Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 390/13
vom
15. Oktober 2013
in der Strafsache
gegen
wegen Steuerhinterziehung
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 15. Oktober 2013 gemäß
§ 154 Abs. 2, § 349 Abs. 2 und 4, § 354 Abs. 1b StPO beschlossen:
1. Das Verfahren wird eingestellt, soweit der Angeklagte in den Fällen Ziffer 1 und 2 der Anklageschrift vom 25. November 2011 (Ziffer II. A. 1. der Urteilsgründe) verurteilt worden ist.
2. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Chemnitz vom 20. März 2013
a) im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte der Steuerhinterziehung in drei Fällen schuldig ist,
b) im Ausspruch über die Gesamtstrafe mit der Maßgabe aufgehoben, dass eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung über die Gesamtstrafe nach §§ 460, 462 StPO zu treffen ist.
3. Die weitergehende Revision wird verworfen.
4. Soweit das Verfahren eingestellt wurde, werden die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Angeklagten der Staatskasse auferlegt. Über die verbleibenden Kosten des Rechtsmittels ist zugleich mit der Entscheidung über die Gesamtstrafe zu befinden.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Steuerhinterziehung in fünf Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und drei Monaten (Einzelfreiheitsstrafen zwischen drei Monaten und zwei Jahren und neun Monaten) verurteilt und zwei Monate dieser Freiheitsstrafe für vollstreckt erklärt. Der Angeklagte wendet sich gegen dieses Urteil und rügt die Verletzung sachlichen Rechts. Nach der aus der Beschlussformel ersichtlichen Teileinstellung hat das Rechtsmittel nur zum Gesamtstrafenausspruch Erfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. In den Fällen Ziffer 1 und 2 der Anklageschrift vom 25. November 2011 (Ziffer II. A. 1. der Urteilsgründe) rechtfertigen die bisherigen Feststellungen die Annahme mittäterschaftlicher Begehungsweise nicht (vgl. insoweit auch BGH, Urteil vom 9. April 2013 - 1 StR 586/12 Rn. 43 mwN). Der Senat hat daher das Verfahren aus prozessökonomischen Gründen (vgl. BGH, Beschluss vom 9. September 1997 - 1 StR 730/96, BGHSt 43, 237) auf Antrag des Generalbundesanwalts gemäß § 154 Abs. 2 StPO insoweit eingestellt und den Schuldspruch entsprechend geändert.
3
2. Die Teileinstellung hat die Aufhebung des Gesamtstrafenausspruchs zur Folge. Der Senat kann trotz des straffen Zusammenzugs der Einzelstrafen nicht sicher ausschließen, dass das Landgericht ohne die in den Fällen 1 und 2 der Anklageschrift vom 25. November 2011 festgesetzten Einzelstrafen von drei Monaten (Fall 1 der Anklageschrift vom 25. November 2011) und zwei Jahren (Fall 2 der Anklageschrift vom 25. November 2011) auf eine niedrigere Gesamtfreiheitsstrafe erkannt hätte.
4
3. Der Senat macht von der Möglichkeit Gebrauch, nach § 354 Abs. 1b StPO zu entscheiden. Eine Verweisung auf das Beschlussverfahren nach §§ 460, 462 StPO kann auch dann erfolgen, wenn - wie hier - im Revisionsverfahren eine oder mehrere Einzelstrafen durch Einstellung in Wegfall kommen und nur deshalb über die Gesamtstrafe neu zu befinden ist (vgl. BGH, Beschluss vom 10. Oktober 2006 - 1 StR 377/06 mwN; Beschluss vom 16. November 2004 - 4 StR 392/04, NStZ 2005, 223). Die nunmehr gebotene Gesamtstrafenbildung aus den verbleibenden, jetzt rechtskräftigen Einzelstrafen für die Fälle 3 und 4 der Anklageschrift vom 25. November 2011 (Ziffer II. A. 2. der Urteilsgründe) sowie Fall II. B. der Urteilsgründe obliegt somit dem nach § 462a Abs. 3 StPO zuständigen Gericht (vgl. BGH, Beschluss vom 28. Oktober 2004 - 5 StR 430/04).
Wahl Graf Jäger
Cirener Mosbacher

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(1) Die Staatsanwaltschaft kann von der Verfolgung einer Tat absehen,

1.
wenn die Strafe oder die Maßregel der Besserung und Sicherung, zu der die Verfolgung führen kann, neben einer Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Beschuldigten wegen einer anderen Tat rechtskräftig verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat, nicht beträchtlich ins Gewicht fällt oder
2.
darüber hinaus, wenn ein Urteil wegen dieser Tat in angemessener Frist nicht zu erwarten ist und wenn eine Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Beschuldigten rechtskräftig verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat, zur Einwirkung auf den Täter und zur Verteidigung der Rechtsordnung ausreichend erscheint.

(2) Ist die öffentliche Klage bereits erhoben, so kann das Gericht auf Antrag der Staatsanwaltschaft das Verfahren in jeder Lage vorläufig einstellen.

(3) Ist das Verfahren mit Rücksicht auf eine wegen einer anderen Tat bereits rechtskräftig erkannten Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung vorläufig eingestellt worden, so kann es, falls nicht inzwischen Verjährung eingetreten ist, wieder aufgenommen werden, wenn die rechtskräftig erkannte Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung nachträglich wegfällt.

(4) Ist das Verfahren mit Rücksicht auf eine wegen einer anderen Tat zu erwartende Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung vorläufig eingestellt worden, so kann es, falls nicht inzwischen Verjährung eingetreten ist, binnen drei Monaten nach Rechtskraft des wegen der anderen Tat ergehenden Urteils wieder aufgenommen werden.

(5) Hat das Gericht das Verfahren vorläufig eingestellt, so bedarf es zur Wiederaufnahme eines Gerichtsbeschlusses.

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Erfolgt die Aufhebung des Urteils nur wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen, so hat das Revisionsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, sofern ohne weitere tatsächliche Erörterungen nur auf Freisprechung oder auf Einstellung oder auf eine absolut bestimmte Strafe zu erkennen ist oder das Revisionsgericht in Übereinstimmung mit dem Antrag der Staatsanwaltschaft die gesetzlich niedrigste Strafe oder das Absehen von Strafe für angemessen erachtet.

(1a) Wegen einer Gesetzesverletzung nur bei Zumessung der Rechtsfolgen kann das Revisionsgericht von der Aufhebung des angefochtenen Urteils absehen, sofern die verhängte Rechtsfolge angemessen ist. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft kann es die Rechtsfolgen angemessen herabsetzen.

(1b) Hebt das Revisionsgericht das Urteil nur wegen Gesetzesverletzung bei Bildung einer Gesamtstrafe (§§ 53, 54, 55 des Strafgesetzbuches) auf, kann dies mit der Maßgabe geschehen, dass eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung über die Gesamtstrafe nach den §§ 460, 462 zu treffen ist. Entscheidet das Revisionsgericht nach Absatz 1 oder Absatz 1a hinsichtlich einer Einzelstrafe selbst, gilt Satz 1 entsprechend. Die Absätze 1 und 1a bleiben im Übrigen unberührt.

(2) In anderen Fällen ist die Sache an eine andere Abteilung oder Kammer des Gerichtes, dessen Urteil aufgehoben wird, oder an ein zu demselben Land gehörendes anderes Gericht gleicher Ordnung zurückzuverweisen. In Verfahren, in denen ein Oberlandesgericht im ersten Rechtszug entschieden hat, ist die Sache an einen anderen Senat dieses Gerichts zurückzuverweisen.

(3) Die Zurückverweisung kann an ein Gericht niederer Ordnung erfolgen, wenn die noch in Frage kommende strafbare Handlung zu dessen Zuständigkeit gehört.

Ist jemand durch verschiedene rechtskräftige Urteile zu Strafen verurteilt worden und sind dabei die Vorschriften über die Zuerkennung einer Gesamtstrafe (§ 55 des Strafgesetzbuches) außer Betracht geblieben, so sind die erkannten Strafen durch eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung auf eine Gesamtstrafe zurückzuführen.

(1) Die nach § 450a Abs. 3 Satz 1 und den §§ 458 bis 461 notwendig werdenden gerichtlichen Entscheidungen trifft das Gericht ohne mündliche Verhandlung durch Beschluß. Dies gilt auch für die Wiederverleihung verlorener Fähigkeiten und Rechte (§ 45b des Strafgesetzbuches), die Aufhebung des Vorbehalts der Einziehung und die nachträgliche Anordnung der Einziehung eines Gegenstandes (§ 74f Absatz 1 Satz 4 des Strafgesetzbuches), die nachträgliche Anordnung der Einziehung des Wertersatzes (§ 76 des Strafgesetzbuches) sowie für die Verlängerung der Verjährungsfrist (§ 79b des Strafgesetzbuches).

(2) Vor der Entscheidung sind die Staatsanwaltschaft und der Verurteilte zu hören. Das Gericht kann von der Anhörung des Verurteilten in den Fällen einer Entscheidung nach § 79b des Strafgesetzbuches absehen, wenn infolge bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, daß die Anhörung nicht ausführbar ist.

(3) Der Beschluß ist mit sofortiger Beschwerde anfechtbar. Die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegen den Beschluß, der die Unterbrechung der Vollstreckung anordnet, hat aufschiebende Wirkung.

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

43
Mittäter ist, wer nicht nur fremdes Tun fördert, sondern einen eigenen Tatbeitrag derart in eine gemeinschaftliche Tat einfügt, dass sein Beitrag als Teil der Tätigkeit des anderen und umgekehrt dessen Tun als Ergänzung seines eigenen Tatanteils erscheint. Ob ein Beteiligter ein so enges Verhältnis zur Tat hat, ist nach den gesamten Umständen, die von seiner Vorstellung umfasst sind, in wertender Betrachtung zu beurteilen. Wesentliche Anhaltspunkte können der Grad des eigenen Interesses am Taterfolg, der Umfang der Tatbeteiligung und die Tatherrschaft oder wenigstens der Wille zur Tatherrschaft sein (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 30. Juni 2005 - 5 StR 12/05, NStZ 2006, 44; BGH, Urteil vom 15. Januar 1991 - 5 StR 492/90, BGHSt 37, 289, 291 mwN).

(1) Die Staatsanwaltschaft kann von der Verfolgung einer Tat absehen,

1.
wenn die Strafe oder die Maßregel der Besserung und Sicherung, zu der die Verfolgung führen kann, neben einer Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Beschuldigten wegen einer anderen Tat rechtskräftig verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat, nicht beträchtlich ins Gewicht fällt oder
2.
darüber hinaus, wenn ein Urteil wegen dieser Tat in angemessener Frist nicht zu erwarten ist und wenn eine Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Beschuldigten rechtskräftig verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat, zur Einwirkung auf den Täter und zur Verteidigung der Rechtsordnung ausreichend erscheint.

(2) Ist die öffentliche Klage bereits erhoben, so kann das Gericht auf Antrag der Staatsanwaltschaft das Verfahren in jeder Lage vorläufig einstellen.

(3) Ist das Verfahren mit Rücksicht auf eine wegen einer anderen Tat bereits rechtskräftig erkannten Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung vorläufig eingestellt worden, so kann es, falls nicht inzwischen Verjährung eingetreten ist, wieder aufgenommen werden, wenn die rechtskräftig erkannte Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung nachträglich wegfällt.

(4) Ist das Verfahren mit Rücksicht auf eine wegen einer anderen Tat zu erwartende Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung vorläufig eingestellt worden, so kann es, falls nicht inzwischen Verjährung eingetreten ist, binnen drei Monaten nach Rechtskraft des wegen der anderen Tat ergehenden Urteils wieder aufgenommen werden.

(5) Hat das Gericht das Verfahren vorläufig eingestellt, so bedarf es zur Wiederaufnahme eines Gerichtsbeschlusses.

(1) Erfolgt die Aufhebung des Urteils nur wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen, so hat das Revisionsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, sofern ohne weitere tatsächliche Erörterungen nur auf Freisprechung oder auf Einstellung oder auf eine absolut bestimmte Strafe zu erkennen ist oder das Revisionsgericht in Übereinstimmung mit dem Antrag der Staatsanwaltschaft die gesetzlich niedrigste Strafe oder das Absehen von Strafe für angemessen erachtet.

(1a) Wegen einer Gesetzesverletzung nur bei Zumessung der Rechtsfolgen kann das Revisionsgericht von der Aufhebung des angefochtenen Urteils absehen, sofern die verhängte Rechtsfolge angemessen ist. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft kann es die Rechtsfolgen angemessen herabsetzen.

(1b) Hebt das Revisionsgericht das Urteil nur wegen Gesetzesverletzung bei Bildung einer Gesamtstrafe (§§ 53, 54, 55 des Strafgesetzbuches) auf, kann dies mit der Maßgabe geschehen, dass eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung über die Gesamtstrafe nach den §§ 460, 462 zu treffen ist. Entscheidet das Revisionsgericht nach Absatz 1 oder Absatz 1a hinsichtlich einer Einzelstrafe selbst, gilt Satz 1 entsprechend. Die Absätze 1 und 1a bleiben im Übrigen unberührt.

(2) In anderen Fällen ist die Sache an eine andere Abteilung oder Kammer des Gerichtes, dessen Urteil aufgehoben wird, oder an ein zu demselben Land gehörendes anderes Gericht gleicher Ordnung zurückzuverweisen. In Verfahren, in denen ein Oberlandesgericht im ersten Rechtszug entschieden hat, ist die Sache an einen anderen Senat dieses Gerichts zurückzuverweisen.

(3) Die Zurückverweisung kann an ein Gericht niederer Ordnung erfolgen, wenn die noch in Frage kommende strafbare Handlung zu dessen Zuständigkeit gehört.

Ist jemand durch verschiedene rechtskräftige Urteile zu Strafen verurteilt worden und sind dabei die Vorschriften über die Zuerkennung einer Gesamtstrafe (§ 55 des Strafgesetzbuches) außer Betracht geblieben, so sind die erkannten Strafen durch eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung auf eine Gesamtstrafe zurückzuführen.

(1) Die nach § 450a Abs. 3 Satz 1 und den §§ 458 bis 461 notwendig werdenden gerichtlichen Entscheidungen trifft das Gericht ohne mündliche Verhandlung durch Beschluß. Dies gilt auch für die Wiederverleihung verlorener Fähigkeiten und Rechte (§ 45b des Strafgesetzbuches), die Aufhebung des Vorbehalts der Einziehung und die nachträgliche Anordnung der Einziehung eines Gegenstandes (§ 74f Absatz 1 Satz 4 des Strafgesetzbuches), die nachträgliche Anordnung der Einziehung des Wertersatzes (§ 76 des Strafgesetzbuches) sowie für die Verlängerung der Verjährungsfrist (§ 79b des Strafgesetzbuches).

(2) Vor der Entscheidung sind die Staatsanwaltschaft und der Verurteilte zu hören. Das Gericht kann von der Anhörung des Verurteilten in den Fällen einer Entscheidung nach § 79b des Strafgesetzbuches absehen, wenn infolge bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, daß die Anhörung nicht ausführbar ist.

(3) Der Beschluß ist mit sofortiger Beschwerde anfechtbar. Die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegen den Beschluß, der die Unterbrechung der Vollstreckung anordnet, hat aufschiebende Wirkung.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 377/06
vom
10. Oktober 2006
in der Strafsache
gegen
wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer
Menge u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 10. Oktober 2006 beschlossen
:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts
Augsburg vom 9. Februar 2006 aufgehoben

a) im Fall II 2 g der Urteilsgründe; insoweit wird der Angeklagte
freigesprochen;

b) im Ausspruch über die Gesamtstrafe mit der Maßgabe, dass
eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung über die Gesamtstrafe
gemäß §§ 460, 462 StPO zu treffen ist.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
3. Der Angeklagte ist damit schuldig des unerlaubten Handeltreibens
mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, des unerlaubten
Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge
in 14 Fällen und des unerlaubten Erwerbs von Betäubungsmitteln.
4. Soweit der Angeklagte freigesprochen wurde, hat die Staatskasse
die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen
des Angeklagten zu tragen. Über die verbleibenden Kosten
des Rechtsmittels ist zugleich mit der Entscheidung über die
Gesamtstrafe zu befinden.

Gründe:


1
Der Angeklagte wurde wegen zwei Fällen des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, 14 Fällen des Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge und einem Fall des Erwerbs von Betäubungsmitteln zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und neun Monaten verurteilt. Seine auf die näher ausgeführte Sachrüge gestützte Revision hat hinsichtlich einer Verurteilung wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (Fall II 2 g der Urteilsgründe = Fall 6 der Anklage) Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO). Insoweit hat der Senat, wie auch von der Generalbundesanwältin beantragt, den Angeklagten freigesprochen (§ 354 Abs. 1 StPO). Mit dem Wegfall der hierfür ausgeworfenen Einzelstrafe entfällt zugleich die Gesamtstrafe (§ 349 Abs. 4 StPO). Im Übrigen bleibt die Revision erfolglos (§ 349 Abs. 2 StPO).

I.

2
1. Der Angeklagte konsumierte jedenfalls ab 1997/98 bis 2003 und wieder ab 2004 regelmäßig Kokain, „1 bis maximal 2mal wöchentlich in sich steigernder Dosierung, ab 2001/2002 2-3 g, gelegentlich auch 5 g“.
3
Die Strafkammer hat festgestellt, dass er zwischen 1998 und 2004 regelmäßig jedenfalls in 15 Fällen Kokain erworben hat, einmal 3 g, sonst zwischen 10 g und 100 g, oft 50 g, so allein im Frühjahr 2001 innerhalb von maximal vier Wochen vier Mal. In diesen Fällen konnte die Strafkammer Zweifel daran, dass dieses Kokain auch zum Weiterverkauf bestimmt war, nicht überwinden , selbst nicht insoweit, als der Angeklagte innerhalb von höchstens vier Wochen bei einem maximalen wöchentlichen Eigenverbrauch von 10 g insge- samt 200 g kaufte. Sie verkennt zwar nicht, dass die Umstände des Falles auf die Absicht gewinnbringender Weiterveräußerung hindeuten. Konkrete Umstände , die gegen diese Annahme sprechen könnten, führt sie nicht an. Sie hält jedoch die getroffenen Feststellungen für nicht tragfähig genug, um auf die genannte Absicht schließen zu können.
4
2. Der Senat braucht der Frage, ob die genannten Erwägungen der Strafkammer die Anforderungen an die richterliche Überzeugungsbildung überspannt haben könnten (vgl. Körner BtMG 5. Aufl. § 29 Rdn. 282, 284 m. w. N.), nicht näher nachzugehen, weil der Angeklagte hierdurch nicht beschwert sein kann.
5
Den Angeklagten beschwerende Rechtsfehler sind hinsichtlich des Schuldspruchs in allen diesen Fällen nicht zu erkennen, wie dies auch die Generalbundesanwältin zutreffend ausgeführt hat.

II.


6
Ebenso hält der Schuldspruch rechtlicher Überprüfung stand, soweit der Angeklagte im Fall II 2 e der Urteilsgründe wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge verurteilt wurde.
7
1. Hier war der Angeklagte mit weiteren Tatbeteiligten, darunter C. C. , der in großem Umfang mit Rauschgift handelte, 2001 nach Hamburg gefahren und war nach einem gemeinsamen Probekauf über Kokain im Wert von insgesamt fast 1.000.- DM mit einem Rauschgifthändler über den Erwerb von 500 g Kokain für 40.000.- DM „handelseinig“ geworden. Aus nicht näher mitgeteilten Gründen sagte der Angeklagte dieses Geschäft allerdings später wieder ab.
8
2. Unter Berufung auf die Beweiswürdigung der Strafkammer in den geschilderten Fällen, in denen der Angeklagte nicht wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln verurteilt wurde, hält die Revision die Urteilsgründe im Fall II 2 e für lückenhaft. Sie vermisst die Erörterung der Möglichkeit, dass es dem Angeklagten auch in diesem Fall nicht um Weiterverkauf ging. Darüber hinaus habe die Strafkammer nicht einmal ausdrücklich festgestellt, dass es dem Angeklagten überhaupt darum ging, diese 500 g (gewinnbringend) umzusetzen, obwohl sie diese Annahme ihrem Schuldspruch wegen Handeltreibens offenbar zu Grunde gelegt habe.
9
3. Der Senat sieht keinen Rechtsfehler. Der Angeklagte hatte 1996 die eidesstattliche Versicherung abgegeben. 2003 wurde hinsichtlich der von ihm beantragten Restschuldbefreiung das Insolvenzverfahren eröffnet. Seine Schulden beliefen sich auf mindestens 80.000.- Euro. Unter Berücksichtigung dieser und aller sonstiger Umstände des Falles erscheint es auch unter Beachtung der Zweifel der Strafkammer in den anderen Fällen nicht als nahe liegende und deshalb erörterungsbedürftige Möglichkeit, dass der Angeklagte 2001 für 40.000.- DM Kokain kaufen wollte, um seinen Eigenbedarf für mindestens jedenfalls rund ein Jahr im Voraus zu decken, oder dass es ihm aus - wie auch immer beschaffenen - sonstigen Gründen nicht um gewinnbringenden Weiterverkauf ging (vgl. auch BGH StraFo 2004, 180 m. w. N.).

III.

10
Keinen Bestand haben kann dagegen der Schuldspruch wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge im Fall II 2 g der Urteilsgründe.
11
1. Gegenstand der Verurteilung sind Verhandlungen, die der Angeklagte insbesondere mit H. C. über den Erwerb großer Mengen von Kokain in Kolumbien geführt hatte. C. sollte als Finanzier die Kaufgelder bereitstellen , der Angeklagte zusammen mit einem Kurier das Rauschgift in Kolumbien beschaffen. Der Angeklagte und C. hatten Ende 2004 vereinbart, dass sie gemeinsam im Januar 2005 nach Kolumbien fliegen wollten, „um sich die Sache anzusehen, insbesondere die Lieferanten kennen zu lernen“. Hierzu kam es nicht, nachdem sich der Angeklagte, so die Feststellung der Strafkammer, nach einem Gespräch mit seiner Schwester anders besonnen und dies C. mitgeteilt hatte. Anhaltspunkte dafür, dass der Angeklagte zuvor in Verfolgung des geschilderten Tatplans mit der Verkäuferseite in Kolumbien Kontakt aufgenommen hätte oder gar mit ihr in ernsthafte Verhandlungen eingetreten sei, sind nicht ersichtlich.
12
2. Revision und Generalbundesanwältin legen im Wesentlichen übereinstimmend zutreffend dar, dass diese Feststellungen eine Verurteilung wegen (vollendeten oder auch nur versuchten) Handeltreibens mit Betäubungsmitteln nicht tragen. Zwar ist der Tatbestand des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln schon dann erfüllt, wenn der Täter bei einem beabsichtigten Ankauf von zum gewinnbringenden Weiterverkauf bestimmten Betäubungsmitteln in ernsthafte Verhandlungen mit dem potentiellen Verkäufer eintritt (BGHSt 50, 252 - Großer Senat -). Hier waren die Verhandlungen aber nur innerhalb der (potentiellen) Käuferseite geführt, es ging darum, wie mit einem künftigen Verkäufer in Kon- takt zu treten sei, welche Mengen gekauft werden sollten, wie der Kauf zu finanzieren sei, und von wem das Rauschgift im Falle des Kaufes zu transportieren sei. Einen Kontakt mit einem (potentiellen) Verkäufer gab es dagegen noch nicht. In einem solchen Fall liegt auch dann noch kein Handeltreiben vor, wenn die Beteiligten auf der (potentiellen) Käuferseite ihr Verhalten für den Fall der Aufnahme und des Erfolges der geplanten Verhandlungen mit einem (potentiellen ) Verkäufer schon abgestimmt haben. Es fehlt in einem solchen Fall zwar nicht an jeder Konkretisierung der beabsichtigten Tat (vgl. hierzu BGH aaO 265 f. m. w. N.), wohl aber an der Konkretisierung hinsichtlich der Aufnahme von Verhandlungen zwischen (potentieller) Verkäufer- und (potentieller) Käuferseite, die für den Tatbestand des Handeltreibens kennzeichnend sind.
13
3. Freilich haben der Angeklagte und C. , durch ihren gemeinsamen Plan, große Mengen Rauschgift einzukaufen, die Begehung eines Verbrechens verabredet (§ 30 Abs. 2 StGB). Wie die Revision und die Generalbundesanwältin übereinstimmend darlegen, ist der Angeklagte hiervon jedoch zurückgetreten.
14
Die Generalbundesanwältin hat hierzu im Einzelnen ausgeführt: „ … der Angeklagte (hat) die Tat jedoch verhindert, indem er C. erklärte , von dem geplanten Geschäft Abstand zu nehmen. Aus den … Feststellungen ergibt sich …, dass der vom Angeklagten nunmehr verweigerte Tatbeitrag (Schaffen der Kontakte nach Kolumbien) unerlässliche Voraussetzung für die Durchführung der Tat gewesen wäre. Anhaltspunkte dafür, dass … C. auf Grund ihm vom Angeklagten bereits erteilter Detailinformationen in der Lage gewesen wäre, die Rauschgiftgeschäfte in eigener Regie durchzuführen, enthält das Urteil nicht.
Weiß der Zurücktretende, dass die Tat ohne ihn gar nicht begangen werden kann, genügt für einen Rücktritt nach § 31 Abs. 1 Nr. 3 StGB bloßes Untätigbleiben (vgl. Joecks in MünchKomm StGB § 31 Rdn. 21; Roxin in LK StGB 11. Aufl. § 31 Rdn. 20; Lackner/Kühl StGB 25. Aufl. § 31 Rdn. 5 jew. m. RsprNachw).“
15
Dem stimmt der Senat zu (vgl. auch BGHSt 32,133; BGH NStZ 1999, 395, 396).
16
4. Der Senat kann keine Anhaltspunkte dafür erkennen, dass ein neuer Tatrichter zu diesem Komplex noch Feststellungen treffen könnte, die eine Verurteilung des Angeklagten tragen könnten. Entsprechend auch dem Antrag der Generalbundesanwältin spricht der Senat daher den Angeklagten im Punkt II 2 g der Urteilsgründe (= Fall 6 der Anklage) frei (§ 354 Abs. 1 StPO).

IV.

17
Zu den Strafaussprüchen:
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1. Der Freispruch im Fall II 2 g der Urteilsgründe führt zum Wegfall der hierfür verhängten Einzelstrafe von vier Jahren, der Einsatzstrafe, und damit zugleich zum Wegfall der Gesamtstrafe.
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2. Die übrigen Einzelstrafen können bestehen bleiben.
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a) Für sich genommen enthalten sie keine Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten. Auch insoweit teilt der Senat die auch durch die Erwiderung der Revision (§ 349 Abs. 3 Satz 2 StPO) nicht entkräftete Auffassung der Generalbundesanwältin.
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b) Der Senat hat erwogen, ob der Wegfall der Strafe im Fall II 2 g der Urteilsgründe gleichwohl zur Aufhebung der übrigen Einzelstrafen führen kann.
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Dies kann insbesondere in Betracht kommen, wenn die höchste Einzelstrafe (Einsatzstrafe) keinen Bestand haben kann oder wenn sämtliche abgeurteilte Taten in einem engen inneren Zusammenhang stehen (vgl. BGH, Urteil vom 16. Mai 1995 - 1 StR 117/95). Beides ist hier der Fall. Andererseits ist bei der Bemessung der in Rede stehenden Einzelstrafen in keiner Weise auf die unter II 2 g der Urteilsgründe abgeurteilte Tat oder die deshalb verhängte Strafe Bezug genommen.
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Letztlich braucht der Senat der Frage eines möglichen Zusammenhangs zwischen der Strafe im Fall II 2 g der Urteilsgründe und den übrigen Strafen aber nicht zu entscheiden, weil er die übrigen Einzelstrafen jedenfalls für angemessen i. S. d. § 354 Abs. 1a Satz 1 StPO hält (vgl. BGH, Beschluss vom 26. Januar 2006 - 1 StR 407/05; vgl. auch Senge in FS für Hans Dahs 2005, 475, 486 m. w. N.).
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c) Besonderheiten des Einzelfalls, die einer Entscheidung gemäß § 354 Abs. 1a Satz 1 StPO hier entgegenstehen könnten (vgl. hierzu zusammenfassend BGH, Beschluss vom 22. August 2006 - 1 StR 293/06 m. w. N., zur Veröffentlichung in BGHSt bestimmt) sind nicht ersichtlich.
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d) Bei seiner Entscheidung konnte der Senat auch Folgendes nicht außer Acht lassen: Der Angeklagte war innerhalb des Zeitraums, in dem er die hier abgeurteilten Taten begangen hat, auch sonst wiederholt straffällig geworden. 2001 wurde er wegen Betrügereien zu elf Monaten Freiheitsstrafe verurteilt , 2002 wegen Verkehrsunfallflucht zu drei Monaten Freiheitsstrafe. Beide Strafen wurden zur Bewährung ausgesetzt und später erlassen. Die Strafkammer sieht in diesem Verfahrensgang eine besondere Härte für den Angeklag- ten, und hat ihm deshalb - ersichtlich schon bei der Bemessung der Einzelstrafen - einen sog. Härteausgleich zugebilligt.
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Der Angeklagte stellt sich mit dem Erlass der früheren Strafe(n) jedoch besser, als wenn deren Einbeziehung in eine erst noch zu vollstreckende nachträgliche Gesamtfreiheitsstrafe diese nahe liegend erhöht hätte. Eine wie auch immer beschaffene Härte liegt jedenfalls nicht vor, dementsprechend ist ein Härteausgleich nicht veranlasst (BGH NStZ-RR 2004, 330 m. w. N.).
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e) Unter Berücksichtigung dieses Gesichtspunkts, aller für die Strafzumessung bedeutsamer Urteilsfeststellungen und des gesamten auf die Strafzumessung bezogenen Vorbringens der Verfahrensbeteiligten hält der Senat die von der Strafkammer ausgeworfenen Einzelstrafen für angemessen.
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3. Die nach alledem hinsichtlich des Strafausspruchs allein gebotene Aufhebung der Gesamtstrafe erfolgt mit der Maßgabe, dass die nunmehr nur noch gebotene Entscheidung über die Gesamtstrafe durch Beschluss gemäß §§ 460, 462 StPO zu erfolgen hat, § 354 Abs. 1b Sätze 1 und 2 StPO. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist eine Gesetzesverletzung bei der Bildung einer Gesamtstrafe i. S. d. § 354 Abs. 1b StPO auch dann gegeben, und dementsprechend eine Verweisung auf das Beschlussverfahren auch dann möglich, wenn im Revisionsverfahren eine Einzelstrafe durch Verfahrenseinstellung wegfällt (vgl. BGH NStZ 2005, 223; BGH, Beschluss vom 9. August 2006 - 1 StR 252/06). Fällt, wie hier, eine Einzelstrafe infolge Freispruchs weg, kann nichts anderes gelten.
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Die Entscheidung über die Gesamtstrafe aus den nunmehr rechtskräftigen Einzelstrafen obliegt dem gemäß § 462a Abs. 3 StPO zuständigen Gericht (BGH aaO; Senge aaO 493). Herr RiBGH Dr. Kolz befindet sich in Urlaub und ist deshalb an der Unterschrift verhindert. Nack Wahl Nack Hebenstreit Graf

(1) Wird gegen den Verurteilten eine Freiheitsstrafe vollstreckt, so ist für die nach den §§ 453, 454, 454a und 462 zu treffenden Entscheidungen die Strafvollstreckungskammer zuständig, in deren Bezirk die Strafanstalt liegt, in die der Verurteilte zu dem Zeitpunkt, in dem das Gericht mit der Sache befaßt wird, aufgenommen ist. Diese Strafvollstreckungskammer bleibt auch zuständig für Entscheidungen, die zu treffen sind, nachdem die Vollstreckung einer Freiheitsstrafe unterbrochen oder die Vollstreckung des Restes der Freiheitsstrafe zur Bewährung ausgesetzt wurde. Die Strafvollstreckungskammer kann einzelne Entscheidungen nach § 462 in Verbindung mit § 458 Abs. 1 an das Gericht des ersten Rechtszuges abgeben; die Abgabe ist bindend.

(2) In anderen als den in Absatz 1 bezeichneten Fällen ist das Gericht des ersten Rechtszuges zuständig. Das Gericht kann die nach § 453 zu treffenden Entscheidungen ganz oder zum Teil an das Amtsgericht abgeben, in dessen Bezirk der Verurteilte seinen Wohnsitz oder in Ermangelung eines Wohnsitzes seinen gewöhnlichen Aufenthaltsort hat; die Abgabe ist bindend. Abweichend von Absatz 1 ist in den dort bezeichneten Fällen das Gericht des ersten Rechtszuges zuständig, wenn es die Anordnung der Sicherungsverwahrung vorbehalten hat und eine Entscheidung darüber gemäß § 66a Absatz 3 Satz 1 des Strafgesetzbuches noch möglich ist.

(3) In den Fällen des § 460 entscheidet das Gericht des ersten Rechtszuges. Waren die verschiedenen Urteile von verschiedenen Gerichten erlassen, so steht die Entscheidung dem Gericht zu, das auf die schwerste Strafart oder bei Strafen gleicher Art auf die höchste Strafe erkannt hat, und falls hiernach mehrere Gerichte zuständig sein würden, dem Gericht, dessen Urteil zuletzt ergangen ist. War das hiernach maßgebende Urteil von einem Gericht eines höheren Rechtszuges erlassen, so setzt das Gericht des ersten Rechtszuges die Gesamtstrafe fest; war eines der Urteile von einem Oberlandesgericht im ersten Rechtszuge erlassen, so setzt das Oberlandesgericht die Gesamtstrafe fest. Wäre ein Amtsgericht zur Bildung der Gesamtstrafe zuständig und reicht seine Strafgewalt nicht aus, so entscheidet die Strafkammer des ihm übergeordneten Landgerichts.

(4) Haben verschiedene Gerichte den Verurteilten in anderen als den in § 460 bezeichneten Fällen rechtskräftig zu Strafe verurteilt oder unter Strafvorbehalt verwarnt, so ist nur eines von ihnen für die nach den §§ 453, 454, 454a und 462 zu treffenden Entscheidungen zuständig. Absatz 3 Satz 2 und 3 gilt entsprechend. In den Fällen des Absatzes 1 entscheidet die Strafvollstreckungskammer; Absatz 1 Satz 3 bleibt unberührt.

(5) An Stelle der Strafvollstreckungskammer entscheidet das Gericht des ersten Rechtszuges, wenn das Urteil von einem Oberlandesgericht im ersten Rechtszuge erlassen ist. Das Oberlandesgericht kann die nach den Absätzen 1 und 3 zu treffenden Entscheidungen ganz oder zum Teil an die Strafvollstreckungskammer abgeben. Die Abgabe ist bindend; sie kann jedoch vom Oberlandesgericht widerrufen werden.

(6) Gericht des ersten Rechtszuges ist in den Fällen des § 354 Abs. 2 und des § 355 das Gericht, an das die Sache zurückverwiesen worden ist, und in den Fällen, in denen im Wiederaufnahmeverfahren eine Entscheidung nach § 373 ergangen ist, das Gericht, das diese Entscheidung getroffen hat.

Nachschlagewerk: ja
BGHSt : nein
Veröffentlichung : ja
1. Bei Urteilsaufhebung nach § 354 Abs. 1b Satz 1 StPO
wegen fehlerhafter Gesamtstrafenbildung bedarf es
keiner Zurückverweisung.
2. Zur Kostenentscheidung in diesem Fall.
BGH, Beschluß vom 28. Oktober 2004 – 5 StR 430/04
LG Berlin –

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
vom 28. Oktober 2004
in der Strafsache
gegen
wegen gefährlicher Körperverletzung u. a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 28. Oktober 2004

beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Berlin vom 7. Januar 2004 im Ausspruch über die Gesamtstrafen nach § 349 Abs. 4 StPO mit der Maßgabe (§ 354 Abs. 1b Satz 1 StPO) aufgehoben, daß eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung über die Gesamtstrafe nach den §§ 460, 462 StPO zu treffen ist; die Gesamtgeldstrafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Tiergarten in Berlin vom 5. November 1997 – 325 Ds 196/97 – bleibt bestehen.
2. Die weitergehende Revision des Angeklagten wird gemäß § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.
3. Der Angeklagte hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.
G r ü n d e Das Landgericht hat den Angeklagten unter Einbeziehung einer Geldstrafe von 80 Tagessätzen aus einem Urteil des Amtsgerichts Tiergarten vom 5. November 1997 wegen Körperverletzung (Einzelstrafe: ein Jahr und neun Monate Freiheitsstrafe) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und zehn Monaten sowie wegen Körperverletzung in sechs Fällen und gefährlicher Körperverletzung unter Einbeziehung der Strafe aus einem Strafbefehl des Amtsgerichts Tiergarten vom 7. Juni 2002 zu einer weiteren Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und acht Monaten verurteilt. Eine Tat wurde im Oktober 1997, die anderen zwischen Juli 2000 und Mai 2002 begangen. Die Revision des Angeklagten führt zur Aufhebung der beiden Gesamtfreiheitsstrafen ; im übrigen erweist sie sich aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts vom 23. September 2004 im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet.
1. Die Gesamtstrafaussprüche können nicht bestehenbleiben. Die Bildung der Gesamtsstrafen ist rechtsfehlerhaft erfolgt, da die Verurteilung vom 5. November 1997 keine Zäsurwirkung entfaltet. Die dort abgeurteilte Verkehrsstraftat war am 20. April 1997 begangen worden und damit vor einer anderen Verurteilung des Amtsgerichts Tiergarten vom 25. Juli 1997. Liegt die abzuurteilende Tat – wie hier die Tat vom 15./16. Oktober 1997 – zwischen zwei Verurteilungen, aus denen eine Gesamtstrafe zu bilden war, kommt eine Gesamtstrafbildung aus der Strafe für die abzuurteilende Tat mit der Strafe aus der letzten Vorverurteilung nicht in Betracht (vgl. BGHSt 32, 190, 193; Tröndle/Fischer, StGB 52. Aufl. § 55 Rdn. 12). Nur der ersten der beiden früheren Verurteilungen käme eine Zäsurwirkung zu (BGH aaO). Mangels Zäsur und Einbeziehungsmöglichkeit muß es bei der Gesamtgeldstrafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Tiergarten vom 5. November 1997 verbleiben, die nach zutreffender Anwendung des § 55 StGB unter Einbeziehung der am 25. Juli 1997 verhängten Geldstrafe gebildet worden ist. Durch die Bildung zweier Gesamtfreiheitsstrafen ist der Angeklagte möglicherweise beschwert; es liegt nahe, daß das Landgericht bei Bildung lediglich einer Gesamtfreiheitsstrafe zu einem strafferen Zusammenzug der verhängten Freiheitsstrafen gelangt wäre als durch die erfolgte Bildung von zwei Gesamtfreiheitsstrafen.
2. Der Senat hat von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, nach § 354 Abs. 1b StPO zu entscheiden. Die nachträgliche Gesamtstrafbildung aus den nunmehr rechtskräftigen Einzelstrafen obliegt somit dem nach § 462a Abs. 3 StPO zuständigen Gericht (vgl. Beschlußempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses zum Entwurf eines Gesetzes zur Modernisierung der Justiz BT-Drucks. 15/3482 S. 22). Einer Zurückverweisung bedarf es indes nicht (mißverständlich insoweit die Gesetzesbegründung, BT-Drucks. aaO); diese hat nach § 354 Abs. 2 Satz 1 StPO nur „in anderen Fällen“ – also nicht in den Fällen des § 354 Abs. 1 bis 1b StPO – zu erfolgen. Demgemäß wird in § 462a Abs. 6 StPO nur auf § 354 Abs. 2 und § 355 StPO, nicht aber auf § 354 Abs. 1b StPO Bezug genommen.
3. Im vorliegenden Fall ist sicher abzusehen, daß das Rechtsmittel des Angeklagten, der seine Verurteilung auch hinsichtlich des Schuldspruchs umfassend angegriffen hat, mit dem Teilerfolg zur Gesamtstrafe nur einen geringfügigen Rechtsmittelerfolg erbracht hat. Jedenfalls bei dieser Sachlage kann der Senat die abschließende – für den Angeklagten negative – Kostenentscheidung nach § 473 Abs. 4 StPO sofort selbst treffen und hat sie nicht dem Nachverfahren nach §§ 460, 462 StPO vorzubehalten, dem sie systemfremd wäre. Ob in Fällen, in denen die Aufhebung der Gesamtstrafe im Verfahren nach §§ 460, 462 StPO dem Anliegen des Revisionsführers nicht nur geringfügig zum Erfolg verhelfen kann, eine Kostenentscheidung – eher untypisch – auf Grundlage einer Prognose der Entscheidung im Nachverfahren ebenfalls sofort zu treffen ist, ob die Kostenentscheidung etwa vorzubehalten ist oder ob sie dann doch im Nachverfahren nach §§ 460, 462 StPO getroffen werden müßte, bedarf hier keiner Entscheidung. In schwierigeren Fällen kann ohnehin eine Verfahrensweise nach § 354 Abs. 2 Satz 1 StPO vorzugswürdig gegenüber dem nicht zwingenden Vorgehen nach § 354 Abs. 1b Satz 1 StPO sein.
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