Bundesfinanzhof Beschluss, 04. Mai 2011 - VI B 152/10

published on 04/05/2011 00:00
Bundesfinanzhof Beschluss, 04. Mai 2011 - VI B 152/10
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Gericht

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Tatbestand

1

I. Die Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) sind verheiratet und waren im Streitjahr (2005) beide nichtselbständig in A tätig. Anfang September 2005 haben sie einen zuvor bestehenden melderechtlichen Zweitwohnsitz in B in einen Hauptwohnsitz umgemeldet. Dort bewohnen die Kläger am Wochenende und während des Urlaubs eine im Jahr 2001 erworbene Eigentumswohnung. Während der Woche halten sich die Kläger in dem näher an A gelegenen C auf. Dort leben sie in einer 1985 erworbenen Doppelhaushälfte.

2

Die Kläger machten in der Steuererklärung den Abzug für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte geltend. Sie gaben an, dass der Kläger an 158 Tagen sowie die Klägerin an 178 Tagen von C und beide jeweils an 46 Tagen von B zur Arbeit gefahren seien. Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) erkannte für die Fahrten von B nach A nur die Entfernung von C zu den jeweiligen Arbeitsstätten an. Das FA war der Auffassung, dass sich der Lebensmittelpunkt der Kläger in C befunden habe. Sowohl im Einspruchs- als auch im anschließenden Klageverfahren blieben die Kläger erfolglos. Das Finanzgericht (FG) begründete seine Entscheidung damit, dass die Kläger nicht nachgewiesen hätten, dass sich ihr Lebensmittelpunkt in B befunden habe. Daher seien weder Kosten für eine doppelte Haushaltsführung noch Kosten für Fahrten zwischen B und den jeweiligen Arbeitsstätten zu berücksichtigen. Die Revision hat das FG nicht zugelassen. Dagegen wenden sich die Kläger mit ihrer Beschwerde wegen der Nichtzulassung der Revision.

Entscheidungsgründe

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II. Die Beschwerde der Kläger hat --bei Zweifeln an deren Zulässigkeit-- jedenfalls in der Sache keinen Erfolg. Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) noch ist eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) zur Fortbildung des Rechts (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 1 FGO) erforderlich.

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1. Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung, wenn die vom Beschwerdeführer aufgeworfene Rechtsfrage im allgemeinen Interesse klärungsbedürftig und im künftigen Revisionsverfahren klärungsfähig ist (BFH-Beschluss vom 10. Februar 2005 II B 37/04, BFH/NV 2005, 1116). Hierzu muss sich die Beschwerde insbesondere mit der Rechtsprechung des BFH, den Äußerungen im Schrifttum sowie den ggf. veröffentlichten Verwaltungsmeinungen auseinandersetzen. Ist über die Rechtsfrage bereits entschieden worden, so ist zusätzlich darzulegen, weshalb eine erneute Entscheidung des BFH für erforderlich gehalten wird. An der Klärungsbedürftigkeit fehlt es auch, wenn die Rechtsfrage offensichtlich so zu beantworten ist, wie es das FG getan hat, die Rechtslage also eindeutig ist und nicht (erst) in einem Revisionsverfahren geklärt werden muss (ständige Rechtsprechung, z.B. BFH-Beschluss vom 6. Mai 2004 V B 101/03, BFHE 205, 416, BStBl II 2004, 748). Eine Rechtsfrage ist nicht klärungsfähig, wenn sie nach den für den BFH bindenden Feststellungen des FG (§ 118 Abs. 2 FGO) in dem erstrebten Revisionsverfahren nicht entscheidungserheblich wäre und deshalb in dem angestrebten Revisionsverfahren nicht geklärt werden könnte (Senatsbeschluss vom 28. Mai 2009 VI B 84/08, BFH/NV 2009, 1657).

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2. Die von den Klägern aufgeworfenen Rechtsfragen sind --bei Zweifeln an der ausreichenden Konkretisierung-- jedenfalls in einem späteren Revisionsverfahren nicht klärungsbedürftig bzw. nicht klärungsfähig.

6

a) Die Kläger messen sinngemäß der Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung bei, ob es unter bestimmten Umständen und unter besonderer Berücksichtigung von Art. 6 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) einen weiteren Mittelpunkt der Lebensinteressen geben könnte. Diese Frage ist jedoch nicht klärungsbedürftig, denn sie ist nicht anders zu beantworten, als es das FG konkludent getan hat. Das FG ist davon ausgegangen, dass es nur einen Mittelpunkt der Lebensinteressen geben kann. Dafür spricht bereits der Wortsinn des Begriffs "Mittelpunkt". Auch der BFH ist in seiner bisherigen Rechtsprechung davon ausgegangen, dass ein Steuerpflichtiger nur einen Lebensmittelpunkt haben kann, selbst wenn er mehrere Wohnungen innehat (Urteil vom 13. Dezember 1985 VI R 7/83, BFHE 145, 386, BStBl II 1986, 221). Die Kläger haben nicht dargelegt, inwiefern diese Auffassung des BFH in der steuerrechtlichen Literatur oder in der Verwaltung Kritik erfahren haben soll. Die Beschwerdeschrift lässt eine Auseinandersetzung mit der --soweit ersichtlich-- einhelligen Auffassung im Schrifttum vermissen.

7

Auch der Hinweis der Kläger auf den besonderen Schutz der Ehe führt nicht zu einer Klärungsbedürftigkeit. Denn es ist bereits durch den BFH entschieden, dass die familiäre Situation in den Abwägungsprozess der Gesamtwürdigung über den Mittelpunkt der Lebensinteressen als ein Umstand mit einzubeziehen ist. Der Schutz des Art. 6 GG wird jedoch vor allem dann relevant, wenn die Ehegatten unter der Woche in verschiedenen Wohnungen leben. Art. 6 GG soll Benachteiligungen der ehelichen Gemeinschaft verhindern. Wohnen aber beide Ehegatten während der Woche zusammen in einer Wohnung in der Nähe beider Arbeitsstätten, ist der Fall vergleichbar mit einem ledigen Steuerpflichtigen, der zwei Wohnungen innehat. Bei diesem ist aber im Allgemeinen davon auszugehen, dass sein Lebensmittelpunkt in der Wohnung ist, von der er regelmäßig seine Arbeit aufsucht (BFH-Urteil in BFHE 145, 386, BStBl II 1986, 221). Die Übertragung dieser Grundsätze auf Ehegatten, die zwar zwei Wohnungen haben, aber zu jeder Zeit gemeinsam in einer der beiden wohnen, verstößt nicht gegen Art. 6 GG.

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b) Soweit die Kläger die Anforderungen des FG an die konkrete Beweisführung, insbesondere an die Beweislast, als zu hoch rügen, ist diese Frage in einem späteren Revisionsverfahren nicht klärungsfähig. Die Beweislast und damit zusammenhängend die Anforderungen an den Nachweis bestimmter Tatsachen wären nur klärbar, wenn das FG eine Sachentscheidung nach Beweislastgrundsätzen getroffen hätte (BFH-Beschluss vom 13. Juli 2010 V B 121/09, BFH/NV 2010, 2015). Nur dann beruht das Urteil auf der Frage der Beweislast.

9

Dies ist vorliegend indes nicht geschehen. Denn das FG hat nicht wegen der Unbeweisbarkeit der Verlegung des Lebensmittelpunktes nach B eine Entscheidung getroffen, sondern eine Gesamtwürdigung anhand sämtlicher vorhandener Indizien vorgenommen. Anders als die Kläger meinen, ist es nicht von Anfang an unmöglich, den ersten Anschein, dass der Lebensmittelpunkt in der näher zur Arbeitsstätte gelegenen Wohnung ist, zu widerlegen. Allerdings obliegt es den Steuerpflichtigen, das FG als Tatsacheninstanz davon zu überzeugen, dass wegen der persönlichen Bindungen und anderer besonderer Umstände eine weiter entfernt liegende Wohnung der Mittelpunkt der Lebensinteressen ist.

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c) Letztlich wehren sich die Kläger gegen das Ergebnis der Beweiswürdigung des FG. Die Beweiswürdigung gehört jedoch zum materiellen Recht. Allein wegen einer --vermeintlichen-- Verletzung des materiellen Rechts kann jedoch eine Zulassung der Revision nicht erreicht werden.

11

3. Die Revision ist aus demselben Grund auch nicht zur Fortbildung des Rechts (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 1 FGO) zuzulassen. Als spezieller Tatbestand der Grundsatzrevision erfordert dieser Zulassungsgrund ebenfalls, dass die aufgeworfene Rechtsfrage im Streitfall klärungsfähig und klärungsbedürftig ist (BFH-Beschlüsse vom 27. September 2010 II B 164/09, BFH/NV 2011, 193; vom 15. Dezember 2004 X B 48/04, BFH/NV 2005, 698).

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(1) Gegen das Urteil des Finanzgerichts (§ 36 Nr. 1) steht den Beteiligten die Revision an den Bundesfinanzhof zu, wenn das Finanzgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Bundesfinanzhof sie zugelassen hat. (2) Die Revision ist nu

(1) Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung. (2) Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinsc
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Annotations

(1) Gegen das Urteil des Finanzgerichts (§ 36 Nr. 1) steht den Beteiligten die Revision an den Bundesfinanzhof zu, wenn das Finanzgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Bundesfinanzhof sie zugelassen hat.

(2) Die Revision ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs erfordert oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Der Bundesfinanzhof ist an die Zulassung gebunden.

(1) Die Revision kann nur darauf gestützt werden, dass das angefochtene Urteil auf der Verletzung von Bundesrecht beruhe. Soweit im Fall des § 33 Abs. 1 Nr. 4 die Vorschriften dieses Unterabschnitts durch Landesgesetz für anwendbar erklärt werden, kann die Revision auch darauf gestützt werden, dass das angefochtene Urteil auf der Verletzung von Landesrecht beruhe.

(2) Der Bundesfinanzhof ist an die in dem angefochtenen Urteil getroffenen tatsächlichen Feststellungen gebunden, es sei denn, dass in bezug auf diese Feststellungen zulässige und begründete Revisionsgründe vorgebracht sind.

(3) Wird die Revision auf Verfahrensmängel gestützt und liegt nicht zugleich eine der Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 Nr. 1 und 2 vor, so ist nur über die geltend gemachten Verfahrensmängel zu entscheiden. Im Übrigen ist der Bundesfinanzhof an die geltend gemachten Revisionsgründe nicht gebunden.

(1) Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung.

(2) Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft.

(3) Gegen den Willen der Erziehungsberechtigten dürfen Kinder nur auf Grund eines Gesetzes von der Familie getrennt werden, wenn die Erziehungsberechtigten versagen oder wenn die Kinder aus anderen Gründen zu verwahrlosen drohen.

(4) Jede Mutter hat Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge der Gemeinschaft.

(5) Den unehelichen Kindern sind durch die Gesetzgebung die gleichen Bedingungen für ihre leibliche und seelische Entwicklung und ihre Stellung in der Gesellschaft zu schaffen wie den ehelichen Kindern.