Bundesfinanzhof Beschluss, 08. Aug. 2012 - I B 9/12

08.08.2012

Tatbestand

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I. Streitig ist, ob eine mit Gewinnerzielungsabsicht ausgeübte gewerbliche Betätigung vorliegt und damit die Festsetzung eines Gewerbesteuermessbetrages für den Erhebungszeitraum 2008 (Streitjahr) rechtmäßig ist.

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Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) ist ein 1982 errichteter Wasser- und Bodenverband nach dem Wasserverbandsgesetz des Bundes (WVG). Er versorgt seine Mitglieder mit Trink- und Brauchwasser und führt (insoweit als sog. Hoheitsbetrieb i.S. des § 2 Abs. 2 der Gewerbesteuer-Durchführungsverordnung) die Abwasserbeseitigung durch. Nach der ab 1. Januar 2009 geltenden Fassung seiner Satzung erfüllt der Kläger seine Aufgaben ohne Gewinnerzielungsabsicht.

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Der Kläger erzielte im Zeitraum 1997 bis 2002 fast durchgängig Verluste, seit 2003 aber Gewinne. Ein Ausgleich der bis zu diesem Zeitpunkt erwirtschafteten Verluste gelang schon in 2004; handelsbilanziell ergab sich für den Zeitraum 1997 bis 2008 ein Gewinnsaldo von 3.372.267 €. Die Eigenkapitalquote für das Streitjahr betrug 26,6 %.

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Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) erließ Gewerbesteuermessbescheide, da der Versorgungsbetrieb (Trinkwasserbereich) ab 2004 mit Gewinnerzielungsabsicht betrieben werde. Die gegen die Festsetzung für das Streitjahr erhobene Klage blieb erfolglos (Niedersächsisches Finanzgericht --FG--, Urteil vom 1. Dezember 2011  6 K 509/09).

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Der Kläger beantragt unter Hinweis auf § 115 Abs. 2 Nr. 1 bzw. Nr. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO), die Revision zuzulassen.

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Das FA beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

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II. Die Beschwerde ist unbegründet. Die von dem Kläger geltend gemachten Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.

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1. Soweit der Kläger der Rechtssache grundsätzliche Bedeutung beimisst (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) und in diesem Zusammenhang auf zwei entscheidungserhebliche Rechtsfragen verweist, kann dies eine Revisionszulassung nicht begründen.

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a) Die Rechtsfrage, ob die Einbeziehung einer kommunalrechtlich vorgesehenen Eigenkapitalverzinsung in die Entgeltkalkulation eines Wasserversorgungsbetriebes stets zur Annahme einer Gewinnerzielungsabsicht führt, ist im Streitfall in einem sich anschließenden Revisionsverfahren nicht klärungsfähig, weil sie dem angefochtenen Urteil nicht in der vom Kläger formulierten Eindeutigkeit zugrunde liegt. Das FG hat seine Schlussfolgerung, dass der Tätigkeitsbereich "Wasserversorgung" mit Gewinnerzielungsabsicht betrieben werde, vielmehr auf unterschiedliche Gründe gestützt (zu 1.b(2) - dort 2. Absatz der Entscheidungsgründe): Es hat auf die erheblichen Gewinne, die bereits 2004 zu einem Ausgleich der bisher erzielten Verluste geführt hätten, verwiesen, ebenfalls auf die hohe Eigenkapitalquote. "Darüber hinaus" (so das FG) sei aus der Gebührenfindung für das Streitjahr ableitbar gewesen, dass trotz geplanter Investitionen und Ersatzbeschaffungsmaßnahmen im Streitjahr und im Folgejahr ein (erheblicher) Gewinn prognostiziert gewesen sei. Dem angefochtenen Urteil liegt daher nicht ein Rechtssatz des Inhalts zugrunde, dass eine (einkalkulierte) Eigenkapitalverzinsung "stets" zur Annahme einer Gewinnerzielungsabsicht führen müsse.

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b) Für die Rechtsfrage, ob ein Wasserversorgungsbetrieb Gewinnerzielungsabsicht haben kann, obwohl er kraft kommunalrechtlicher und satzungsmäßiger Vorgaben zwingend nicht auf Gewinnerzielung ausgerichtet ist, fehlt ein Klärungsbedürfnis in einem Revisionsverfahren. Denn sie ist eindeutig so zu beantworten, wie es (jedenfalls mittelbar) das FG getan hat: Auch wenn man aus der kommunalrechtlichen Vorgabe im Streitfall auf einen Ausschluss einer Gewinnerzielungsabsicht schließen sollte --woran angesichts der Möglichkeit, eine "angemessene Eigenkapitalverzinsung" bei der Gebührenbemessung einzukalkulieren, gezweifelt werden könnte--, und wenn man die nach den Feststellungen des FG erst zum 1. Januar nach Ablauf des Streitjahres geltende Satzungsklausel schon auf das Streitjahr beziehen sollte, ist die Gewinnerzielungsabsicht nach dem tatsächlichen Ergebnis des Wirtschaftens des Klägers zu beurteilen, nicht nach den (abstrakten) rechtlichen Vorgaben.

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2. Ein Verfahrensfehler (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO) infolge eines Verstoßes gegen den Inhalt der Akten (§ 96 Abs. 1 Satz 1 FGO) liegt nicht vor. Der Kläger rügt angesichts der Darlegungen des FG im angefochtenen Urteil zu den vom Kläger geltend gemachten Investitionen und Ersatzbeschaffungsmaßnahmen (zu 1.b(2) - dort 3. Absatz der Entscheidungsgründe) erkennbar nur das Ergebnis der Würdigung des FG, was einen Verfahrensfehler nicht darlegt.

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3. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (§ 116 Abs. 5 Satz 2 FGO).

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Finanzgerichtsordnung - FGO | § 115


(1) Gegen das Urteil des Finanzgerichts (§ 36 Nr. 1) steht den Beteiligten die Revision an den Bundesfinanzhof zu, wenn das Finanzgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Bundesfinanzhof sie zugelassen hat. (2) Die Revision ist nu

Finanzgerichtsordnung - FGO | § 116


(1) Die Nichtzulassung der Revision kann durch Beschwerde angefochten werden. (2) Die Beschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils bei dem Bundesfinanzhof einzulegen. Sie muss das angefochtene Urteil bezeichnen.

Finanzgerichtsordnung - FGO | § 96


(1) Das Gericht entscheidet nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung; die §§ 158, 160, 162 der Abgabenordnung gelten sinngemäß. Das Gericht darf über das Klagebegehren nicht hinausgehen, ist aber an die Fassung

Gesetz über Wasser- und Bodenverbände


Wasserverbandsgesetz - WVG

Gewerbesteuer-Durchführungsverordnung - GewStDV 1955 | § 2 Betriebe der öffentlichen Hand


(1) 1Unternehmen von juristischen Personen des öffentlichen Rechts sind gewerbesteuerpflichtig, wenn sie als stehende Gewerbebetriebe anzusehen sind; für den Umfang des Unternehmens ist § 4 Abs. 6 Satz 1 des Körperschaftsteuergesetzes entsprechend an

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(1)1Unternehmen von juristischen Personen des öffentlichen Rechts sind gewerbesteuerpflichtig, wenn sie als stehende Gewerbebetriebe anzusehen sind; für den Umfang des Unternehmens ist § 4 Abs. 6 Satz 1 des Körperschaftsteuergesetzes entsprechend anzuwenden.2Das gilt auch für Unternehmen, die der Versorgung der Bevölkerung mit Wasser, Gas, Elektrizität oder Wärme, dem öffentlichen Verkehr oder dem Hafenbetrieb dienen.

(2)1Unternehmen von juristischen Personen des öffentlichen Rechts, die überwiegend der Ausübung der öffentlichen Gewalt dienen (Hoheitsbetriebe), gehören unbeschadet der Vorschrift des Absatzes 1 Satz 2 nicht zu den Gewerbebetrieben.2Für die Annahme eines Hoheitsbetriebs reichen Zwangs- oder Monopolrechte nicht aus.

(1) Gegen das Urteil des Finanzgerichts (§ 36 Nr. 1) steht den Beteiligten die Revision an den Bundesfinanzhof zu, wenn das Finanzgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Bundesfinanzhof sie zugelassen hat.

(2) Die Revision ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs erfordert oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Der Bundesfinanzhof ist an die Zulassung gebunden.

(1) Das Gericht entscheidet nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung; die §§ 158, 160, 162 der Abgabenordnung gelten sinngemäß. Das Gericht darf über das Klagebegehren nicht hinausgehen, ist aber an die Fassung der Anträge nicht gebunden. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind.

(2) Das Urteil darf nur auf Tatsachen und Beweisergebnisse gestützt werden, zu denen die Beteiligten sich äußern konnten.

(1) Die Nichtzulassung der Revision kann durch Beschwerde angefochten werden.

(2) Die Beschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils bei dem Bundesfinanzhof einzulegen. Sie muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Der Beschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder Abschrift des Urteils, gegen das Revision eingelegt werden soll, beigefügt werden. Satz 3 gilt nicht im Falle der elektronischen Beschwerdeeinlegung.

(3) Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach der Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen. Die Begründung ist bei dem Bundesfinanzhof einzureichen. In der Begründung müssen die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 dargelegt werden. Die Begründungsfrist kann von dem Vorsitzenden auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag um einen weiteren Monat verlängert werden.

(4) Die Einlegung der Beschwerde hemmt die Rechtskraft des Urteils.

(5) Der Bundesfinanzhof entscheidet über die Beschwerde durch Beschluss. Der Beschluss soll kurz begründet werden; von einer Begründung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist, oder wenn der Beschwerde stattgegeben wird. Mit der Ablehnung der Beschwerde durch den Bundesfinanzhof wird das Urteil rechtskräftig.

(6) Liegen die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 Nr. 3 vor, kann der Bundesfinanzhof in dem Beschluss das angefochtene Urteil aufheben und den Rechtsstreit zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverweisen.

(7) Wird der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision stattgegeben, so wird das Beschwerdeverfahren als Revisionsverfahren fortgesetzt, wenn nicht der Bundesfinanzhof das angefochtene Urteil nach Absatz 6 aufhebt; der Einlegung einer Revision durch den Beschwerdeführer bedarf es nicht. Mit der Zustellung der Entscheidung beginnt für den Beschwerdeführer die Revisionsbegründungsfrist, für die übrigen Beteiligten die Revisions- und die Revisionsbegründungsfrist. Auf Satz 1 und 2 ist in dem Beschluss hinzuweisen.