Bundesgerichtshof Beschluss, 24. Juli 2019 - 1 StR 290/19
Bundesgerichtshof
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 24. Juli 2019 gemäß § 349 Abs. 4 StPO beschlossen:
Gründe:
- 1
- Das Landgericht hatte den Angeklagten mit Urteil vom 28. Juni 2017 wegen versuchten Totschlags in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung (Einsatzstrafe : sieben Jahre und sechs Monate) unter Einbeziehung einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten aus einer rechtskräftigen Verurteilung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von neun Jahren verurteilt. Der Senat hat dieses Urteil mit Beschluss vom 7. November 2017 (1 StR 517/17) im Strafausspruch aufgehoben, die Feststellungen aber bestehen lassen.
- 2
- Das Landgericht hat nunmehr den Angeklagten erneut zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von neun Jahren verurteilt und für die verfahrensgegenständliche Tat wiederum eine Einzelfreiheitsstrafe von sieben Jahren und sechs Monaten verhängt. Die hiergegen gerichtete Revision des Angeklagten hat Erfolg.
- 3
- Entsprechend den Ausführungen des Generalbundesanwalts in seiner Zuschrift weisen die Strafzumessungserwägungen des Landgerichts Rechtsfehler auf, weil angesichts des Verfahrensablaufs der zeitliche Abstand zwischen der begangenen Tat und dem Urteil sowie die Verfahrensdauer als solche bei der Straffestsetzung nicht mildernd berücksichtigt wurden (vgl. BGH, Beschlüsse vom 27. Mai 2008 – 3 StR 157/08 Rn. 7 und vom 9. Juni 2017 – 1 StR 45/17 Rn. 8 f.). Raum Jäger Bellay Cirener Fischer
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
BUNDESGERICHTSHOF
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers und des Generalbundesanwalts – zu 3. auf dessen Antrag – am 7. November 2017 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
Gründe:
- 1
- Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchten Totschlags in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung unter Einbeziehung einer Freiheitsstrafe aus einer rechtskräftigen Verurteilung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von neun Jahren verurteilt. Die auf die Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten erzielt den aus der Beschlussformel ersichtlichen Erfolg. Im Übrigen ist sein Rechtsmittel unbegründet.
- 2
- Der Schuldspruch weist keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten auf. Hingegen hält der Strafausspruch rechtlicher Überprüfung nicht stand.
- 3
- Das Landgericht hat die Annahme eines minder schweren Falles gemäß § 213 2. Alt. StGB nach Bewertung der allgemeinen Strafzumessungsumstände verneint. Es hat jedoch nicht – wie es in einem vorrangigen Prüfungsschritt geboten gewesen wäre (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschluss vom 4. Oktober 2017 – 4 StR 289/17 mwN) – den vertypten Milderungsgrund des § 23 Abs.2 StGB bei der Prüfung des Vorliegens eines minder schweren Falls miteinbezogen, sondern „zugunsten des Angeklagten“ (UA S.29) eine Strafrahmenverschie- bung nach § 49 Abs. 1 StGB, mit jedoch höherem Strafrahmen im Vergleich zu dem des § 213 StGB, vorgenommen. Der Senat kann nicht ausschließen, dass die für die Tat verhängte Einzelstrafe auf diesem Rechtsfehler beruht.
- 4
- Die Aufhebung der Einzelstrafe entzieht der Gesamtfreiheitsstrafe die Grundlage. Der Aufhebung von Feststellungen bedarf es nicht, weil sie von dem Rechtsfehler nicht betroffen sind. Das neue Tatgericht kann weitergehende Feststellungen treffen, soweit diese nicht mit den bisherigen in Widerspruch stehen.
Cirener Fischer