Bundesgerichtshof Urteil, 27. Okt. 2014 - AnwZ (Brfg) 85/13
Gericht
Tenor
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Die Berufung gegen das Urteil des 1. Senats des Anwaltsgerichtshofs des Landes Nordrhein-Westfalen vom 13. September 2013 wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
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Der Wert des Berufungsverfahrens wird auf 12.500 € festgesetzt.
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Von Rechts wegen
Tatbestand
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Der Kläger ist im Bezirk der Beklagten zugelassener Rechtsanwalt und Fachanwalt für Versicherungsrecht. Am 23. August 2012 beantragte er, ihm außerdem die Führung der Bezeichnung "Fachanwalt für Verkehrsrecht" zu gestatten. Dem Antrag waren Falllisten beigefügt, die 178 außergerichtliche Verfahren und 75 gerichtliche Verfahren enthielten. Der eigenen Darstellung des Klägers nach stammen insgesamt 152 Verfahren (118 außergerichtliche Verfahren, 34 gerichtliche Verfahren) aus den Gebieten des Verkehrszivilrechts, des Verkehrsstraf- und -ordnungswidrigkeitenrechts und des Versicherungsrechts mit unmittelbar versicherungsverkehrsrechtlichem oder personenversicherungsrechtlichem Bezug. Bei den übrigen Verfahren handelt es sich um versicherungsrechtliche Verfahren ohne Bezug zum Straßenverkehr; sie betrafen etwa eine Wohngebäudeversicherung, eine Betriebshaftpflichtversicherung oder eine Hausratsversicherung. Die Beklagte gab dem Kläger Gelegenheit, die Listen zu überarbeiten. Mit Bescheid vom 18. März 2013 lehnte sie den Antrag ab.
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Der Kläger meint, die versicherungsrechtlichen Verfahren seien als solche berücksichtigungsfähig, unabhängig davon, ob sie einen Bezug zum Straßenverkehr aufwiesen oder nicht. Er hat beantragt,
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unter Aufhebung des Bescheids der Beklagten vom 18. März 2013 die Beklagte zu verurteilen, ihm die Bezeichnung "Fachanwalt für Verkehrsrecht" zu verleihen.
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Die Beklagte hat beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Der Anwaltsgerichtshof hat die Klage abgewiesen und die Berufung zugelassen. Der Kläger beantragt unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vorbringens,
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die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids der Beklagten vom 18. März 2013 und unter Aufhebung, hilfsweise Abänderung, des Urteils des Anwaltsgerichtshofs des Landes Nordrhein-Westfalen vom 13. September 2013 zu verurteilen, dem Kläger aufgrund seines Antrags vom 21. August 2012 die Bezeichnung "Fachanwalt für Verkehrsrecht" zu verleihen.
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Die Beklagte beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Sie verteidigt das Urteil des Anwaltsgerichtshofs. Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schrift-sätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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Die Berufung bleibt ohne Erfolg. Die Voraussetzungen, unter denen einem Rechtsanwalt gestattet wird, die Bezeichnung "Fachanwalt für Verkehrsrecht" zu führen, sind nicht vollständig erfüllt. Der Kläger hat jedenfalls die erforderlichen 60 gerichtlichen Verfahren auf dem Gebiet des Verkehrsrechts nicht nachgewiesen. Versicherungsrechtliche Fälle, die keinen Bezug zum Straßenverkehr aufweisen, fallen nicht unter § 14d Nr. 2 FAO.
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a) Nach § 5 Abs. 1 lit. k FAO in der gemäß § 16 Abs. 1 Satz 1 FAO für den Antrag des Klägers maßgeblichen, seither unverändert gebliebenen Fassung vom 1. Juli 2011 (fortan: FAO) setzt der Erwerb der für die Bezeichnung "Fachanwalt für Verkehrsrecht" nachzuweisenden besonderen praktischen Erfahrungen voraus, dass der Rechtsanwalt innerhalb der letzten drei Jahren vor der Antragstellung persönlich und weisungsfrei 160 Fälle bearbeitet hat, davon mindestens 60 gerichtliche Verfahren. Die Fälle müssen sich auf mindestens drei verschiedene Bereiche des § 14d Nr. 1 bis 4 FAO beziehen; auf jeden der drei Bereiche müssen mindestens fünf Fälle entfallen. Einer dieser Bereiche wird mit den Worten "Versicherungsrecht, insbesondere das Recht der Kraftfahrtversicherung, der Kaskoversicherung sowie Grundzüge der Personenversicherung" umschrieben (§ 14d Nr. 2 FAO).
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b) Entgegen der Ansicht des Klägers entspricht der in § 14d Nr. 2 FAO verwandte Begriff des Versicherungsrechts nicht demjenigen des § 14a FAO. Die Vorschrift des § 14a FAO enthält keine auch für § 14d Nr. 2 FAO verbindliche Legaldefinition des Begriffs "Versicherungsrecht".
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aa) § 14a FAO beschreibt in insgesamt neun Unterpunkten diejenigen Rechtsgebiete, in denen für das Fachgebiet Versicherungsrecht besondere Kenntnisse nachzuweisen sind: allgemeines Versicherungsvertragsrecht und Besonderheiten der Prozessführung, Recht der Versicherungsaufsicht, Grundzüge des internationalen Versicherungsrechts, Transport und Speditionsversicherungsrecht, Sachversicherungsrecht, Recht der privaten Personenversicherung, Haftpflichtversicherungsrecht, Rechtsschutzversicherung, Grundzüge des Vertrauensschaden- und Kreditversicherungsrechts. Wenn die Ansicht des Klägers zuträfe, der Begriff des Versicherungsrechts also demjenigen in § 14a FAO entspräche, wären auch für den Titel eines Fachanwalts für Verkehrsrecht besondere Kenntnisse in allen neun aufgeführten Bereichen erforderlich. Ein sachlicher Grund dafür, dem Bewerber um den Titel eines Fachanwalts für Verkehrsrecht derart umfassende Kenntnisse des Versicherungsrechts abzuverlangen, ist jedoch nicht ersichtlich. Überdies wären die in § 5 Abs. 1 lit. h FAO einerseits, in § 5 Abs. 1 lit. k FAO andererseits vorgesehenen Fallzahlen und die jeweils angeordnete Verteilung der Fälle auf einzelne Bereiche nicht verständlich.
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bb) Folgerichtig hat der Satzungsgeber davon abgesehen, den für das Fachgebiet Verkehrsrecht maßgeblichen Begriff des Versicherungsrechts durch eine Verweisung auf § 14a FAO zu bestimmen. Er hat ihn vielmehr durch eine beispielhafte Aufzählung - das Recht der Kraftfahrtversicherung, der Kaskoversicherung sowie Grundzüge der Personenversicherungen - erläutert, die im Zusammenhang mit dem Straßenverkehr und mit Verkehrsunfällen stehen und im Rahmen eines verkehrsrechtlichen Mandats Bedeutung erlangen können. Der Kläger meint und der Anwaltsgerichtshof hat erwogen, dass den genannten Beispielen keinerlei beschränkende Wirkung zukomme. Damit wird jedoch verkannt, dass § 14d Nr. 2 FAO Teil der Vorschrift des § 14d FAO ist, die sich ausschließlich mit dem Fachgebiet Verkehrsrecht befasst. Einer ähnlichen Regelungstechnik unterliegt § 14d Nr. 5 FAO. Der hier ohne Einschränkungen oder Erläuterungen verwandte Begriff der "Besonderheiten der Verfahrens- und Prozessführung" kann sich im Zusammenhang mit der Vorschrift des § 14d FAO nur auf Verfahren und Prozesse im Rahmen eines verkehrsrechtlichen Mandats beziehen. Die genannte Formulierung findet sich so oder ähnlich auch in anderen Vorschriften der Fachanwaltsordnung (vgl. etwa § 14b Nr. 9 FAO für das Fachgebiet des Medizinrechts). Sie ist jeweils im Lichte derjenigen Vorschrift auszulegen, welcher sie angehört.
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c) Hat der Bewerber nur solche Kenntnisse des Versicherungsrechts nachzuweisen, die für die Bearbeitung eines verkehrsrechtlichen Falles von Bedeutung sein können, heißt das zugleich, dass versicherungsrechtliche Fälle, die keinen Bezug zu einem verkehrsrechtlichen Vorgang haben, nicht geeignet sind, die in der Fachanwaltsordnung verlangten besonderen verkehrsrechtlichen Kenntnisse nachzuweisen (im Ergebnis ebenso Berliner Empfehlungen 2006, BRAK-Mitt. 2006, 274, 275 Nr. 8; Weide, SVR 2010, 71, 73; Hartung/Scharmer, BORA/FAO, 5. Aufl., § 5 FAO Rn. 178; aA wohl Offermann-Burckart in Henssler/Prütting, BRAO, 4. Aufl., § 5 FAO Rn. 143). Nur dieses Ergebnis entspricht den Erwartungen des rechtsuchenden Publikums, für welches die Fachanwaltsbezeichnungen maßgeblich bestimmt sind. Der Rechtsanwalt, der eine Fachanwaltsbezeichnung führt, weist damit auf Spezialkenntnisse hin, über die er im Unterschied zu anderen Rechtsanwälten verfügt, die keine Fachanwaltsbezeichnung führen dürfen (BGH, Urteil vom 25. November 2013 - AnwZ (Brfg) 44/12, NJW-RR 2014, 751 Rn. 11 m.w.N.). Wer einen Fachanwalt für Verkehrsrecht aufsucht, rechnet nicht damit, dass dieser seine besonderen praktischen Erfahrungen zu einem wesentlichen Teil auf Teilgebieten des Versicherungsrechts gesammelt hat, die in keinerlei Zusammenhang mit einem verkehrsrechtlichen Vorgang standen. Das hat der Anwaltsgerichtshof zutreffend gesehen.
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III.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 154 Abs. 2 VwGO, die Festsetzung des Streitwerts auf § 194 Abs. 1 BRAO, § 52 Abs. 1 GKG. In Verfahren, welche das Führen von Fachanwaltsbezeichnungen betreffen, setzt der Senat den Streitwert regelmäßig auf 12.500 € fest (vgl. BGH, Urteil vom 26. November 2012 - AnwZ (Brfg) 56/11, NJW 2013, 175 Rn. 13; vom 8. April 2013 - AnwZ (Brfg) 16/12, NJW 2013, 2364 Rn. 17). Umstände, die im vorliegenden Fall ein Abweichen von dieser Praxis erfordern könnten, sind nicht ersichtlich.
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Kayser Lohmann Seiters
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Martini Quaas
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Annotations
(1) Soweit dieses Gesetz keine abweichenden Bestimmungen über das gerichtliche Verfahren enthält, gelten die Vorschriften der Verwaltungsgerichtsordnung entsprechend. Der Anwaltsgerichtshof steht einem Oberverwaltungsgericht gleich; § 112e bleibt unberührt.
(2) Die Vorschriften der Verwaltungsgerichtsordnung über die Mitwirkung ehrenamtlicher Richter sowie die §§ 35, 36 und 47 der Verwaltungsgerichtsordnung sind nicht anzuwenden. Die Fristen des § 116 Abs. 2 und des § 117 Abs. 4 der Verwaltungsgerichtsordnung betragen jeweils fünf Wochen.
(3) Die aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage endet abweichend von § 80b der Verwaltungsgerichtsordnung mit der Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
(1) Der Streitwert bestimmt sich nach § 52 des Gerichtskostengesetzes. Er wird von Amts wegen festgesetzt.
(2) In Verfahren, die Klagen auf Zulassung zur Rechtsanwaltschaft oder deren Rücknahme oder Widerruf betreffen, ist ein Streitwert von 50 000 Euro anzunehmen. Unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls, insbesondere des Umfangs und der Bedeutung der Sache sowie der Vermögens- und Einkommensverhältnisse des Klägers, kann das Gericht einen höheren oder einen niedrigeren Wert festsetzen.
(3) Die Festsetzung ist unanfechtbar; § 63 Abs. 3 des Gerichtskostengesetzes bleibt unberührt.
(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.
(2) Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5 000 Euro anzunehmen.
(3) Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend. Hat der Antrag des Klägers offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte, ist die Höhe des sich aus Satz 1 ergebenden Streitwerts um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für den Kläger anzuheben, wobei die Summe das Dreifache des Werts nach Satz 1 nicht übersteigen darf. In Verfahren in Kindergeldangelegenheiten vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit ist § 42 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 entsprechend anzuwenden; an die Stelle des dreifachen Jahresbetrags tritt der einfache Jahresbetrag.
(4) In Verfahren
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vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit, mit Ausnahme der Verfahren nach § 155 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung und der Verfahren in Kindergeldangelegenheiten, darf der Streitwert nicht unter 1 500 Euro, - 2.
vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und bei Rechtsstreitigkeiten nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht über 2 500 000 Euro, - 3.
vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit über Ansprüche nach dem Vermögensgesetz nicht über 500 000 Euro und - 4.
bei Rechtsstreitigkeiten nach § 36 Absatz 6 Satz 1 des Pflegeberufegesetzes nicht über 1 500 000 Euro
(5) Solange in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit der Wert nicht festgesetzt ist und sich der nach den Absätzen 3 und 4 Nummer 1 maßgebende Wert auch nicht unmittelbar aus den gerichtlichen Verfahrensakten ergibt, sind die Gebühren vorläufig nach dem in Absatz 4 Nummer 1 bestimmten Mindestwert zu bemessen.
(6) In Verfahren, die die Begründung, die Umwandlung, das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Beendigung eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses betreffen, ist Streitwert
- 1.
die Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen, wenn Gegenstand des Verfahrens ein Dienst- oder Amtsverhältnis auf Lebenszeit ist, - 2.
im Übrigen die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen.
(7) Ist mit einem in Verfahren nach Absatz 6 verfolgten Klagebegehren ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Klagebegehren, und zwar das wertmäßig höhere, maßgebend.
(8) Dem Kläger steht gleich, wer sonst das Verfahren des ersten Rechtszugs beantragt hat.