Bundesfinanzhof Beschluss, 19. Apr. 2016 - II B 66/15

Gericht
Tenor
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Die Beschwerde des Klägers wegen Nichtzulassung der Revision gegen das Urteil des Finanzgerichts des Saarlandes vom 1. Juli 2015 1 K 1373/13 wird als unzulässig verworfen.
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Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat der Kläger zu tragen.
Gründe
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Die Beschwerde ist unzulässig.
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1. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) hat kein Rechtsschutzbedürfnis mehr für die mit der Beschwerde weiterhin angestrebte Zulassung der Revision. Der Kläger ist durch das finanzgerichtliche Urteil nicht mehr beschwert, da der Änderungsbescheid vom 3. November 2015 an die Stelle des Urteils getreten und dadurch eine Erledigung der Hauptsache des Beschwerdeverfahrens eingetreten ist (vgl. Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 2. Oktober 1992 VI B 105/91, BFHE 169, 20, BStBl II 1993, 57).
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a) Ein Rechtsstreit ist in der Hauptsache erledigt, wenn nach Rechtshängigkeit ein außerprozessuales Ereignis eintritt, durch welches unmittelbar das gesamte im Klageantrag zum Ausdruck kommende Begehren objektiv gegenstandslos geworden ist (Beschluss des Großen Senats des BFH vom 5. März 1979 GrS 4/78, BFHE 127, 147, BStBl II 1979, 375, unter B.II.2.; Gräber/Ratschow, Finanzgerichtsordnung, 8. Aufl., § 138 Rz 66). So verhält es sich hier. Mit Änderungsbescheid vom 3. November 2015 wurde das Fahrzeug des Klägers --wie von diesem vor dem Finanzgericht beantragt-- als LKW besteuert. Dem Klagebegehren ist damit vollumfänglich entsprochen worden. Da sich der Kläger trotz Anfrage der Geschäftsstelle des Senats der einseitigen Erledigungserklärung des Beklagten und Beschwerdegegners (Hauptzollamt --HZA--) vom 26. November 2015 nicht angeschlossen hat, war weiterhin über die Zulassung der Revision zu entscheiden (Gräber/Ratschow, a.a.O., § 116 Rz 74).
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b) Zwar konnte der Kläger mit Schriftsatz vom 19. Februar 2016 zur Fortsetzungsfeststellungsklage gemäß § 100 Abs. 1 Satz 4 der Finanzgerichtsordnung (FGO) übergehen, indem er nunmehr begehrt, festzustellen, dass der Bescheid vom 3. September 2013 rechtswidrig war. Eine solche Klageänderung ist grundsätzlich auch im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde möglich (Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 21. August 1995 8 B 43/95, Rz 1, nicht veröffentlicht; BFH-Beschlüsse vom 9. August 2001 VII B 34/01, BFH/NV 2001, 1604, unter II.2.a, und vom 15. Dezember 2004 VIII B 181/04, BFH/NV 2005, 896, unter 1.b; jeweils m.w.N.; Gräber/Stapperfend, a.a.O., § 100 Rz 80). Sie führt vorliegend jedoch nicht zur Zulassung der Revision, da ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse i.S. des § 100 Abs. 1 Satz 4 FGO nicht besteht.
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aa) "Berechtigtes Interesse" i.S. des § 100 Abs. 1 Satz 4 FGO ist jedes konkrete, vernünftigerweise anzuerkennende Interesse rechtlicher, tatsächlicher oder wirtschaftlicher Art (ständige Rechtsprechung, vgl. etwa BFH-Urteil vom 27. Mai 1975 VII R 80/74, BFHE 116, 315, BStBl II 1975, 860; Gräber/ Stapperfend, a.a.O., § 100 Rz 89). Dieses kann sich u.a. daraus ergeben, dass ein konkreter Anlass für die Annahme besteht, die Finanzbehörde werde die vom Kläger für rechtswidrig erachtete Maßnahme in absehbarer Zukunft wiederholen (Wiederholungsgefahr; vgl. etwa BFH-Urteil vom 12. Juni 1996 II R 71/94, BFH/NV 1996, 873, unter II.1., m.w.N.; Gräber/ Stapperfend, a.a.O., § 100 Rz 89). Ersetzt jedoch ein Änderungsbescheid den ursprünglich angefochtenen Bescheid und wird damit nach § 68 FGO zum Gegenstand des Klageverfahrens, besteht grundsätzlich kein berechtigtes Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit des erledigten Bescheids (ständige Rechtsprechung, vgl. etwa BFH-Urteile vom 1. Oktober 1992 V R 81/89, BFHE 169, 117, BStBl II 1993, 120, unter II.1.b, und vom 17. März 1994 V R 39/92, BFHE 174, 268, BStBl II 1994, 538, unter II.1.; Gräber/Stapperfend, a.a.O., § 100 Rz 93). Eine Wiederholungsgefahr ist in diesen Fällen selbst dann zu verneinen, wenn sich aus den Gründen des Änderungsbescheids nicht ergibt, dass die Finanzbehörde den ursprünglich angefochtenen Verwaltungsakt wegen Rechtswidrigkeit aufgehoben hat (vgl. BFH-Urteil vom 9. Mai 2012 I R 91/10, BFH/NV 2012, 2004, Rz 23, m.w.N.; Gräber/Stapperfend, a.a.O., § 100 Rz 89). Ein Feststellungsausspruch bezüglich erledigter Bescheide kommt nur unter sehr engen Voraussetzungen in Betracht, etwa wenn der erledigte Bescheid nach wie vor Grundlage einer noch bestehenden Pfändung ist oder etwa sich bei der Beurteilung eines Steuervorauszahlungsbescheids Rechtsfragen stellen, die im Rahmen der Entscheidung über den Jahressteuerbescheid nicht geklärt werden können und an deren Klärung der Kläger ein berechtigtes Interesse hat (BFH-Urteil in BFH/NV 2012, 2004, Rz 26).
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bb) Der Kfz-Steuerbescheid vom 3. September 2013, den das damals für die Kfz-Steuer zuständige Finanzamt (FA) erlassen hatte, entfaltet aufgrund des Änderungsbescheids vom 3. November 2015 für den Kläger keine Rechtswirkungen mehr. Die Kfz-Steuer für das Fahrzeug des Klägers wurde lediglich für den Zeitraum vom 23. April 2013 bis zum 18. August 2013 festgesetzt. Eine Regelung oder Bindungswirkung für die Zukunft ergibt sich hieraus nicht. Aufgrund des zwischenzeitlichen Übergangs der Zuständigkeit für die Kfz-Besteuerung vom FA auf das HZA ist darüber hinaus ein konkreter Wiederholungsfall nicht absehbar.
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2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.

Annotations
(1) Soweit ein angefochtener Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und die etwaige Entscheidung über den außergerichtlichen Rechtsbehelf auf; die Finanzbehörde ist an die rechtliche Beurteilung gebunden, die der Aufhebung zugrunde liegt, an die tatsächliche so weit, als nicht neu bekannt werdende Tatsachen und Beweismittel eine andere Beurteilung rechtfertigen. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, dass und wie die Finanzbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, dass der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.
(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, dass die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekannt zu geben.
(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und die Entscheidung über den außergerichtlichen Rechtsbehelf aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Satz 1 gilt nicht, soweit der Steuerpflichtige seiner Erklärungspflicht nicht nachgekommen ist und deshalb die Besteuerungsgrundlagen geschätzt worden sind. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlass des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, dass Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluss kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.
(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.
Wird der angefochtene Verwaltungsakt nach Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung geändert oder ersetzt, so wird der neue Verwaltungsakt Gegenstand des Verfahrens. Ein Einspruch gegen den neuen Verwaltungsakt ist insoweit ausgeschlossen. Die Finanzbehörde hat dem Gericht, bei dem das Verfahren anhängig ist, eine Abschrift des neuen Verwaltungsakts zu übermitteln. Satz 1 gilt entsprechend, wenn
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ein Verwaltungsakt nach § 129 der Abgabenordnung berichtigt wird oder - 2.
ein Verwaltungsakt an die Stelle eines angefochtenen unwirksamen Verwaltungsakts tritt.
(1) Der unterliegende Beteiligte trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, soweit er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Besteht der kostenpflichtige Teil aus mehreren Personen, so haften diese nach Kopfteilen. Bei erheblicher Verschiedenheit ihrer Beteiligung kann nach Ermessen des Gerichts die Beteiligung zum Maßstab genommen werden.