Bundesfinanzhof Beschluss, 08. Mai 2014 - VII B 41/13

bei uns veröffentlicht am08.05.2014

Tatbestand

1

I. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) nahm an der Steuerberaterprüfung 2009 teil, wurde jedoch wegen nicht ausreichender schriftlicher Prüfungsleistungen (Gesamtnote 5,0) nicht zur mündlichen Prüfung zugelassen. Die drei Aufsichtsarbeiten in den Gebieten Verfahrensrecht, Ertragsteuerrecht und Buchführung waren jeweils mit der Note 5,0 bewertet worden.

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Im Verlauf des Klageverfahrens vor dem Finanzgericht (FG), in dem der Kläger unter Vorlage eines Gutachtens eine bessere Bewertung der Aufsichtsarbeiten mit jeweils der Note 4,5 begehrte, wurde zweimal das sog. verwaltungsinterne Überdenkungsverfahren durchgeführt, das zu einer Neubewertung der Aufsichtsarbeit Verfahrensrecht mit der Note 4,5 führte, an der Benotung der übrigen Aufsichtsarbeiten und somit an dem Ausschluss von der mündlichen Prüfung jedoch nichts änderte. Weitere Stellungnahmen des Klägers und seines Gutachters zu den Ergebnissen der Überdenkung führten ebenfalls zu keiner besseren Benotung.

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Das FG wies die Klage ab. Unter Berücksichtigung der eingeschränkten gerichtlichen Kontrolle prüfungsspezifischer Bewertungen sei die Benotung 5,0 der Aufsichtsarbeit Ertragsteuer frei von Rechtsfehlern. Deshalb könne es dahinstehen, ob die Aufsichtsarbeit Buchführung --wie vom Kläger beantragt-- mit 4,5 zu benoten sei, da der Kläger auch in diesem Fall die für die Zulassung zur mündlichen Prüfung erforderliche Gesamtnote nicht erreiche. Anders als der Kläger meine, sei es unter dem Gesichtspunkt des Grundsatzes der Chancengleichheit auch nicht zu beanstanden, dass die Aufsichtsarbeiten nicht mit einer Kennzahl, sondern mit dem Namen des Bewerbers versehen worden seien.

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Hiergegen richtet sich die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers, welche er im Wesentlichen auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) stützt. Er hält es für grundsätzlich klärungsbedürftig, ob der prüfungsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz die Anonymisierung von Aufsichtsarbeiten in solchen Fällen erfordert, in denen nicht ausgeschlossen werden kann, dass ein Prüfer erkennbar die Arbeit eines möglichen späteren Konkurrenten zu bewerten hat.

Entscheidungsgründe

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II. Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Die geltend gemachten Zulassungsgründe liegen nicht vor.

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1. Nach § 18 Abs. 1 Satz 4 der Verordnung zur Durchführung der Vorschriften über Steuerberater, Steuerbevollmächtigte und Steuerberatungsgesellschaften (DVStB) bestimmt die zuständige Steuerberaterkammer, ob die Aufsichtsarbeiten mit der Anschrift und der Unterschrift des Bewerbers oder mit der zugeteilten Kennzahl zu versehen sind. Diese Vorschrift ist mit höherrangigem Recht vereinbar.

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Zum einen schreibt das Steuerberatungsgesetz (StBerG) in den Vorschriften über die Steuerberaterprüfung die Vergabe von Kennzahlen für Aufsichtsarbeiten nicht vor. Zum anderen ist es auch nicht klärungsbedürftig, sondern höchstrichterlich geklärt, dass der aus Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes hergeleitete prüfungsrechtliche Grundsatz der Chancengleichheit ein Kennzahlensystem für Prüfungsarbeiten nicht gebietet. Durch den Wegfall der Anonymität bestehen --wenn überhaupt-- nur geringe Gefahren für die Chancengleichheit, weshalb selbst in Fällen, in denen für Prüfungsarbeiten Kennzahlen vergeben werden könnten, dies gleichwohl von Verfassungs wegen nicht geboten ist. Solange --wie im Streitfall bei der Steuerberaterprüfung 2009 im Bundesland Baden-Württemberg-- entweder das anonymisierte oder das nicht anonymisierte Prüfungsverfahren bei allen Prüflingen einheitlich durchgeführt wird, ist die Chancengleichheit nicht beeinträchtigt (vgl. Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 14. März 1979  7 B 16.79, Die öffentliche Verwaltung 1979, 752).

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Ob die zuständige Steuerberaterkammer unter besonderen Umständen verpflichtet sein mag, sich gemäß § 18 Abs. 1 Satz 4 DVStB zur Wahrung der Chancengleichheit für ein Kennzahlverfahren zu entscheiden, kann offenbleiben. Im Streitfall sind solche besonderen Umstände nicht erkennbar.

9

Soweit die Beschwerde die Ansicht vertritt, anders als beispielsweise bei einer juristischen Staatsprüfung müsse jedenfalls bei der Steuerberaterprüfung die Anonymität des Bewerbers gewährleistet sein, weil dort die Prüfer mehrheitlich Steuerberater seien, die somit über die berufliche Zukunft eines möglichen Konkurrenten entschieden, ist dem nicht zu folgen. Wenn tatsächlich --wie die Beschwerde meint-- die Besorgnis bestehen sollte, die Objektivität der Steuerberater-Prüfer bei der Bewertung von Prüfungsleistungen könnte durch den Wunsch beeinträchtigt sein, "unliebsame Konkurrenz zu vermeiden", so änderte die Vergabe von Kennzahlen für Aufsichtsarbeiten daran nichts, weil auch in diesem Fall die Prüfer davon ausgehen können, die Leistung eines möglichen zukünftigen Konkurrenten zu bewerten, auch wenn dessen Namen nicht ersichtlich ist.

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Sollte tatsächlich in einem konkreten Fall die Besorgnis bestehen, ein Prüfer werde die Leistung eines bestimmten ihm namentlich bekannten Bewerbers nicht objektiv beurteilen, so hat dieser gemäß § 164a Abs. 1 StBerG i.V.m. § 83 und § 84 der Abgabenordnung das Recht, diesen Prüfer als befangen abzulehnen.

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2. Anders als die Beschwerde meint, kann dem angefochtenen Urteil nicht entnommen werden, das FG habe im Hinblick auf das im Streitfall wiederholt durchgeführte Überdenkungsverfahren seine eigene Überprüfungskompetenz verkannt. Gegen die verbesserte Benotung der Aufsichtsarbeit Verfahrensrecht waren keine Einwendungen mehr geltend gemacht worden. Die Punktevergabe für die Aufsichtsarbeit Ertragsteuer ist vom FG anhand der Einwendungen des Klägers (im Rahmen der bei prüfungsspezifischen Wertungen eingeschränkten gerichtlichen Kontrolle) ausführlich geprüft worden (Seite 18, 19 des FG-Urteils), ohne dass es Bewertungsfehler der Prüfer hat feststellen können. Deshalb konnte es --wie das FG zutreffend ausgeführt hat-- dahinstehen, ob die Aufsichtsarbeit Buchführung mit 4,5 zu benoten gewesen wäre. Gründe für die Zulassung der Revision ergeben sich hieraus nicht.

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3. Mangels klärungsbedürftiger Rechtsfragen ist auch der Zulassungsgrund der Fortbildung des Rechts (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 1 FGO) nicht gegeben.

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4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 2 FGO.

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Finanzgerichtsordnung - FGO | § 135


(1) Der unterliegende Beteiligte trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werd

Finanzgerichtsordnung - FGO | § 115


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Abgabenordnung - AO 1977 | § 83 Besorgnis der Befangenheit


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Verordnung zur Durchführung der Vorschriften über Steuerberater, Steuerbevollmächtigte und Berufsausübungsgesellschaften - StBDV | § 18 Fertigung der Aufsichtsarbeiten


(1) Die Prüfungsaufgaben der Aufsichtsarbeiten werden von der für die Finanzverwaltung zuständigen obersten Landesbehörde im Einvernehmen mit den übrigen für die Finanzverwaltung zuständigen obersten Landesbehörden gestellt. Sie bestimmt die zulässig

Abgabenordnung - AO 1977 | § 84 Ablehnung von Mitgliedern eines Ausschusses


Jeder Beteiligte kann ein Mitglied eines in einem Verwaltungsverfahren tätigen Ausschusses ablehnen, das in diesem Verwaltungsverfahren nicht tätig werden darf (§ 82) oder bei dem die Besorgnis der Befangenheit besteht (§ 83). Eine Ablehnung vor eine

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(1) Gegen das Urteil des Finanzgerichts (§ 36 Nr. 1) steht den Beteiligten die Revision an den Bundesfinanzhof zu, wenn das Finanzgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Bundesfinanzhof sie zugelassen hat.

(2) Die Revision ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs erfordert oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Der Bundesfinanzhof ist an die Zulassung gebunden.

(1) Die Prüfungsaufgaben der Aufsichtsarbeiten werden von der für die Finanzverwaltung zuständigen obersten Landesbehörde im Einvernehmen mit den übrigen für die Finanzverwaltung zuständigen obersten Landesbehörden gestellt. Sie bestimmt die zulässigen Hilfsmittel und die Bearbeitungszeit. Die Bearbeitungszeit soll für jede Arbeit mindestens vier und höchstens sechs Stunden betragen. Die zuständige Steuerberaterkammer bestimmt in der Ladung zur schriftlichen Prüfung, ob die Arbeiten mit der Anschrift und der Unterschrift des Bewerbers oder mit der zugeteilten Kennzahl zu versehen sind.

(2) Die Prüfungsaufgaben sind geheim zu halten. Sie sind von der zuständigen Steuerberaterkammer an den jeweiligen Prüfungstagen dem Aufsichtsführenden in der erforderlichen Anzahl zur Verteilung an die erschienenen Bewerber auszuhändigen.

(3) Auf Antrag hat die zuständige Steuerberaterkammer körperbehinderten Personen für die Fertigung der Aufsichtsarbeiten der Behinderung entsprechende Erleichterungen zu gewähren. Der Antrag soll mit dem Antrag auf Zulassung zur Prüfung gestellt werden. Die zuständige Steuerberaterkammer kann die Vorlage eines amtsärztlichen Zeugnisses verlangen.

(1) Die Durchführung des Verwaltungsverfahrens in öffentlich-rechtlichen und berufsrechtlichen Angelegenheiten, die durch den Ersten Teil, den Zweiten und Sechsten Abschnitt des Zweiten Teils und den Ersten Abschnitt des Dritten Teils dieses Gesetzes geregelt werden, richtet sich nach der Abgabenordnung. Das Verfahren kann über eine einheitliche Stelle abgewickelt werden. Dafür gelten die Vorschriften des Verwaltungsverfahrensgesetzes entsprechend.

(2) Die Vollziehung der Rücknahme oder des Widerrufs der Anerkennung als Lohnsteuerhilfeverein (§ 20), der Anordnung der Schließung einer Beratungsstelle (§ 28 Abs. 3), der Rücknahme oder des Widerrufs der Bestellung als Steuerberater oder Steuerbevollmächtigter (§ 46) oder der Anerkennung als Berufsausübungsgesellschaft (§ 53) ist bis zum Eintritt der Unanfechtbarkeit gehemmt; § 361 Abs. 4 Sätze 2 und 3 der Abgabenordnung und § 69 Abs. 5 Sätze 2 bis 4 der Finanzgerichtsordnung bleiben unberührt. In den Fällen des Satzes 1 kann daneben die Ausübung der Hilfeleistung in Steuersachen mit sofortiger Wirkung untersagt werden, wenn es das öffentliche Interesse erfordert.

(3) In finanzgerichtlichen Verfahren in Angelegenheiten der §§ 37, 37a und 39a wird die für die Finanzverwaltung zuständige oberste Landesbehörde durch die zuständige Steuerberaterkammer vertreten. Die der für die Finanzverwaltung zuständigen obersten Landesbehörde in Verfahren nach Satz 1 auferlegten Kosten werden von der zuständigen Steuerberaterkammer unmittelbar an den Kostengläubiger gezahlt. Die für die Finanzverwaltung zuständige oberste Landesbehörde wird insoweit von ihrer Zahlungsverpflichtung gegenüber dem Kostengläubiger befreit. Die zuständige Steuerberaterkammer kann für eigene Aufwendungen in Verfahren nach Satz 1 und für die Zahlung nach Satz 2 keinen Ersatz von der für die Finanzverwaltung zuständigen obersten Landesbehörde verlangen.

(1) Liegt ein Grund vor, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit des Amtsträgers zu rechtfertigen oder wird von einem Beteiligten das Vorliegen eines solchen Grundes behauptet, so hat der Amtsträger den Leiter der Behörde oder den von ihm Beauftragten zu unterrichten und sich auf dessen Anordnung der Mitwirkung zu enthalten. Betrifft die Besorgnis der Befangenheit den Leiter der Behörde, so trifft diese Anordnung die Aufsichtsbehörde, sofern sich der Behördenleiter nicht selbst einer Mitwirkung enthält.

(2) Bei Mitgliedern eines Ausschusses ist sinngemäß nach § 82 Abs. 3 zu verfahren.

Jeder Beteiligte kann ein Mitglied eines in einem Verwaltungsverfahren tätigen Ausschusses ablehnen, das in diesem Verwaltungsverfahren nicht tätig werden darf (§ 82) oder bei dem die Besorgnis der Befangenheit besteht (§ 83). Eine Ablehnung vor einer mündlichen Verhandlung ist schriftlich oder zur Niederschrift zu erklären. Die Erklärung ist unzulässig, wenn sich der Beteiligte ohne den ihm bekannten Ablehnungsgrund geltend zu machen, in eine mündliche Verhandlung eingelassen hat. Für die Entscheidung über die Ablehnung gilt § 82 Abs. 3 Sätze 2 bis 4. Die Entscheidung über das Ablehnungsgesuch kann nur zusammen mit der Entscheidung angefochten werden, die das Verfahren vor dem Ausschuss abschließt.

(1) Der unterliegende Beteiligte trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, soweit er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Besteht der kostenpflichtige Teil aus mehreren Personen, so haften diese nach Kopfteilen. Bei erheblicher Verschiedenheit ihrer Beteiligung kann nach Ermessen des Gerichts die Beteiligung zum Maßstab genommen werden.