Bundesgerichtshof Beschluss, 03. Apr. 2002 - 1 ARs 5/02

bei uns veröffentlicht am03.04.2002

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 ARs 5/02
vom
3. April 2002
in der Strafsache
gegen
wegen schwerer räuberischer Erpressung
hier: Anfrage des 2. Strafsenats vom 7. Dezember 2001 – 2 StR 441/01 -
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 3. April 2002 gemäß
§ 132 Abs. 3 GVG beschlossen:
Der Senat hält an seiner Rechtsprechung fest, daß der Tatbestand des § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB nicht erfüllt ist, wenn ein Täter lediglich mit einer mit Platzpatronen geladenen Schreckschußwaffe aus einer Entfernung droht, bei der (für den Fall der Schußabgabe) für das Opfer keine Leibesgefahr besteht.

Gründe:

Der beabsichtigten Entscheidung des 2. Strafsenats steht die Rechtsprechung des 1. Strafsenats entgegen (Beschlüsse vom 3. November 1998 – 1 StR 529/98 – und vom 14. April 1999 – 1 StR 542/98 –). An dieser Rechtsprechung hält der 1. Strafsenat fest. Der vom 2. Strafsenat beabsichtigten Auslegung des Merkmals "gefährliches Werkzeug" dürften rechtssystematische Gründe entgegen stehen; sie entspricht nicht den Intentionen des Gesetzgebers des 6. StrRG und mit ihr würde, ohne daß dafür schwerwiegende Gründe vorliegen, eine inzwischen gefestigte Rechtsprechung aufgegeben werden. I. Die vom 2. Strafsenat vorgenommene Auslegung des Merkmals "gefährliches Werkzeug" verzichtet im Ergebnis auf das Erfordernis der objektiven Gefährlichkeit bei solchen Gegenständen, die erst durch die konkrete Art der Verwendung gefährlich sind. Damit verliert der verwendungsspezifische Gefährlichkeitsbegriff des § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB seine ihm bisher von der Rechtsprechung verliehene Kontur. Das würde zu erheblichen Anwendungsschwierigkeiten führen.
1. Mit dem 2. Strafsenat geht der 1. Strafsenat davon aus, daû das "gefährliche Werkzeug" der Oberbegriff der in § 250 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a und Abs. 2 Nr. 1 StGB genannten Tatmittel ist. Innerhalb dieses Oberbegriffs hat der Bundesgerichtshof zwischen verschiedenen Tatmitteln unterschieden, die sich der Sache nach in folgende Gruppen aufteilen lassen: Waffen, generell gefährliche und nur speziell ± nämlich verwendungsspezifisch ± gefährliche Gegenstände.
a) Waffen sind stets "gefährliche Werkzeuge"; das ist einhellige Meinung der Strafsenate des Bundesgerichtshofs. aa) Waffen sind zunächst die mit Geschossen geladenen Schuûwaffen sowie die mit Gasmunition geladenen Pistolen oder Revolver, bei denen das Gas nach vorne austritt (also Schuûwaffen im Sinne des § 250 StGB a.F.). Einigkeit besteht gleichfalls darüber, daû ungeladene Schuûwaffen keine Waffen in diesem Sinne sind. Sie sind vielmehr Mittel im Sinne des § 250 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b StGB (BGH, Beschluû vom 29. Juli 1998 ± 1 StR 370/98 ±; Beschluû vom 11. Dezember 1998 ± 2 StR 521/98 ±; Beschluû vom 8. August 2001 ± 3 StR 271/00 ±; Beschluû vom 17. Mai 2001 ± 4 StR 412/00 ± und Beschluû vom 19. Oktober 1999 ± 5 StR 502/99 ±). Auch der dazwischen angesiedelte Fall, daû die Munition für die Schuûwaffe griffbereit mitgeführt wird, ist inzwischen höchstrichterlich geklärt (Munition in der Jackentasche: BGH, Urteil vom 20. Oktober 1999 ± 1 StR 429/99 = BGHSt 45, 249; Waffe muû nur noch durchgeladen werden: BGH, Beschluû vom 9. November 1999 ± 1 StR 501/99 ±; Munition in Kleidung: BGH, Beschluû vom 25. Februar 2000 ± 2 StR 445/99 ±). bb) Waffen sind ferner alle sonstigen Waffen im technischen Sinne, insbesondere solche, die dem Waffenrecht unterfallen (Gummiknüppel als Hiebwaffe nach § 1 Abs. 7 WaffG: BGH, Urteil vom 23. Mai 2001 ± 3 StR 62/01 = BGHR StGB § 177 Abs. 3 Waffe 1).

b) Als generell, also stets "gefährliche Werkzeuge" ± sofern sie nicht schon dem Waffenbegriff unterfallen ± hat der Bundesgerichtshof insbesondere Messer eingestuft (BGH, Beschluû vom 17. Juni 1998 ± 1 StR 270/98 = BGHR StGB § 250 Abs. 2 Nr. 1 Verwenden 1; BGH, Urteil vom 26. November 1998 ± 4 StR 457/98 = NStZ 1999, 136; BGH, Beschluû vom 16. Mai 2000 ± 4 StR 89/00 = NStZ-RR 2001, 41).
c) Andere Gegenstände hat der Bundesgerichtshof erst wegen ihres Einsatzes unter besonderen Bedingungen ± also verwendungsspezifisch ± als "gefährliche Werkzeuge" eingestuft. Diese spezielle Gefährlichkeit ist untrennbar mit der tatsächlichen, konkreten Verwendung verbunden. Mit anderen Worten: Diese Tatmittel sind an sich ± also generell ± keine "gefährlichen Werkzeuge". Zu solchen werden sie vielmehr erst aufgrund ihrer speziellen Verwendung. Erst dadurch sind sie geeignet, erhebliche Verletzungen herbeizuführen. aa) Zu den erst verwendungsspezifisch gefährlichen Werkzeugen gehört insbesondere der Einsatz ± wobei die Drohung mit dem Einsatz genügt ± von Gegenständen als Schlagwerkzeug (auch von geladenen oder ungeladenen Schuûwaffen). So hat der 2. Strafsenat einerseits einen Holzknüppel nicht als "gefährliches Werkzeug" eingestuft, weil er nicht verwendet wurde (Beschluû vom 4. September 1999 ± 2 StR 390/98 = StV 1999, 91) und andererseits ein Winkeleisen nur deshalb als "gefährliches Werkzeug" behandelt, weil es zur Bedrohung des Tatopfers eingesetzt wurde (Beschluû vom 22. November 2001 ± 2 StR 400/01 ±). Der 4. Strafsenat hat einen Besenstiel, der als Drohmittel zur Herausgabe verwendet wurde (Beschluû vom 20. Mai 1999 ± 4 StR 168/99 = NStZ-RR 1999, 355), und eine gegen das Opfer "eingesetzte" Schranktür (Beschluû vom 16. Juni 1998 ± 4 StR 255/98 ±) als "gefährliches Werkzeug" angesehen. bb) Dasselbe gilt für den Einsatz von an sich ungefährlichen Gegenständen als Stichwerkzeug (Kugelschreiber an den Hals gedrückt: BGH, Beschluû vom 15. Februar 2001 ± 3 StR 6/01 ±; Vorhalten einer Injektionsspritze, deren
Nadel auf das Opfer gerichtet war: BGH, Beschluû vom 22. Mai 2001 ± 3 StR 130/01 ±) und für sonstige Mittel (Kampfhund: BGH, Beschluû vom 8. Dezember 1998 ± 4 StR 584/98 = NStZ-RR 1999, 174; Mitschleifen im Auto: BGH, Urteil vom 30. Mai 2000 ± 4 StR 90/00 = NStZ 2000, 530; Treten mit beschuhten Füûen: BGH, Beschluû vom 28. November 2000 ± 4 StR 474/00 ±). cc) Bei der Einordnung von Fesselungsmitteln hat der Bundesgerichtshof gleichfalls auf die Art der Verwendung abgestellt (BGH, Beschluû vom 4. September 1999 ± 2 StR 390/98 = StV 1999, 91; "sie sind zwar verwendet worden, waren aber in der konkreten Art ihrer Verwendung keine "gefährlichen Werkzeuge": Beschluû vom 25. November 1998 ± 2 StR 546/98 ±; kurzzeitige Drosselung mit einem Gürtel: Beschluû vom 27. Juni 2001 ± 3 StR 64/01 ±; Hände mit Kabelbinder gefesselt: Beschluû vom 12. Januar 1999 ± 4 StR 688/98 ±). 2. Aus dem Umstand, daû der Bundesgerichtshof nicht generell gefährliche Gegenstände erst durch die Art der Verwendung als ± speziell ± "gefährliche Werkzeuge" eingestuft hat, leitet der Senat ab, daû der Begriff des "gefährlichen Werkzeugs" in § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB nicht vollständig deckungsgleich ist mit dem des "gefährlichen Werkzeugs" in § 250 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a StGB. Diese Konsequenz hat der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs schon in seiner Antwort (Beschluû vom 26. Februar 1999 ± 3 ARs 1/99 = NStZ 1999, 301) auf die Anfrage des 4. Strafsenats (Beschluû vom 3. Dezember 1998 ± 4 StR 380/98 = StV 1999, 151) aufgezeigt. Der unterschiedliche Begriff des gefährlichen Werkzeugs im Sinne des § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB folgt daraus, daû dieser untrennbar mit dem dort zusätzlich genannten Merkmal "verwendet" verbunden ist. Erst durch seine Verwendung wird ein generell ungefährlicher Gegenstand zu einem speziell "gefährlichen Werkzeug".
a) Gerade die Fesselungsmittel zeigen anschaulich, daû es bei solchen Gegenständen von der Art der Verwendung abhängt, ob das Werkzeug gefährlich ist. Der Täter kann ein Seil bei sich führen, um dieses lediglich als Fesselungsmittel einzusetzen; dann macht er sich nach § 250 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b
StGB strafbar. Verwendet er das Seil hingegen als Drosselungsmittel, dann wird das Seil ± wegen der Art der Verwendung ± zu einem "gefährlichen Werkzeug" im Sinne des § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB. Tritt der Täter mit seinem beschuhten Fuû gegen den Kopf des Opfers, so verwendet er ein ± speziell ± "gefährliches Werkzeug" und begeht erst dadurch einen schweren Raub (§ 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB).
b) Wären solche Gegenstände unabhängig von ihrer Verwendung, also bei bloûem Beisichführen, "gefährliche Werkzeuge" im Sinne des § 250 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a StGB, dann könnte ein schwerer Raub nur noch durch (ungeschriebene ) subjektive Merkmale ("Verwendungsabsicht" oder "Verwendungsvorbehalt" ) verneint werden. Eine solche Einschränkung lehnt der 2. Strafsenat aber mit überzeugender Begründung ab. Er verlangt zu Recht eine Abgrenzung anhand objektiver Kriterien. Deshalb ist bei der Einordnung solcher Gegenstände als "gefährliches Werkzeug" maûgeblich auf die Art der Verwendung abzustellen. Die tatsächliche Verwendung ist ein solches objektives Kriterium, denn sie umschreibt Umstände der Tatausführung.
c) Nur bei einem verwendungsspezifischen Gefährlichkeitsbegriff läût sich auch die vom Gesetzgeber gewollte Kongruenz mit dem Begriff des "gefährlichen Werkzeugs" im Sinne des § 224 Nr. 2 StGB erreichen. Dann ergibt sich die Kongruenz zwanglos daraus, daû dem "Verwenden" (§ 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB) die Worte "die Körperverletzung mittels... eines anderen 'gefährlichen Werkzeugs' ... begeht" (§ 224 Nr. 2 StGB) entsprechen. Hätte der Begriff des gefährlichen Werkzeugs in § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB hingegen denselben Inhalt wie der in § 250 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a StGB, dann ergäben sich ± worauf der Anfragebeschluû zutreffend hinweist ± auch systematische Schwierigkeiten bei der Auslegung dieses Tatbestandsmerkmals. 3. Diese Auslegungsgrundsätze müssen auch für die mit Platzpatronen geladene Schreckschuûwaffe (bei welcher der Gasdruck nach vorne austritt) gelten.

a) Dieses Tatmittel hat der Bundesgerichtshof bisher nicht als generell "gefährliches Werkzeug" eingestuft. Zu einem "gefährlichen Werkzeug" (Waffe) wird eine solche Schreckschuûwaffe erst durch die Art ihrer Verwendung. Der dafür maûgebliche Grund ist, daû nur die Schuûabgabe aus kurzer Distanz zu Verletzungen führen kann, während ein Schuû aus gröûerer Distanz objektiv ungefährlich ist. Das für die Gefährlichkeit ausschlaggebende Kriterium ist deshalb konsequenterweise die räumliche Distanz (“Entfernungs-Kriterium”) zwischen Täter und Opfer (BGH, Beschlüsse vom 3. November 1998 ± 1 StR 529/98 ±; vom 14. April 1999 ± 1 StR 542/98 ±; vom 19. August 1998 ± 3 StR 333/98 = BGHR StGB § 250 Abs. 2 Waffe 2; Beschluû vom 19. Mai 1998 ± 4 StR 204/98 = BGHR StGB § 250 "gefährliches Werkzeug" 1 und vom 23. Juni 1998 ± 4 StR 245/98 ±). aa) Stellt das Tatgericht fest, daû der Täter dem Opfer lediglich aus nicht bekannter Entfernung mit einer Schreckschuûwaffe droht, so ist das Tatmittel objektiv ungefährlich, weil hier die Leibesgefahr für das Opfer fehlt. In diesen Fällen täuscht der Täter mit einer Schreckschuûwaffe, die häufig in ihrem äuûeren Erscheinungsbild echten Schuûwaffen nachgebildet ist, das Opfer. Dieses nimmt an, der Täter könne, wie bei einer echten Schuûwaffe, durch die Abgabe eines Schusses eine schwere oder gar tödliche Verletzung herbeiführen. Der Täter nutzt diese Täuschung aus, um allein durch die Drohung den erwarteten Widerstand zu brechen. Dann kommt allein § 250 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b StGB zur Anwendung (BGH, Beschlüsse vom 3. November 1998 ± 1 StR 529/98 ±und vom 23. Juni 1998 ± 4 StR 245/98 ±). bb) Bringt der Täter dagegen dem Opfer bei einer Schuûdistanz von wenigen Zentimetern (relativer Nahschuû) oder bei einem Schuû mit auf die Körperoberfläche aufgesetzter Laufmündung (absoluter Nahschuû) durch die austretenden Explosionsgase und die mitgerissenen Munitionspartikel (vgl. Rothschild, Zur Gefährlichkeit freiverkäuflicher Schreckschuûwaffen, NStZ 2001, 406, 407, 410) eine erhebliche Verletzung bei oder droht er dem Opfer mit einer solchen Vorgehensweise, dann wird die Schreckschuûwaffe aufgrund
ihrer konkreten Verwendung zu einem "gefährlichen Werkzeug" im Sinne des § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB, nämlich zu einer Waffe (vgl. Boetticher/Sander NStZ 1999, 292, 293; BGH, Beschluû vom 9. November 1999 ± 1 StR 501/99 ±; BGH, Beschluû vom 19. August 1998 ± 3 StR 333/98 = BGHR StGB § 250 Abs. 2 Nr. 1 Waffe 2; BGH, Beschluû vom 4. Januar 1999 ± 3 StR 517/98 ±; BGH, Urteil vom 26. November 1998 ± 4 StR 457/98 = NStZ 1999, 136; BGH, Beschluû vom 30. November 2000 ± 4 StR 493/00 = StV 2001, 274).
b) Der 2. Strafsenat will eine verwendungsspezifische ± spezielle ± Gefährlichkeit auch deshalb annehmen, weil die Schreckschuûwaffe innerhalb kürzester Zeit unmittelbar am Körper des Opfers zum Einsatz gebracht werden k a n n ("Zeit-Kriterium"). aa) Daran ist sicher richtig, daû der Täter ± binnen Sekunden ± mit wenigen Schritten die Distanz überwinden und damit die spezielle Gefährlichkeit herbeiführen kann. Insofern ist ± worauf der 2. Strafsenat abhebt ± zwar eine gewisse Vergleichbarkeit mit dem Messer gegeben. Bei der entscheidendserheblichen Frage der objektiven Gefährlichkeit des angedrohten Einsatzes können beide Tatmittel indessen nicht gleichgesetzt werden. Droht der Täter an, sein Messer einzusetzen, so droht er zugleich damit, den Abstand zum Opfer zu überwinden und mit dem Messer ± aus einer Nahdistanz ± auf das Opfer einzustechen. Anders ist es bei der Drohung mit dem Einsatz der Schreckschuûwaffe. Hier droht der Täter grundsätzlich damit, einen Schuû aus der Position abzugeben, in der er sich gerade befindet. Macht der Täter in diesem Fall seine Drohung wahr, so ist der angedrohte Einsatz gleichwohl objektiv ungefährlich, wenn die Schuûabgabe aus gröûerer Distanz erfolgt. Davon geht auch der 2. Strafsenat aus, wenn er (Beschluû S. 6 unten) ausführt, daû ihr Einsatz aus gröûerer Distanz "die Zufügung einer erheblichen Körperverletzung (gerade) noch nicht gestattet." bb) Würde man genügen lassen, daû die Schreckschuûwaffe innerhalb kürzester Zeit unmittelbar am Körper des Opfers zum Einsatz gebracht werden k a n n , dann würde eine objektiv (noch) ungefährliche Schreckschuûwaffe
unabhängig von der Art ihres t a t s ä c h l i c h e n Einsatzes nahezu stets zu einem "gefährlichen Werkzeug". Schon die p o t e n t i e l l e Gefährlichkeit würde danach ausreichen. Durch eine solche Auslegung mittels des ZeitKriteriums wird der Begriff des gefährlichen Werkzeuges bei solchen Tatmitteln von der Art der Verwendung abgekoppelt. Dies gilt nicht nur bei Schreckschuûwaffen , sondern auch bei anderen generell nicht gefährlichen Gegenständen. Damit wären auch die meisten anderen Gegenstände nahezu stets ein "gefährliches Werkzeug" im Sinne des § 250 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a StGB.
c) Zwar versucht der 2. Strafsenat eine so weit reichende Abkoppelung vom Merkmal der Verwendung durch die fallbezogene Formulierung der Vorlegungsfrage zu vermeiden. Diese bezieht sich ausdrücklich nur auf mit Platzpatronen geladene Schreckschuûpistolen, bei welcher der Gasdruck nach vorne austritt. Auch soll nur das "gefährliche Werkzeug im Sinne des § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB" betroffen sein. Die Möglichkeit des Nahschusses soll zudem nur eine weitere Art ("verwendet auch") des Verwendens sein. aa) Die Anwendung des Zeit-Kriteriums führt zunächst dazu, daû ein Täter , der eine Schreckschuûwaffe bloû bei sich führt, nahezu stets einen schweren Raub im Sinne des § 250 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a StGB begeht. Die rechtssystematische Konsequenz einer solchen Auslegung wäre, daû ± anders als es der 1. Strafsenat aus der bisherigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs abgeleitet hat ± der Begriff des "gefährlichen Werkzeugs" in § 250 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a und § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB weitgehend identisch wäre. Daû der 2. Strafsenat ± von seinem Ansatz aus konsequent ± von einem solchen einheitlichen Begriff des "gefährlichen Werkzeugs" ausgeht, zeigt die Begründung auf S. 4 unten und S. 5 Mitte des Anfragebeschlusses. Daraus folgt aber zugleich , daû die auf die Auslegung des "gefährlichen Werkzeugs" (nur) im Sinne des § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB beschränkte Vorlegungsfrage zu eng gefaût ist. Da es bereits auf die M ö g l i c h k e i t des Einsatzes aus kurzer Distanz ankommen soll, ändert diese Auslegung auch die bisherige Rechtsprechung
zum Begriff des "gefährlichen Werkzeugs" im Sinne des § 250 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a StGB. bb) Der so ausgelegte Begriff des "gefährlichen Werkzeugs" würde aber auch für jeden anderen generell noch nicht gefährlichen Gegenstand gelten. Das gilt zunächst für ungeladene Schuûwaffen oder Scheinwaffen. Reicht die Drohung mit der vermeintlich möglichen Schuûabgabe nicht aus, so k ö n n e n diese ± binnen Sekunden ± immer noch als Schlagwerkzeug eingesetzt werden. Für deren Einstufung in § 250 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b StGB bliebe dann kaum noch Raum. Auch andere Gegenstände wie Schals, Gürtel (sie können schnell als Drosselungswerkzeuge gebraucht werden), Kugelschreiber (als Stichwerkzeug) oder Schuhe müûten bei Anwendung des ZeitKriteriums als (potentiell) "gefährliche Werkzeuge" angesehen werden. Da aber nahezu jeder Täter solche oder ähnliche Gegenstände "bei sich führt" (§ 250 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a StGB) und "diese innerhalb kürzester Zeit unmittelbar am Körper des Opfers zum Einsatz gebracht werden k ö n n e n " , würde der einfache Raub in den meisten Fällen zu einem schweren Raub. cc) Diese Konsequenzen lassen sich nicht dadurch vermeiden, daû der 2. Strafsenat die Einstufung als "gefährliches Werkzeug" ausdrücklich nur bei einem "derart verletzungsgeeigneten Gegenstand" und wegen der insoweit angenommenen Vergleichbarkeit der Schreckschuûpistole mit einem Messer vornehmen will. Da mit der potentiellen Gefährlichkeit ein weitergehender Auslegungsansatz gewählt wird, läût sich dessen umfassende Anwendung nicht nur auf die tatsächlichen Gegebenheiten der Schreckschuûwaffe beschränken. Damit würde die Grenzziehung zwischen objektiv gefährlichen und objektiv ungefährlichen Werkzeugen bzw. Waffen wegen eines nur für möglich angesehenen Tatverlaufs aufgegeben. Einen Erfahrungssatz, daû ein objektiv ungefährliches Tatmittel stets gefährlich eingesetzt wird, gibt es nicht. Ebenso kann nicht unterstellt werden, daû ein Täter regelmäûig eine derartige, die Gefährlichkeit erhöhende Absicht hat. Der Anknüpfung an einen nur potentiel-
len Geschehensablauf widersprechen gerade die häufig von den Tatgerichten getroffenen Feststellungen, nach denen es beim Raub aus unterschiedlichsten Gründen ± erfolgreiche Täuschung des Opfers, Furcht des Täters u.a. ± bei dem objektiv ungefährlichen Einsatz des Tatmittels bleibt. Käme es auf die potentielle Gefährlichkeit an, so müûten die Tatgerichte aufgrund der richterlichen Aufklärungspflicht oder aufgrund von Beweisanträgen weitere Ermittlungen zu den örtlichen Gegebenheiten ± dem Abstand zwischen Täter und Opfer, den Sichtverhältnissen und insbesondere zu der Möglichkeit , die Distanz zwischen Täter und Opfer zu überwinden ± anstellen. Ebenso wäre das Merkmal "binnen kürzester Zeit und ohne weitere Vorbereitungen" unterschiedlichster Auslegung zugänglich. Insoweit verweist der Senat auch auf die Stellungnahme des 5. Strafsenats (Beschluû vom 19. Februar 2002 ± 5 ARs 6/02 ±). II. Gegen die beabsichtigte Änderung der Rechtsprechung sprechen auch die Motive des Gesetzgebers des 6. StrRG. 1. Mit der Einführung der abgestuften Qualifikationstatbestände mit den Mindeststrafandrohungen von drei Jahren bzw. fünf Jahren wollte der Gesetzgeber Wertungswidersprüche auflösen, die sich in der Rechtsprechung der Gerichte ergeben hatten. Obwohl § 250 Abs. 1 Nr. 1 StGB a.F. für sämtliche Tathandlungen des schweren Raubes das einheitliche Mindestmaû von fünf Jahren Freiheitsstrafe vorsah, hätten die Gerichte aus seiner Sicht zu oft den mit einer Höchststrafe von fünf Jahren bedrohten minder schweren Fall nach § 250 Abs. 2 StGB a.F. angenommen (vgl. Entwurfsbegründung BTDrucks. 13/8587 S. 44). Durch die Einführung eines Qualifikationstatbestandes mit einem "mittleren" Strafrahmen des § 250 Abs. 1 StGB n.F. und die Anhebung der Höchststrafe für den minder schweren Fall sollten die Strafrahmen angemessen abgestuft werden. § 250 Abs. 1 StGB n.F. sollte namentlich in solchen Fällen zur Anwendung kommen, in denen die Rechtsprechung bisher auf den Strafrahmen für minder schwere Fälle nach § 250 Abs. 2 StGB a.F. "ausgewichen" war: "Überfälle mit einer Spielzeugpistole, mit einer mit vier Platzpatro-
nen geladenen Schreckschuûwaffe oder unter Vorhalt einer ungeladenen Gaspistole" (aaO S. 44). 2. Der Gesetzgeber wollte also zum einen verhindern, daû ein Raub durch Bedrohung mit objektiv ungefährlichen Schuûwaffen zum minder schweren Fall herabgestuft wird. Zum andern hat er gerade für diese Fälle den Qualifikationstatbestand des § 250 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b StGB mit einem mittleren Strafrahmen geschaffen (vgl. Boetticher/Sander NStZ 1999, 292 ff.; ausführlich auch Hohmann/Sander Strafrecht BT I 2. Aufl. § 6 Rdn. 4 ff.) und damit verdeutlicht , daû er solche Fallgestaltungen ± unter ausdrücklicher Erwähnung der mit Platzpatronen geladenen Schreckschuûwaffe ± mit dem Strafrahmen des § 250 Abs. 1 StGB n.F. bedroht wissen wollte. III. Die vom 2. Strafsenat vorgenommene Auslegung des Begriffs des "gefährlichen Werkzeugs" würde schlieûlich eine inzwischen gefestigte Rechtsprechung aufgeben, ohne daû dafür schwerwiegende Gründe vorliegen. Der teilweise unsystematischen Neubeschreibung der Qualifikationsmittel in den abgestuften Tatbeständen des schweren Raubes durch das 6. StrRG hat die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs mittlerweile eine für die Praxis handhabbare Kontur gegeben. Nahezu alle praktisch wichtigen Fallgruppen sind inzwischen höchstrichterlich geklärt. Die Strafsenate haben die in Rede stehenden Merkmale im wesentlichen übereinstimmend ausgelegt und in einer Vielzahl von Entscheidungen eine für die tatrichterliche Praxis hinreichend klare Abgrenzung zwischen den Tatbestandsmerkmalen "Waffe oder anderes gefährliches Werkzeug" (§ 250 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a, Abs. 2 Nr. 1 StGB) und "Werkzeug oder Mittel" (§ 250 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b StGB) geschaffen. Dadurch konnten die durch das Ersetzen der "Schuûwaffe" zunächst hervorgerufenen Unzuträglichkeiten bei der neuen Systematisierung der Tatmittel und ihrer Zuordnung zu den beiden unterschiedlichen Qualifikationstatbeständen des schweren Raubes soweit wie möglich beseitigt werden. Für eine Änderung der nunmehr als gefestigt anzusehenden
Rechtsprechung vermag der 1. Strafsenat ± ebenso wie der 5. Strafsenat (Beschluû vom 19. Februar 2002 ± 5 ARs 6/02 ±) ± keine Gründe von Gewicht zu erkennen. Schäfer Nack Boetticher Schluckebier Hebenstreit

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Bundesgerichtshof Urteil, 21. Jan. 2004 - 1 StR 364/03

bei uns veröffentlicht am 21.01.2004

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 1 StR 364/03 vom 21. Januar 2004 in der Strafsache gegen wegen sexueller Nötigung u.a. Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Verhandlung am 20. Janaur 2004 in der Sitzung vom 21. Jan

Bundesgerichtshof Urteil, 12. März 2015 - 4 StR 538/14

bei uns veröffentlicht am 12.03.2015

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 4 StR 538/14 vom 12. März 2015 in der Strafsache gegen 1. 2. wegen schweren Raubes u.a. Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 12. März 2015, an der teilgenommen haben: Vor

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(1) Beim Bundesgerichtshof werden ein Großer Senat für Zivilsachen und ein Großer Senat für Strafsachen gebildet. Die Großen Senate bilden die Vereinigten Großen Senate.

(2) Will ein Senat in einer Rechtsfrage von der Entscheidung eines anderen Senats abweichen, so entscheiden der Große Senat für Zivilsachen, wenn ein Zivilsenat von einem anderen Zivilsenat oder von dem Großen Zivilsenat, der Große Senat für Strafsachen, wenn ein Strafsenat von einem anderen Strafsenat oder von dem Großen Senat für Strafsachen, die Vereinigten Großen Senate, wenn ein Zivilsenat von einem Strafsenat oder von dem Großen Senat für Strafsachen oder ein Strafsenat von einem Zivilsenat oder von dem Großen Senat für Zivilsachen oder ein Senat von den Vereinigten Großen Senaten abweichen will.

(3) Eine Vorlage an den Großen Senat oder die Vereinigten Großen Senate ist nur zulässig, wenn der Senat, von dessen Entscheidung abgewichen werden soll, auf Anfrage des erkennenden Senats erklärt hat, daß er an seiner Rechtsauffassung festhält. Kann der Senat, von dessen Entscheidung abgewichen werden soll, wegen einer Änderung des Geschäftsverteilungsplanes mit der Rechtsfrage nicht mehr befaßt werden, tritt der Senat an seine Stelle, der nach dem Geschäftsverteilungsplan für den Fall, in dem abweichend entschieden wurde, zuständig wäre. Über die Anfrage und die Antwort entscheidet der jeweilige Senat durch Beschluß in der für Urteile erforderlichen Besetzung; § 97 Abs. 2 Satz 1 des Steuerberatungsgesetzes und § 74 Abs. 2 Satz 1 der Wirtschaftsprüferordnung bleiben unberührt.

(4) Der erkennende Senat kann eine Frage von grundsätzlicher Bedeutung dem Großen Senat zur Entscheidung vorlegen, wenn das nach seiner Auffassung zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich ist.

(5) Der Große Senat für Zivilsachen besteht aus dem Präsidenten und je einem Mitglied der Zivilsenate, der Große Senate für Strafsachen aus dem Präsidenten und je zwei Mitgliedern der Strafsenate. Legt ein anderer Senat vor oder soll von dessen Entscheidung abgewichen werden, ist auch ein Mitglied dieses Senats im Großen Senat vertreten. Die Vereinigten Großen Senate bestehen aus dem Präsidenten und den Mitgliedern der Großen Senate.

(6) Die Mitglieder und die Vertreter werden durch das Präsidium für ein Geschäftsjahr bestellt. Dies gilt auch für das Mitglied eines anderen Senats nach Absatz 5 Satz 2 und für seinen Vertreter. Den Vorsitz in den Großen Senaten und den Vereinigten Großen Senaten führt der Präsident, bei Verhinderung das dienstälteste Mitglied. Bei Stimmengleichheit gibt die Stimme des Vorsitzenden den Ausschlag.

(1) Auf Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren ist zu erkennen, wenn

1.
der Täter oder ein anderer Beteiligter am Raub
a)
eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug bei sich führt,
b)
sonst ein Werkzeug oder Mittel bei sich führt, um den Widerstand einer anderen Person durch Gewalt oder Drohung mit Gewalt zu verhindern oder zu überwinden,
c)
eine andere Person durch die Tat in die Gefahr einer schweren Gesundheitsschädigung bringt oder
2.
der Täter den Raub als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Raub oder Diebstahl verbunden hat, unter Mitwirkung eines anderen Bandenmitglieds begeht.

(2) Auf Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter oder ein anderer Beteiligter am Raub

1.
bei der Tat eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug verwendet,
2.
in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 eine Waffe bei sich führt oder
3.
eine andere Person
a)
bei der Tat körperlich schwer mißhandelt oder
b)
durch die Tat in die Gefahr des Todes bringt.

(3) In minder schweren Fällen der Absätze 1 und 2 ist die Strafe Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR 445/99
vom
25. Februar 2000
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
wegen zu 1.: Mordes u.a.
zu 2.: versuchter schwerer räuberischer Erpressung u.a.
zu 3.: Diebstahls mit Waffen
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts
und nach Anhörung der Beschwerdeführer am 25. Februar 2000
einstimmig beschlossen:
Die Revisionen der Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Limburg an der Lahn vom 17. Februar 1999 werden als unbegründet verworfen, da die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigungen keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten ergeben hat (§ 349 Abs. 2 StPO). Jeder Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Hinsichtlich der Revision des Angeklagten K. ist folgendes anzumerken : Das Landgericht ist davon ausgegangen, daß der Angeklagte die Munition getrennt von der Waffe bei sich führte. Da es ohne Rechtsfehler einen minder schweren Fall im Sinne des § 250 Abs. 2 StGB aF verneint und nur eine Milderung nach §§ 21, 49 Abs. 1 StGB vorgenommen hat, hätte es den Strafrahmen der zum Zeitpunkt der Entscheidung geltenden Neufassung des § 250 Abs. 1 StGB (6. StrRG) zugrunde legen müssen, der mit einer Mindeststrafdrohung von nur noch drei Jahren im Verhältnis zum alten Recht das mildere Gesetz im Sinne des § 2 Abs. 3 StGB darstellt. Zwar sieht § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB nF ebenso wie § 250 Abs. 1 StGB aF eine Mindeststrafe von fünf Jahren Freiheitsstrafe vor. Die Voraussetzungen von § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB nF liegen aber entgegen der Ansicht des Landgerichts nicht vor. Setzt der Täter nämlich zur Drohung gegenüber dem Opfer eine ungeladene Pistole ein und befindet sich das zugehörige mit Munition versehene Magazin in seiner Kleidung, verwendet er keine Waffe im Sinne des § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB, er führt diese nur im Sinne von § 250 Abs. 1 Nr. 1 a StGB nF bei sich (vgl. BGH, Urt. vom 20. Oktober 1999 - 1 StR 429/99, zum Abdruck in BGHSt bestimmt). Die Strafe hätte deshalb dem Strafrahmen des § 250 Abs. 1 StGB nF (drei bis 15 Jahre) als dem milderen Gesetz entnommen werden müssen. Da aber nur die Strafrahmenuntergrenze (Freiheitsstrafe von sechs Monaten statt zwei Jahren ) betroffen ist, kann der Senat angesichts der weit von der Untergrenze entfernten Strafe von sieben Jahren und sechs Monaten ausschließen, daß sich der Rechtsfehler auf die Strafe ausgewirkt hat.
Jähnke Niemöller Detter Bode Otten

(1) Dieses Gesetz regelt den Umgang mit Waffen oder Munition unter Berücksichtigung der Belange der öffentlichen Sicherheit und Ordnung.

(2) Waffen sind

1.
Schusswaffen oder ihnen gleichgestellte Gegenstände und
2.
tragbare Gegenstände,
a)
die ihrem Wesen nach dazu bestimmt sind, die Angriffs- oder Abwehrfähigkeit von Menschen zu beseitigen oder herabzusetzen, insbesondere Hieb- und Stoßwaffen;
b)
die, ohne dazu bestimmt zu sein, insbesondere wegen ihrer Beschaffenheit, Handhabung oder Wirkungsweise geeignet sind, die Angriffs- oder Abwehrfähigkeit von Menschen zu beseitigen oder herabzusetzen, und die in diesem Gesetz genannt sind.

(3) Umgang mit einer Waffe oder Munition hat, wer diese erwirbt, besitzt, überlässt, führt, verbringt, mitnimmt, damit schießt, herstellt, bearbeitet, instand setzt oder damit Handel treibt. Umgang mit einer Schusswaffe hat auch, wer diese unbrauchbar macht.

(4) Die Begriffe der Waffen und Munition sowie die Einstufung von Gegenständen nach Absatz 2 Nr. 2 Buchstabe b als Waffen, die Begriffe der Arten des Umgangs und sonstige waffenrechtliche Begriffe sind in der Anlage 1 (Begriffsbestimmungen) zu diesem Gesetz näher geregelt.

(1) Wer gegen den erkennbaren Willen einer anderen Person sexuelle Handlungen an dieser Person vornimmt oder von ihr vornehmen lässt oder diese Person zur Vornahme oder Duldung sexueller Handlungen an oder von einem Dritten bestimmt, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(2) Ebenso wird bestraft, wer sexuelle Handlungen an einer anderen Person vornimmt oder von ihr vornehmen lässt oder diese Person zur Vornahme oder Duldung sexueller Handlungen an oder von einem Dritten bestimmt, wenn

1.
der Täter ausnutzt, dass die Person nicht in der Lage ist, einen entgegenstehenden Willen zu bilden oder zu äußern,
2.
der Täter ausnutzt, dass die Person auf Grund ihres körperlichen oder psychischen Zustands in der Bildung oder Äußerung des Willens erheblich eingeschränkt ist, es sei denn, er hat sich der Zustimmung dieser Person versichert,
3.
der Täter ein Überraschungsmoment ausnutzt,
4.
der Täter eine Lage ausnutzt, in der dem Opfer bei Widerstand ein empfindliches Übel droht, oder
5.
der Täter die Person zur Vornahme oder Duldung der sexuellen Handlung durch Drohung mit einem empfindlichen Übel genötigt hat.

(3) Der Versuch ist strafbar.

(4) Auf Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr ist zu erkennen, wenn die Unfähigkeit, einen Willen zu bilden oder zu äußern, auf einer Krankheit oder Behinderung des Opfers beruht.

(5) Auf Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr ist zu erkennen, wenn der Täter

1.
gegenüber dem Opfer Gewalt anwendet,
2.
dem Opfer mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben droht oder
3.
eine Lage ausnutzt, in der das Opfer der Einwirkung des Täters schutzlos ausgeliefert ist.

(6) In besonders schweren Fällen ist auf Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren zu erkennen. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn

1.
der Täter mit dem Opfer den Beischlaf vollzieht oder vollziehen lässt oder ähnliche sexuelle Handlungen an dem Opfer vornimmt oder von ihm vornehmen lässt, die dieses besonders erniedrigen, insbesondere wenn sie mit einem Eindringen in den Körper verbunden sind (Vergewaltigung), oder
2.
die Tat von mehreren gemeinschaftlich begangen wird.

(7) Auf Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter

1.
eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug bei sich führt,
2.
sonst ein Werkzeug oder Mittel bei sich führt, um den Widerstand einer anderen Person durch Gewalt oder Drohung mit Gewalt zu verhindern oder zu überwinden, oder
3.
das Opfer in die Gefahr einer schweren Gesundheitsschädigung bringt.

(8) Auf Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter

1.
bei der Tat eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug verwendet oder
2.
das Opfer
a)
bei der Tat körperlich schwer misshandelt oder
b)
durch die Tat in die Gefahr des Todes bringt.

(9) In minder schweren Fällen der Absätze 1 und 2 ist auf Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu drei Jahren, in minder schweren Fällen der Absätze 4 und 5 ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen der Absätze 7 und 8 ist auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren zu erkennen.

(1) Auf Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren ist zu erkennen, wenn

1.
der Täter oder ein anderer Beteiligter am Raub
a)
eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug bei sich führt,
b)
sonst ein Werkzeug oder Mittel bei sich führt, um den Widerstand einer anderen Person durch Gewalt oder Drohung mit Gewalt zu verhindern oder zu überwinden,
c)
eine andere Person durch die Tat in die Gefahr einer schweren Gesundheitsschädigung bringt oder
2.
der Täter den Raub als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Raub oder Diebstahl verbunden hat, unter Mitwirkung eines anderen Bandenmitglieds begeht.

(2) Auf Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter oder ein anderer Beteiligter am Raub

1.
bei der Tat eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug verwendet,
2.
in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 eine Waffe bei sich führt oder
3.
eine andere Person
a)
bei der Tat körperlich schwer mißhandelt oder
b)
durch die Tat in die Gefahr des Todes bringt.

(3) In minder schweren Fällen der Absätze 1 und 2 ist die Strafe Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 474/00
vom
28. November 2000
in der Strafsache
gegen
wegen Raubes u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 28. November 2000 gemäß
§§ 349 Abs. 2 und 4, 357 StPO beschlossen:
I. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Halle vom 24. Mai 2000 1. im Schuldspruch - auch soweit es den Mitangeklagten Ka. betrifft - dahin geändert, daß die Angeklagten des Diebstahls in neun Fällen, des versuchten Diebstahls in zwei Fällen sowie des Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung schuldig sind, 2. im gesamten, den Angeklagten K. betreffenden Strafausspruch mit den Feststellungen aufgehoben. II. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere - allgemeine - Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. III. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe:


Das Landgericht hat die Angeklagten K. und Ka. des "gemeinschaftlich begangenen schweren Bandendiebstahls in 11 Fällen, wovon es in 2 Fäl-
len beim Versuch blieb, und des gemeinschaftlich begangenen schweren [Banden-] Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung" schuldig gesprochen. Den Angeklagten K. hat es zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren, den Angeklagten Ka. , der kein Rechtsmittel eingelegt hat, zur Jugendstrafe von zwei Jahren mit Strafaussetzung zur Bewährung verurteilt. Mit seiner Revision gegen dieses Urteil rügt der Angeklagte K. die Verletzung materiellen Rechts. Das Rechtsmittel hat teilweise Erfolg. Es führt gemäß § 357 StPO auch zu einer Ä nderung des Schuldspruchs zugunsten des Mitangeklagten Ka. . Im übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
1. Nach den Feststellungen kamen die Angeklagten im Oktober 1999 überein, ihren Lebensunterhalt durch die Begehung von Straftaten - insbesondere durch Diebstähle - zu finanzieren. In Ausführung dieses Vorhabens brachen sie bis zu ihrer Festnahme am 5. Dezember 1999 in neun Fällen in Schulen, Gartenlauben, Gaststätten und in einen Getränkemarkt ein und entwendeten u. a. Elektronikartikel, Zigaretten, Lebensmittel und Geld. In zwei weiteren Fällen scheiterten Einbruchsversuche. Am 1. Dezember 1999 nahmen die Angeklagten und ein Onkel des Angeklagten Ka. aufgrund gemeinsam gefaßten Tatentschlusses einem Bekannten, Günter N. , gewaltsam 300 DM sowie Lebensmittel ab. Als N. s ich gegen die Wegnahme zur Wehr setzen wollte, traten ihn die beiden Angeklagten, worauf er die Gegenwehr aufgab (UA 13, 16 ).
2. Die Ansicht des Landgerichts, die Angeklagten hätten bei den Diebstählen und dem Raub jeweils als Mitglieder einer (Zweier-) Bande gehandelt, hält – wie die Revision zu Recht vorbringt - rechtlicher Überprüfung nicht stand.

a) Bereits unabhängig von der Frage, ob schon zwei Personen eine Bande bilden können (verneinend BGH StV 2000, 315 ff. [Anfragebeschluß]), rechtfertigt das festgestellte Verhalten der Angeklagten nicht die Annahme bandenmäßiger Begehung. Diese setzt - über eine mittäterschaftliche Begehungsweise hinaus - ein Handeln mit gefestigtem Bandenwillen voraus (BGHSt 42, 255, 259; BGH NStZ 1996, 339, 340), wobei für den der jeweils gemeinschaftlich begangenen Tat zugrunde liegenden, auf eine gewisse Dauer angelegten und verbindlichen "Gesamtwillen" kennzeichnend ist, daß sich der Bandentäter im übergeordneten Interesse der bandenmäßigen Verbindung betätigt (vgl. BGH NStZ 1996, 443; NJW 1998, 2913; StV 1998, 599; BGH, Beschluß vom 25. Juli 2000 – 4 StR 255/00; Tröndle/Fischer StGB 49. Aufl. § 244 Rdn. 13). Einen solchen ”gefestigten Bandenwillen” hat die Jugendkammer nicht festgestellt. Auch dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe ist nicht zu entnehmen, daß die Angeklagten bei ihren Taten - über ihr individuelles Interesse am Erlangen von Beute hinaus - ein übergeordnetes Bandeninteresse verfolgt haben.

b) Da weitere Feststellungen, die den Vorwurf bandenmäßiger Begehung tragen könnten, in einer neuen Hauptverhandlung nicht zu erwarten sind, ändert der Senat – auch im Hinblick auf den Mitangeklagten Ka. (§ 357 StPO) - den Schuldspruch dahin ab, daß die Angeklagten in den Fällen II 1, 3 bis 10 der Urteilsgründe jeweils des Diebstahls, in den Fällen II 2 und 11 des versuchten Diebstahls und im Fall II 12 des Raubes in Tateinheit mit (gemeinschaftlich begangener, § 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB) gefährlicher Körperverletzung schuldig sind.
Der Auffassung des Generalbundesanwalts in seiner Antragsschrift vom 25. Oktober 2000, die Mißhandlungen des Geschädigten N. rechtfertigten im Fall II 12 einen Schuldspruch wegen schweren Raubes nach § 250 Abs. 2 StGB, vermag der Senat nicht zu folgen. Das Treten mit “beschuhten Füßen” (UA 16) kann nur dann als ”Verwenden” eines ”gefährlichen Werkzeugs” im Sinne des § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB angesehen werden, wenn die Tritte im Einzelfall geeignet sind, erhebliche Körperverletzungen herbeizuführen (vgl. BGH NStZ 1999, 616, 617). Dagegen spricht hier, daß die Verletzungen nicht erheblich waren und ärztliche Hilfe nicht in Anspruch genommen werden mußte (UA 13). Da ausgeschlossen werden kann, daß in einer neuen Hauptverhandlung zweifelsfreie genauere Feststellungen zu Art und Beschaffenheit der Schuhe, ihres konkreten Einsatzes gegen den Geschädigten N. und zum subjektiven Tatbestand des § 250 StGB getroffen werden können, stellt der Senat den Schuldspruch auf Raub (in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung) um.
Der Ä nderung des Schuldspruchs steht § 265 StPO nicht entgegen; denn die Angeklagten hätten sich gegen den geänderten Schuldspruch nicht wirksamer als geschehen verteidigen können.
3. Als Folge der Schuldspruchänderung müssen beim Angeklagten K. alle Einzelstrafen und die Gesamtstrafe aufgehoben werden. Beim Angeklagten Ka. sc hließt der Senat aus, daß die Jugendkammer bei zutreffender rechtlicher Würdigung auf eine noch geringere Strafe erkannt hätte. Die Jugendstrafe kann daher bestehenbleiben.
4. Da sich das weitere Verfahren nur noch gegen den erwachsenen Angeklagten K. richtet, verweist der Senat die Sache zur neuen Verhandlung
und Entscheidung an eine allgemeine Strafkammer zurück (vgl. BGHSt 35, 267).
Meyer-Goßner Kuckein Athing

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 64/01
vom
27. Juni 2001
in der Strafsache
gegen
wegen räuberischen Angriffs auf Kraftfahrer u.a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts
und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 27. Juni 2001 einstimmig

beschlossen:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Kleve vom 25. August 2000 wird als unbegründet verworfen, da die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat (§ 349 Abs. 2 StPO).
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Ergänzend bemerkt der Senat: 1. Mit der Möglichkeit eines Irrtums des Angeklagten über das Bestehen einer Forderung und ein Aneignungsrecht bezüglich der Geldscheine (vgl. BGH NJW 1990, 2832) mußte sich das Landgericht nicht weiter auseinandersetzen : Der Angeklagte und der Nichtrevident B. haben dem Opfer 400 DM weggenommen und versucht, weitere 800 bis 1.000 DM von ihm zu erlangen, weil das Opfer eine Rauschgiftlieferung des B. nicht bezahlt hatte. Eine rechtsgültige Forderung hatte B. deshalb gegen das Opfer nicht (vgl. BGHSt 31, 145 m.w.Nachw.). Mit der Feststellung, daß B. von einer "Schuld" des Opfers "in Höhe von 800 DM" ausging, will das Landgericht erkennbar nur ausdrücken, welchen Betrag B. vom Opfer zu erwar- ten gehabt hätte. Auch der Angeklagte wußte, daß es sich dabei "um eine Sache 'unter Brüdern' (in der Drogenszene)" handelte. Der Gedanke, daß die Täter glauben konnten, Forderungen berechtigt mit Gewalt eintreiben zu können , liegt bei einem Betäubungsmittelgeschäft so fern, daß es keiner weiteren Erörterung bedurfte. Eine Konstellation, wie sie der Senatsentscheidung (Beschl. vom 15. Mai 2001 - 3 StR 153/01) zugrunde lag, ist hier nicht gegeben. 2. Das Landgericht hat den Angeklagten im Ergebnis zu Recht wegen schweren Raubes verurteilt. Mangels Feststellungen zum Ladezustand der Gaspistole ist allerdings die Qualifikation nach § 250 Abs. 1 Nr. 1 a StGB nicht belegt. Jedoch hat der Angeklagte das Opfer mit einem Gürtel kurzzeitig gedrosselt und gefesselt, damit ein Werkzeug zur Überwindung des Widerstandes nicht nur geführt, sondern auch benutzt und so die Qualifikation nach § 250 Abs. 1 Nr. 1 b StGB erfüllt.
3. Die unzutreffenden Ausführungen über die Strafrahmen minder schwerer Fälle nach altem, nicht mehr anzuwendendem Recht (UA S. 21) gefährden den Bestand des Urteils nicht, da das Landgericht sodann von den Strafrahmen des geltenden Rechts ausgegangen ist. Kutzer Miebach Winkler Pfister Becker

(1) Auf Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren ist zu erkennen, wenn

1.
der Täter oder ein anderer Beteiligter am Raub
a)
eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug bei sich führt,
b)
sonst ein Werkzeug oder Mittel bei sich führt, um den Widerstand einer anderen Person durch Gewalt oder Drohung mit Gewalt zu verhindern oder zu überwinden,
c)
eine andere Person durch die Tat in die Gefahr einer schweren Gesundheitsschädigung bringt oder
2.
der Täter den Raub als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Raub oder Diebstahl verbunden hat, unter Mitwirkung eines anderen Bandenmitglieds begeht.

(2) Auf Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter oder ein anderer Beteiligter am Raub

1.
bei der Tat eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug verwendet,
2.
in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 eine Waffe bei sich führt oder
3.
eine andere Person
a)
bei der Tat körperlich schwer mißhandelt oder
b)
durch die Tat in die Gefahr des Todes bringt.

(3) In minder schweren Fällen der Absätze 1 und 2 ist die Strafe Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren.

(1) Wer die Körperverletzung

1.
durch Beibringung von Gift oder anderen gesundheitsschädlichen Stoffen,
2.
mittels einer Waffe oder eines anderen gefährlichen Werkzeugs,
3.
mittels eines hinterlistigen Überfalls,
4.
mit einem anderen Beteiligten gemeinschaftlich oder
5.
mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung
begeht, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(1) Auf Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren ist zu erkennen, wenn

1.
der Täter oder ein anderer Beteiligter am Raub
a)
eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug bei sich führt,
b)
sonst ein Werkzeug oder Mittel bei sich führt, um den Widerstand einer anderen Person durch Gewalt oder Drohung mit Gewalt zu verhindern oder zu überwinden,
c)
eine andere Person durch die Tat in die Gefahr einer schweren Gesundheitsschädigung bringt oder
2.
der Täter den Raub als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Raub oder Diebstahl verbunden hat, unter Mitwirkung eines anderen Bandenmitglieds begeht.

(2) Auf Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter oder ein anderer Beteiligter am Raub

1.
bei der Tat eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug verwendet,
2.
in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 eine Waffe bei sich führt oder
3.
eine andere Person
a)
bei der Tat körperlich schwer mißhandelt oder
b)
durch die Tat in die Gefahr des Todes bringt.

(3) In minder schweren Fällen der Absätze 1 und 2 ist die Strafe Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren.

(1) Wer die Körperverletzung

1.
durch Beibringung von Gift oder anderen gesundheitsschädlichen Stoffen,
2.
mittels einer Waffe oder eines anderen gefährlichen Werkzeugs,
3.
mittels eines hinterlistigen Überfalls,
4.
mit einem anderen Beteiligten gemeinschaftlich oder
5.
mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung
begeht, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(1) Auf Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren ist zu erkennen, wenn

1.
der Täter oder ein anderer Beteiligter am Raub
a)
eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug bei sich führt,
b)
sonst ein Werkzeug oder Mittel bei sich führt, um den Widerstand einer anderen Person durch Gewalt oder Drohung mit Gewalt zu verhindern oder zu überwinden,
c)
eine andere Person durch die Tat in die Gefahr einer schweren Gesundheitsschädigung bringt oder
2.
der Täter den Raub als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Raub oder Diebstahl verbunden hat, unter Mitwirkung eines anderen Bandenmitglieds begeht.

(2) Auf Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter oder ein anderer Beteiligter am Raub

1.
bei der Tat eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug verwendet,
2.
in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 eine Waffe bei sich führt oder
3.
eine andere Person
a)
bei der Tat körperlich schwer mißhandelt oder
b)
durch die Tat in die Gefahr des Todes bringt.

(3) In minder schweren Fällen der Absätze 1 und 2 ist die Strafe Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 493/00
vom
30. November 2000
in der Strafsache
gegen
wegen schweren Raubes u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 30. November 2000 gemäß
§§ 349 Abs. 2 und 4, 357 StPO beschlossen:
I. Auf die Revision des Angeklagten T. wird das Urteil des Landgerichts Rostock vom 5. Juni 2000, soweit es ihn und den Mitangeklagten R. betrifft, in den Strafaussprüchen mit den Feststellungen aufgehoben.
II. Insoweit wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung , auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
III. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe:


Das Landgericht hat den Angeklagten T. und den Mitangeklagten R. jeweils der schweren räuberischen Erpressung und des schweren Raubes für schuldig befunden; den Angeklagten T. hat es zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren, den Mitangeklagten R. z u einer solchen von acht Jahren verurteilt. Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte T. mit seiner Revision. Das auf die Verletzung sachlichen Rechts gestützte Rechtsmittel hat zum Strafausspruch Erfolg. Dies führt gemäß § 357 StPO auch zur Aufhebung des den Mitangeklagten R. betreffenden Straf-
ausspruchs. Im übrigen erweist sich das Rechtsmittel als im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO unbegründet.
1. Nach den Feststellungen überfielen die Angeklagten zunächst eine Spielothek und wenige Tage darauf einen Supermarkt. In beiden Fällen führte der Mitangeklagte R. eine mit Schreckschußmunition bestückte, nicht durchgeladene Schreckschußpistole, Kaliber 9 mm, mit sich, die so beschaffen war, daß bei Schußabgabe die Explosionsgase aus dem Lauf nach vorne austreten. Mit dieser Pistole bedrohte R. die jeweils anwesenden Mitarbeiter, um an das vorhandene Bargeld zu gelangen; bei dem Überfall auf die Spielothek richtete er die Waffe “aus einer Entfernung von 1 – 2 Metern direkt auf ... [den] Kopf” der Aufsichtskraft, bei dem Tatgeschehen im Supermarkt wurde die Pistole “aus einer Entfernung von 1 - 2 Metern direkt auf das Gesicht” einer Angestellten gerichtet.
2. Das Landgericht ist zur Auffassung gelangt , daß die Angeklagten in beiden Fällen den Tatbestand des § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB erfüllt haben, und hat daher bei der Straffindung jeweils den Strafrahmen dieser Bestimmung zugrunde gelegt. Dies hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
Allerdings steht einer Anwendung des § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB nicht bereits entgegen, daß die bei den beiden Taten eingesetzte Schreckschußpistole (noch) nicht durchgeladen war (vgl. BGHSt 45, 249, 251; BGH, Beschlüsse vom 9. November 1999 – 1 StR 501/99 und vom 16. Mai 2000 - 4 StR 89/00). Jedoch setzt eine “Waffe” im Sinne dieser Vorschrift voraus, daß sie nach ihrer objektiven Beschaffenheit und nach der Art ihrer Verwendung im konkreten Einzelfall geeignet ist, erhebliche Verletzungen zuzufügen
(st. Rspr.; vgl. nur BGH NStZ 1998, 567; NStZ-RR 1998, 294; StV 1998, 422, 486). Dies kann bei Verwendung einer Schreckschußpistole - wie der Bundesgerichtshof wiederholt entschieden hat - dann der Fall sein, wenn sie dem Opfer (unmittelbar) an den Körper gehalten wird, da ein aufgesetzter Schuß mit einer Platzpatrone aufgrund der austretenden Explosionsgase und der mitgerissenen Munitionspartikel regelmäßig zu erheblichen Verletzungen führt (vgl. BGHR StGB § 250 Abs. 2 Nr. 1 Waffe 2; BGH NStZ-RR 1999, 102 jeweils m.w.N.); er kann sogar tödlich sein. Wird jedoch eine geladene Schreckschußwaffe dem Opfer aus einer Entfernung – wovon hier nach den getroffenen Feststellungen zugunsten des Angeklagten auszugehen ist – von zwei Metern vorgehalten, so versteht sich dies nicht von selbst. Vielmehr hätte die nicht weiter begründete Auffassung des Landgerichts, daß eine aus einer solchen Distanz auf den Kopf oder das Gesicht des Opfers gerichtete Schreckschußpistole “objektiv gefährlich” ist und ein aus dieser Entfernung aus ihr abgegebener Schuß zu erheblichen Körperverletzungen führen kann, näherer Darlegung bedurft.
3. Der aufgezeigte Rechtsfehler zwingt zur Aufhebung der gegen den Angeklagten T. und den Mitangeklagten R. (§ 357 StPO) festgesetzten Einzel- und Gesamtstrafen. Eine Erstreckung auch auf die weitere Mit-
angeklagte S. kam nicht in Betracht, da das Landgericht insoweit bei der Strafzumessung den Strafrahmen des § 250 Abs. 1 StGB zugrunde gelegt hat.
Meyer-Goßner Kuckein Athing

(1) Auf Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren ist zu erkennen, wenn

1.
der Täter oder ein anderer Beteiligter am Raub
a)
eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug bei sich führt,
b)
sonst ein Werkzeug oder Mittel bei sich führt, um den Widerstand einer anderen Person durch Gewalt oder Drohung mit Gewalt zu verhindern oder zu überwinden,
c)
eine andere Person durch die Tat in die Gefahr einer schweren Gesundheitsschädigung bringt oder
2.
der Täter den Raub als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Raub oder Diebstahl verbunden hat, unter Mitwirkung eines anderen Bandenmitglieds begeht.

(2) Auf Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter oder ein anderer Beteiligter am Raub

1.
bei der Tat eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug verwendet,
2.
in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 eine Waffe bei sich führt oder
3.
eine andere Person
a)
bei der Tat körperlich schwer mißhandelt oder
b)
durch die Tat in die Gefahr des Todes bringt.

(3) In minder schweren Fällen der Absätze 1 und 2 ist die Strafe Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren.

5 ARs 6/02

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
vom 19. Februar 2002
in der Strafsache
gegen
wegen schwerer räuberischer Erpressung
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 19. Februar 2002

beschlossen:
Rechtsprechung des 5. Strafsenats steht dem im Tenor des Beschlusses des 2. Strafsenats vom 7. Dezember 2001 – 2 StR 441/01 genannten Rechtssatz nicht entgegen.
G r ü n d e Der anfragende Senat beabsichtigt zu entscheiden, daß ein gefährliches Werkzeug im Sinne des § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB auch derjenige verwendet , der ein Tatopfer mit einer mit Platzpatronen geladenen Schreckschußpistole bedroht, bei welcher der Gasdruck nach vorne austritt, wenn die Pistole innerhalb kürzester Zeit unmittelbar am Körper des Opfers zum Einsatz gebracht werden kann.
Mit der im Anfragebeschluß aufgeworfenen Frage hat sich der Senat bislang noch nicht ausdrücklich auseinandergesetzt. Der Senat gibt jedoch zu bedenken, daß eine Änderung der bisherigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs wenig sinnvoll erscheint. Zwar weist der 2. Strafsenat zu Recht auf die vielfältigen Abgrenzungsschwierigkeiten hin, die das 6. Strafrechtsreformgesetz u.a. bei Auslegung der §§ 244 und 250 StGB, gerade auch im Hinblick auf die Tatbestandsmerkmale „gefährliches Werkzeug“ und „sonst ein Werkzeug oder Mittel“, mit sich gebracht hat (vgl. auch § 177 Abs. 3 StGB). Indes kann die im Tenor des Anfragebeschlusses vorgeschlagene Lösung zur Unterscheidung dieser Merkmale nicht überzeugen.
Nachdem sich auf Grundlage der angeführten Entscheidungen des 1., 3. und 4. Strafsenats mittlerweile eine gefestigte Rechtsprechung gebildet hat und die zutreffende rechtliche Bewertung der Ausgangskonstellation für jeden Tatrichter – unter Bedacht auf die von ihm festgestellten Besonderheiten im Einzelfall – ohne weiteres möglich ist, würde ein geänderter Beurteilungsmaßstab im Sinne des Anfragebeschlusses weitere Problemlagen begründen und zu erneuten Unsicherheiten bei der Rechtsanwendung führen. Gänzlich ungeklärt und – gerade auch in zeitlicher Hinsicht – vielfältigen Auslegungsmöglichkeiten offenstehend ist etwa das im Tenor des Anfragebeschlusses formulierte Erfordernis, daß die – dort näher beschriebene – Schreckschußpistole dann ein gefährliches Werkzeug sei, wenn sie „innerhalb kürzester Zeit unmittelbar am Körper des Opfers zum Einsatz gebracht werden kann.“ Ungeachtet der mit einer solchen Beurteilung grundsätzlich verbundenen Unsicherheiten (hier z.B. räumliche Hindernisse, Ausweichen des Opfers u.ä.) bleibt hiernach insbesondere ungeklärt, wieviel Zeit maximal bis zum möglichen (tatsächlich aber so nicht verwirklichten) Einsatz der Waffe am Körper des Opfers liegen darf.
Eine – in welchem Umfang auch immer – weitergehende Anwendung der §§ 244 und 250 StGB würde zudem vermehrt zu Schwierigkeiten beim Nachweis der subjektiven Voraussetzungen dieser Tatbestände führen und damit weitgehend lediglich zu einer Verlagerung des im Anfragebeschluß erörterten Problems führen. Denn regelmäßig wird eine mit Schreckschußmunition geladene Pistole nur eingesetzt, um die Bedrohung mit einer (echten ) Schußwaffe im Sinne des § 1 Abs. 1 WaffG vorzutäuschen und so verstärkt Druck auf das Opfer auszuüben. Dabei wird es im Einzelfall oft fraglich sein, ob festgestellt werden kann, der Täter habe gewußt (oder zumindest billigend in Kauf genommen), daß der beim Abfeuern von Schreckschußmunition entstehende Gasdruck und die austretenden Munitionspartikel jedenfalls im Nahbereich zu gravierenden Verletzungen führen können. In der einschlägigen Fachliteratur wird dieses Phänomen erst in jüngerer Zeit diskutiert (vgl. neben den im Anfragebeschluß angeführten Zitaten Rothschild NStZ 2001, 406). Zu bedenken bleibt auch, daß der Gesetzgeber bislang keinen Anlaß gesehen hat, den freien Verkauf von Waffen im Sinne des § 22 WaffG einzuschränken (kritisch dazu Püschel/Kulle/Koops ArchKrim 2001, 26 ff.).
Schließlich besteht auch angesichts der identischen Obergrenzen der in Betracht kommenden Strafrahmen des § 250 StGB von jeweils 15 Jahren Freiheitsstrafe kein kriminalpolitisches Bedürfnis, die gefestigte Rechtsprechung aufzugeben. Vielmehr kann schon auf Grundlage der bisherigen Auslegung auf ein im Einzelfall besonders gefährliches Vorgehen hinreichend wirksam reagiert werden.
Ob eine etwaige Vorlegung an den Großen Senat für Strafsachen zulässig wäre, kann von hier nicht beurteilt werden. Namentlich kann das Beruhen zweifelhaft sein. Da die verhängte Strafe weniger als fünf Jahre Freiheitsstrafe beträgt, ist möglicherweise der Strafrahmen des § 250 Abs. 3 StGB zur Anwendung gelangt, der für die Fälle des Absatzes 1 und die des Absatzes 2 identisch ist.
Harms Häger Raum Brause Schaal

(1) Auf Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren ist zu erkennen, wenn

1.
der Täter oder ein anderer Beteiligter am Raub
a)
eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug bei sich führt,
b)
sonst ein Werkzeug oder Mittel bei sich führt, um den Widerstand einer anderen Person durch Gewalt oder Drohung mit Gewalt zu verhindern oder zu überwinden,
c)
eine andere Person durch die Tat in die Gefahr einer schweren Gesundheitsschädigung bringt oder
2.
der Täter den Raub als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Raub oder Diebstahl verbunden hat, unter Mitwirkung eines anderen Bandenmitglieds begeht.

(2) Auf Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter oder ein anderer Beteiligter am Raub

1.
bei der Tat eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug verwendet,
2.
in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 eine Waffe bei sich führt oder
3.
eine andere Person
a)
bei der Tat körperlich schwer mißhandelt oder
b)
durch die Tat in die Gefahr des Todes bringt.

(3) In minder schweren Fällen der Absätze 1 und 2 ist die Strafe Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren.

5 ARs 6/02

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
vom 19. Februar 2002
in der Strafsache
gegen
wegen schwerer räuberischer Erpressung
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 19. Februar 2002

beschlossen:
Rechtsprechung des 5. Strafsenats steht dem im Tenor des Beschlusses des 2. Strafsenats vom 7. Dezember 2001 – 2 StR 441/01 genannten Rechtssatz nicht entgegen.
G r ü n d e Der anfragende Senat beabsichtigt zu entscheiden, daß ein gefährliches Werkzeug im Sinne des § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB auch derjenige verwendet , der ein Tatopfer mit einer mit Platzpatronen geladenen Schreckschußpistole bedroht, bei welcher der Gasdruck nach vorne austritt, wenn die Pistole innerhalb kürzester Zeit unmittelbar am Körper des Opfers zum Einsatz gebracht werden kann.
Mit der im Anfragebeschluß aufgeworfenen Frage hat sich der Senat bislang noch nicht ausdrücklich auseinandergesetzt. Der Senat gibt jedoch zu bedenken, daß eine Änderung der bisherigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs wenig sinnvoll erscheint. Zwar weist der 2. Strafsenat zu Recht auf die vielfältigen Abgrenzungsschwierigkeiten hin, die das 6. Strafrechtsreformgesetz u.a. bei Auslegung der §§ 244 und 250 StGB, gerade auch im Hinblick auf die Tatbestandsmerkmale „gefährliches Werkzeug“ und „sonst ein Werkzeug oder Mittel“, mit sich gebracht hat (vgl. auch § 177 Abs. 3 StGB). Indes kann die im Tenor des Anfragebeschlusses vorgeschlagene Lösung zur Unterscheidung dieser Merkmale nicht überzeugen.
Nachdem sich auf Grundlage der angeführten Entscheidungen des 1., 3. und 4. Strafsenats mittlerweile eine gefestigte Rechtsprechung gebildet hat und die zutreffende rechtliche Bewertung der Ausgangskonstellation für jeden Tatrichter – unter Bedacht auf die von ihm festgestellten Besonderheiten im Einzelfall – ohne weiteres möglich ist, würde ein geänderter Beurteilungsmaßstab im Sinne des Anfragebeschlusses weitere Problemlagen begründen und zu erneuten Unsicherheiten bei der Rechtsanwendung führen. Gänzlich ungeklärt und – gerade auch in zeitlicher Hinsicht – vielfältigen Auslegungsmöglichkeiten offenstehend ist etwa das im Tenor des Anfragebeschlusses formulierte Erfordernis, daß die – dort näher beschriebene – Schreckschußpistole dann ein gefährliches Werkzeug sei, wenn sie „innerhalb kürzester Zeit unmittelbar am Körper des Opfers zum Einsatz gebracht werden kann.“ Ungeachtet der mit einer solchen Beurteilung grundsätzlich verbundenen Unsicherheiten (hier z.B. räumliche Hindernisse, Ausweichen des Opfers u.ä.) bleibt hiernach insbesondere ungeklärt, wieviel Zeit maximal bis zum möglichen (tatsächlich aber so nicht verwirklichten) Einsatz der Waffe am Körper des Opfers liegen darf.
Eine – in welchem Umfang auch immer – weitergehende Anwendung der §§ 244 und 250 StGB würde zudem vermehrt zu Schwierigkeiten beim Nachweis der subjektiven Voraussetzungen dieser Tatbestände führen und damit weitgehend lediglich zu einer Verlagerung des im Anfragebeschluß erörterten Problems führen. Denn regelmäßig wird eine mit Schreckschußmunition geladene Pistole nur eingesetzt, um die Bedrohung mit einer (echten ) Schußwaffe im Sinne des § 1 Abs. 1 WaffG vorzutäuschen und so verstärkt Druck auf das Opfer auszuüben. Dabei wird es im Einzelfall oft fraglich sein, ob festgestellt werden kann, der Täter habe gewußt (oder zumindest billigend in Kauf genommen), daß der beim Abfeuern von Schreckschußmunition entstehende Gasdruck und die austretenden Munitionspartikel jedenfalls im Nahbereich zu gravierenden Verletzungen führen können. In der einschlägigen Fachliteratur wird dieses Phänomen erst in jüngerer Zeit diskutiert (vgl. neben den im Anfragebeschluß angeführten Zitaten Rothschild NStZ 2001, 406). Zu bedenken bleibt auch, daß der Gesetzgeber bislang keinen Anlaß gesehen hat, den freien Verkauf von Waffen im Sinne des § 22 WaffG einzuschränken (kritisch dazu Püschel/Kulle/Koops ArchKrim 2001, 26 ff.).
Schließlich besteht auch angesichts der identischen Obergrenzen der in Betracht kommenden Strafrahmen des § 250 StGB von jeweils 15 Jahren Freiheitsstrafe kein kriminalpolitisches Bedürfnis, die gefestigte Rechtsprechung aufzugeben. Vielmehr kann schon auf Grundlage der bisherigen Auslegung auf ein im Einzelfall besonders gefährliches Vorgehen hinreichend wirksam reagiert werden.
Ob eine etwaige Vorlegung an den Großen Senat für Strafsachen zulässig wäre, kann von hier nicht beurteilt werden. Namentlich kann das Beruhen zweifelhaft sein. Da die verhängte Strafe weniger als fünf Jahre Freiheitsstrafe beträgt, ist möglicherweise der Strafrahmen des § 250 Abs. 3 StGB zur Anwendung gelangt, der für die Fälle des Absatzes 1 und die des Absatzes 2 identisch ist.
Harms Häger Raum Brause Schaal