Bundesgerichtshof Beschluss, 28. Nov. 2000 - 4 StR 474/00
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Gründe:
Das Landgericht hat die Angeklagten K. und Ka. des "gemeinschaftlich begangenen schweren Bandendiebstahls in 11 Fällen, wovon es in 2 Fäl-
len beim Versuch blieb, und des gemeinschaftlich begangenen schweren [Banden-] Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung" schuldig gesprochen. Den Angeklagten K. hat es zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren, den Angeklagten Ka. , der kein Rechtsmittel eingelegt hat, zur Jugendstrafe von zwei Jahren mit Strafaussetzung zur Bewährung verurteilt. Mit seiner Revision gegen dieses Urteil rügt der Angeklagte K. die Verletzung materiellen Rechts. Das Rechtsmittel hat teilweise Erfolg. Es führt gemäß § 357 StPO auch zu einer Ä nderung des Schuldspruchs zugunsten des Mitangeklagten Ka. . Im übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
1. Nach den Feststellungen kamen die Angeklagten im Oktober 1999 überein, ihren Lebensunterhalt durch die Begehung von Straftaten - insbesondere durch Diebstähle - zu finanzieren. In Ausführung dieses Vorhabens brachen sie bis zu ihrer Festnahme am 5. Dezember 1999 in neun Fällen in Schulen, Gartenlauben, Gaststätten und in einen Getränkemarkt ein und entwendeten u. a. Elektronikartikel, Zigaretten, Lebensmittel und Geld. In zwei weiteren Fällen scheiterten Einbruchsversuche. Am 1. Dezember 1999 nahmen die Angeklagten und ein Onkel des Angeklagten Ka. aufgrund gemeinsam gefaßten Tatentschlusses einem Bekannten, Günter N. , gewaltsam 300 DM sowie Lebensmittel ab. Als N. s ich gegen die Wegnahme zur Wehr setzen wollte, traten ihn die beiden Angeklagten, worauf er die Gegenwehr aufgab (UA 13, 16 ).
2. Die Ansicht des Landgerichts, die Angeklagten hätten bei den Diebstählen und dem Raub jeweils als Mitglieder einer (Zweier-) Bande gehandelt, hält – wie die Revision zu Recht vorbringt - rechtlicher Überprüfung nicht stand.
a) Bereits unabhängig von der Frage, ob schon zwei Personen eine Bande bilden können (verneinend BGH StV 2000, 315 ff. [Anfragebeschluß]), rechtfertigt das festgestellte Verhalten der Angeklagten nicht die Annahme bandenmäßiger Begehung. Diese setzt - über eine mittäterschaftliche Begehungsweise hinaus - ein Handeln mit gefestigtem Bandenwillen voraus (BGHSt 42, 255, 259; BGH NStZ 1996, 339, 340), wobei für den der jeweils gemeinschaftlich begangenen Tat zugrunde liegenden, auf eine gewisse Dauer angelegten und verbindlichen "Gesamtwillen" kennzeichnend ist, daß sich der Bandentäter im übergeordneten Interesse der bandenmäßigen Verbindung betätigt (vgl. BGH NStZ 1996, 443; NJW 1998, 2913; StV 1998, 599; BGH, Beschluß vom 25. Juli 2000 – 4 StR 255/00; Tröndle/Fischer StGB 49. Aufl. § 244 Rdn. 13). Einen solchen ”gefestigten Bandenwillen” hat die Jugendkammer nicht festgestellt. Auch dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe ist nicht zu entnehmen, daß die Angeklagten bei ihren Taten - über ihr individuelles Interesse am Erlangen von Beute hinaus - ein übergeordnetes Bandeninteresse verfolgt haben.
b) Da weitere Feststellungen, die den Vorwurf bandenmäßiger Begehung tragen könnten, in einer neuen Hauptverhandlung nicht zu erwarten sind, ändert der Senat – auch im Hinblick auf den Mitangeklagten Ka. (§ 357 StPO) - den Schuldspruch dahin ab, daß die Angeklagten in den Fällen II 1, 3 bis 10 der Urteilsgründe jeweils des Diebstahls, in den Fällen II 2 und 11 des versuchten Diebstahls und im Fall II 12 des Raubes in Tateinheit mit (gemeinschaftlich begangener, § 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB) gefährlicher Körperverletzung schuldig sind.
Der Auffassung des Generalbundesanwalts in seiner Antragsschrift vom 25. Oktober 2000, die Mißhandlungen des Geschädigten N. rechtfertigten im Fall II 12 einen Schuldspruch wegen schweren Raubes nach § 250 Abs. 2 StGB, vermag der Senat nicht zu folgen. Das Treten mit “beschuhten Füßen” (UA 16) kann nur dann als ”Verwenden” eines ”gefährlichen Werkzeugs” im Sinne des § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB angesehen werden, wenn die Tritte im Einzelfall geeignet sind, erhebliche Körperverletzungen herbeizuführen (vgl. BGH NStZ 1999, 616, 617). Dagegen spricht hier, daß die Verletzungen nicht erheblich waren und ärztliche Hilfe nicht in Anspruch genommen werden mußte (UA 13). Da ausgeschlossen werden kann, daß in einer neuen Hauptverhandlung zweifelsfreie genauere Feststellungen zu Art und Beschaffenheit der Schuhe, ihres konkreten Einsatzes gegen den Geschädigten N. und zum subjektiven Tatbestand des § 250 StGB getroffen werden können, stellt der Senat den Schuldspruch auf Raub (in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung) um.
Der Ä nderung des Schuldspruchs steht § 265 StPO nicht entgegen; denn die Angeklagten hätten sich gegen den geänderten Schuldspruch nicht wirksamer als geschehen verteidigen können.
3. Als Folge der Schuldspruchänderung müssen beim Angeklagten K. alle Einzelstrafen und die Gesamtstrafe aufgehoben werden. Beim Angeklagten Ka. sc hließt der Senat aus, daß die Jugendkammer bei zutreffender rechtlicher Würdigung auf eine noch geringere Strafe erkannt hätte. Die Jugendstrafe kann daher bestehenbleiben.
4. Da sich das weitere Verfahren nur noch gegen den erwachsenen Angeklagten K. richtet, verweist der Senat die Sache zur neuen Verhandlung
und Entscheidung an eine allgemeine Strafkammer zurück (vgl. BGHSt 35, 267).
Meyer-Goßner Kuckein Athing
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
Erfolgt zugunsten eines Angeklagten die Aufhebung des Urteils wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Strafgesetzes und erstreckt sich das Urteil, soweit es aufgehoben wird, noch auf andere Angeklagte, die nicht Revision eingelegt haben, so ist zu erkennen, als ob sie gleichfalls Revision eingelegt hätten. § 47 Abs. 3 gilt entsprechend.
(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
Erfolgt zugunsten eines Angeklagten die Aufhebung des Urteils wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Strafgesetzes und erstreckt sich das Urteil, soweit es aufgehoben wird, noch auf andere Angeklagte, die nicht Revision eingelegt haben, so ist zu erkennen, als ob sie gleichfalls Revision eingelegt hätten. § 47 Abs. 3 gilt entsprechend.
(1) Wer die Körperverletzung
- 1.
durch Beibringung von Gift oder anderen gesundheitsschädlichen Stoffen, - 2.
mittels einer Waffe oder eines anderen gefährlichen Werkzeugs, - 3.
mittels eines hinterlistigen Überfalls, - 4.
mit einem anderen Beteiligten gemeinschaftlich oder - 5.
mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung
(2) Der Versuch ist strafbar.
(1) Auf Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren ist zu erkennen, wenn
- 1.
der Täter oder ein anderer Beteiligter am Raub - a)
eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug bei sich führt, - b)
sonst ein Werkzeug oder Mittel bei sich führt, um den Widerstand einer anderen Person durch Gewalt oder Drohung mit Gewalt zu verhindern oder zu überwinden, - c)
eine andere Person durch die Tat in die Gefahr einer schweren Gesundheitsschädigung bringt oder
- 2.
der Täter den Raub als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Raub oder Diebstahl verbunden hat, unter Mitwirkung eines anderen Bandenmitglieds begeht.
(2) Auf Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter oder ein anderer Beteiligter am Raub
- 1.
bei der Tat eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug verwendet, - 2.
in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 eine Waffe bei sich führt oder - 3.
eine andere Person - a)
bei der Tat körperlich schwer mißhandelt oder - b)
durch die Tat in die Gefahr des Todes bringt.
(3) In minder schweren Fällen der Absätze 1 und 2 ist die Strafe Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren.
(1) Der Angeklagte darf nicht auf Grund eines anderen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten Strafgesetzes verurteilt werden, ohne daß er zuvor auf die Veränderung des rechtlichen Gesichtspunktes besonders hingewiesen und ihm Gelegenheit zur Verteidigung gegeben worden ist.
(2) Ebenso ist zu verfahren, wenn
- 1.
sich erst in der Verhandlung vom Strafgesetz besonders vorgesehene Umstände ergeben, welche die Strafbarkeit erhöhen oder die Anordnung einer Maßnahme oder die Verhängung einer Nebenstrafe oder Nebenfolge rechtfertigen, - 2.
das Gericht von einer in der Verhandlung mitgeteilten vorläufigen Bewertung der Sach- oder Rechtslage abweichen will oder - 3.
der Hinweis auf eine veränderte Sachlage zur genügenden Verteidigung des Angeklagten erforderlich ist.
(3) Bestreitet der Angeklagte unter der Behauptung, auf die Verteidigung nicht genügend vorbereitet zu sein, neu hervorgetretene Umstände, welche die Anwendung eines schwereren Strafgesetzes gegen den Angeklagten zulassen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten oder die zu den in Absatz 2 Nummer 1 bezeichneten gehören, so ist auf seinen Antrag die Hauptverhandlung auszusetzen.
(4) Auch sonst hat das Gericht auf Antrag oder von Amts wegen die Hauptverhandlung auszusetzen, falls dies infolge der veränderten Sachlage zur genügenden Vorbereitung der Anklage oder der Verteidigung angemessen erscheint.