Bundesfinanzhof Beschluss, 27. März 2018 - V B 120/17

ECLI:ECLI:DE:BFH:2018:BA.270318.VB120.17.0
27.03.2018

Tenor

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Finanzgerichts Baden-Württemberg vom 12.10.2017 12 V 1889/17 wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat der Antragsteller zu tragen.

Tatbestand

I.

1

Über das Vermögen des Antragstellers und Beschwerdeführers (Antragsteller) wurde am 1. August 2010 das Insolvenzverfahren eröffnet. Der Antragsgegner und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) meldete zunächst Steuerforderungen in Höhe von 601.808,98 € und später weitere Steueransprüche in Höhe von 124.283,72 € zur Insolvenztabelle an. Die angemeldeten Forderungen wurden zur Tabelle festgestellt. Im Insolvenzverfahren legte der Antragsteller einen Insolvenzplan vor, dem das FA wie auch die Gläubigerversammlung zustimmte. Der Insolvenzplan wurde am 13. Dezember 2010 gerichtlich bestätigt. Hiergegen wurde kein Rechtsmittel eingelegt, so dass der Insolvenzplan rechtskräftig wurde. Die auf das FA entfallende Planquote von … € wurde an das FA ausgezahlt. Das Insolvenzverfahren wurde mit Beschluss des Amtsgerichts … (AG) vom … 2011 aufgehoben.

2

Im Anschluss an eine Außenprüfung für die Jahre 2010 und 2011 ging das FA davon aus, dass der Antragsteller im Insolvenzplan seine wirtschaftlichen Verhältnisse vorsätzlich unrichtig dargestellt habe. Das FA erklärte mit Schreiben vom 12. Juli 2017 die Anfechtung seiner Zustimmungserklärung zum Insolvenzplan.

3

In der Folgezeit kam es zu Vollstreckungsmaßnahmen. Auf Anordnung durch das AG vom 17. Juli 2017 kam es zu einer Durchsuchung von Wohnung und Geschäftsräumen. Das AG hob diese Anordnung durch Beschluss vom 7. August 2017 auf, da der Insolvenzplan bindend sei und die geltend gemachten Forderungen von diesem umfasst seien. Eine Anfechtung wegen arglistiger Täuschung ändere hieran nichts.

4

In der Folgezeit leitete das FA ein Strafverfahren wegen Verdachts der Steuerhinterziehung im Beitreibungsverfahren in einem besonders schweren Fall ein.

5

Der Antragsteller beantragte beim Finanzgericht (FG) Aussetzung der Vollziehung (AdV) von Steuerbescheiden für die Jahre 2004, 2005, 2008, 2009 sowie Januar bis Juli 2010, hilfsweise beantragte er, den Antrag als Antrag auf einstweilige Anordnung auszulegen.

6

Das FG verwarf den Antrag auf AdV als unzulässig, da eine Aussetzung der vom Antragsteller angegriffenen Bescheide schon wegen deren Bestandskraft nicht in Betracht komme. Die Bescheide umfassten auch nicht die Säumniszuschläge, gegen die sich der Antragsteller wende. Die Anfechtung der Zustimmung zum Insolvenzplan stelle keinen Verwaltungsakt dar. Da der Antragsteller von einem sachkundigen Prozessbevollmächtigten vertreten werde, komme eine Umdeutung in einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht in Betracht.

7

Der Antragsteller wiederholt im Beschwerdeverfahren im Wesentlichen seine Anträge und weist darauf hin, dass für sein Rechtsschutzziel eine Umdeutung sachdienlich wäre.

8

Der Antragsgegner tritt der Beschwerde entgegen.

Entscheidungsgründe

II.

9

Die Beschwerde ist unbegründet und daher zurückzuweisen.

10

1. Im summarischen Verfahren kann offenbleiben, ob es sich bei der Erklärung der Anfechtung der Zustimmung zum Insolvenzplan um einen Verwaltungsakt nach § 118 der Abgabenordnung (AO) handelt. Denn für Zwecke dieses Verfahrens ist davon auszugehen, dass der nach § 248 der Insolvenzordnung (InsO) gerichtlich bestätigte Insolvenzplan nicht angefochten werden kann (vgl. MünchKommInsO/Sinz, 3. Aufl. 2014, § 248 Rz 35; Pleister, Kübler/Prütting/Bork, InsO, § 248 Rz 11). Damit erübrigt sich die Frage nach der Verwaltungsaktqualität einer rechtlich unerheblichen Anfechtungserklärung.

11

2. Es kommt auch keine Umdeutung in einen Antrag auf einstweilige Anordnung nach § 114 der Finanzgerichtsordnung (FGO) in Betracht. Unabhängig davon, ob die Erklärung eines sachkundigen Prozessbevollmächtigten auslegungsfähig ist (vgl. hierzu Loose in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 114 FGO Rz 59), hat der Antragsteller weder für eine Sicherungsanordnung (§ 114 Abs. 1 Satz 1 FGO) noch für eine Regelungsanordnung (§ 114 Abs. 1 Satz 2 FGO) hinreichend zum erforderlichen Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund vorgetragen. Die Ausführungen zu den Vollstreckungsmaßnahmen, gegen die er sich bereits beim AG gewendet hat, der Hinweis auf verbösernde Steuerbescheide und Rechtsstreitigkeiten vor dem Landgericht reichen nicht aus.

12

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.

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Finanzgerichtsordnung - FGO | § 135


(1) Der unterliegende Beteiligte trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werd

Finanzgerichtsordnung - FGO | § 114


(1) Auf Antrag kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des An

Abgabenordnung - AO 1977 | § 118 Begriff des Verwaltungsakts


Verwaltungsakt ist jede Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalls auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist. Allgemein

Insolvenzordnung - InsO | § 248 Gerichtliche Bestätigung


(1) Nach der Annahme des Insolvenzplans durch die Beteiligten (§§ 244 bis 246a) und der Zustimmung des Schuldners bedarf der Plan der Bestätigung durch das Insolvenzgericht. (2) Das Gericht soll vor der Entscheidung über die Bestätigung den Insol

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Verwaltungsakt ist jede Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalls auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist. Allgemeinverfügung ist ein Verwaltungsakt, der sich an einen nach allgemeinen Merkmalen bestimmten oder bestimmbaren Personenkreis richtet oder die öffentlich-rechtliche Eigenschaft einer Sache oder ihre Benutzung durch die Allgemeinheit betrifft.

(1) Nach der Annahme des Insolvenzplans durch die Beteiligten (§§ 244 bis 246a) und der Zustimmung des Schuldners bedarf der Plan der Bestätigung durch das Insolvenzgericht.

(2) Das Gericht soll vor der Entscheidung über die Bestätigung den Insolvenzverwalter, den Gläubigerausschuß, wenn ein solcher bestellt ist, und den Schuldner hören.

(1) Auf Antrag kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint.

(2) Für den Erlass einstweiliger Anordnungen ist das Gericht der Hauptsache zuständig. Dies ist das Gericht des ersten Rechtszugs. In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

(3) Für den Erlass einstweiliger Anordnungen gelten die §§ 920, 921, 923, 926, 928 bis 932, 938, 939, 941 und 945 der Zivilprozessordnung sinngemäß.

(4) Das Gericht entscheidet durch Beschluss.

(5) Die Vorschriften der Absätze 1 bis 3 gelten nicht für die Fälle des § 69.

(1) Der unterliegende Beteiligte trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, soweit er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Besteht der kostenpflichtige Teil aus mehreren Personen, so haften diese nach Kopfteilen. Bei erheblicher Verschiedenheit ihrer Beteiligung kann nach Ermessen des Gerichts die Beteiligung zum Maßstab genommen werden.