Bundesfinanzhof Urteil, 12. Okt. 2011 - I R 93/10

bei uns veröffentlicht am12.10.2011

Tatbestand

1

I. Streitig ist, ob von einem schweizerischen Arbeitgeber bezogene Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit der deutschen Einkommensteuer unterliegen.

2

Die zur Einkommensteuer des Streitjahres 2003 als Eheleute zusammen veranlagten Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) hatten im Streitjahr einen Wohnsitz in Deutschland. Der Kläger, ein deutscher Staatsangehöriger, hatte darüber hinaus einen Wohnsitz in der Schweiz. Er war … Generaldirektor bei der A, einer im schweizerischen Handelsregister eingetragenen Genossenschaft mit Sitz in B-Stadt. Aus diesem Arbeitsverhältnis bezog er im Streitjahr ein Bruttogehalt von … €. Die Tätigkeit übte der Kläger vorwiegend in der Schweiz aus.

3

Das Einkommen aus dieser Tätigkeit wurde in der Schweiz nicht der Besteuerung unterworfen. Die Geschäftsleitung der A hatte mit dem Schweizerischen Bundesrat (Conseil fédéral suisse) eine auch im Streitjahr noch wirksame Vereinbarung getroffen, nach der alle Mitarbeiter der A mit nicht-schweizerischer Staatsangehörigkeit für die während ihrer Tätigkeit in der Schweiz von A bezogenen Gehälter von der schweizerischen Besteuerung freigestellt werden.

4

Der Kläger erklärte seine bei A erzielten Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit als steuerfreie Einnahmen. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) folgte dem nicht.

5

Das Finanzgericht (FG) München gab der Klage gegen den hiernach ergangenen Einkommensteuerbescheid durch Urteil vom 23. September 2010  11 K 1169/08 statt (Entscheidungen der Finanzgerichte 2011, 418), indem es die Einkommensteuer von zuvor … € (Einspruchsentscheidung) auf … € herabsetzte.

6

Das FA rügt mit der Revision die Verletzung materiellen Rechts und beantragt sinngemäß, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

7

Die Kläger beantragen, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

8

II. Die Revision des FA ist begründet; das angefochtene Urteil wird aufgehoben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Für die Entscheidung, ob und ggf. inwieweit die in der Schweiz erzielten Einkünfte in die Bemessungsgrundlage der deutschen Einkommensteuer einzubeziehen sind, fehlen tatrichterliche Feststellungen zu der Frage, inwieweit der Arbeitslohn des Klägers auf eine Tätigkeit in der Schweiz entfällt.

9

1. Nach den Feststellungen des FG, die nicht mit zulässigen und begründeten Revisionsrügen angegriffen und deshalb im Revisionsverfahren bindend sind (§ 118 Abs. 2 FGO), hatte der Kläger im Streitjahr einen Wohnsitz im Inland. Er war mithin gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes 2002 unbeschränkt steuerpflichtig mit der Folge, dass er mit allen im Streitjahr erzielten Einkünften der Einkommensteuer unterlag. Ferner ist das FG ersichtlich davon ausgegangen, dass der Kläger aus abkommensrechtlicher Sicht in Deutschland ansässig war (Art. 4 des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Schweizerischen Eidgenossenschaft zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und Vermögen vom 11. August 1971, BGBl II 1972, 1022, BStBl I 1972, 519 i.d.F. des Protokolls vom 21. Dezember 1992, BGBl II 1993, 1888, BStBl I 1993, 928

--DBA-Schweiz 1992--); diese Einschätzung wird von den Beteiligten geteilt und bedarf deshalb und mangels gegenteiliger Anhaltspunkte keiner näheren Erörterungen.

10

2. Nach Art. 24 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. d DBA-Schweiz 1992 werden bei einer in Deutschland ansässigen Person aus der Schweiz stammende Gehälter, Löhne und ähnliche Vergütungen i.S. des Art. 15 DBA-Schweiz 1992, soweit sie nicht unter Art. 17 DBA-Schweiz 1992 fallen, von der Bemessungsgrundlage der deutschen Steuer ausgenommen, wenn sie in der Schweiz besteuert werden können und wenn die Arbeit in der Schweiz ausgeübt wird. Dazu kann der Senat im Ergebnis wegen fehlender tatsächlicher Feststellungen keine abschließende Entscheidung treffen.

11

a) Die Vorinstanz ist in Übereinstimmung mit den Beteiligten davon ausgegangen, dass die vom Kläger bezogene Vergütung der Regelung des Art. 15 Abs. 4 DBA-Schweiz 1992 unterfällt. Dem ist nicht beizupflichten.

12

aa) Nach Art. 15 Abs. 4 Satz 1 DBA-Schweiz 1992 können die Einkünfte einer natürlichen Person, die in Deutschland ansässig, aber als Vorstandsmitglied, Direktor, Geschäftsführer oder Prokurist einer in der Schweiz ansässigen Kapitalgesellschaft tätig ist, in der Schweiz besteuert werden, vorausgesetzt, die Tätigkeit ist nicht so abgegrenzt, dass sie lediglich Aufgaben außerhalb der Schweiz umfasst. Dabei greift dieses Besteuerungsrecht unabhängig von dem Ort der physischen Anwesenheit der betreffenden Person; Art. 15 Abs. 4 Satz 1 DBA-Schweiz 1992 ordnet die Fiktion des Arbeitsorts an, die auch im Rahmen von Art. 24 DBA-Schweiz 1992 maßgebend ist (vgl. z.B. Senatsurteil vom 25. Oktober 2006 I R 81/04, BFHE 215, 237, BStBl II 2010, 778; s.a. Kempermann in Flick/Wassermeyer/Kempermann, Doppelbesteuerungsabkommen Deutschland-Schweiz, Art. 15 Rz 115; Brandis in Debatin/ Wassermeyer, Doppelbesteuerung, Schweiz Art. 15 Rz 100, 106, jeweils m.w.N. zur ständigen Rechtsprechung des Senats). Besteuert die Schweiz diese Einkünfte nicht, können sie allerdings in Deutschland besteuert werden (Art. 15 Abs. 4 Satz 2 DBA-Schweiz 1992). Im Übrigen gilt diese Regelung nur vorbehaltlich des Art. 15a DBA-Schweiz 1992. Deshalb dürfen, wenn die betreffende Person Grenzgänger i.S. des Art. 15a Abs. 2 DBA-Schweiz 1992 ist, die von ihr bezogenen Gehälter, Löhne und ähnlichen Vergütungen in Deutschland besteuert werden (Art. 15a Abs. 1 Satz 1 DBA-Schweiz 1992).

13

bb) Im Streitfall war der Kläger, den das FG in Übereinstimmung mit den Beteiligten nicht als Grenzgänger i.S. des Art. 15a DBA-Schweiz 1992 angesehen hat, nach den Feststellungen des FG als Generaldirektor der schweizerischen A --einer Genossenschaft--

tätig. Damit ist die Tatbestandsvoraussetzung einer Tätigkeit bei einer "Kapitalgesellschaft" (Art. 15 Abs. 4 Satz 1 DBA-Schweiz 1992) nicht erfüllt.

14

aaa) Der erkennende Senat hat in diesem Zusammenhang in seinem Urteil vom 21. August 2007 I R 17/07 (BFH/NV 2008, 530) --zu einem im schweizerischen Handelsregister eingetragenen Verein i.S. der Art. 60 ff. des Schweizerischen Zivilgesetzbuchs-- entschieden, dass der Begriff der Kapitalgesellschaft nicht jede Rechtsperson erfasst, die sowohl nach schweizerischem wie nach deutschem Rechtsverständnis als juristische Person bzw. Körperschaft anzusehen ist. Eine Ausdehnung des in Art. 15 Abs. 4 Satz 1 DBA-Schweiz 1992 verwendeten (engeren) Begriffs der Kapitalgesellschaft auf Körperschaften jeglicher Art kann weder aus dem Abkommenstext noch -zusammenhang abgeleitet werden. Dazu hat der Senat darauf verwiesen, dass das Abkommen immer dann, wenn darin allgemein von juristischen Personen oder von Rechtsträgern, die für die Besteuerung wie juristische Personen behandelt werden, gesprochen wird, ausweislich der insoweit maßgeblichen (vgl. Art. 3 Abs. 2 DBA-Schweiz 1992) Abkommensdefinition in Art. 3 Abs. 1 Buchst. e DBA-Schweiz 1992 (nur) von "Gesellschaft" die Rede ist.

15

bbb) Daran ist festzuhalten. Der insoweit eindeutige Abkommenswortlaut steht der Auffassung der Kläger entgegen, letztlich alle Gesellschaftsformen mit Haftungsbegrenzung, eigener Rechtssubjektivität bzw. Steuerrechtsfähigkeit und einer Beteiligung der Mitglieder/Gesellschafter am Gewinn nur im Falle der Ausschüttung abkommensrechtlich als Kapitalgesellschaft zu behandeln (abweichend Niedersächsisches FG, Urteil vom 14. Mai 1991 VI 676/89, Recht der Internationalen Wirtschaft 1991, 963; zweifelnd Kempermann in Flick/Wassermeyer/Kempermann, a.a.O., Art. 15 Rz 107). Der von den Vertragsstaaten in Kenntnis der Differenzierungsmöglichkeiten vereinbarte klare Abkommenswortlaut begrenzt sowohl ein ausweitendes als auch ein einengendes Verständnis des Begriffs der Kapitalgesellschaft (zu Letzterem s. z.B. das Senatsurteil vom 19. Mai 2010 I R 62/09, BFHE 230, 18). Auch eine Eintragung einer juristischen Person im Handelsregister kann auf dieser Grundlage eine abkommensrechtliche Gleichbehandlung mit einer dort ebenfalls eingetragenen Kapitalgesellschaft nicht erzwingen.

16

ccc) Wenn damit die Genossenschaft nicht in den Anwendungsbereich des Art. 15 Abs. 4 Satz 1 DBA-Schweiz 1992 fällt, kommt es auf die Voraussetzungen der Rückfallklausel des Art. 15 Abs. 4 Satz 2 DBA-Schweiz 1992 im Streitfall nicht an.

17

b) Das Besteuerungsrecht für die vom Kläger aus der Tätigkeit bei A bezogene Vergütung könnte allerdings gemäß Art. 15 Abs. 1 Satz 1 DBA-Schweiz 1992 --zumindest teilweise-- der Schweiz zustehen. Denn danach können Gehälter, Löhne und ähnliche Vergütungen, die eine in einem Vertragsstaat (hier Deutschland) ansässige Person aus unselbständiger Arbeit bezieht, nur in diesem Staat besteuert werden, es sei denn, die Arbeit wird in dem anderen Staat ausgeübt. Abkommensrechtlich verbleibt damit die Besteuerung von Einkünften für eine Tätigkeit in Deutschland oder in einem Drittstaat bei Deutschland als Wohnsitzstaat (vgl. z.B. Senatsbeschluss vom 19. April 1999 I B 141/98, BFH/NV 1999, 1317, 1319 f.; Senatsurteil in BFH/NV 2008, 530). Soweit die Tätigkeit hingegen in der Schweiz ausgeübt wurde, steht dieser das Besteuerungsrecht zu.

18

Zum Ort der Tätigkeit des Klägers hat das FG --von seinem Rechtsstandpunkt aus zu Recht-- jedoch keine Feststellungen getroffen. Diese Feststellungen können im Revisionsverfahren nicht nachgeholt werden; diese Aufgabe obliegt dem FG im zweiten Rechtsgang.

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Finanzgerichtsordnung - FGO | § 126


(1) Ist die Revision unzulässig, so verwirft der Bundesfinanzhof sie durch Beschluss. (2) Ist die Revision unbegründet, so weist der Bundesfinanzhof sie zurück. (3) Ist die Revision begründet, so kann der Bundesfinanzhof 1. in der Sache selbs

Finanzgerichtsordnung - FGO | § 118


(1) Die Revision kann nur darauf gestützt werden, dass das angefochtene Urteil auf der Verletzung von Bundesrecht beruhe. Soweit im Fall des § 33 Abs. 1 Nr. 4 die Vorschriften dieses Unterabschnitts durch Landesgesetz für anwendbar erklärt werden, ka

Einkommensteuergesetz - EStG | § 1 Steuerpflicht


(1) 1Natürliche Personen, die im Inland einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, sind unbeschränkt einkommensteuerpflichtig. 2Zum Inland im Sinne dieses Gesetzes gehört auch der der Bundesrepublik Deutschland zustehende Anteil 1. an d

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Bundesfinanzhof Urteil, 19. Mai 2010 - I R 62/09

bei uns veröffentlicht am 19.05.2010

Tatbestand 1 A. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), eine KG, war bis 2009 eine OHG, an der im Streitjahr 1996 sowohl unbeschränkt als auch --im Umfang von rd.

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(1) Ist die Revision unzulässig, so verwirft der Bundesfinanzhof sie durch Beschluss.

(2) Ist die Revision unbegründet, so weist der Bundesfinanzhof sie zurück.

(3) Ist die Revision begründet, so kann der Bundesfinanzhof

1.
in der Sache selbst entscheiden oder
2.
das angefochtene Urteil aufheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverweisen.
Der Bundesfinanzhof verweist den Rechtsstreit zurück, wenn der in dem Revisionsverfahren nach § 123 Abs. 1 Satz 2 Beigeladene ein berechtigtes Interesse daran hat.

(4) Ergeben die Entscheidungsgründe zwar eine Verletzung des bestehenden Rechts, stellt sich die Entscheidung selbst aber aus anderen Gründen als richtig dar, so ist die Revision zurückzuweisen.

(5) Das Gericht, an das die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen ist, hat seiner Entscheidung die rechtliche Beurteilung des Bundesfinanzhofs zugrunde zu legen.

(6) Die Entscheidung über die Revision bedarf keiner Begründung, soweit der Bundesfinanzhof Rügen von Verfahrensmängeln nicht für durchgreifend erachtet. Das gilt nicht für Rügen nach § 119 und, wenn mit der Revision ausschließlich Verfahrensmängel geltend gemacht werden, für Rügen, auf denen die Zulassung der Revision beruht.

(1) Die Revision kann nur darauf gestützt werden, dass das angefochtene Urteil auf der Verletzung von Bundesrecht beruhe. Soweit im Fall des § 33 Abs. 1 Nr. 4 die Vorschriften dieses Unterabschnitts durch Landesgesetz für anwendbar erklärt werden, kann die Revision auch darauf gestützt werden, dass das angefochtene Urteil auf der Verletzung von Landesrecht beruhe.

(2) Der Bundesfinanzhof ist an die in dem angefochtenen Urteil getroffenen tatsächlichen Feststellungen gebunden, es sei denn, dass in bezug auf diese Feststellungen zulässige und begründete Revisionsgründe vorgebracht sind.

(3) Wird die Revision auf Verfahrensmängel gestützt und liegt nicht zugleich eine der Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 Nr. 1 und 2 vor, so ist nur über die geltend gemachten Verfahrensmängel zu entscheiden. Im Übrigen ist der Bundesfinanzhof an die geltend gemachten Revisionsgründe nicht gebunden.

(1)1Natürliche Personen, die im Inland einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, sind unbeschränkt einkommensteuerpflichtig.2Zum Inland im Sinne dieses Gesetzes gehört auch der der Bundesrepublik Deutschland zustehende Anteil

1.
an der ausschließlichen Wirtschaftszone, soweit dort
a)
die lebenden und nicht lebenden natürlichen Ressourcen der Gewässer über dem Meeresboden, des Meeresbodens und seines Untergrunds erforscht, ausgebeutet, erhalten oder bewirtschaftet werden,
b)
andere Tätigkeiten zur wirtschaftlichen Erforschung oder Ausbeutung der ausschließlichen Wirtschaftszone ausgeübt werden, wie beispielsweise die Energieerzeugung aus Wasser, Strömung und Wind oder
c)
künstliche Inseln errichtet oder genutzt werden und Anlagen und Bauwerke für die in den Buchstaben a und b genannten Zwecke errichtet oder genutzt werden, und
2.
am Festlandsockel, soweit dort
a)
dessen natürliche Ressourcen erforscht oder ausgebeutet werden; natürliche Ressourcen in diesem Sinne sind die mineralischen und sonstigen nicht lebenden Ressourcen des Meeresbodens und seines Untergrunds sowie die zu den sesshaften Arten gehörenden Lebewesen, die im nutzbaren Stadium entweder unbeweglich auf oder unter dem Meeresboden verbleiben oder sich nur in ständigem körperlichen Kontakt mit dem Meeresboden oder seinem Untergrund fortbewegen können; oder
b)
künstliche Inseln errichtet oder genutzt werden und Anlagen und Bauwerke für die in Buchstabe a genannten Zwecke errichtet oder genutzt werden.

(2)1Unbeschränkt einkommensteuerpflichtig sind auch deutsche Staatsangehörige, die

1.
im Inland weder einen Wohnsitz noch ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben und
2.
zu einer inländischen juristischen Person des öffentlichen Rechts in einem Dienstverhältnis stehen und dafür Arbeitslohn aus einer inländischen öffentlichen Kasse beziehen,
sowie zu ihrem Haushalt gehörende Angehörige, die die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen oder keine Einkünfte oder nur Einkünfte beziehen, die ausschließlich im Inland einkommensteuerpflichtig sind.2Dies gilt nur für natürliche Personen, die in dem Staat, in dem sie ihren Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, lediglich in einem der beschränkten Einkommensteuerpflicht ähnlichen Umfang zu einer Steuer vom Einkommen herangezogen werden.

(3)1Auf Antrag werden auch natürliche Personen als unbeschränkt einkommensteuerpflichtig behandelt, die im Inland weder einen Wohnsitz noch ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, soweit sie inländische Einkünfte im Sinne des § 49 haben.2Dies gilt nur, wenn ihre Einkünfte im Kalenderjahr mindestens zu 90 Prozent der deutschen Einkommensteuer unterliegen oder die nicht der deutschen Einkommensteuer unterliegenden Einkünfte den Grundfreibetrag nach § 32a Absatz 1 Satz 2 Nummer 1 nicht übersteigen; dieser Betrag ist zu kürzen, soweit es nach den Verhältnissen im Wohnsitzstaat des Steuerpflichtigen notwendig und angemessen ist.3Inländische Einkünfte, die nach einem Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung nur der Höhe nach beschränkt besteuert werden dürfen, gelten hierbei als nicht der deutschen Einkommensteuer unterliegend.4Unberücksichtigt bleiben bei der Ermittlung der Einkünfte nach Satz 2 nicht der deutschen Einkommensteuer unterliegende Einkünfte, die im Ausland nicht besteuert werden, soweit vergleichbare Einkünfte im Inland steuerfrei sind.5Weitere Voraussetzung ist, dass die Höhe der nicht der deutschen Einkommensteuer unterliegenden Einkünfte durch eine Bescheinigung der zuständigen ausländischen Steuerbehörde nachgewiesen wird.6Der Steuerabzug nach § 50a ist ungeachtet der Sätze 1 bis 4 vorzunehmen.

(4) Natürliche Personen, die im Inland weder einen Wohnsitz noch ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, sind vorbehaltlich der Absätze 2 und 3 und des § 1a beschränkt einkommensteuerpflichtig, wenn sie inländische Einkünfte im Sinne des § 49 haben.

Tatbestand

1

A. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), eine KG, war bis 2009 eine OHG, an der im Streitjahr 1996 sowohl unbeschränkt als auch --im Umfang von rd. 30,86 v.H.-- beschränkt steuerpflichtige Gesellschafter beteiligt waren. Die Klägerin war ihrerseits Komplementärin der Beigeladenen, einer börsennotierten KGaA, und hielt an dieser einen Anteil von 73,837 v.H.; die übrigen Anteile der Beigeladenen wurden von Kommanditaktionären gehalten.

2

Die Beigeladene hielt u.a. --zu ca. 99 v.H. bzw. 100 v.H.-- Beteiligungen an zwei französischen Kapitalgesellschaften. Aus diesen Beteiligungen vereinnahmte sie im Streitjahr 1996 phasengleich Dividenden in Höhe von insgesamt rd. ... Mio. DM, von denen für das Streitjahr gemäß der Beteiligungsquote auf die Klägerin ... DM entfielen.

3

In der Satzung der Beigeladenen ist wirtschaftlich eine umfassende Gewinnpoolung zwischen der Klägerin und den Kommanditaktionären vereinbart, die sowohl das Ergebnis der Klägerin als auch das Ergebnis der Beigeladenen umfasst. Rechtlich wird die Gewinnpoolung durch Ergebnisbeteiligungs- und Ergebnisaufteilungsabreden erreicht. Wird wegen des Bezugs von Dividenden aus der Beteiligung an einer ausländischen Gesellschaft von dieser Gesellschaft geschuldete ausländische Körperschaftsteuer durch die ausländische oder durch die deutsche Finanzverwaltung erstattet, steht nach der Satzung der Beigeladenen dieser der Erstattungsbetrag als Ertrag aus ihrer Beteiligung an der ausländischen Gesellschaft zu. Die Satzung der Beigeladenen begründet damit deren handelsrechtlichen Anspruch auf einen zusätzlichen Anteil an Beteiligungserträgen in Höhe der bei den Gesellschaftern durch die ausländischen Beteiligungen erzeugten steuerlichen Zusatzerträge (Erstattung ausländischer Körperschaftsteuer). Dies gilt entsprechend für den Fall, dass zusätzlich zu den Dividenden aus einer Beteiligung von der Beteiligungsgesellschaft entrichtete Körperschaftsteuer vergütet wird. Entsprechend dieser Satzungsvorschrift hat die Beigeladene den vollen Betrag der auf sie entfallenden Brutto-Bardividenden der beiden französischen Gesellschaften und den auf die Gesellschafter der Klägerin entfallenden Betrag der französischen Steuergutschrift --des "avoir fiscal"-- als Beteiligungsertrag ausgewiesen. Die Gesellschafter der Klägerin haben ihre Ansprüche auf den "avoir fiscal" an die Beigeladene abgetreten.

4

Die Klägerin beanspruchte --entgegen ihrer ursprünglichen Feststellungserklärungen-- für die der Beigeladenen zugeflossenen Brutto-Bardividenden aus den beiden französischen Beteiligungen das sog. Schachtelprivileg gemäß Art. 20 Abs. 1 Buchst. a Satz 1 i.V.m. Buchst. b Doppelbuchst. aa Satz 1 des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Französischen Republik zur Vermeidung der Doppelbesteuerungen und über gegenseitige Amts- und Rechtshilfe auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen sowie der Gewerbesteuern und der Grundsteuern vom 21. Juli 1959 (BGBl II 1961, 398) in der für das Streitjahr maßgeblichen Fassung des Zusatzabkommens vom 28. September 1989 (BGBl II 1990, 772) --DBA-Frankreich a.F.--, nunmehr Art. 20 Abs. 1 Buchst. a Satz 1 und Buchst. b Satz 1 DBA-Frankreich in der Fassung des Zusatzabkommens vom 20. Dezember 2001 (BGBl II 2002, 2372) --DBA-Frankreich n.F.--, und Art. 4 der Richtlinie (EWG) Nr. 90/435 über das gemeinsame Steuersystem der Mutter- und Tochtergesellschaften verschiedener Mitgliedstaaten vom 23. Juli 1990 (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften --ABlEG-- 1990 Nr. L 225, 6, ber. ABlEG 1990 Nr. L 266, 20, geändert durch Beitrittsakte 1995, ABlEG 1995 Nr. L 1, 144) --Mutter-Tochter-Richtlinie--.

5

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) folgte dem im Ergebnis --und entsprechend einer langjährigen steuerlichen Behandlung-- nur in Bezug auf die Kommanditaktionäre, nicht aber in Bezug auf die Klägerin als (personalistische) Komplementäraktionärin, und stellte die Besteuerungsgrundlagen entsprechend fest. Den (nunmehr nur noch) hilfsweise gestellten Antrag der Klägerin auf (anteilige) Erstattung des sog. avoir fiscal entsprach das FA im Rahmen der gesonderten und einheitlichen Feststellungen für das Streitjahr --abweichend von der zuvorigen Praxis-- lediglich bezogen auf die unbeschränkt steuerpflichtigen Gesellschafter der Klägerin; hinsichtlich der beschränkt steuerpflichtigen Gesellschafter lehnte es den Antrag wegen mangelnder Ansässigkeit jener Personen, wie aber für die Anrechnung bzw. Erstattung gemäß Art. 20 Abs. 1 Buchst. b Doppelbuchst. bb Satz 2 DBA-Frankreich a.F. vonnöten, ab. In Einklang hiermit wurde der in dem (anteilig) festgestellten Gewinn der Klägerin enthaltene Ertrag wegen Gewährung des sog. avoir fiscal in entsprechendem Umfang nicht mehr erfasst. Dass die Klägerin den Ertrag aus dem avoir fiscal handels- ebenso wie steuerbilanziell tatsächlich nicht im Streitjahr, sondern erst im Wirtschaftsjahr 2000 ausgebucht hatte, ließ das FA dabei unberücksichtigt.

6

Die dagegen gerichtete Klage war mit ihrem Hauptantrag erfolgreich. Das Hessische Finanzgericht (FG) gab ihr mit Urteil vom 23. Juni 2009  12 K 3439/01 (veröffentlicht in Internationales Steuerrecht --IStR-- 2009, 658) statt.

7

Während des Klageverfahrens hatte das FA den angefochtenen Bescheid nach Durchführung einer Außenprüfung durch abermaligen Änderungsbescheid vom 17. September 2003 ersetzt; das FG war darüber unterrichtet worden.

8

Seine Revision stützt das FA auf Verletzung formellen und materiellen Rechts. Es beantragt sinngemäß, das FG-Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

9

Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.

10

Die Beigeladene hat sich nicht geäußert.

Entscheidungsgründe

11

B. Die Revision bleibt ohne Erfolg.

12

I. Die verfahrensrechtlichen Einwendungen des FA greifen nicht durch.

13

1. Das betrifft zunächst die "falsche" Bezeichnung der Klägerin im Rubrum des angegriffenen FG-Urteils. Diese Falschbezeichnung ist richtigzustellen; Klägerin ist nicht die OHG, sondern deren Rechtsnachfolgerin, die KG. Die in 2009 durchgeführte Umwandlung ist in der (formalen) Bezeichnung der Klägerin als Verfahrensbeteiligte nachzuvollziehen; das kann auch durch das Revisionsgericht geschehen.

14

2. Auch der Umstand, dass das FG den Änderungsbescheid vom 17. September 2003 bei seiner Entscheidung nicht einbezogen hat, führt nicht zum Erfolg der Revision.

15

Allerdings ist das Urteil des FG zu einem im Zeitpunkt der Entscheidung materiell nicht mehr wirksamen Verwaltungsakt ergangen (vgl. Beschluss des Großen Senats des Bundesfinanzhofs --BFH--- vom 25. Oktober 1972 GrS 1/72, BFHE 108, 1, BStBl II 1973, 231). Denn Gegenstand des Klageverfahrens war ausschließlich der (abermalige) Änderungsbescheid vom 17. September 2003, der nach § 68 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) in das Verfahren übergeleitet worden ist. Zwar hat die Klägerin ihren Antrag nicht entsprechend an diesen Bescheid angepasst, das FG ist über das Ergehen des Änderungsbescheids jedoch gemäß § 68 Satz 3 FGO in Kenntnis gesetzt worden. Sein Urteil ist dennoch gegen den zum Zeitpunkt der Entscheidung nicht mehr existenten Bescheid vom 7. August 2001 ergangen. Darin liegt ein Verstoß gegen die Grundordnung des Verfahrens.

16

Jedoch widerspräche es Sinn und Zweck des § 68 Satz 1 FGO, der darin besteht, das Verfahren fortsetzen zu können, wenn die Vorentscheidung im Rechtsmittelverfahren in einem solchen Fall auch dann zwingend aufzuheben und die Sache zurückzuverweisen wäre, wenn durch den Änderungsbescheid keine neuen Streitpunkte in das Verfahren eingeführt worden sind; der Zweck einer Aufhebung und Zurückverweisung würde sich dann darin erschöpfen, der Vorinstanz Gelegenheit zu geben, den Änderungsbescheid datumsmäßig zu erfassen. Aus prozessökonomischen Gründen reicht deshalb in einem solchen Fall eine Richtigstellung in der Rechtsmittelentscheidung aus. Das wurde in der Vergangenheit für die Konstellation entschieden, dass das FG in Unkenntnis des Änderungsbescheides über den früheren Bescheid befunden hat (vgl. BFH-Beschluss vom 29. August 2003 II B 70/03, BFHE 203, 174, BStBl II 2003, 944; BFH-Urteile vom 31. Mai 2006 II R 32/04, BFH/NV 2006, 2232; vom 13. Dezember 2006 VIII R 31/05, BFHE 216, 214, BStBl II 2007, 393; Senatsbeschluss vom 7. August 2008 I B 161/07, BFH/NV 2008, 2053, dort unter konkludenter Aufgabe der früheren Sichtweise im Urteil vom 22. November 1995 I R 35/95, BFH/NV 1996, 611). Der Senat sieht jedoch keinen Grund, diese prozessökonomische und in Einklang mit § 68 Satz 1 FGO stehende Vorgehensweise auf eine derartige Konstellation zu verengen. Vielmehr ist davon auszugehen, dass die Einbeziehung des aktenkundigen Änderungsbescheides in die abschließende Entscheidung jedenfalls dann nur versehentlich unterblieben ist, wenn keine anderweitigen Anhaltspunkte ersichtlich sind.

17

Im Streitfall kann danach von einer Zurückverweisung abgesehen werden. Zwar hat das FA nach Aktenlage das FG über den Erlass des Änderungsbescheides in Kenntnis gesetzt. Ausweislich der Ausführungen in Tatbestand und Entscheidungsgründen des FG-Urteils hatte die Vorinstanz indes bei der Entscheidungsfindung die Existenz des Änderungsbescheides offenkundig nicht (mehr) vor Augen, ebenso wenig, wie die Klägerin bei Formulierung ihres Klageantrags diesen an die neue Bescheidslage angepasst hat. Es kann somit ausgeschlossen werden, dass das FG bewusst nicht über den Änderungsbescheid, aus dem sich nach nunmehr übereinstimmenden Erklärungen der Beteiligten kein neuer Streitstoff ergeben hat, als Verfahrensgegenstand hat entscheiden wollen. Nach allem ist daher die Entscheidung des FG auf den Änderungsbescheid vom 17. September 2003 zu beziehen.

18

II. Die Revision ist auch in der Sache unbegründet.

19

1. Die Beigeladene war im Streitjahr in Deutschland ansässig und unterfällt hier mit ihrem Welteinkommen (§ 8 Abs. 1 des Körperschaftsteuergesetzes --KStG 1991--, § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 des Einkommensteuergesetzes --EStG 1990--) der unbeschränkten Steuerpflicht (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG 1991). Darin einbezogen sind auch die Dividenden, die ihr seitens der französischen Tochtergesellschaften zugeflossen sind.

20

2. Das Besteuerungsrecht für diese Dividenden steht im Ergebnis jedoch Frankreich und nicht Deutschland zu; sie sind nach Art. 20 Abs. 1 Buchst. a Satz 1 und Buchst. b Doppelbuchst. aa Satz 1 DBA-Frankreich a.F. von der Bemessungsgrundlage der deutschen Körperschaftsteuer auszunehmen (im Ergebnis ebenso Kramer, IStR 2010, 57 und 63; Hageböke, IStR 2010, 59; K. Ebling in Hörmann/Jüptner/Kobor/Zugmaier [Hrsg.], Brennpunkte des Steuerrechts, Festschrift für Jakob, 2001, S. 67; vgl. auch --zu dem mit Art. 20 Abs. 1 Buchst. a Satz 1 und Buchst. b Doppelbuchst. aa Satz 1 DBA-Frankreich a.F. vergleichbaren, in Art. 23 Abs. 3 Buchst. a Satz 3 des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Vereinigten Staaten von Amerika zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Verhinderung der Steuerverkürzung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen und einiger anderer Steuern vom 29. August 1989 vereinbarten sog. Schachtelprivileg-- Wolff in Debatin/Wassermeyer, DBA, Art. 7 USA Rz 122; anders Wassermeyer in Kessler/Förster/Watrin [Hrsg.], Unternehmensbesteuerung, Festschrift für Herzig, 2010, S. 897 ff., S. 902 ff.; derselbe in Debatin/Wassermeyer, a.a.O., Art. 3 MA Rz 31). Denn es handelt sich hierbei in Einklang mit jenen Regelungen um aus Frankreich stammende Einkünfte, die einerseits nach dem DBA-Frankreich in Frankreich besteuert werden können (Art. 20 Abs. 1 Buchst. a Satz 1 DBA-Frankreich a.F.) und die andererseits den Dividenden (i.S. von Art. 9 Abs. 1 und 6 DBA-Frankreich a.F.) entsprechen, die von in Frankreich ansässigen Kapitalgesellschaften an eine in Deutschland ansässige Kapitalgesellschaft, der mindestens 10 v.H. des Gesellschaftskapitals der französischen Gesellschaften gehören, gezahlt werden (Art. 20 Abs. 1 Buchst. b Doppelbuchst. aa Satz 1 DBA-Frankreich a.F.).

21

a) Die Dividenden können grundsätzlich nach dem DBA-Frankreich in Frankreich besteuert werden. Dass Art. 9 Abs. 4 Satz 1 DBA-Frankreich a.F. bei sog. Schachtelbeteiligungen von mindestens 10 v.H. Frankreich insofern ein Quellenbesteuerungsrecht versagt, steht dem nicht entgegen; es genügt für die Anwendung des Art. 20 Abs. 1 Buchst. a Satz 1 i.V.m. Buchst. b Doppelbuchst. aa Satz 1 DBA-Frankreich a.F., dass Frankreich gemäß Art. 9 Abs. 2 DBA-Frankreich a.F. allgemein ein Besteuerungsrecht zusteht. Im Einzelnen wird dazu auf das Senatsurteil vom 29. Mai 1996 I R 21/95 (BFHE 180, 422, BStBl II 1997, 63, dort unter II.2.a der Entscheidungsgründe) verwiesen.

22

b) Bei der beigeladenen KGaA handelt es sich --nach Maßgabe des insoweit ausschlaggebenden deutschen Rechts (s. dazu auch Senatsurteil vom 20. August 2008 I R 39/07, BFHE 222, 509, BStBl II 2009, 234)-- um eine in Deutschland ansässige (vgl. Art. 2 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. a DBA-Frankreich a.F.) Kapitalgesellschaft, die im erforderlichen Mindestumfang von 10 v.H. Beteiligungen am Kapital der beiden französischen Tochtergesellschaften hält. Die Tochtergesellschaften sind ihrerseits Kapitalgesellschaften, die in Frankreich ansässig sind, und die in Rede stehenden Dividenden dieser Gesellschaften wurden an die Beigeladene gezahlt.

23

c) Damit sind sämtliche tatbestandlichen Voraussetzungen für die Inanspruchnahme des sog. Schachtelprivilegs i.S. von Art. 20 Abs. 1 Buchst. a Satz 1 und Buchst. b Doppelbuchst. aa Satz 1 DBA-Frankreich a.F. erfüllt. Die unter den Beteiligten diskutierten Rechtsfragen danach, ob eine KGaA "Person" i.S. des Einleitungssatzes von Art. 20 Abs. 1 i.V.m. Art. 2 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. b DBA-Frankreich a.F. ist und ob sie als eine solche Person aus wirtschaftlicher oder steuerrechtlicher Sicht Zahlungsempfängerin der Dividenden ist, stellt sich angesichts dessen nicht.

24

aa) Zwar regelt Art. 20 Abs. 1 DBA-Frankreich a.F., in welcher Weise die Doppelbesteuerung "bei Personen, die in der Bundesrepublik ansässig sind", vermieden wird. In der Regel geschieht dies nach Abs. 1 Buchst. a Satz 1 der Vorschrift durch Freistellung der aus Frankreich stammenden Einkünfte jener Personen, bei denen es sich um in einem Vertragsstaat ansässige natürliche oder juristische Personen handeln muss. Doch steht diese Regelung unter dem Vorbehalt der Sonderregeln für Dividenden in Abs. 1 Buchst. b und Buchst. c der Vorschrift, in denen (auch) die Voraussetzungen für die betroffenen "Personen" im Sinne des Einleitungssatzes spezifiziert und eingegrenzt werden. Nach Art. 20 Abs. 1 Buchst. b Doppelbuchst. aa Satz 1 DBA-Frankreich a.F. sind das --gewissermaßen als eine Teilmenge jener Personen i.S. des Einleitungssatzes-- in der Bundesrepublik ansässige Kapitalgesellschaften, zu denen die Beigeladene fraglos gehört (vgl. § 278 des Aktiengesetzes). Personen im Sinne des Einleitungssatzes, die das sog. Schachtelprivileg nach Art. 20 Abs. 1 Buchst. b Doppelbuchst. aa Satz 1 DBA-Frankreich a.F. beanspruchen können, sind so gesehen einerseits nur, andererseits jedwede Kapitalgesellschaften, die (nur) in der Bundesrepublik ansässig sind. Einschränkungen nach der Gesellschafterstruktur jener Kapitalgesellschaften enthält das Abkommen insofern nicht.

25

Sie werden --im Hinblick auf die Qualifizierung als eine solche Kapitalgesellschaft-- auch innerstaatlich nicht getroffen. Soweit solches für den Komplementär einer KGaA geschieht, betrifft das (lediglich) die Einkommenszuordnung zwischen der KGaA und ihrem persönlich haftenden Gesellschafter (vgl. § 9 Abs. 1 Nr. 1 KStG 1991 i.V.m. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EStG 1990), nicht jedoch die (Subjekt-)Eigenschaft der KGaA als Kapitalgesellschaft und damit auch nicht ihre abkommensrechtliche Behandlung im Zusammenhang mit der Gewährung des sog. Schachtelprivilegs. Um die abkommensrechtliche Behandlung der KGaA und des persönlich haftenden Gesellschafters als "Person" (vgl. dazu Senatsurteil vom 17. Oktober 1990 I R 16/89, BFHE 163, 38, BStBl II 1991, 211) geht es in jenem Zusammenhang indes nicht. Ebenso wenig kommt die sog. Wurzeltheorie, nach der der Komplementär der KGaA originäre gewerbliche Einkünfte (i.S. von § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG 1990) und keine (umqualifizierten, vgl. § 20 Abs. 3 EStG 1990) Dividenden erzielt (vgl. grundlegend BFH- Urteil vom 21. Juni 1989 X R 14/88, BFHE 157, 382, BStBl II 1989, 881; näher Hageböke, Das "KGaA-Modell", 2008, S. 120 f.), in diesem Zusammenhang zum Zuge: Zwar ist es im Ausgangspunkt Sache des innerstaatlichen und nicht des Abkommensrechts, wem eine Einkunft (in Deutschland nach Maßgabe von § 2 Abs. 1 EStG 1990, ggf. auch § 42 Abs. 1 der Abgabenordnung) zuzurechnen ist. (Erst) an diese Zurechnung knüpft aus methodischer Sicht das Abkommensrecht --über die Abkommensberechtigung-- an und hiernach ist die sich hieraus ergebende Steuerfreistellung zu gewähren. Doch setzt sich Art. 20 Abs. 1 Buchst. b Doppelbuchst. aa Satz 1 DBA-Frankreich a.F. über diese materielle Zurechnung abkommensspezifisch hinweg und begünstigt die KGaA als solche, und zwar auch dann, wenn die zu gewährende Freistellung aufgrund der innerstaatlichen Zurechnung --wie im Streitfall der Komplementärin in der Rechtsform einer Personengesellschaft-- (auch) einer Person zugute kommt, der die Freistellung an sich nicht zusteht; die (Teil-)Transparenz der "hybriden" KGaA wirkt sich nicht aus. Dafür, dass § 9 Abs. 1 Nr. 1 KStG 1991 i.V.m. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EStG 1990 umgekehrt als sog. Treaty override konzipiert wäre, wonach das Abkommensrecht hinter dem nationalen Steuerrecht zurücktreten können soll, ist nichts ersichtlich.

26

bb) Gleiches gilt für die Frage, ob Empfänger der Dividenden jenseits des bloßen Zahlungsvorganges die "hinter" der KGaA stehenden Gesellschafter sind. Art. 20 Abs. 1 Buchst. b Doppelbuchst. aa Satz 1 DBA-Frankreich a.F. stellt darauf nicht ab. Ausschlaggebend ist hiernach vielmehr allein die Zahlung an eine in der Bundesrepublik ansässige Kapitalgesellschaft ("... gezahlt ..."). Letzteres ist unter den Gegebenheiten des Streitfalls die KGaA, nicht deren persönlich haftender Gesellschafter. Ob dies nach Maßgabe eines Abkommens zur Vermeidung der Doppelbesteuerung, das sich enger als das DBA-Frankreich an das Musterabkommen der Organisation for Economic Cooperation and Development (OECD-MustAbk) anlehnt und wie dort die Begriffe des "Nutzungsberechtigten" als desjenigen verwendet, welcher die betreffenden Einkünfte "bezieht" (so Wassermeyer in Festschrift Herzig, a.a.O., S. 897, 906; s. in diesem Zusammenhang auch Senatsurteil in BFHE 222, 509, BStBl II 2009, 234), anders ist, mag dahinstehen; in Art. 20 Abs. 1 Buchst. b Doppelbuchst. aa Satz 1 DBA-Frankreich a.F. werden beide Begriffe nicht aufgegriffen. Maßgeblich ist deswegen der bloße Abfluss der Beträge bei den leistenden Gesellschaften an die inländische Kapitalgesellschaft (vgl. zu diesem spezifisch abkommensrechtlichen Verständnis des Ausdrucks "Zahlung" Wassermeyer in Debatin/ Wassermeyer, a.a.O., Art. 10 MA Rz 39; Grützner in Gosch/ Kroppen/Grotherr, DBA, Art. 10 OECD-MA Rz 46 f.; Gaffron in Haase, AStG/DBA, Art. 10 MA Rz 44).

27

3. Ist das Urteil der Vorinstanz im Ergebnis in dem von der Klägerin gestellten Hauptantrag zu bestätigen, kam es auf die weiteren Streitfragen, insbesondere derjenigen nach der vollen Erfassung und Anrechnung bzw. Erstattung der französischen Steuergutschrift (des sog. avoir fiscal) für die unbeschränkt ebenso wie für die beschränkt steuerpflichtigen Gesellschafter der Klägerin, die diese mit ihrem Hilfsantrag beansprucht, nicht mehr an.