnen musste.
9
Nachdem der Angeklagte gegangen war, verständigte der Geschädigte den Rettungsdienst.
10
Die Goldkette versetzte der Angeklagte in einem Leihhaus, erhielt 930 € und zahlte von diesem Geld Schulden zurück.
11
2. Die Strafkammer hat in ihrer rechtlichen Würdigung das Tatgeschehen als (besonders) schweren Raub (§ 249 Abs. 1, § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB) in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung (§ 223 Abs. 1, § 224 Abs. 1 Nr. 2 und 5 StGB) gewertet. Von dem Versuch des Mordes aus Habgier und zur Ermöglichung einer Straftat sei der Angeklagte strafbefreiend zurückgetreten.
12
Der Tatbestand des schweren Raubes sei gegeben, da der Angeklagte dem Geschädigten mit Gewalt in Form von Schlägen die Goldkette und das Smartphone weggenommen habe. Darauf sei sein Vorsatz von vorneherein gerichtet gewesen. Bei dem Raub habe er die Flasche Sekt und den Fleischhammer – zwei in der konkreten Verwendung gefährliche Werkzeuge – verwendet.

II.

13
Die Revision des Angeklagten ist begründet.
14
1. Die Feststellungen tragen den Schuldspruch wegen (besonders) schweren Raubes (§ 249 Abs. 1, § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB) nicht. Notwendige Voraussetzung für eine Strafbarkeit wegen Raubes ist eine finale Verknüpfung zwischen dem Einsatz der qualifizierten Nötigungsmittel und der Wegnahme sowie eines räumlich-zeitlichen Zusammenhangs dergestalt, dass es zu einer nötigungsbedingten Einschränkung der Dispositionsfreiheit des Gewahrsamsinhabers über das Tatobjekt gekommen ist.
15
a) Nach ständiger Rechtsprechung muss zwischen der Drohung mit oder dem Einsatz von Gewalt und der Wegnahme beim Raub eine finale Verknüpfung bestehen; Gewalt oder Drohung müssen das Mittel zur Ermöglichung der Wegnahme sein. An einer solchen Verknüpfung fehlt es, wenn eine Nötigungshandlung nicht zum Zwecke der Wegnahme vorgenommen wird, sondern der Täter den Entschluss zur Wegnahme erst nach Abschluss dieser Handlung fasst (vgl. BGH, Urteile vom 22. September 1983 – 4 StR 376/83, BGHSt 32, 88, 92 und vom 20. April 1995 – 4 StR 27/95, BGHSt 41, 123, 124; Beschlüsse vom 16. Januar 2003 – 4 StR 422/02, NStZ 2003, 431, 432, vom 21. März 2006 – 3 StR 3/06, NStZ 2006, 508, vom 24. Februar 2009 – 5 StR 39/09, NStZ 2009, 325, vom 25. September 2012 – 2 StR 340/12, NStZ-RR 2013, 45, 46 und vom 18. Februar 2014 – 5 StR 41/14, NStZ 2015, 156).
16
Deshalb genügt der Umstand, dass die Wirkungen eines ohne Wegnahmevorsatz eingesetzten Nötigungsmittels noch andauern und der Täter dies ausnutzt, für die Annahme eines Raubes nicht (vgl. BGH, Beschlüsse vom 20. Juni 2001 – 3 StR 176/01, vom 21. März 2006 – 3 StR 3/06, NStZ 2006, 508, vom 24. Februar 2009 – 5 StR 39/09, NStZ 2009, 325 und vom 25. September 2012 – 2 StR 340/12, NStZ-RR 2013, 45). Auch das bloße Ausnutzen der Angst eines der Einwirkung des Täters schutzlos ausgelieferten Opfers vor Fortführung bislang nicht auf die Ermöglichung der Wegnahme von Sachen gerichteter Gewalthandlungen reicht – ohne aktuelle Drohung erneuter Gewaltanwendung – nicht aus (vgl. BGH, Urteil vom 8. Mai 2013 – 2 StR 558/12, NStZ 2013, 648; Beschlüsse vom 25. Februar 2014 – 4 StR 544/13, NStZ 2014, 269 und vom 18. Februar 2014 – 5 StR 41/14, NStZ 156, 157).
17
Demnach ist der Straftatbestand des Raubes regelmäßig dann gegeben, wenn mit dem Nötigungsmittel körperlicher Widerstand überwunden oder aufgrund der Zwangswirkung unterlassen und es hierdurch dem Täter ermöglicht wird, den Gewahrsam zu brechen. Der Tatbestand verlangt allerdings nicht, dass der Einsatz des Nötigungsmittels objektiv erforderlich ist oder die Wegnahme zumindest kausal fördert (BGH, Urteile vom 21. Mai 1953 – 4 StR 787/52, BGHSt 4, 210, 211 und vom 19. April 1963 – 4 StR 92/63, BGHSt 18, 329, 331). Es genügt, dass aus Sicht des Täters der Einsatz des Nötigungsmittels notwendig ist (Finalzusammenhang). Allein seine Vorstellung und sein Wille sind für den Finalzusammenhang maßgebend (BGH, Urteile vom 19. April 1963 – 4 StR 92/63, BGHSt 18, 329, 331 und vom 6. Oktober 1992 – 1 StR 554/92, NStZ 1993, 79; Beschluss vom 28. April 1989 – 4 StR 184/89, StV 1990, 159, 160).
18
Dieser maßgebliche Finalzusammenhang als solcher ist deshalb grundsätzlich unabhängig von der räumlichen und zeitlichen Einordnung der Wegnahmehandlung in das zweiaktige Tatgeschehen eines Raubes (vgl.Albrecht, Die Struktur des Raubtatbestandes (§ 249 Abs. 1 StGB), 2011, S. 103).
19
b) Nach den Feststellungen war der „subjektiv-finale Konnex“ gegeben. Der Angeklagte handelte während der Gewaltanwendung mit Zueignungsabsicht ; er wollte gegen das Opfer Gewalt ausüben, um nach der Gewaltanwendung ungehindert Wertgegenstände aus der Wohnung entwenden zu können und er hat die Gewalt gegen das Opfer zu diesem Zweck verübt. Aus seiner Sicht war die Anwendung von Gewalt erforderlich, um den Gewahrsam des Opfers zu brechen.
20
Der einzige Mangel des inneren Tatbestands betraf die Wirkungsweise der Gewalt. Während der Angeklagte bei der Gewaltanwendung annahm, der Geschädigte werde keinen Widerstand leisten, weil er ihn betäubt oder erschlagen hat, blieb er bei der Suche nach Wertgegenständen deshalb unbehelligt , weil sein Gewalteinsatz dazu geführt hatte, dass das Opfer schwer verletzt war, kaum noch etwas sah, sich vom Blut reinigte, anzog und dann den Rettungsdienst verständigte.
21
Diese Abweichung der Vorstellung des Angeklagten zum Zeitpunkt der Nötigungshandlung über die Verknüpfung von Nötigungshandlung und Wegnahme von der Verknüpfung, wie sie sich dann tatsächlich darstellte, hebt den Finalzusammenhang aber nicht auf; denn es handelte sich nur um eine unerhebliche Abweichung. Die angewendete Gewalt nötigte das Opfer, die Weg- nahme zu dulden und die Wegnahme wurde bei ununterbrochen fortbestehendem Wegnahmevorsatz (mit Zueignungsabsicht) auch umgesetzt.
22
In der Rechtsprechung ist als Rechtsfigur der unerheblichen Abweichung des tatsächlichen vom vorgestellten Kausalverlauf anerkannt, dass eine Divergenz zwischen dem eingetretenen und dem vom Täter gedachten Geschehensablauf im Rahmen der Prüfung des Vorsatzes regelmäßig dann unbeachtlich ist, wenn sie unwesentlich ist, namentlich weil beide Kausalverläufe gleichwertig sind (BGH, Urteile vom 21. April 1955 – 4 StB 552/54, BGHSt 7, 325, 329, vom 9. Oktober 1969 – 2 StR 376/69, BGHSt 23, 133, 135 und vom 10. April 2002 – 5 StR 613/01, NStZ 2002, 475, 476; Beschluss vom 11. Juli 1991 – 1 StR 357/91, BGHSt 38, 32, 34, Fischer, StGB, 63. Aufl., § 16 Rn. 7).
23
Dieser Gedanke gilt auch für Abweichungen des vorgestellten Finalzusammenhangs von der tatsächlichen Verknüpfung von Nötigungshandlung und Wegnahme. Abweichungen des tatsächlichen vom vorgestellten Finalverlauf sind für die rechtliche Bewertung bedeutungslos, wenn sie sich innerhalb der Grenzen des nach allgemeiner Lebenserfahrung Voraussehbaren halten und keine andere Bewertung der Tat rechtfertigen (vgl. entsprechend zum „Kausal- verlauf“, BGH, Beschluss vom 11. Juli 1991 – 1 StR 357/91, BGHSt 38, 32, 34).
24
Demnach ist es unerheblich, ob sich das Opfer nach Abschluss der vom Täter zum Zweck der Duldung der Wegnahme verübten Tathandlung entschließt , die Wegnahme wegen des zuvor angewendeten Nötigungsmittels zu dulden oder infolge des Einsatzes des Nötigungsmittels nicht mehr in der Lage ist, einen entsprechenden Willen zu bilden und umzusetzen wie dies bei Bewusstlosigkeit , schweren Verletzungen oder Fesselung der Fall ist. Ergreift das Opfer vor der Wegnahme die Flucht, liegt in diesem Verhalten die konkludente Preisgabe seines Eigentums. Aus Sicht des Opfers ist es gleichgültig, ob das Dulden der Wegnahme oder die Unmöglichkeit Widerstand zu leisten auf Fesselung , Bewusstlosigkeit oder verletzungsbedingter Wehrlosigkeit beruht (Fischer, StGB, 63. Aufl., § 249 Rn. 12b; vgl. Albrecht, aaO, S. 147 „Schwächung der … Verteidigungsfähigkeit oder -bereitschaft des Opfers als Nöti- gungserfolg“). Die je nach Konstitution und Persönlichkeit des Opfers unter- schiedlichen Reaktionen auf die Gewalthandlung des Täters sind für das Fortbestehen eines Finalzusammenhangs ohne Relevanz.
25
Der Finalzusammenhang war daher gegeben.
26
c) Über den Finalzusammenhang hinaus müssen Nötigung und Wegnahme aber im Hinblick auf den spezifischen Unrechtsgehalt des Raubes auch in einem bestimmten räumlichen und zeitlichen Verhältnis zueinanderstehen.
27
Dieses neben den Finalzusammenhang tretende eigenständige Merkmal folgt aus der gegenüber einem Diebstahl erhöhten Strafdrohung bei Raub. Sie beruht auf dem wesentlich höheren Schuld- und Unrechtsgehalt, der an den Einsatz von qualifizierten Nötigungsmitteln zur Herbeiführung des Gewahrsamsbruchs beim Opfer anknüpft (vgl. BGH, Urteil vom 25. März 2009 – 5 StR 31/09, BGHSt 53, 234, 236; Streng GA 2010, 671, 675). Aus der unrechtssteigernden Funktionalisierung von Nötigungsmitteln für den Eingriff in fremdes Eigentum folgt, dass der subjektiv-final auf „Wegnahme mit Gewalt gegen eine Person oder unter Anwendung von Drohungen mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben“ gerichtete Tatentschluss sich auch tatsächlich in einer „Wegnahme mit Gewalt“ oder „unter Anwendung von Drohungen“ realisieren muss und die den Raub konstituierenden Elemente der Nötigungshandlung und der Wegnahme eine raubspezifische Einheit bilden (vgl. Streng, aaO, S. 675). Sie dürfen nicht isoliert nebeneinanderstehen, sondern müssen das typische Tatbild eines Raubes ergeben. Eine solche raubspezifische Einheit von qualifizier- ter Nötigung und Wegnahme liegt regelmäßig lediglich dann vor, wenn es zu einer – in der Vorstellung des Täters nachvollzogenen – nötigungsbedingten Einschränkung der Dispositionsfreiheit des Gewahrsamsinhabers über das Tatobjekt gekommen ist (vgl. Albrecht, aaO, S. 134 und S. 141).
28
Daran könnte es dann fehlen, wenn ein durch die Nötigung hervorgerufenes Verhalten des Opfers nach Abschluss der qualifizierten Nötigungshandlung weder objektiv noch nach der Tätervorstellung ein notwendiges Zwischenziel zur Begründung des Gewahrsams ist (vgl. Albrecht, aaO, S. 127).
29
Nicht gefordert für den raubspezifischen Zusammenhang ist, dass der Ort der Nötigungshandlung und der Wegnahmehandlung identisch sind oder ein bestimmtes Maß an zeitlicher oder örtlicher Differenz zwischen Nötigung und Wegnahme nicht überschritten werden darf (vgl. BGH, Urteil vom 15. Dezember 1983 – 4 StR 640/83, bei Holtz, MDR 1984, 276 und Beschluss vom 13. Oktober 2005 – 5 StR 366/05, NStZ 2006, 38; MünchKommStGB/Sander, 2. Aufl., § 249, Rn. 27). Es entscheiden jeweils die Umstände des Einzelfalls.
30
d) Ob der raubspezifische, also auf die nötigungsbedingte Einschränkung der Dispositionsfreiheit des Opfers über das Tatobjekt bezogene, zeitliche und räumliche Zusammenhang vorlag, lässt sich den Feststellungen des Urteils nicht hinreichend sicher entnehmen.
31
Es bleibt offen, warum der Geschädigte nicht sofort nach Abschluss der Gewaltanwendung den Rettungsdienst verständigte, weshalb er später dem Angeklagten sogar beim Verlassen der Wohnung behilflich war, und weshalb der Angeklagte seinen nach den Feststellungen fortbestehenden Wegnahmevorsatz nicht sofort nach der Gewaltanwendung umgesetzt hat, obwohl der Geschädigte sichtbar unter der Wirkung der ausgeübten Gewalt stand. Dem Urteil lässt sich auch nicht entnehmen, ob der Angeklagte im Badezimmerschrank, in der Küche oder anderswo nach Wertsachen suchte und welche Zeit in etwa zwischen dem Ende der körperlichen Auseinandersetzung und der Wegnahme verstrichen ist.
32
Eine nähere Erklärung, weshalb der Angeklagte sich veranlasst sah, erst zu duschen und sich anzukleiden und nicht sofort mit etwaiger Beute die Flucht ergriff, findet sich im Urteil nicht.
33
Gab der Geschädigte die Wertgegenstände dem ungehinderten Zugriff des Angeklagten preis, weil er sich infolge der verübten Gewalt nicht mehr willens und in der Lage sah, seinen Gewahrsam zu schützen, spräche dies trotz der verstrichenen Zeit und der wiederholten Ortsveränderung von Täter und Opfer für den erforderlichen räumlichen und zeitlichen Zusammenhang zwischen Nötigungshandlung und Wegnahme. Dasselbe gilt, soweit das Verhalten des Angeklagten der Vorbereitung seiner Flucht mit etwaiger Beute diente oder die vorangegangene Anwendung von Gewalt durch ausdrückliche oder konkludente Drohung aktualisiert wurde.
34
e) Wirkte die vorangegangene Gewaltanwendung bei der Wegnahme nicht willensbeugend, gab also der Geschädigte die Wertgegenstände in seiner Wohnung dem Zugriff des Angeklagten aus anderen Gründen preis, käme wegen des einen Gewahrsamsbruch ausschließenden Einverständnisses mit der Wegnahme lediglich ein versuchter Raub in Betracht.
35
2. Die Sache bedarf deshalb insgesamt neuer Verhandlung und Entscheidung , da nicht ausgeschlossen werden kann, dass das Landgericht in neuer Hauptverhandlung Feststellungen zu treffen vermag, die eine Verurteilung wegen Raubes stützen. Der Senat hebt deshalb das Urteil einschließlich der Feststellungen insgesamt auf, um dem neuen Tatrichter Gelegenheit zu geben, den Sachverhalt umfassend aufzuklären. Raum Graf Jäger Radtke Fischer

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR 340/12
vom
25. September 2012
in der Strafsache
gegen
wegen besonders schweren Raubes u.a.
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 25. September 2012 gemäß
§ 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Kassel vom 11. April 2012 im Fall II.1 der Urteilsgründe sowie im Gesamtstrafenausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben. 2. Die Sache wird im Umfang der Aufhebung zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen besonders schweren Raubes sowie wegen räuberischer Erpressung in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten verurteilt. Gegen dieses Urteil richtet sich die auf die Rügen der Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten. Das Rechtsmittel hat in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang mit der Sachrüge Erfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.

I.

2
Nach den zu Fall II.1 getroffenen Feststellungen nahm der Angeklagte am Abend des 9. März 2001 Kontakt zu der Geschädigten auf, die auf dem "Straßenstrich" der Prostitution nachging. Gegen Zahlung von 50 DM führte sie in seinem Pkw bei ihm den Oralverkehr durch. Nachdem dies auch nach längerer Zeit zu keiner Befriedigung des Angeklagten geführt und die Geschädigte ihre Dienstleistung daraufhin abgebrochen hatte, hinderte der Angeklagte die Geschädigte nach kurzer Diskussion und dem Verlassen des Fahrzeugs daran, sich vom Ort des Geschehens zu entfernen. Er drückte sie gegen einen Zaun und schlug ihr mit der Faust mehrfach ins Gesicht, bis sie zu Boden ging. Anschließend trat er mehrere Male kraftvoll auf ihren Kopf ein, bis sie sich aus Angst vor weiterer Gewaltanwendung nicht mehr rührte. In diesem Moment beschloss der Angeklagte, der Geschädigten die zuvor gezahlten 50 DM wieder wegzunehmen. Hierbei erkannte er, dass die Geschädigte dies dulden würde, weil sie weitere Tritte befürchtete. Diese Angst zielgerichtet ausnutzend nahm der Angeklagte nun die Jacke der Geschädigten an sich, in der sich neben dem betreffenden Geld ihr Mobiltelefon und weitere Wertgegenstände befanden, und fuhr davon.

II.

3
Diese Feststellungen tragen den Schuldspruch wegen besonders schweren Raubes (§ 249 Abs. 1, § 250 Abs. 2 Nr. 3a StGB) nicht. Nach ständiger Rechtsprechung muss zwischen der Drohung mit oder dem Einsatz von Gewalt und der Wegnahme beim Raub eine finale Verknüpfung bestehen; Gewalt oder Drohung müssen das Mittel zur Ermöglichung der Wegnahme sein. An einer solchen Verknüpfung fehlt es, wenn eine Nötigungshandlung nicht zum Zwecke der Wegnahme vorgenommen wird, sondern der Täter den Entschluss zur Wegnahme erst nach Abschluss dieser Handlung fasst (vgl. BGH, Urteil vom 22. September 1983 – 4 StR 376/83, BGHSt 32, 88, 92; Urteil vom 20. April 1995 - 4 StR 27/95, BGHSt 41, 123, 124; Beschluss vom 16. Januar 2003 - 4 StR 422/02, NStZ 2003, 431, 432; Beschluss vom 24. Februar 2009 - 5 StR 39/09, NStZ 2009, 325; Fischer, StGB, 59. Aufl., § 249 Rn. 6, 10 mwN). Hier hatte sich nach den Feststellungen der Angeklagte erst nach seiner letzten Gewaltanwendung zur Wegnahme entschlossen. Eine Äußerung oder sonstige Handlung des Angeklagten vor oder bei der Wegnahme, die eine – eventuell konkludent auf die vorausgehende Gewaltausübung Bezug nehmende – Drohung mit weiterer Gewalt beinhaltet, ist nicht festgestellt. Allein der Umstand, dass die Wirkungen der ohne Wegnahmeabsicht ausgeübten Gewalt noch andauern und der Täter dies ausnutzt, genügt für die Annahme eines Raubes nicht (vgl. BGH, Beschluss vom 21. März 2006 - 3 StR 3/06, NStZ 2006, 508; Beschluss vom 24. Februar 2009 – 5 StR 39/09, NStZ 2009, 325f.).
4
Die Aufhebung der Verurteilung im Fall II.1 der Urteilsgründe führt zum Wegfall der zugehörigen Einzelstrafe und bedingt die Aufhebung des Gesamtstrafenausspruchs.
Becker RiBGH Dr. Appl befindet sich Berger im Urlaub und ist daher gehindert zu unterschreiben. Becker Krehl Ott

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
5 StR41/14
vom
18. Februar 2014
in der Strafsache
gegen
wegen besonders schweren Raubes u.a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 18. Februar 2014 beschlossen
:
1. Auf die Revision des Angeklagten W. wird das Urteil
des Landgerichts Zwickau vom 30. Oktober 2013 – auch
soweit es die Mitangeklagte B. betrifft – nach § 349
Abs. 4 StPO mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung,
auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere
Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten W. wegen Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und wegen besonders schweren Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und drei Monaten verurteilt; die nichtrevidierende Mitangeklagte B. hat es wegen Raubes in zwei Fällen jeweils in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und neun Monaten verurteilt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Die auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten hat Erfolg.
2
1. Nach den Feststellungen besuchten am 20. April 2013 der Angeklagte W. und die Angeklagte B. , die von ihrer Tochter und deren Freund, dem gesondert Verfolgten S. begleitet wurde, die geschädigten Eheleu- te F. in deren Wohnung. Über ein als unangemessen gewertetes Ansinnen erbost versetzte zunächst die Angeklagte B. , sodann der ebenfalls verärgerte Angeklagte W. dem Geschädigten Schläge in das Gesicht. Im Bewusstsein ihrer körperlichen Überlegenheit und in Ansehung des durch die Schläge deutlich eingeschüchterten Geschädigten kamen der Angeklagte W. und S. spontan überein, aus der Wohnung der Eheleute brauchbare Gegenstände wegzunehmen. Unter dem Eindruck der erhaltenen Schläge ließ es der Geschädigte F. widerstandslos zu, dass der Angeklagte W. und S. Gegenstände im Gesamtwert von ca. 100 € zusammenpackten. Dieses Tun billigte die Angeklagte B. , in deren Wohnung das Stehlgut anschließend verbracht wurde (Fall II.1 der Urteilsgründe).
3
Drei Tage später suchten der Angeklagte W. , die Angeklagte B. , ihre Tochter und S. erneut die Eheleute F. auf. Wiederum erzürnte sich die Angeklagte B. und schlug dem Geschädigten mehrfach in das Gesicht. Der Angeklagte W. und S. schlossen sich diesen Tätlichkeiten an. Weiterhin brachte der Angeklagte W. dem Geschädigten an den Händen mit einer glimmenden Zigarette Brandwunden bei. Nachdem es dem Geschädigten gelungen war, in ein anderes Zimmer der Wohnung zu flüchten, entwendeten der Angeklagte W. und S. aus der Wohnung der Eheleute F. „ungestört in Ausnutzung der fortwirkenden Gewalt“ Gegenstände im Gesamtwert von ca. 100 €. Die Angeklagte B. machte sich die Wegnahme zu eigen, indem sie half, die entwendeten Sachen in ihre Wohnung zu tragen (Fall II.2 der Urteilsgründe).
4
2. Diese Feststellungen tragen die Verurteilung des Angeklagten W. wegen Raubes und besonders schweren Raubes (§ 249 Abs. 1, § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB) nicht. Nach ständiger Rechtsprechung muss zwischen der Drohung mit oder dem Einsatz von Gewalt und der Wegnahme beim Raub eine finale Verknüpfung bestehen; Gewalt oder Drohung müssen das Mittel zur Ermöglichung der Wegnahme sein. An einer solchen Verknüpfung fehlt es, wenn eine Nötigungshandlung nicht zum Zwecke der Wegnahme vorgenommen wird, sondern der Täter den Entschluss zur Wegnahme erst nach Abschluss dieser Handlung fasst (vgl. BGH, Urteil vom 22. September 1983 – 4 StR 376/83, BGHSt 32, 88, 92; Urteil vom 20. April 1995 – 4 StR 27/95, BGHSt 41, 123, 124; Urteil vom 16. Januar 2003 – 4 StR 422/02, NStZ 2003, 431, 432; Beschluss vom 24. Februar 2009 – 5 StR 39/09, NStZ 2009, 325; MünchKomm/Sander, StGB, 2. Aufl., § 249 Rn. 31 mwN). Hier hatte sich der Angeklagte nach den Feststellungen jeweils erst nach seiner letzten Gewaltanwendung zur Wegnahme entschlossen. Eine Äußerung oder sonstige Handlung des Angeklagten vor der Wegnahme, die eine auch nur konkludente Drohung mit weiterer Gewalt beinhaltete, ist nicht festgestellt. Allein der Umstand, dass die Wirkungen eines ohne Wegnahmeabsicht eingesetzten Nötigungsmittels noch andauern und der Täter dies ausnutzt, genügt für die Annahme eines Raubes nicht (vgl. BGH, Beschlüsse vom 21. März 2006 – 3 StR 3/06, NStZ 2006, 508; vom 24. Februar 2009 – 5 StR 39/09, NStZ 2009, 325; vom 25. September 2012 – 2 StR 340/12, NStZ-RR 2013, 45). Das bloße Ausnutzen der Angst eines der Einwirkung des Täters schutzlos ausgelieferten Opfers reicht nicht aus (vgl. BGH, Urteil vom 8. Mai 2013 – 2 StR 558/12, NStZ 2013,

648).


5
3. Die Sache bedarf deshalb insgesamt neuer Verhandlung und Entscheidung , da nicht ausgeschlossen werden kann, dass das Landgericht in neuer Hauptverhandlung Feststellungen zu treffen vermag, die eine Verurteilung wegen Raubdelikten stützen.
6
Da der aufgezeigte materiellrechtliche Fehler des Urteils die nicht revidierende Mitangeklagte B. in gleicher Weise betrifft, ist die Aufhebung auf sie zu erstrecken, nachdem sie – zum Antrag des Generalbundesanwalts auf Entscheidung nach § 357 StPO über ihren Verteidiger angehört – einer solchen Erstreckung nicht widersprochen hat.
Basdorf Sander Schneider
Berger Bellay

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 398/15
vom
20. Januar 2016
BGHSt: ja
BGHR: ja
Nachschlagewerk: ja
Veröffentlichung: ja
_________________________
Notwendige Voraussetzung für eine Strafbarkeit wegen Raubes ist eine finale Verknüpfung
zwischen dem Einsatz der qualifizierten Nötigungsmittel und der Wegnahme
sowie eines räumlich-zeitlichen Zusammenhangs dergestalt, dass es zu einer
nötigungsbedingten Einschränkung der Dispositionsfreiheit des Gewahrsamsinhabers
über das Tatobjekt gekommen ist.
BGH, Urteil vom 20. Januar 2016 – 1 StR 398/15 – LG München II
in der Strafsache
gegen
ECLI:DE:BGH:2016:200116U1STR398.15.0


wegen besonders schweren Raubes u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 20. Januar 2016, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof Dr. Raum,
die Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. Graf, Prof. Dr. Jäger, Prof. Dr. Radtke und die Richterin am Bundesgerichtshof Dr. Fischer,
Oberstaatsanwältin beim Bundesgerichtshof als Vertreterin der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt – in der Verhandlung – als Verteidiger, Rechtsanwalt – in der Verhandlung – als Vertreter des Nebenklägers,
Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts München II vom 27. April 2015 mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schweren Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von neun Jahren verurteilt.
2
Die auf die Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat Erfolg.

I.

3
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts lernte der Angeklagte über die Website „P. “, die der Anbahnung homosexueller Kontakte dient, den späteren Geschädigten K. kennen. Der Angeklagte, der selbst ohne Wohnung und mittellos war, besuchte ihn am 10. Juli 2014. Sie verabredeten einen weiteren Besuch des Angeklagten für den Abend desselben Tages. Am Ende des Abends legten sie sich gemeinsam schlafen.
4
Spätestens gegen 5.00 Uhr am nächsten Morgen fasste der Angeklagte den Entschluss, den Geschädigten durch Schläge auf den Kopf „kampfunfähig“ zu machen, um ungestört die Wohnung nach Wertgegenständen durchsuchen zu können. Er holte aus der Küche einen hölzernen Fleischhammer mit einer Stiellänge von 29 cm, der an den Schlagflächen mit Metallplatten von 5 cm Durchmesser versehen war, und eine ungeöffnete Flasche Sekt mit einem Inhalt von 0,75 l und einem Gewicht von 1,6 kg. Den Hals der Flasche umwickelte er mit einer Serviette, um sich beim Zerbrechen der Flasche nicht zu verletzen.
5
Ihm war bewusst, dass heftige Schläge mit harten Gegenständen gegen den Kopf eines Menschen geeignet sind, lebensgefährliche Verletzungen hervorzurufen. Dies und den möglichen Tod des Geschädigten als Folge seines Handelns nahm der Angeklagte billigend in Kauf.
6
Mit dem Fleischhammer und der Sektflasche in den Händen trat der Angeklagte an das Bett des schlafenden Geschädigten heran und schlug ihm die Flasche und den Fleischhammer gegen den Kopf. Hierbei ging die Flasche zu Bruch. Der Geschädigte wachte auf und lief in den Flur. Dort schlug der Angeklagte dem Geschädigten ein Blumentopfgestell aus Acryl gegen den Kopf oder gegen die Schulter. Dabei zerbrach das Gestell. Das Geschehen verlagerte sich in die Küche und der Angeklagte schlug nunmehr mit einem Barhocker auf den Geschädigten ein. Als es dem Geschädigten gelang, den Angeklagten wegzudrücken, ließ dieser von weiteren Attacken ab. Insgesamt versetzte der Angeklagte dem Geschädigten mindestens fünf Schläge gegen den Kopf.
7
Der Geschädigte erlitt einen Schädelbasisbruch mit einem Bruch im Bereich der rechten Stirnhöhlen mit Verbringung von Fragmenten in die Stirnhöhle , einen Bruch des Nasenbeins sowie einen Bruch der unteren linken Augenhöhle , der inneren linken Augenhöhle und des Augenhöhlendachs links sowie weitere Verletzungen.
8
Aufgrund der erlittenen Kopfverletzungen blutete er stark, weswegen er fast nichts sah. Er ging deshalb ins Badezimmer, um sich zu säubern, und anschließend ins Schlafzimmer, um sich anzuziehen. Während dessen duschte der Angeklagte im Badezimmer. Dort nahm er aus einem Schrank eine im Ei- gentum des Geschädigten stehende Goldkette im Wert von mindestens 930 € an sich und kleidete sich in der Küche an. Das in der Küche liegende Smartphone des Geschädigten steckte er ebenfalls ein und begab sich zur Wohnungstür. Es gelang ihm aber nicht, den Mechanismus der Sperrkette zu öffnen , so dass ihm der Geschädigte öffnen musste.
9
Nachdem der Angeklagte gegangen war, verständigte der Geschädigte den Rettungsdienst.
10
Die Goldkette versetzte der Angeklagte in einem Leihhaus, erhielt 930 € und zahlte von diesem Geld Schulden zurück.
11
2. Die Strafkammer hat in ihrer rechtlichen Würdigung das Tatgeschehen als (besonders) schweren Raub (§ 249 Abs. 1, § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB) in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung (§ 223 Abs. 1, § 224 Abs. 1 Nr. 2 und 5 StGB) gewertet. Von dem Versuch des Mordes aus Habgier und zur Ermöglichung einer Straftat sei der Angeklagte strafbefreiend zurückgetreten.
12
Der Tatbestand des schweren Raubes sei gegeben, da der Angeklagte dem Geschädigten mit Gewalt in Form von Schlägen die Goldkette und das Smartphone weggenommen habe. Darauf sei sein Vorsatz von vorneherein gerichtet gewesen. Bei dem Raub habe er die Flasche Sekt und den Fleischhammer – zwei in der konkreten Verwendung gefährliche Werkzeuge – verwendet.

II.

13
Die Revision des Angeklagten ist begründet.
14
1. Die Feststellungen tragen den Schuldspruch wegen (besonders) schweren Raubes (§ 249 Abs. 1, § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB) nicht. Notwendige Voraussetzung für eine Strafbarkeit wegen Raubes ist eine finale Verknüpfung zwischen dem Einsatz der qualifizierten Nötigungsmittel und der Wegnahme sowie eines räumlich-zeitlichen Zusammenhangs dergestalt, dass es zu einer nötigungsbedingten Einschränkung der Dispositionsfreiheit des Gewahrsamsinhabers über das Tatobjekt gekommen ist.
15
a) Nach ständiger Rechtsprechung muss zwischen der Drohung mit oder dem Einsatz von Gewalt und der Wegnahme beim Raub eine finale Verknüpfung bestehen; Gewalt oder Drohung müssen das Mittel zur Ermöglichung der Wegnahme sein. An einer solchen Verknüpfung fehlt es, wenn eine Nötigungshandlung nicht zum Zwecke der Wegnahme vorgenommen wird, sondern der Täter den Entschluss zur Wegnahme erst nach Abschluss dieser Handlung fasst (vgl. BGH, Urteile vom 22. September 1983 – 4 StR 376/83, BGHSt 32, 88, 92 und vom 20. April 1995 – 4 StR 27/95, BGHSt 41, 123, 124; Beschlüsse vom 16. Januar 2003 – 4 StR 422/02, NStZ 2003, 431, 432, vom 21. März 2006 – 3 StR 3/06, NStZ 2006, 508, vom 24. Februar 2009 – 5 StR 39/09, NStZ 2009, 325, vom 25. September 2012 – 2 StR 340/12, NStZ-RR 2013, 45, 46 und vom 18. Februar 2014 – 5 StR 41/14, NStZ 2015, 156).
16
Deshalb genügt der Umstand, dass die Wirkungen eines ohne Wegnahmevorsatz eingesetzten Nötigungsmittels noch andauern und der Täter dies ausnutzt, für die Annahme eines Raubes nicht (vgl. BGH, Beschlüsse vom 20. Juni 2001 – 3 StR 176/01, vom 21. März 2006 – 3 StR 3/06, NStZ 2006, 508, vom 24. Februar 2009 – 5 StR 39/09, NStZ 2009, 325 und vom 25. September 2012 – 2 StR 340/12, NStZ-RR 2013, 45). Auch das bloße Ausnutzen der Angst eines der Einwirkung des Täters schutzlos ausgelieferten Opfers vor Fortführung bislang nicht auf die Ermöglichung der Wegnahme von Sachen gerichteter Gewalthandlungen reicht – ohne aktuelle Drohung erneuter Gewaltanwendung – nicht aus (vgl. BGH, Urteil vom 8. Mai 2013 – 2 StR 558/12, NStZ 2013, 648; Beschlüsse vom 25. Februar 2014 – 4 StR 544/13, NStZ 2014, 269 und vom 18. Februar 2014 – 5 StR 41/14, NStZ 156, 157).
17
Demnach ist der Straftatbestand des Raubes regelmäßig dann gegeben, wenn mit dem Nötigungsmittel körperlicher Widerstand überwunden oder aufgrund der Zwangswirkung unterlassen und es hierdurch dem Täter ermöglicht wird, den Gewahrsam zu brechen. Der Tatbestand verlangt allerdings nicht, dass der Einsatz des Nötigungsmittels objektiv erforderlich ist oder die Wegnahme zumindest kausal fördert (BGH, Urteile vom 21. Mai 1953 – 4 StR 787/52, BGHSt 4, 210, 211 und vom 19. April 1963 – 4 StR 92/63, BGHSt 18, 329, 331). Es genügt, dass aus Sicht des Täters der Einsatz des Nötigungsmittels notwendig ist (Finalzusammenhang). Allein seine Vorstellung und sein Wille sind für den Finalzusammenhang maßgebend (BGH, Urteile vom 19. April 1963 – 4 StR 92/63, BGHSt 18, 329, 331 und vom 6. Oktober 1992 – 1 StR 554/92, NStZ 1993, 79; Beschluss vom 28. April 1989 – 4 StR 184/89, StV 1990, 159, 160).
18
Dieser maßgebliche Finalzusammenhang als solcher ist deshalb grundsätzlich unabhängig von der räumlichen und zeitlichen Einordnung der Wegnahmehandlung in das zweiaktige Tatgeschehen eines Raubes (vgl.Albrecht, Die Struktur des Raubtatbestandes (§ 249 Abs. 1 StGB), 2011, S. 103).
19
b) Nach den Feststellungen war der „subjektiv-finale Konnex“ gegeben. Der Angeklagte handelte während der Gewaltanwendung mit Zueignungsabsicht ; er wollte gegen das Opfer Gewalt ausüben, um nach der Gewaltanwendung ungehindert Wertgegenstände aus der Wohnung entwenden zu können und er hat die Gewalt gegen das Opfer zu diesem Zweck verübt. Aus seiner Sicht war die Anwendung von Gewalt erforderlich, um den Gewahrsam des Opfers zu brechen.
20
Der einzige Mangel des inneren Tatbestands betraf die Wirkungsweise der Gewalt. Während der Angeklagte bei der Gewaltanwendung annahm, der Geschädigte werde keinen Widerstand leisten, weil er ihn betäubt oder erschlagen hat, blieb er bei der Suche nach Wertgegenständen deshalb unbehelligt , weil sein Gewalteinsatz dazu geführt hatte, dass das Opfer schwer verletzt war, kaum noch etwas sah, sich vom Blut reinigte, anzog und dann den Rettungsdienst verständigte.
21
Diese Abweichung der Vorstellung des Angeklagten zum Zeitpunkt der Nötigungshandlung über die Verknüpfung von Nötigungshandlung und Wegnahme von der Verknüpfung, wie sie sich dann tatsächlich darstellte, hebt den Finalzusammenhang aber nicht auf; denn es handelte sich nur um eine unerhebliche Abweichung. Die angewendete Gewalt nötigte das Opfer, die Weg- nahme zu dulden und die Wegnahme wurde bei ununterbrochen fortbestehendem Wegnahmevorsatz (mit Zueignungsabsicht) auch umgesetzt.
22
In der Rechtsprechung ist als Rechtsfigur der unerheblichen Abweichung des tatsächlichen vom vorgestellten Kausalverlauf anerkannt, dass eine Divergenz zwischen dem eingetretenen und dem vom Täter gedachten Geschehensablauf im Rahmen der Prüfung des Vorsatzes regelmäßig dann unbeachtlich ist, wenn sie unwesentlich ist, namentlich weil beide Kausalverläufe gleichwertig sind (BGH, Urteile vom 21. April 1955 – 4 StB 552/54, BGHSt 7, 325, 329, vom 9. Oktober 1969 – 2 StR 376/69, BGHSt 23, 133, 135 und vom 10. April 2002 – 5 StR 613/01, NStZ 2002, 475, 476; Beschluss vom 11. Juli 1991 – 1 StR 357/91, BGHSt 38, 32, 34, Fischer, StGB, 63. Aufl., § 16 Rn. 7).
23
Dieser Gedanke gilt auch für Abweichungen des vorgestellten Finalzusammenhangs von der tatsächlichen Verknüpfung von Nötigungshandlung und Wegnahme. Abweichungen des tatsächlichen vom vorgestellten Finalverlauf sind für die rechtliche Bewertung bedeutungslos, wenn sie sich innerhalb der Grenzen des nach allgemeiner Lebenserfahrung Voraussehbaren halten und keine andere Bewertung der Tat rechtfertigen (vgl. entsprechend zum „Kausal- verlauf“, BGH, Beschluss vom 11. Juli 1991 – 1 StR 357/91, BGHSt 38, 32, 34).
24
Demnach ist es unerheblich, ob sich das Opfer nach Abschluss der vom Täter zum Zweck der Duldung der Wegnahme verübten Tathandlung entschließt , die Wegnahme wegen des zuvor angewendeten Nötigungsmittels zu dulden oder infolge des Einsatzes des Nötigungsmittels nicht mehr in der Lage ist, einen entsprechenden Willen zu bilden und umzusetzen wie dies bei Bewusstlosigkeit , schweren Verletzungen oder Fesselung der Fall ist. Ergreift das Opfer vor der Wegnahme die Flucht, liegt in diesem Verhalten die konkludente Preisgabe seines Eigentums. Aus Sicht des Opfers ist es gleichgültig, ob das Dulden der Wegnahme oder die Unmöglichkeit Widerstand zu leisten auf Fesselung , Bewusstlosigkeit oder verletzungsbedingter Wehrlosigkeit beruht (Fischer, StGB, 63. Aufl., § 249 Rn. 12b; vgl. Albrecht, aaO, S. 147 „Schwächung der … Verteidigungsfähigkeit oder -bereitschaft des Opfers als Nöti- gungserfolg“). Die je nach Konstitution und Persönlichkeit des Opfers unter- schiedlichen Reaktionen auf die Gewalthandlung des Täters sind für das Fortbestehen eines Finalzusammenhangs ohne Relevanz.
25
Der Finalzusammenhang war daher gegeben.
26
c) Über den Finalzusammenhang hinaus müssen Nötigung und Wegnahme aber im Hinblick auf den spezifischen Unrechtsgehalt des Raubes auch in einem bestimmten räumlichen und zeitlichen Verhältnis zueinanderstehen.
27
Dieses neben den Finalzusammenhang tretende eigenständige Merkmal folgt aus der gegenüber einem Diebstahl erhöhten Strafdrohung bei Raub. Sie beruht auf dem wesentlich höheren Schuld- und Unrechtsgehalt, der an den Einsatz von qualifizierten Nötigungsmitteln zur Herbeiführung des Gewahrsamsbruchs beim Opfer anknüpft (vgl. BGH, Urteil vom 25. März 2009 – 5 StR 31/09, BGHSt 53, 234, 236; Streng GA 2010, 671, 675). Aus der unrechtssteigernden Funktionalisierung von Nötigungsmitteln für den Eingriff in fremdes Eigentum folgt, dass der subjektiv-final auf „Wegnahme mit Gewalt gegen eine Person oder unter Anwendung von Drohungen mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben“ gerichtete Tatentschluss sich auch tatsächlich in einer „Wegnahme mit Gewalt“ oder „unter Anwendung von Drohungen“ realisieren muss und die den Raub konstituierenden Elemente der Nötigungshandlung und der Wegnahme eine raubspezifische Einheit bilden (vgl. Streng, aaO, S. 675). Sie dürfen nicht isoliert nebeneinanderstehen, sondern müssen das typische Tatbild eines Raubes ergeben. Eine solche raubspezifische Einheit von qualifizier- ter Nötigung und Wegnahme liegt regelmäßig lediglich dann vor, wenn es zu einer – in der Vorstellung des Täters nachvollzogenen – nötigungsbedingten Einschränkung der Dispositionsfreiheit des Gewahrsamsinhabers über das Tatobjekt gekommen ist (vgl. Albrecht, aaO, S. 134 und S. 141).
28
Daran könnte es dann fehlen, wenn ein durch die Nötigung hervorgerufenes Verhalten des Opfers nach Abschluss der qualifizierten Nötigungshandlung weder objektiv noch nach der Tätervorstellung ein notwendiges Zwischenziel zur Begründung des Gewahrsams ist (vgl. Albrecht, aaO, S. 127).
29
Nicht gefordert für den raubspezifischen Zusammenhang ist, dass der Ort der Nötigungshandlung und der Wegnahmehandlung identisch sind oder ein bestimmtes Maß an zeitlicher oder örtlicher Differenz zwischen Nötigung und Wegnahme nicht überschritten werden darf (vgl. BGH, Urteil vom 15. Dezember 1983 – 4 StR 640/83, bei Holtz, MDR 1984, 276 und Beschluss vom 13. Oktober 2005 – 5 StR 366/05, NStZ 2006, 38; MünchKommStGB/Sander, 2. Aufl., § 249, Rn. 27). Es entscheiden jeweils die Umstände des Einzelfalls.
30
d) Ob der raubspezifische, also auf die nötigungsbedingte Einschränkung der Dispositionsfreiheit des Opfers über das Tatobjekt bezogene, zeitliche und räumliche Zusammenhang vorlag, lässt sich den Feststellungen des Urteils nicht hinreichend sicher entnehmen.
31
Es bleibt offen, warum der Geschädigte nicht sofort nach Abschluss der Gewaltanwendung den Rettungsdienst verständigte, weshalb er später dem Angeklagten sogar beim Verlassen der Wohnung behilflich war, und weshalb der Angeklagte seinen nach den Feststellungen fortbestehenden Wegnahmevorsatz nicht sofort nach der Gewaltanwendung umgesetzt hat, obwohl der Geschädigte sichtbar unter der Wirkung der ausgeübten Gewalt stand. Dem Urteil lässt sich auch nicht entnehmen, ob der Angeklagte im Badezimmerschrank, in der Küche oder anderswo nach Wertsachen suchte und welche Zeit in etwa zwischen dem Ende der körperlichen Auseinandersetzung und der Wegnahme verstrichen ist.
32
Eine nähere Erklärung, weshalb der Angeklagte sich veranlasst sah, erst zu duschen und sich anzukleiden und nicht sofort mit etwaiger Beute die Flucht ergriff, findet sich im Urteil nicht.
33
Gab der Geschädigte die Wertgegenstände dem ungehinderten Zugriff des Angeklagten preis, weil er sich infolge der verübten Gewalt nicht mehr willens und in der Lage sah, seinen Gewahrsam zu schützen, spräche dies trotz der verstrichenen Zeit und der wiederholten Ortsveränderung von Täter und Opfer für den erforderlichen räumlichen und zeitlichen Zusammenhang zwischen Nötigungshandlung und Wegnahme. Dasselbe gilt, soweit das Verhalten des Angeklagten der Vorbereitung seiner Flucht mit etwaiger Beute diente oder die vorangegangene Anwendung von Gewalt durch ausdrückliche oder konkludente Drohung aktualisiert wurde.
34
e) Wirkte die vorangegangene Gewaltanwendung bei der Wegnahme nicht willensbeugend, gab also der Geschädigte die Wertgegenstände in seiner Wohnung dem Zugriff des Angeklagten aus anderen Gründen preis, käme wegen des einen Gewahrsamsbruch ausschließenden Einverständnisses mit der Wegnahme lediglich ein versuchter Raub in Betracht.
35
2. Die Sache bedarf deshalb insgesamt neuer Verhandlung und Entscheidung , da nicht ausgeschlossen werden kann, dass das Landgericht in neuer Hauptverhandlung Feststellungen zu treffen vermag, die eine Verurteilung wegen Raubes stützen. Der Senat hebt deshalb das Urteil einschließlich der Feststellungen insgesamt auf, um dem neuen Tatrichter Gelegenheit zu geben, den Sachverhalt umfassend aufzuklären. Raum Graf Jäger Radtke Fischer

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
3 StR 415/16
vom
9. Februar 2017
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
4.
5.
wegen Raubes mit Todesfolge u.a.
ECLI:DE:BGH:2017:090217U3STR415.16.0

Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 9. Februar 2017, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof Becker,
Richter am Bundesgerichtshof Dr. Schäfer, Richterin am Bundesgerichtshof Dr. Spaniol, die Richter am Bundesgerichtshof Dr. Berg, Hoch als beisitzende Richter, Bundesanwalt beim Bundesgerichtshof als Vertreter der Bundesanwaltschaft, Rechtsanwalt als Verteidiger für die Angeklagte R. , Rechtsanwälte als Verteidiger für den Angeklagten Ra. , Rechtsanwalt als Verteidiger für den Angeklagten S. , Rechtsanwalt für die Nebenklägerin,
Justizhauptsekretärin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft und der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Krefeld vom 17. Februar 2016 mit den Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat die Angeklagten des Raubes mit Todesfolge in Tateinheit mit versuchtem Totschlag durch Unterlassen schuldig gesprochen und wie folgt verurteilt: die Angeklagte R. zu einer Jugendstrafe von neun Jahren ; den Angeklagten Ra. zu einer Freiheitsstrafe von zehn Jahren; den Angeklagten C. zu einer Jugendstrafe von acht Jahren; den Angeklagten S. zu einer Jugendstrafe von sechs Jahren und sechs Monaten sowie den Angeklagten K. zu einer Jugendstrafe von acht Jahren. Die Staatsanwaltschaft rügt mit ihrer zu Ungunsten der Angeklagten eingelegten, vom Generalbundesanwalt vertretenen Revision die Verletzung materiellen Rechts. Die Revisionen der Angeklagten wenden sich mit verfahrensrechtlichen Bean- standungen und der Sachrüge gegen ihre Verurteilungen. Alle Rechtsmittel haben mit der Sachrüge Erfolg, die Revision der Staatsanwaltschaft auch zu Gunsten der Angeklagten (§ 301 StPO); die von den Angeklagten geltend gemachten Verfahrensbeanstandungen sind deshalb nicht entscheidungserheblich.
2
Nach den vom Landgericht getroffenen Feststellungen beabsichtigten die Angeklagten, das Opfer, einen zum Tatzeitpunkt 81 Jahre alten alleinstehenden Mann, in dessen Wohnhaus zu überfallen, um insbesondere aus dem in dem Anwesen befindlichen Tresor Wertgegenstände zu entwenden. Sie vereinbarten , dass zunächst die Angeklagten C. und S. das Wohnhaus betreten und das Opfer festhalten bzw. fesseln sowie ihm den Tresorschlüssel abnehmen sollten. C. sollte das Opfer auch "boxen" und ihn bewachen. Die Angeklagten R. , K. und Ra. sollten nachrücken und die erwarteten Wertgegenstände aus dem Tresor holen. Der Erlös sollte unter allen Angeklagten aufgeteilt werden. Die Angeklagten fuhren mit einem PKW in die Nähe des Wohnhauses; Ra. hatte zuvor das erforderliche Benzin bezahlt. R. ermittelte, dass das Opfer anwesend war. Daraufhin näherten sich die Angeklagten dem Wohnhaus. C. und S. drangen durch die geöffnete Eingangstür in den Flur ein. C. brachte das Opfer dort bäuchlings zu Boden und schlug auf dieses ein. S. schloss die Eingangstür und ließ die Rollläden des Küchenfensters herunter. R. , Ra. und K. warteten vor der Eingangstür und konnten dort die Schläge gegen das Opfer und dessen Stöhnen hören. Kurze Zeit später öffnete S. die Haustür und R. trat ein. Zu diesem Zeitpunkt kniete C. auf dem Rücken des Opfers, dem er einen Schal vor den Mund gespannt hatte, zog an den Enden des Schals und überstreckte damit den Kopf des Opfers nach hinten. S. durchsuchte das Obergeschoss des Gebäudes, wohin sich ebenfalls R. mit dem zwischenzeitlich erlangten Tresorschlüssel be- gab. Unmittelbar danach betrat auch K. das Haus. Demgegenüber drehte Ra. vor der Eingangstür um und lief zu dem Fahrzeug zurück, da ihm Bedenken in Bezug auf die Tat gekommen waren und er mit dieser nichts mehr zu tun haben wollte. Als K. das Gebäude betrat, schlug C. auf Kopf und Oberkörper des Opfers ein. Auch K. schlug mit den Fäusten zu und trat dem Opfer in die Seite. Sodann begab er sich in das Obergeschoss und durchsuchte mit S. und R. die dortigen Räume sowie den mittlerweile geöffneten Tresor. Dort befanden sich jedoch wider Erwarten keine Wertgegenstände. K. übergab dem S. eine zufällig aufgefundene Packung Zigaretten, die dieser einsteckte, und kehrte in das Erdgeschoss zurück. Dort hielt C. das Opfer mit einem Arm in einem Würgegriff und schlug mit der freien Faust auf dieses ein. R. gab dem Geschädigten nach ihrer Rückkehr in das Erdgeschoss mittels eines von ihr mitgeführten Elektroschockgerätes mehrere Stromschläge ins Gesicht. S. schlug nach seiner Rückkehr aus dem Obergeschoss ebenfalls mindestens einmal mit der Faust auf das Opfer ein. Dieses stöhnte nunmehr nur noch leise. Entweder C. oder K. nahm die Armbanduhr des Opfers an sich. Durch die Einwirkungen auf das Opfer entstanden im Flur, am Kücheneingang und am Treppenaufgang des Erdgeschosses erhebliche Blutspuren. Sodann verließen R. , S. , K. und C. gemeinsam das Wohnhaus, wobei K. den blutverschmierten Schal mitnahm. Das Opfer lag zu diesem Zeitpunkt regungslos - offensichtlich schwer verletzt, möglicherweise auch bereits tot - auf dem Fußboden des Flurs. Während der Vornahme der Verletzungshandlungen hielten alle Angeklagten es "durchaus für möglich", dass das hochbetagte Opfer durch den Einsatz der erheblichen körperlichen Gewalt zu Tode kommen könnte. Die Strafkammer hat jedoch nicht feststellen können, dass sie den Tod des Opfers billigend in Kauf nahmen.
3
Sodann rannten R. , S. , K. und C. zu dem abgestellten PKW, in dem Ra. auf dem Fahrersitz saß und auf sie wartete. Dieser steuerte sodann das Fahrzeug, mit dem die Angeklagten fluchtartig den Tatort verließen. Sie bewerteten den Raubüberfall als misslungen. Ra. wurde berichtet, dass C. , K. und S. das Opfer geschlagen hatten und R. diesem mehrfach ein Elektroschockgerät an den Hals gehalten hatte. C. war ob einer möglichen Tötung des Opfers schockiert und äußerte: "Was habe ich da getan? Aber diesem Mann ist nix passiert, ne? Ist der Mann noch am Leben, ne?" Zudem berichtete er den anderen Angeklagten , er komme damit nicht klar, wenn das Opfer tot sein sollte. Daraufhin entgegnete R. auf Deutsch: "Ach nein, der war noch am Leben." Zu Ra. sagte sie hingegen auf Romani: "Ich glaub, der war tot." Die Angeklagten warfen bei der Tat getragene, blutverschmierte Kleidung und das Elektroschockgerät aus dem Fenster. Spätestens ab Verlassen des Hauses war C. , R. , K. und S. klar, dass das Opfer aufgrund der ihm zugefügten Verletzungen ohne unverzügliche medizinische Hilfe versterben würde. Ra. war dies nach den Erzählungen der Mitangeklagten ebenfalls bewusst. Gleichwohl verständigte niemand den Rettungsdienst oder leitete ähnliche Maßnahmen ein, obwohl dies möglich gewesen wäre.
4
Das Opfer wurde unmittelbar nach der Tat durch Zeugen entdeckt und nach Durchführung von Reanimationsmaßnahmen in ein Krankenhaus eingeliefert , wo sein Tod festgestellt wurde. Todesursächlich war eine stumpfe Gewalteinwirkung gegen den Hals, entweder in Form des Würgegriffs oder des Überstreckens des Kopfes nach hinten, die u.a. eine Fraktur des 6. Halswirbelkörpers bewirkte und zum Ersticken führte.
5
I. Revision der Staatsanwaltschaft
6
Das Urteil hält sachlichrechtlicher Prüfung in mehrfacher Hinsicht nicht stand.
7
1. Die Ausführungen des Landgerichts zur subjektiven Tatseite während des Geschehens in dem Wohnhaus sind nicht einheitlich; sie tragen bereits deshalb die Ablehnung des Tötungsvorsatzes nicht.
8
In den Feststellungen hat die Strafkammer ausgeführt, alle Angeklagten hätten es für möglich gehalten, dass das Opfer durch den Einsatz der erheblichen körperlichen Gewalt zu Tode kommen könnte, dies aber nicht billigend in Kauf genommen. Ähnliche Formulierungen hat sie in der rechtlichen Würdigung gebraucht. Im Rahmen der Beweiswürdigung hat sie demgegenüber dargelegt, die Angeklagten hätten erst nach Abschluss der letzten Handlung erkannt, dass diese und gegebenenfalls die davor vorgenommenen zum Tode des Opfers führen könnten. Aufgrund dieser unterschiedlichen Formulierungen ist den Urteilsgründen in ihrer Gesamtheit nicht mit der erforderlichen Sicherheit zu entnehmen , für welchen Zeitpunkt das Landgericht angenommen hat, die Angeklagten hätten den Eintritt des Todes des Opfers als möglich angesehen.
9
2. Ausgehend von den getroffenen Feststellungen ist die Beweiswürdigung zum Tötungsvorsatz der Angeklagten durchgreifend rechtsfehlerhaft. Im Einzelnen:
10
a) Die unterschiedlichen Feststellungen zum Tötungsvorsatz der Angeklagten R. , C. , K. und S. für die Zeit bis zum Verlassen des Hauses und für die Zeit danach werden durch die Beweiswürdigung nicht getragen.
11
aa) Die in den Feststellungen gebrauchten Formulierungen weisen die Annahme des Landgerichts aus, die Angeklagten hätten bis zum Verlassen des Hauses nicht zumindest bedingt vorsätzlich gehandelt, da das insoweit notwendige Willenselement nicht habe festgestellt werden können. Die Angeklagten hätten es zwar für möglich gehalten, dass das Opfer aufgrund der Gewalteinwirkungen verstirbt; sie hätten dies jedoch nicht billigend in Kauf genommen. Dies ergebe sich insbesondere aus Art und Intensität der Körperverletzungshandlungen , die keine derart gefährlichen Handlungen darstellten, bei denen regelmäßig mit dem Tod des Opfers gerechnet werden müsse. Daneben sprächen auch die Äußerungen der Angeklagten während der Rückfahrt gegen einen Tötungsvorsatz zum Zeitpunkt der Vornahme der Verletzungshandlungen. Demgegenüber hat die Strafkammer für die Zeit nach dem Verlassen des Hauses festgestellt, dass allen Angeklagten klar war - sie mithin wussten -, dass das Opfer aufgrund der ihm zugefügten Verletzungen ohne unverzügliche medizinische Hilfe versterben würde und somit einen dolus directus 2. Grades (vgl. Fischer, StGB, 64. Aufl., § 15 Rn. 7) angenommen. Dies folge daraus, dass C. , S. , K. und R. in dem Wohnhaus anwesend gewesen seien und den Zustand des Opfers unmittelbar beobachtet hätten, sowie aus den Gesprächen, welche die Angeklagten nach dem Überfall in dem Kraftfahrzeug führten.
12
bb) Diese Ausführungen tragen die unterschiedlichen Feststellungen zur subjektiven Tatseite nicht.
13
(1) Soweit das Landgericht für den ersten Handlungsabschnitt den bedingten Tötungsvorsatz verneint hat, gilt:
14
(1.1) Bedingt vorsätzliches Handeln setzt voraus, dass der Täter den Eintritt des tatbestandlichen Erfolges als möglich und nicht ganz fern liegend erkennt, weiter, dass er ihn billigt oder sich um des erstrebten Zieles willen mit der Tatbestandsverwirklichung zumindest abfindet. Vor Annahme eines bedingten Vorsatzes müssen beide Elemente der inneren Tatseite, also sowohl das Wissens- als auch das Willenselement, umfassend geprüft und durch tatsächliche Feststellungen belegt werden. Hierzu bedarf es einer Gesamtschau aller objektiven und subjektiven Tatumstände des Einzelfalles, in welche vor allem die objektive Gefährlichkeit der Tathandlung, die konkrete Angriffsweise des Täters, seine psychische Verfassung bei der Tatbegehung und seine Motivationslage einzubeziehen sind. Kann das Tatgericht auf der Grundlage dieser Gesamtbewertung aller Umstände Zweifel am Vorliegen des bedingten Vorsatzes nicht überwinden, so hat das Revisionsgericht dies regelmäßig hinzunehmen; denn die Beweiswürdigung ist vom Gesetz dem Tatgericht übertragen (§ 261 StPO). Es obliegt allein ihm, sich unter dem umfassenden Eindruck der Hauptverhandlung ein Urteil über die Schuld oder Unschuld des Angeklagten zu bilden. Das Revisionsgericht ist demgegenüber auf die Prüfung beschränkt, ob die Beweiswürdigung des Tatrichters mit Rechtsfehlern behaftet ist, etwa weil sie Lücken oder Widersprüche aufweist, mit den Denkgesetzen oder gesichertem Erfahrungswissen nicht in Einklang steht oder an die Überzeugung von der Schuld des Angeklagten überzogene Anforderungen stellt (vgl. BGH, Urteil vom 9. Juni 2005 - 3 StR 269/04, NJW 2005, 2322, 2326). Gleichermaßen allein Sache des Tatgerichts ist es, die Bedeutung und das Gewicht der einzelnen Indizien in der Gesamtwürdigung des Beweisergebnisses zu bewerten. Diese Grundsätze gelten auch bei der Prüfung des bedingten Tötungsvorsatzes. Dort ist es - nicht anders als sonst bei der Würdigung der Beweise - aus revisionsrechtlicher Sicht erforderlich, aber auch ausreichend, sämtliche objektiven und subjektiven, für und gegen den Angeklagten sprechenden Umstände des Einzelfalles in eine individuelle Gesamtschau einzubeziehen und zu bewerten (vgl. BGH, Urteile vom 20. September 2012 - 3 StR 140/12, NStZ-RR 2013, 75, 76 f.; vom 16. Mai 2013 - 3 StR 45 /13, NStZ 2013, 581, 582 f.; vgl. aus neuerer Zeit BGH, Urteil vom 8. Dezember 2016 - 1 StR 344/16, juris Rn. 18 jew. mwN), wobei freilich etwa keine Widersprüche zu Tage treten dürfen.
15
(1.2) Bei Anwendung dieser Maßstäbe hält die Beweiswürdigung rechtlicher Überprüfung nicht stand. Das Landgericht hat zwar - im Ansatz zutreffend - im Rahmen der erforderlichen Gesamtschau bei der Prüfung des Vorsatzes während des Geschehens in dem Anwesen auch die Äußerungen der Angeklagten während der Flucht in den Blick genommen. Es hat jedoch nicht nachvollziehbar dargelegt, wieso es bei insoweit gleicher Beweisgrundlage zu unterschiedlichen Ergebnissen gelangt ist. Die Tatsachenbasis - das Geschehen in dem Haus - und die Kenntnis der Angeklagten hiervon änderten sich nicht, nachdem diese das Anwesen verlassen hatten; die an dem Opfer verübten Gewalthandlungen dauerten an, bis die Angeklagten aus dem Haus gingen. Der Inhalt der in dem Kraftfahrzeug geführten Gespräche gibt im Wesentlichen ihren Eindruck von dem bisherigen objektiven Tatgeschehen und ihre subjektive Einstellung hierzu wieder. Es ist deshalb durchgreifend widersprüchlich anzunehmen , die Angeklagten hätten während des Geschehens in dem Haus den Tod des Opfers als Folge der Gewalthandlungen lediglich für möglich gehalten, aber nicht billigend in Kauf genommen, während der Fahrt in dem PKW jedoch um den möglichen Todeseintritt gewusst. Dieser in dem Wechsel bei der Bewertung des subjektiven Tatbestands liegende Widerspruch wird in den Urteilsgründen an keiner Stelle, weder in den Feststellungen, noch in den Ausführungen zur Beweiswürdigung oder denjenigen zur rechtlichen Bewertung des Geschehens , aufgelöst. Auf die weiteren Einwendungen der Revision und des Generalbundesanwalts gegen die Bewertung der sonstigen Indizien durch die Strafkammer kommt es somit nicht mehr an.
16
(2) Aus dem dargestellten Rechtsfehler folgt auch, dass das Urteil nicht bestehen bleiben kann, soweit das Landgericht für den zweiten Handlungsabschnitt einen Tötungsvorsatz der Angeklagten in Form des dolus directus 2. Grades angenommen hat. Insoweit weist die Beweiswürdigung denselben, unaufgelösten Widerspruch auf. Es erklärt sich nicht, wieso das Landgericht auf derselben Tatsachengrundlage, die für die Bewertung des Geschehens in dem Anwesen vorliegt, nunmehr für den Zeitraum während der Flucht zu anderen, den Angeklagten nachteiligen Feststellungen zum subjektiven Tatbestand gelangt ist. Durch diesen Rechtsfehler sind die Angeklagten beschwert; die Revision der Staatsanwaltschaft wirkt insofern zu ihren Gunsten (§ 301 StPO).
17
b) Hinsichtlich des Angeklagten Ra. hat das Landgericht den Tötungsvorsatz für den Zeitraum bis zum Verlassen des Hauses durch die übrigen Angeklagten ohne Rechtsfehler verneint. Der insoweit bezüglich der anderen Angeklagten aufgezeigte Rechtsfehler betrifft den Angeklagten Ra. nicht. Dieser betrat das Wohnhaus nicht und erlangte von den dortigen Vorgängen erst im Nachhinein Kenntnis. Soweit das Landgericht festgestellt hat, dass die Angeklagten bei der Planung der Tat vor Betreten des Gebäudes keinen Tötungsvorsatz gefasst hatten, wird ein Rechtsfehler weder von der Revision geltend gemacht, noch ist er sonst ersichtlich.
18
Den Angeklagten Ra. betrifft gleichwohl der sich zu seinen Lasten auswirkende Rechtsfehler in der Beweiswürdigung zu dem Tötungsvorsatz während der Flucht in gleicher Weise wie die anderen Angeklagten (§ 301 StPO). Nach den Feststellungen wurde der Angeklagte Ra. durch die übrigen Angeklagten über das Geschehen in dem Haus informiert. Aufgrund dessen hat die Strafkammer bei der Bewertung der für die subjektive Tatseite bedeutsamen Indizien zwischen den Angeklagten nicht weiter differenziert und eine gemeinsame Bewertung vorgenommen. Ihre Ausführungen können deshalb nicht aufgespalten werden in einen Teil, der lediglich die Angeklagten R. , C. , K. und S. betrifft und einen weiteren, hiervon unabhängigen Teil, der lediglich den Angeklagten Ra. erfasst; sie sind insoweit vielmehr insgesamt rechtsfehlerhaft.
19
3. Ein weiterer, sich zu Gunsten aller Angeklagten auswirkender Rechtsfehler liegt darin, dass die Strafkammer hinsichtlich der von ihr angenommenen versuchten Tötung durch Unterlassen das Mordmerkmal der Verdeckungsabsicht nicht erörtert hat. Hierzu wäre sie auf der Grundlage der von ihr getroffenen Feststellungen gehalten gewesen. Danach lag es nahe, dass die Angeklagten ihnen mögliche und zumutbare Rettungsbemühungen, etwa in Form der Benachrichtigung eines Rettungsdienstes, deshalb nicht vornahmen, weil sie das Risiko einer Überführung vermeiden wollten.
20
II. Revisionen der Angeklagten
21
Die Rechtsmittel aller Angeklagten haben mit der Sachrüge aufgrund des dargelegten, sich zu ihren Lasten auswirkenden Beweiswürdigungsfehlers zum Vorliegen des Tötungsvorsatzes während der Flucht vom Tatort Erfolg.
22
III. Die aufgezeigten Rechtsfehler bedingen die Aufhebung aller Feststellungen , auch derjenigen, die zum objektiven Tatgeschehen getroffen worden sind. Diese sind in der vorliegenden Fallkonstellation eng mit denjenigen zur subjektiven Tatseite verknüpft. Dem neuen Tatgericht ist es deshalb zu ermöglichen , insgesamt einheitliche, widerspruchsfreie Feststellungen zu treffen. Die Sache muss somit insgesamt neu verhandelt und entschieden werden.
23
IV. Es besteht entgegen der Auffassung der Verteidigung kein Anlass, die Sache an ein anderes Landgericht zurückzuverweisen. Allein die Größe des Landgerichts Krefeld und das öffentliche Interesse an dem Verfahren begründen nicht die Besorgnis, eine andere Strafkammer dieses Landgerichts könne das Verfahren nicht in sachgerechter Weise bewältigen.
24
V. Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat auf Folgendes hin:
25
1. Sollte auch das neue Tatgericht Schlüsse aus dem serologischen und DNA-analytischen Gutachten des Hessischen Landeskriminalamts vom 21. September 2015 ziehen wollen (vgl. UA 78), wird es bei der Darstellung der Ergebnisse die einschlägigen Anforderungen der Rechtsprechung zu beachten haben (vgl. BGH, Urteil vom 7. Juli 2016 - 4 StR 558/15, juris Rn. 10; Beschluss vom 12. April 2016 - 4 StR 18/16, juris Rn. 4; Urteil vom 24. März 2016 - 2 StR 112/14, NStZ 2016, 490, 491 f.; Beschluss vom 19. Januar 2016 - 4 StR 484/15, NStZ-RR 2016, 118 f.; Urteil vom 5. Juni 2014 - 4 StR 439/13, NStZ 2014, 477 ff.; Urteil vom 21. März 2013 - 3 StR 247/12, BGHSt 58, 212,

217).

26
2. Zu dem Verhältnis der beiden Sachverhaltsabschnitte zueinander hat der Generalbundesanwalt zutreffend ausgeführt: "Der neu zur Entscheidung berufene Tatrichter wird insoweit allerdings zu bedenken haben, dass die strafrechtliche Würdigung des Unterlassens von Rettungsbemühungen seitens der Angeklagten im Anschluss an den verübten Überfall nicht unabhängig von der neu vorzunehmenden tatrichterlichen Bewertung des Überfalls selbst erfolgen kann. Sollte der neue Tatrichter bei allen oder zumindest bei einzelnen Angeklagten zur Feststellung eines bei der Vornahme der Verletzungshandlungen bestehenden Tötungsvorsatzes gelangen…, wäre insoweit für eine Strafbarkeit wegen versuchten Verdeckungsmordes durch Unterlassen kein Raum mehr. Dabei kann offenbleiben, ob in dieser Fallkonstellation bereits keine Pflicht zur Erfolgsabwendung besteht oder es sich bei dem Verhältnis von Begehungs- zum nachfolgenden Unterlassungsunrecht um eine Konkurrenzfrage handelt. Jedenfalls würde es dann an der Verdeckung einer anderen Tat fehlen (vgl. BGH, Urteil vom 28. April 2016 - 4 StR 563/15 m.w.N.)."
27
3. Das neue Tatgericht wird bei der Beurteilung der subjektiven Tatseite gegebenenfalls die unterschiedliche Art und Intensität der Beteiligung der einzelnen Angeklagten an dem objektiven Tatgeschehen in den Blick zu nehmen haben.
28
4. Die Rüge, die polizeilichen Einlassungen der Angeklagten unterlägen einem Verwertungsverbot nach § 136a StPO, bewertet der Senat vorläufig wie folgt: Eine die Strafverfolgungsbehörden im vorliegenden Fall treffende Verpflichtung , einen richterlichen Haftbefehl zu beantragen, ohne die Ergebnisse der Ermittlungsmaßnahmen abzuwarten, die am 28. und 29. Januar 2015 durchgeführt wurden, ergibt sich weder aus der Strafprozessordnung, noch aus der Verfassung oder der Europäischen Menschenrechtskonvention. Es ist nicht als sachwidrig zu beurteilen, dass die Strafverfolgungsbehörden die Entscheidung , einen Haftbefehl zu beantragen, erst trafen, nachdem die Angeklagten Gelegenheit gehabt hatten, sich zur Sache einzulassen; eine bewusste Umgehung des Richtervorbehalts ist deshalb nicht ersichtlich. Im Übrigen bedeutet die aus Art. 104 Abs. 2 Satz 2, Abs. 3 Satz 1 GG, § 128 Abs. 1 Satz 1 StPO folgende Pflicht, den Festgenommenen unverzüglich, spätestens am Tage nach der Festnahme einem Richter vorzuführen, dass die richterliche Entscheidung ohne jede Verzögerung, die sich nicht aus sachlichen Gründen rechtfertigen lässt, nachgeholt werden muss (vgl. BVerfG, Beschluss vom 4. September 2009 - 2 BvR 2520/07, juris Rn. 22 mwN). Ein derartiger sachlicher Grund ist jedenfalls in der Regel u.a. dann anzunehmen, wenn der Beschuldigte sich nach seiner Festnahme durch die Polizei bei dieser nach ordnungsgemäßer Belehrung zu seiner Person und zur Sache einlässt; denn hieraus können sich sowohl für den dringenden Tatverdacht als auch für die Frage, ob ein Haftgrund anzunehmen ist, wesentliche, dem Festgenommenen unter Umständen günstige Gesichtspunkte ergeben, die bei den Entscheidungen über die Beantragung und Anordnung der Untersuchungshaft zu berücksichtigen sind (vgl. im Übrigen schon BGH, Urteil vom 17. November 1989 - 2 StR 418/89, NJW 1990, 1188). Es begründet auch regelmäßig keinen Verstoß gegen Art. 104 Abs. 2 Satz 2, Abs. 3 Satz 1 GG, § 128 Abs. 1 Satz 1 StPO, wenn dem einlassungsbereiten Festgenommenen vor der Vorführung beim Richter Angaben von Mitbeschuldigten vorgehalten werden. Becker Schäfer Spaniol Berg Hoch