Bundesfinanzhof Urteil, 09. Feb. 2012 - III R 78/09

bei uns veröffentlicht am09.02.2012

Tatbestand

1

I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) bezog Kindergeld für ihre im April 1987 geborene Tochter (T), die im Juni 2007 ihre schulische Ausbildung mit dem Abitur beendete. T absolvierte sodann im Zeitraum von September 2007 bis einschließlich März 2008 einen Freiwilligendienst in einem christlichen Konferenzzentrum in England. Der A-Trust, der das Zentrum unterhält, war im streitigen Zeitraum von der zuständigen Landesbehörde nicht i.S. des § 5 Abs. 2 des Gesetzes zur Förderung eines freiwilligen sozialen Jahres --FSJG-- (BGBl I 2002, 2596) als Träger zugelassen. T war während ihrer Tätigkeit im Konferenzzentrum in verschiedene sogenannte "Volunteer-Programme" eingebunden. So verrichtete sie Küchendienste und andere Gemeinschaftsdienste. Außerdem verbesserte sie ihre Kenntnisse der englischen Sprache.

2

Die Beklagte und Revisionsbeklagte (Familienkasse) hob die Festsetzung des Kindergeldes ab August 2007 mit der Begründung auf, dass T die Schule beendet habe und sich nicht mehr in Ausbildung befinde. Ein freiwilliges soziales Jahr liege nicht vor, weil der Träger seinen Hauptsitz nicht im Inland habe. Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg.

3

Zur Begründung ihrer Revision trägt die Klägerin vor, dass bei der Tätigkeit ihrer Tochter als "volunteer" beim A-Trust kein Unterschied zu einem Au-pair-Verhältnis bestehe. Der freiwillige Dienst habe Ausbildungscharakter besessen und könne als Auslandssprachaufenthalt gewürdigt werden, weil er von einem theoretisch-systematischen Sprachunterricht begleitet worden sei. T habe sich für ein Lehramtsstudium Englisch und Theologie interessiert. Das Urteil des Finanzgerichts (FG) sei im Übrigen verfahrensfehlerhaft zustande gekommen, weil zwei Zeuginnen trotz eines korrekt formulierten Beweisantrags nicht vernommen worden seien. Für die Zeuginnen sei trotz gleicher Sachlage --Tätigkeit in derselben englischen Einrichtung-- Kindergeld gezahlt worden, woraus sich eine nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung ergebe.

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Die Klägerin beantragt (sinngemäß), das Urteil des FG aufzuheben und die Familienkasse zu verpflichten, Kindergeld ab August 2007 zu gewähren, hilfsweise das Urteil des FG aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen.

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Die Familienkasse beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen, hilfsweise das FG-Urteil aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen.

6

Die von der Klägerin selbst als Teilnahme an einem freiwilligen sozialen Jahr gewürdigte Tätigkeit in England führe nicht zur Berücksichtigungsfähigkeit von T, da der Träger seinen Sitz nicht in Deutschland habe und auch nicht von der zuständigen Landesbehörde zugelassen sei. Ein Praktikum liege nicht vor, weil T noch keinen konkreten Berufswunsch gehabt und die Tätigkeit im Konferenzzentrum ohne detaillierten Ausbildungsplan ausgeübt habe. Ob ein Sprachaufenthalt mit einem theoretisch-systematischen Sprachunterricht von mindestens 10 Wochenstunden und damit eine Berufsausbildung gegeben sei, könne nicht beurteilt werden, weil das FG den konkreten Umfang des Sprachunterrichts nicht aufgeklärt habe.

Entscheidungsgründe

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II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

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Das FG hat zwar zu Recht entschieden, dass T mit ihrer Tätigkeit beim A-Trust kein freiwilliges soziales Jahr i.S. des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. d des Einkommensteuergesetzes in der im Streitzeitraum geltenden Fassung (EStG) geleistet hat. Der Senat kann aber auf der Grundlage der vom FG getroffenen Feststellungen nicht abschließend prüfen, ob T im Hinblick auf den Erwerb von Fremdsprachenkenntnissen i.S. des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG für einen Beruf ausgebildet wurde. Das Fehlen ausreichender Feststellungen stellt einen materiell-rechtlichen Mangel des Urteils dar, der --auch ohne Rüge-- zur Aufhebung der Vorentscheidung führt (z.B. Urteile des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 27. April 1999 III R 21/96, BFHE 189, 255, BStBl II 1999, 670; vom 10. Juni 2008 VIII R 76/05, BFHE 222, 313, BStBl II 2008, 937).

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1. Der von T geleistete Freiwilligendienst ist nicht nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. d EStG begünstigt. Insbesondere liegt kein freiwilliges soziales Jahr im Sinne des im Streitzeitraum noch geltenden FSJG vor (vgl. Art. 1 § 15 und Art. 3 des Gesetzes zur Förderung von Jugendfreiwilligendiensten vom 16. Mai 2008, BGBl I 2008, 842). Nach den gemäß § 118 Abs. 2 FGO bindenden Feststellungen des FG war der A-Trust im streitigen Zeitraum nicht als Trägerorganisation i.S. von § 5 Abs. 2 FSJG zugelassen. Auch eine analoge Anwendung des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. d EStG scheidet aus. Zur näheren Begründung verweist der Senat auf sein Urteil vom 7. April 2011 III R 11/09 (BFH/NV 2011, 1325, m.w.N.).

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2. Kinder, die einen Freiwilligendienst leisten, werden grundsätzlich nicht für einen Beruf ausgebildet und können daher nicht nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG berücksichtigt werden. Denn Freiwilligendienste dienen in der Regel nicht der Vorbereitung auf einen konkret angestrebten Beruf, sondern der Erlangung sozialer Erfahrungen und der Stärkung des Verantwortungsbewusstseins für das Gemeinwohl (Senatsurteil in BFH/NV 2011, 1325, m.w.N.).

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a) Ausnahmsweise kommt eine abweichende Beurteilung etwa dann in Betracht, wenn der Freiwilligendienst, der von einer nicht von § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. d EStG erfassten Organisation angeboten wird, einen so engen Bezug zu einem späteren Studium oder einer betrieblichen Ausbildung hat, dass er --wie ein Praktikum-- als Bestandteil einer Berufsausbildung angesehen werden kann. Die Bezeichnung der Maßnahme als Freiwilligendienst, Praktikum oder Volontariat ist nicht maßgeblich. Entscheidend ist vielmehr, ob die Erlangung beruflicher Qualifikationen durch systematische Vermittlung von Wissen und Fähigkeiten oder die Erbringung von Arbeitsleistungen im Vordergrund steht (vgl. BFH-Urteil vom 9. Juni 1999 VI R 50/98, BFHE 189, 98, BStBl II 1999, 706).

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b) Außerdem kann die mit der Absolvierung eines Freiwilligendienstes im Ausland verbundene Verbesserung von Sprachkenntnissen die Annahme einer Berufsausbildung rechtfertigen.

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aa) Sprachaufenthalte im Ausland können dann als Berufsausbildung anerkannt werden, wenn sie entweder mit anerkannten Formen der Berufsausbildung verbunden sind (z.B. Besuch eines Colleges oder einer Universität) oder --wie z.B. bei einem Sprachaufenthalt im Rahmen eines Au-pair-Verhältnisses-- von einem theoretisch-systematischen Sprachunterricht begleitet werden, der mit Rücksicht auf seinen Umfang den Schluss auf eine hinreichend gründliche (Sprach-)Ausbildung rechtfertigt (vgl. BFH-Urteil vom 19. Februar 2002 VIII R 83/00, BFHE 198, 192, BStBl II 2002, 469). Entsprechend den zu Au-pair-Verhältnissen aufgestellten Grundsätzen kann auch bei Kindern, die einen Freiwilligendienst im Ausland absolvieren, ein Sprachunterricht von mindestens 10 Wochenstunden als Berufsausbildung anzusehen sein; ausnahmsweise ist auch eine geringere Stundenzahl ausreichend (vgl. BFH-Urteil vom 9. Juni 1999 VI R 143/98, BFHE 189, 107, BStBl II 1999, 710).

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bb) Nach diesen Grundsätzen kann im Streitfall nicht ausgeschlossen werden, dass T als Kind zu berücksichtigen ist. Denn nach den Feststellungen der Vorinstanz wurden der T in England Sprachkenntnisse vermittelt. Die Klägerin hat zudem bereits erstinstanzlich vorgetragen, dass besondere Sprachunterrichte erteilt worden sind. Das FG hat lediglich verneint, dass der Erwerb von Sprachkenntnissen mit anerkannten Formen der Berufsausbildung (z.B. einem Universitätsbesuch) verbunden war, sich aber nicht mit den behaupteten Sprachunterrichten befasst. Im zweiten Rechtsgang wird das FG die erforderlichen Feststellungen zu Art und Umfang des Unterrichts nachzuholen haben.

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3. Über die von der Klägerin erhobene Verfahrensrüge musste der Senat nicht mehr entscheiden, nachdem die Revision aus materiell-rechtlichen Gründen bereits zur Aufhebung des Urteils und Zurückverweisung der Sache geführt hat (Gräber/ Ruban, Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., § 126 Rz 16, m.w.N.).

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Finanzgerichtsordnung - FGO | § 126


(1) Ist die Revision unzulässig, so verwirft der Bundesfinanzhof sie durch Beschluss. (2) Ist die Revision unbegründet, so weist der Bundesfinanzhof sie zurück. (3) Ist die Revision begründet, so kann der Bundesfinanzhof 1. in der Sache selbs

Finanzgerichtsordnung - FGO | § 118


(1) Die Revision kann nur darauf gestützt werden, dass das angefochtene Urteil auf der Verletzung von Bundesrecht beruhe. Soweit im Fall des § 33 Abs. 1 Nr. 4 die Vorschriften dieses Unterabschnitts durch Landesgesetz für anwendbar erklärt werden, ka

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Bundesfinanzhof Urteil, 07. Apr. 2011 - III R 11/09

bei uns veröffentlicht am 07.04.2011

Tatbestand 1 I. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) bezog zunächst Kindergeld für seine im Dezember 1985 geborene Tochter (T), die im Juli 2005 das Abitur ablegte. A
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Finanzgericht München Urteil, 14. Dez. 2015 - 7 K 18/15

bei uns veröffentlicht am 14.12.2015

Tatbestand Die Klägerin ist die Mutter des am 30. September 1996 geborenen Sohnes X (nachfolgend: X). Nach dem Erwerb der allgemeinen Hochschulreife nahm dieser vom 25. September 2014 bis zum 21. Februar 2015 an einem internationalen missio

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(1) Ist die Revision unzulässig, so verwirft der Bundesfinanzhof sie durch Beschluss.

(2) Ist die Revision unbegründet, so weist der Bundesfinanzhof sie zurück.

(3) Ist die Revision begründet, so kann der Bundesfinanzhof

1.
in der Sache selbst entscheiden oder
2.
das angefochtene Urteil aufheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverweisen.
Der Bundesfinanzhof verweist den Rechtsstreit zurück, wenn der in dem Revisionsverfahren nach § 123 Abs. 1 Satz 2 Beigeladene ein berechtigtes Interesse daran hat.

(4) Ergeben die Entscheidungsgründe zwar eine Verletzung des bestehenden Rechts, stellt sich die Entscheidung selbst aber aus anderen Gründen als richtig dar, so ist die Revision zurückzuweisen.

(5) Das Gericht, an das die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen ist, hat seiner Entscheidung die rechtliche Beurteilung des Bundesfinanzhofs zugrunde zu legen.

(6) Die Entscheidung über die Revision bedarf keiner Begründung, soweit der Bundesfinanzhof Rügen von Verfahrensmängeln nicht für durchgreifend erachtet. Das gilt nicht für Rügen nach § 119 und, wenn mit der Revision ausschließlich Verfahrensmängel geltend gemacht werden, für Rügen, auf denen die Zulassung der Revision beruht.

(1) Die Revision kann nur darauf gestützt werden, dass das angefochtene Urteil auf der Verletzung von Bundesrecht beruhe. Soweit im Fall des § 33 Abs. 1 Nr. 4 die Vorschriften dieses Unterabschnitts durch Landesgesetz für anwendbar erklärt werden, kann die Revision auch darauf gestützt werden, dass das angefochtene Urteil auf der Verletzung von Landesrecht beruhe.

(2) Der Bundesfinanzhof ist an die in dem angefochtenen Urteil getroffenen tatsächlichen Feststellungen gebunden, es sei denn, dass in bezug auf diese Feststellungen zulässige und begründete Revisionsgründe vorgebracht sind.

(3) Wird die Revision auf Verfahrensmängel gestützt und liegt nicht zugleich eine der Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 Nr. 1 und 2 vor, so ist nur über die geltend gemachten Verfahrensmängel zu entscheiden. Im Übrigen ist der Bundesfinanzhof an die geltend gemachten Revisionsgründe nicht gebunden.

Tatbestand

1

I. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) bezog zunächst Kindergeld für seine im Dezember 1985 geborene Tochter (T), die im Juli 2005 das Abitur ablegte. Ab September 2005 nahm sie bei der Ordensgemeinschaft … einen Dienst als sog. "Missionarin auf Zeit" in Kamerun auf. Dort arbeitete sie bis zum 31. August 2006 unentgeltlich in verschiedenen Einrichtungen (Kindergarten, Internat, Zentrum für außerschulische Aktivitäten, Gesundheitsstation). Sie erhielt freie Unterkunft und Verpflegung. Fahrt- und Flugkosten sowie Versicherungsbeiträge wurden vom Kläger oder von T getragen. Zum Wintersemester 2006/2007 nahm T ein Lehramtsstudium für die Fächer Englisch, Französisch und Theologie auf, das sie allerdings alsbald wieder aufgab. Zum 1. April 2007 begann sie eine Ausbildung zur Gesundheits- und Krankenpflegerin.

2

Die Beklagte und Revisionsbeklagte (Familienkasse) hob die Festsetzung des Kindergeldes durch Bescheid vom 29. August 2005 ab August 2005 auf, da ein Dienst als Missionarin auf Zeit nicht als Berufsausbildung anerkannt werden könne.

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Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg (Urteil des Finanzgerichts --FG-- vom 26. November 2008  4 K 157/06, Entscheidungen der Finanzgerichte 2009, 598). Das FG führte zur Begründung aus, der Dienst als Missionarin auf Zeit sei keine Berufsausbildung i.S. von § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a des Einkommensteuergesetzes in der für die Jahre 2005 und 2006 geltenden Fassung (EStG), denn er habe nicht der Vorbereitung auf einen konkret angestrebten Beruf gedient. Die Förderung von Fremdsprachenkenntnissen reiche nicht aus. Der Freiwilligendienst habe auch nicht auf Praktika im Rahmen des späteren Studiums angerechnet werden können. Der Umstand, dass der Auslandsaufenthalt im hochschuleigenen Auswahlverfahren der Hochschule X berücksichtigt worden sei, genüge nicht. Ebenso wenig sei ausreichend, dass die Erfahrungen, die T während des Dienstes gemacht habe, (mit-)ursächlich für die spätere Ausbildung zur Gesundheits- und Krankenpflegerin gewesen seien. Der Dienst in Kamerun könne auch nicht als freiwilliges soziales Jahr im Sinne des Gesetzes zur Förderung eines freiwilligen sozialen Jahres (FSJG) angesehen werden, da die Voraussetzungen des § 5 Abs. 2 FSJG nicht erfüllt seien. Erst im April 2008 sei der Trägerverein in das Programm "weltwärts" der Bundesregierung aufgenommen worden. Eine analoge Anwendung des § 32 Abs. 4 Satz 2 Buchst. d EStG sei nicht möglich.

4

Zur Begründung der Revision trägt der Kläger vor, T habe zur Berufsorientierung, zur Förderung ihrer sozialen Kompetenz in ihrem späteren Beruf und zur Verbesserung ihrer Französischkenntnisse ein freiwilliges soziales Jahr ableisten wollen. Sie habe damals vorgehabt, entweder Sozialpädagogik, Medizin oder für einen Lehrberuf zu studieren. Zumindest bei einer analogen Anwendung des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. d EStG ergebe sich ein Anspruch auf Kindergeld.

5

Der Kläger beantragt, das angefochtene Urteil, den Aufhebungsbescheid vom 29. August 2005 sowie die dazu ergangene Einspruchsentscheidung vom 12. Mai 2006 aufzuheben.

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Die Familienkasse beantragt, die Revision zurückzuweisen.

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Die Beteiligten sind mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden (§ 90 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

Entscheidungsgründe

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II. Die Revision ist unbegründet und wird zurückgewiesen (§ 126 Abs. 2 FGO). Die Familienkasse hat zu Recht die Festsetzung von Kindergeld ab August 2005 aufgehoben.

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1. Nach § 63 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG wird Kindergeld für ein Kind gewährt, das für einen Beruf ausgebildet wird.

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a) Der Begriff der Berufsausbildung umfasst jede Ausbildung zu einem künftigen Beruf. In Berufsausbildung befindet sich, wer seine Berufsziele noch nicht erreicht hat, sich aber ernsthaft und nachhaltig darauf vorbereitet (Senatsurteil vom 24. Juni 2004 III R 3/03, BFHE 206, 413, BStBl II 2006, 294). Einzubeziehen sind alle Maßnahmen, die dem Erwerb von Kenntnissen, Fähigkeiten und Erfahrungen dienen, die als Grundlage für die Ausübung des angestrebten Berufs geeignet sind (Urteile des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 16. April 2002 VIII R 58/01, BFHE 199, 111, BStBl II 2002, 523; vom 18. März 2009 III R 26/06, BFHE 225, 331, BStBl II 2010, 296; vom 26. August 2010 III R 88/08, BFH/NV 2011, 26). Maßgebend für die weite Auslegung des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG ist die Erwägung, dass die steuerliche Leistungsfähigkeit der Eltern auch dann gemindert ist, wenn sich ihr Kind unabhängig von vorgeschriebenen Ausbildungsgängen in Ausbildung befindet und von ihnen unterhalten wird (Senatsurteil vom 2. April 2009 III R 85/08, BFHE 224, 546, BStBl II 2010, 298).

11

b) Freiwilligendienste sind grundsätzlich keine Berufsausbildung. Sie dienen in der Regel nicht der Vorbereitung auf einen konkret angestrebten Beruf, sondern der Erlangung sozialer Erfahrungen und der Stärkung des Verantwortungsbewusstseins für das Gemeinwohl (BFH-Urteile vom 15. Juli 2003 VIII R 78/99, BFHE 203, 90, BStBl II 2003, 841, sowie in BFHE 206, 413, BStBl II 2006, 294). Auch der Gesetzgeber ging davon aus, dass die Ableistung eines Freiwilligendienstes grundsätzlich keine Berufsausbildung darstellt (vgl. BTDrucks IV/2138, S. 2).

12

c) Das FG hat in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise (§ 118 Abs. 2 FGO) einen hinreichenden Zusammenhang zwischen dem Freiwilligendienst und einem angestrebten Beruf verneint. Zutreffend hat es auch die mit dem Auslandsaufenthalt verbundene Verbesserung von Sprachkenntnissen nicht für die Annahme einer Berufsausbildung genügen lassen. Der Aufenthalt war nicht von einem theoretisch-systematischen Sprachunterricht begleitet, der mit Rücksicht auf seinen Umfang den Schluss auf eine hinreichend gründliche (Sprach-)Ausbildung rechtfertigt (vgl. BFH-Urteil vom 19. Februar 2002 VIII R 83/00, BFHE 198, 192, BStBl II 2002, 469; Senatsbeschluss vom 14. September 2009 III B 119/08, BFH/NV 2010, 34). Auch hat das FG zu Recht dem Umstand, dass der Freiwilligendienst im Auswahlverfahren der Hochschule als sonstige Leistung zugunsten von T gewertet wurde, keine ausschlaggebende Bedeutung beigemessen.

13

2. Der von T geleistete Freiwilligendienst ist auch nicht nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. d EStG begünstigt. Insbesondere liegt kein freiwilliges soziales Jahr im Sinne des FSJG vor. Nach den Feststellungen des FG war die Organisation … im streitigen Zeitraum nicht als Trägerorganisation i.S. von § 5 Abs. 2 FSJG zugelassen (s. Senatsurteil vom 17. Dezember 2008 III R 62/06, BFH/NV 2009, 747). Auch eine analoge Anwendung des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. d EStG scheidet aus, da die Vorschrift keine planwidrige Regelungslücke erkennen lässt (Senatsurteil vom 18. März 2009 III R 33/07, BFHE 224, 508, BStBl II 2009, 1010). Es ist verfassungsrechtlich nicht zwingend geboten, das Existenzminimum eines Kindes, das einen Freiwilligendienst leistet, bei den Eltern von der Einkommensteuer freizustellen. Der Gesetzgeber fördert diese Dienste unter anderem durch die (Weiter-)Gewährung von Kindergeld (vgl. § 4 Nr. 4 FSJG, § 9 Nr. 3 des Gesetzes zur Förderung von Jugendfreiwilligendiensten), um einen Anreiz für die Leistung solcher Dienste zu schaffen und die damit verbundenen Nachteile auszugleichen (vgl. BTDrucks 16/6519, S. 12). Es liegt im Rahmen seines Gestaltungsspielraums, nur anerkannte, bestimmten gesetzlichen Voraussetzungen genügende Dienste zu fördern.