Bundesfinanzhof Beschluss, 06. Feb. 2012 - IX S 29/11
Gericht
Tatbestand
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I. Im Anschluss an eine Außenprüfung stellte der Antragsgegner (das Finanzamt --FA--) für die Jahre 1996 bis 1999 fest, dass an den von den Feststellungsbeteiligten angeschafften Eigentumswohnungen keine begünstigten Maßnahmen i.S. des § 3 Satz 2 Nr. 3 des Fördergebietsgesetzes (FördG) durchgeführt worden seien, vielmehr handele es sich um nach § 3 Satz 2 Nr. 1 FördG begünstigte Anschaffungen --auch der Antragsteller-- von durch Teilung und Umbau eines Gebäudes hergestellte andere Wirtschaftsgüter (Eigentumswohnungen), für die eine Sonderabschreibung nach § 4 Abs. 2 Satz 2 FördG nur in Höhe von 25 % gewährt werden könne.
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Nach erfolglosem Einspruch wies das Finanzgericht (FG) die Klage der Antragstellerin mangels Vorverfahrens als unzulässig und die des Antragstellers als unbegründet ab. Zu Beginn des Klageverfahrens hatte das FA --unter Hinweis auf die Unzulässigkeit des beim FG gestellten Antrags-- die Vollziehung der Feststellungsbescheide ausgesetzt bis einen Monat nach Bekanntgabe des FG-Urteils. Darauf hat das FA mit Schreiben vom 15. November 2011 hingewiesen und den Antragstellern für den Fall der Einlegung eines Rechtsmittels freigestellt, "erneut Aussetzung der Vollziehung zu beantragen". Das FA teilte danach auf Anfrage des Prozessbevollmächtigten der Antragsteller mit, dass eine automatische Verlängerung der Aussetzung nicht möglich sei und ein entsprechender Antrag erneut gestellt werden müsse.
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Gegen das FG-Urteil haben die Antragsteller beim Bundesfinanz-hof (BFH) Nichtzulassungsbeschwerde erhoben und unter Verweis darauf am 30. November 2011 Antrag auf Aussetzung der Vollziehung (AdV) nach § 69 der Finanzgerichtsordnung (FGO) beim BFH (Eingang 2. Dezember 2011) gestellt.
Entscheidungsgründe
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II. Der Antrag auf AdV wird abgelehnt. Er ist unzulässig, weil die Zugangsvoraussetzungen des § 69 Abs. 4 FGO --entgegen der Ansicht der Antragsteller-- nicht gegeben sind.
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1. Nach § 69 Abs. 4 Satz 1 FGO ist ein Antrag auf AdV an das Gericht nur zulässig, wenn die Finanzbehörde zuvor einen bei ihr gestellten Aussetzungsantrag abgelehnt hat. Bei dieser sog. Zugangsvoraussetzung ist auch eine nachträgliche Heilung --wie sie in der Antragserwiderung des FA vom 30. Dezember 2011 gesehen werden könnte-- nicht möglich (ständige Rechtsprechung, vgl. BFH-Beschluss vom 16. Dezember 2003 IX B 203/02, BFH/NV 2004, 650, m.w.N.; s.a. Gräber/Koch, Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., § 69 Rz 70).
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Unstreitig wurde --trotz Hinweises des FA-- ein entsprechender Antrag (zunächst) beim FA nicht gestellt. Insbesondere ist der bloße Ablauf der (bis einen Monat nach Bekanntgabe des FG-Ur-teils befristeten) Vollziehungsaussetzung noch keine Ablehnung eines Aussetzungsantrags, der die unmittelbare Anrufung des Gerichts ermöglicht (vgl. BFH-Beschlüsse vom 6. Mai 2004 IX S 2/04, BFH/NV 2004, 1413; vom 5. Februar 2009 VIII S 33/08, Zeitschrift für Steuern und Recht 2009, R739).
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Auch ein Fall des § 69 Abs. 4 Satz 2 FGO liegt nicht vor; gegenteilige Gesichtspunkte --wie etwa eine drohende Vollstreckung-- sind weder vorgetragen noch ersichtlich.
Annotations
(1) Durch Erhebung der Klage wird die Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsakts vorbehaltlich des Absatzes 5 nicht gehemmt, insbesondere die Erhebung einer Abgabe nicht aufgehalten. Entsprechendes gilt bei Anfechtung von Grundlagenbescheiden für die darauf beruhenden Folgebescheide.
(2) Die zuständige Finanzbehörde kann die Vollziehung ganz oder teilweise aussetzen. Auf Antrag soll die Aussetzung erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Die Aussetzung kann von einer Sicherheitsleistung abhängig gemacht werden. Soweit die Vollziehung eines Grundlagenbescheides ausgesetzt wird, ist auch die Vollziehung eines Folgebescheides auszusetzen. Der Erlass eines Folgebescheides bleibt zulässig. Über eine Sicherheitsleistung ist bei der Aussetzung eines Folgebescheides zu entscheiden, es sei denn, dass bei der Aussetzung der Vollziehung des Grundlagenbescheides die Sicherheitsleistung ausdrücklich ausgeschlossen worden ist. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, tritt an die Stelle der Aussetzung der Vollziehung die Aufhebung der Vollziehung. Bei Steuerbescheiden sind die Aussetzung und die Aufhebung der Vollziehung auf die festgesetzte Steuer, vermindert um die anzurechnenden Steuerabzugsbeträge, um die anzurechnende Körperschaftsteuer und um die festgesetzten Vorauszahlungen, beschränkt; dies gilt nicht, wenn die Aussetzung oder Aufhebung der Vollziehung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint.
(3) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die Vollziehung ganz oder teilweise aussetzen; Absatz 2 Satz 2 bis 6 und § 100 Abs. 2 Satz 2 gelten sinngemäß. Der Antrag kann schon vor Erhebung der Klage gestellt werden. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, kann das Gericht ganz oder teilweise die Aufhebung der Vollziehung, auch gegen Sicherheit, anordnen. Absatz 2 Satz 8 gilt entsprechend. In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.
(4) Der Antrag nach Absatz 3 ist nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn
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die Finanzbehörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder - 2.
eine Vollstreckung droht.
(5) Durch Erhebung der Klage gegen die Untersagung des Gewerbebetriebes oder der Berufsausübung wird die Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsakts gehemmt. Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen hat, kann die hemmende Wirkung durch besondere Anordnung ganz oder zum Teil beseitigen, wenn sie es im öffentlichen Interesse für geboten hält; sie hat das öffentliche Interesse schriftlich zu begründen. Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die hemmende Wirkung wiederherstellen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts bestehen. In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.
(6) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach den Absätzen 3 und 5 Satz 3 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.
(7) Lehnt die Behörde die Aussetzung der Vollziehung ab, kann das Gericht nur nach den Absätzen 3 und 5 Satz 3 angerufen werden.