Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Urteil, 06. Juni 2018 - 16a D 16.1928

bei uns veröffentlicht am06.06.2018

Tenor

I. Unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Ansbach vom 18. Juli 2016 wird gegen den Beklagten auf die Disziplinarmaßnahme der Zurückstufung in das Amt eines Polizeiobermeisters (BesGr. A 8) erkannt.

II. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Tatbestand

1. Der am 7. August 1982 geborene Beklagte steht als Polizeihauptmeister - BesGr. A 9 - im Dienst des Beklagten. Er war seit dem 1. September 2006 bis zum Ausspruch des Verbots der Führung der Dienstgeschäfte am 8. November 2012 bei der Polizeiinspektion E...- ... im Einsatzzug tätig. Nach Aufhebung dieses Verbots mit Wirkung vom 1. Februar 2015 wurde er von der Polizeiinspektion E...- ... zum Kriminalfachdezernat, ... in Nürnberg abgeordnet.

Der Beamte ist ledig.

In den Jahren 2008 und 2011 wurde er jeweils mit „10 Punkten“ dienstlich beurteilt. Im Jahr 2009 erhielt er zwei Leistungsprämien in Höhe von insgesamt 500 €.

2. Der Beklagte ist strafrechtlich wie folgt in Erscheinung getreten:

Mit Urteil des Amtsgerichts Nürnberg vom 6. November 2013 wurde der Beklagte wegen gefährlicher Körperverletzung im Amt zu einer Freiheitsstrafe von acht Monaten verurteilt. Die Vollstreckung der Freiheitsstrafe wurde zur Bewährung ausgesetzt (Az. 432 Ls 803 Js 22986/13). Die Berufungen des Beklagten und der Staatsanwaltschaft gegen dieses Urteil wurden mit Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 27. Juni 2014, rechtskräftig seit dem 28. November 2014, als unbegründet verworfen (Az. 4 Ns 803 Js 22986/13). Die Revision des Beklagten hiergegen wurde mit Beschluss des Oberlandesgerichts Nürnberg vom 27. November 2014 als unbegründet verworfen (Az. 2 OLG 2 Ss 284/14 B).

Ein weiterer Polizeibeamter, E..., wurde in den genannten Strafverfahren wegen gefährlicher Körperverletzung im Amt in zwei Fällen rechtskräftig zu einer Freiheitstrafe von einem Jahr verurteilt.

Dem Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth liegen folgende tatsächliche Feststellungen zu Grunde:

„Am Nachmittag des 21. April 2012 fand im Stadion in Nürnberg das Fußballspiel der ersten Bundesliga zwischen dem 1. FC Nürnberg und dem Hamburger Sportverein statt. Im Rahmen dieses Spiels war auch der Einsatzzug der Polizeiinspektion E..., welchem beide Angeklagten angehörten, eingesetzt. Während des Spieles gegen 17.20 Uhr begab sich Angeklagte R... zu seinem im Vorfeld des Max-Morlock-Platzes abgestellten Polizeifahrzeug, legte seine Dienstmütze dort ab und wartete auf seine Kollegen, da der Einsatz bald beendet sein würde.

Alsbald erhielt er aber über Funk einen Notruf, dass im Bereich des Max-Morlock-Platzes, Karl Steigelmann Straße und Hans Kalb Straße sich mehrere gewaltbereite Fans des 1. FC Nürnberg, sogenannte Ultras, versammelt hätten, wobei die Gefahr bestünde, dass zwei Nürnberger Fans, welche bereits zum Zwecke der Identitätsfeststellung angehalten worden waren, von diesen befreit werden könnten.

Um einer drohenden Eskalationsgefahr entgegen zu wirken, bildeten zehn bis zwölf Beamte des Einsatzzuges der Polizeiinspektion E..., bis auf den Angeklagten R... hatten alle ihre Baseballcap ähnliche Dienstmütze aufgesetzt, mit PHM‘in W... als Gruppenführerin, eine sog. Polizeikette, um die Beamten, welche beide oben genannten Personen zur Identitätsfeststellung in Gewahrsam genommen hatten, zu schützen. Auf Grund dieser Abschirmung steigerte sich nunmehr die Stimmung der genannten FCN-Fans. Es ertönten Rufe wie „Scheiß Bullen ... für das SEK hat es nicht gereicht ... Jetzt hauen wir den Bullen auf die Fresse ...“.

a) Unmittelbar in diesem Zusammenhang, kurz vor 17.41 Uhr, trat der Nebenkläger S..., ein von diesen gewählter Sprecher der Fans des 1. FC Nürnberg, unmittelbar an die Polizeikette heran, wobei er zunächst auf den Angeklagten R... einredete; sein Ziel war hierbei, eine weitere Eskalation zwischen den gewaltbereiten FCN-Fans und den eingesetzten Polizeikräften zu verhindern. Tatsächlich gelang es S..., durch Heben seiner Hände und entsprechende Handzeichen, gewaltbereite Fans zunächst zur Einhaltung einer räumlichen Distanz von einigen Metern gegenüber der genannten Polizeikette zu bewegen. Sodann forderte die links versetzt hinter der Polizeikette befindliche Gruppenführerin W... zunächst S... mit den Worten „gehen Sie bitte weg nach da hinten“ auf, sich nunmehr ebenfalls von der Polizeikette zu entfernen. S..., der der Polizeikette, unmittelbar in der Nähe des Angeklagten R..., zu diesem Zeitpunkt den Rücken gekehrt hatte, blieb jedoch unmittelbar vor dem Angeklagten R... stehen. Als dieser daraufhin mit den Worten „geh heim, du Kind“ S... ebenfalls zum Weggehen aufforderte, wobei der Angeklagte R... einen sogenannten Einsatzstock in seiner rechten Hand hielt, entgegnete S... zunächst: „Hallo wir sind doch hier um zu deeskalieren!“ Als er sich hierbei - aus Sicht des Angeklagten R... - halb zu ihm ungewandt hatte, schob der Angeklagte R... S... zunächst von sich weg, indem er mit dem Einsatzstock gegen dessen linken Oberarm-/Schulterbereich drückte. S..., welcher durch dieses Verhalten des Angeklagten R... überrascht war, drückte, wobei er seine andere Hand in seiner Hosentasche gelassen hatte, mit seinem anderen Arm den Einsatzstock des Angeklagten R... zur Seite. Hierbei ist nicht auszuschließen, dass der von S... zur Seite gedrückte Einsatzstock den Angeklagten R... leicht im Gesichtsbereich traf. Während des gesamten Vorgangs steckte die rechte Hand des S... in der rechten Außentasche der von ihm getragenen Jacke, während seine linke Hand - mit Ausnahme der vorstehend geschilderten Reflexbewegung - sich außerhalb der Jacke in Höhe des Hosenbundes am Körper befand.

Unmittelbar im Anschluss an die geschilderte Reflexbewegung von S... schlug der Angeklagte R..., ohne dass aus seiner Sicht oder auch nur auf Grund der objektiven Gegebenheiten ein rechtfertigender Grund hierfür bestanden hätte, mit seinem Einsatzstock einmal bewusst und gewollt gegen den linken Schläfen-/Schulterbereich des noch halb von ihm abgewandten Nebenklägers W... Dieser empfand hierdurch leichte Schmerzen und reagierte mit einer abwehrenden Bewegung seines linken Armes in Richtung des Kopfes des Angeklagten R..., zog den Arm aber unverzüglich, ohne dass er den Angeklagte R... traf, in die ursprüngliche Ausgangsposition zurück. Daraufhin wich der Angeklagte R... zunächst einige cm zurück, positionierte den Einsatzstock in Höhe seines Oberkörpers quer über seiner Brust und schlug sodann mit der Faust, in welcher er den Einsatzstock umfasst hielt, ohne rechtfertigenden Grund gezielt einmal mit voller Wucht in dessen Gesicht.

S... erlitt durch das geschilderte Vorgehen, wie vom Angeklagten R... auch gewollt, Schmerzen im linken Kieferbereich und an der rechten Schulter, welche insbesondere im Gesichtsbereich einige Tage andauerten. Die Beweglichkeit seiner Schulter war jedenfalls einige Tage lang auf Grund dieses Vorfalls eingeschränkt.

Bereits auf Grund des ersten, oben geschilderten, Schlags durch den Angeklagten R... hatte sich die Gruppe gewaltbereiter Fußballfans, welche bis zu diesem Zeitpunkt zunächst eine Distanz von ca. vier bis fünf Metern zur von Polizeibeamten gebildeten Einsatzkette eingehalten hatte, in einer Weise über das nunmehrige Geschehen erregt, dass ca. 30 bis 40 Personen in Form einer ungeordneten Meute nunmehr in Richtung der Polizeikette drängten. Spätestens zu diesem Zeitpunkt hatte der Angeklagte R... mit seiner linken Hand das von ihm mitgeführte Einsatz-Pfefferspray ergriffen und sprühte dieses in Richtung der herannahenden Menge, wobei auch, was er bei seinem Vorgehen zumindest billigend in Kauf nahm, der keine Aggressionen zeigende S... im Gesicht vom, vom Angeklagten R... versprühten, Pfefferspray erfasst wurde. S... brannten sofort die Augen, er taumelte blind mehrere Meter zurück und stürzte sodann.

b) Während des nunmehr großflächigen Einsatzes von Pfefferspray durch mehrere Polizeibeamte im Bereich der gesamten Länge der genannten Polizeikette näherte sich nunmehr eine männliche Person, deren Personalien nicht mehr festgestellt werden konnten, welche eine dunkle Jacke trug und eine Kapuze über den Kopf gezogen hatte, dem direkt rechts neben dem Angeklagten R... befindlichen [Beklagten], wobei diese Person eine Wurfbewegung vollführte und zu Gunsten der beiden Angeklagten davon ausgegangen wird, dass diese unbekannte Person einen kleineren Gegenstand in Richtung der Polizeibeamten warf.

Unmittelbar nach dem geschilderten Wurf wandte sich die unbekannt gebliebene männliche Person, erkennbar unter dem Einsatz des Pfeffersprayeinsatzes, aus Sicht dieser Person nach rechts ab, so dass sie den beiden Angeklagten jeweils den Rücken zukehrte. Obwohl der [Beklagte] erkannte, dass von dieser Person keinerlei Gefahr für die eingesetzten Polizeibeamten mehr ausging, begab er sich einige Schritte nach vorne in Richtung des Unbekannten und schlug diesem mit seinem in der rechten Hand gehaltenen, polizeilichen Einsatzstock bewusst und gewollt mit voller Wucht in den Rückenbereich. Während der Unbekannte sich nunmehr in gebückter Haltung und erhobener Hand, welche bedeutete, das von ihm nunmehr keinerlei Angriffe mehr zu befürchten seien, in der Nähe eines dort stehenden kleinen Baumes befand, hatte der Angeklagte R... den Schlag des [Beklagten] in den Rückenbereich dieses Unbekannten bemerkt, begab sich daraufhin zu diesem mit seiner fast kauernden Körperhaltung und schlug dem Unbekannten ebenfalls einmal mit voller Wucht gezielt in den Rückenbereich. Hierbei hatte der Angeklagte R... erkannt, dass von dem Unbekannten keinerlei Bedrohung mehr für die eingesetzten Polizeibeamten ausging. Während der Angeklagte R... nunmehr wieder den übrigen Fußballfans nacheilte, schlug der [Beklagte], welcher in unmittelbarer Nähe zu dem Unbekannten stehen geblieben war, auf Grund des selben Tatentschlusses noch zweimal gezielt und mit voller Wucht mit seinem Einsatzstock gegen den Rückenbereich dieses Unbekannten, welcher immer noch sich in kauernder Abwehrhaltung befand. Der [Beklagte] hatte auch bei diesen weiteren Schlägen erkannt, dass für sein Vorgehen keinerlei rechtfertigender Grund bestand. Erst durch das Eingreifen seines Kollegen T..., welcher ihn aufforderte, doch damit aufzuhören, ihn hierbei an der Schulter fasste, ließ der [Beklagte] von weiteren Schlägen gegen den Unbekannten ab.

Auf Grund des Vorgehens beider Angeklagter erlitt der Unbekannte jeweils jedenfalls nicht unerhebliche Schmerzen an den von den Schlagstöcken getroffenen Körperstellen...“

3. Das Polizeipräsidium Mittelfranken leitete mit Schreiben vom 8. November 2012 ein Disziplinarverfahren gegen den Beklagten ein und setzte das Verfahren bis zum Abschluss des Strafverfahrens aus. Mit Bescheid vom 8. November 2012 wurde dem Beklagten mit sofortiger Wirkung die Führung der Dienstgeschäfte verboten. Mit rechtskräftigem Abschluss des strafrechtlichen Verfahrens wurde das Verbot der Führung der Dienstgeschäfte aufgehoben. Das Disziplinarverfahren wurde mit Schreiben vom 2. Februar 2015 fortgesetzt.

Der Beklagte wurde gemäß Art. 22 BayDG unterrichtet, belehrt und angehört.

4. Am 1. Dezember 2015 erhob der Kläger wegen des strafrechtlich geahndeten Sachverhalts beim Verwaltungsgericht Disziplinarklage mit dem Antrag, den Beklagten herabzustufen.

Mit Urteil des Verwaltungsgerichts vom 18. Juli 2016 wurde der Beklagte in das Amt eines Polizeimeisters (BesGr. A 7) zurückgestuft. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, der Beklagte habe - insbesondere unter Berücksichtigung seines Persönlichkeitsbildes und seines bisherigen Verhaltens - das Vertrauen des Dienstherrn und der Allgemeinheit noch nicht endgültig verloren. Eine Entfernung aus dem Beamtenverhältnis sei vorliegend weder als angemessen noch als erforderlich anzusehen. Auf der Basis der strafgerichtlichen Feststellungen sei zu Gunsten des Beklagten davon auszugehen, dass er sich in einer für ihn bisher einmaligen, außergewöhnlichen Einsatz- und Stresssituation befunden habe. Es sei deshalb nachvollziehbar, dass sich der Beklagte nach der durch das völlig überzogene Vorgehen des Beamten R... gegen den geschädigten W... ausgelösten weiteren Eskalation der Situation, massiv bedroht gefühlt und situationsbedingt überreagiert habe und sich auch zur Verwendung des Einsatzstockes habe hinreißen lassen. Zu Gunsten des Beklagten sei auch zu berücksichtigen, dass der Unbekannte zuvor einen Gegenstand in Richtung des Beklagten geworfen habe und nicht auszuschließen sei, dass der Beklagte mit der Möglichkeit gerechnet habe, es könne zu einem weiteren Wurf durch den Unbekannten kommen. Unter besonderer Berücksichtigung des positiven Persönlichkeitsbildes des Beklagten und seiner vor und nach dem Vorfall tadellosen Dienstführung sei davon auszugehen, dass es sich bei dem Vorfall vom 21. April 2012 um ein einmaliges, nicht der Persönlichkeit des Beklagten entsprechendes, also persönlichkeitsfremdes Fehlverhalten gehandelt habe. Auf die Entscheidungsgründe wird Bezug genommen.

Der Beklagte hat gegen dieses Urteil, zugestellt am 19. August 2016, am 19. September 2016 Berufung eingelegt und zuletzt beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts vom 18. Juli 2016 aufzuheben und wegen eines Dienstvergehens auf die Disziplinarmaßnahme des Verweises zu erkennen; hilfsweise auf eine mildere Disziplinarmaßnahme, nämlich die Zurückstufung um nur eine Besoldungsgruppe, zu erkennen.

Das Verwaltungsgericht habe sich zu Unrecht an dem Strafrahmen des Gesetzgebers bzw. des zugrundeliegenden Urteils orientiert. Dieser dürfe wegen der unterschiedlichen Zwecke von Straf- und Disziplinarverfahren keine ausschlaggebende Bedeutung haben.

Zwar seien die Feststellungen des Strafgerichts bindend. Das Verwaltungsgericht habe sich jedoch mit der gegebenen Notwehrsituation nicht auseinandergesetzt. Das Strafgericht habe nicht berücksichtigt, dass durch die Einsatzleitung der Einsatz von Zwangsmitteln angeordnet worden sei. Nicht berücksichtigt worden sei, dass sich der Beklagte in einer Atmosphäre der Unterlegenheit und Angst befunden habe, da die Situation zu eskalieren drohte. Das Verwaltungsgericht habe nicht berücksichtigt, „dass das Strafgericht den Strafrahmen am untersten Rand festgesetzt“ habe. Es sei ersichtlich, dass die Mindeststrafe nur unerheblich überschritten worden sei. Insoweit sei hier nur von einer Tat am unteren Rand auszugehen. Es handele sich somit um kein sonderlich schweres Dienstvergehen. Ein Verweis wäre verhältnismäßig gewesen.

Das Verwaltungsgericht hätte sich selbst nochmals ein Bild von der für den Beklagten gegebenen Notwehr/Nothilfesituation machen müssen. Es sei zu berücksichtigen, dass sich der Beklagte in einer Ausnahmesituation befunden habe. Aus subjektiver Sicht habe er sich „absolut bedroht“ gefühlt. Für die Verurteilung der dienstrechtlichen Verfehlung komme es darauf an, ob sich subjektiv gesehen der Beamte in einer Notwehrsituation befunden habe.

Der Kläger verteidigt das angefochtene Urteil und beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Der Senat hat am 6. Juni 2018 mündlich zur Sache verhandelt. Hierzu wird auf die Niederschrift Bezug genommen.

Hinsichtlich weiterer Einzelheiten wird auf die Gerichts- und die vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.

Gründe

Die Berufung des Beklagten ist zulässig und hat in der Sache teilweise Erfolg. In Abänderung von Ziff. 1 des Urteils des Verwaltungsgerichts Ansbach vom 18. Juli 2016 wird gegen den Beklagten auf die Disziplinarmaßnahme der Zurückstufung um eine Stufe in das Amt eines Polizeiobermeisters (BesGr. A 8) erkannt.

Der Beklagte hat ein innerdienstliches Dienstvergehen begangen (1.). Die grundsätzliche Zuordnung des Dienstvergehens nach seiner Schwere zu einer der Disziplinarmaßnahmen nach Art. 6 BayDG richtet sich nach dem gesetzlich bestimmten Strafrahmen (2.1). Ein Polizeivollzugsbeamter, der in Ausübung seines Dienstes eine vorsätzliche Körperverletzung begeht, ohne dass ein Fall der Notwehr oder Putativnotwehr vorliegt, macht sich in aller Regel untragbar. In diesem Fall ist grundsätzlich die volle Ausschöpfung des in Anlehnung an die abstrakte Strafandrohung gebildeten Orientierungsrahmens geboten (2.2). Im vorliegenden Einzelfall erscheint jedoch die mangels Anschlussberufung des Klägers ohnehin nicht in Betracht kommende Entfernung aus dem Beamtenverhältnis unverhältnismäßig, weil zugunsten des Beklagten mildernde Umstände von einigem Gewicht zu berücksichtigen sind. Die Gesamtwürdigung aller be- und entlastenden Umstände ergibt, dass ein endgültiger Vertrauensverlust des Dienstherrn und der Allgemeinheit noch nicht eingetreten ist. Der Beklagte war daher um eine Stufe in das Amt eines Polizeiobermeisters (BesGr. A 8) zurückzustufen (2.3).

1. Der dem Beklagten zur Last gelegte Sachverhalt, der dem rechtskräftigen Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 27. Juni 2014 zugrunde liegt, steht gemäß Art. 25, 55, 63 Abs. 1 Satz 1 BayDG für den Senat bindend fest. Danach hat der Beklagte am 21. April 2012 gemäß §§ 340 Abs. 1, Abs. 3, 224 Abs. 1 Nr. 2, 1. Alt. StGB eine gefährliche Körperverletzung im Amt begangen, als er nach dem Heimspiel des 1. FC Nürnberg gegen den Hamburger Sportverein einer nicht mehr zu ermittelnden Person dreimal schuldhaft und ohne rechtfertigenden Grund mit dem Einsatzstock in den Rückenbereich schlug. Der Unbekannte erlitt kurz andauernde, aber nicht unerhebliche Schmerzen.

Ein Anlass für eine Lösung von den tatsächlichen Feststellungen im Strafurteil zum äußeren wie inneren Tatbestand, zur Schuldfähigkeit, zur Schuldform, zum Ursachenzusammenhang sowie zu Rechtfertigungs- und Schuldausschließungsgründen besteht nicht. Die Verwaltungsgerichte sind nur dann berechtigt und verpflichtet, sich von den Tatsachenfeststellungen eines rechtskräftigen Strafurteils zu lösen und den disziplinarrechtlich bedeutsamen Sachverhalt eigenverantwortlich zu ermitteln, wenn sie ansonsten „sehenden Auges“ auf der Grundlage eines unrichtigen oder aus rechtsstaatlichen Gründen unverwertbaren Sachverhalts entscheiden müssten. Dies ist etwa der Fall, wenn die Feststellungen in einem entscheidungserheblichen Punkt unter offenkundiger Verletzung wesentlicher Verfahrensvorschriften zustande gekommen sind. Darüber hinaus entfällt die Bindungswirkung, wenn neue Beweismittel eingeführt werden, die dem Strafgericht nicht zur Verfügung standen und nach denen seine Tatsachenfeststellungen zumindest auf erhebliche Zweifel stoßen (BVerwG, B.v. 27.12.2017 - 2 B 18/17 - juris Rn. 28 m.w.N.).

Die im Tatbestand wiedergegebenen Feststellungen des Landgerichts Nürnberg-Fürth im Urteil vom 27. Juni 2014 beruhen auf einer umfassenden, ausführlichen und schlüssigen Beweiswürdigung, insbesondere aufgrund des in Augenschein genommenen Polizeivideos. Die Tatsache, dass die Strafkammer aufgrund des äußeren Tatgeschehens das Vorliegen eines Rechtfertigungsgrundes verneint hat, stellt keine fehlerhafte Beweiswürdigung dar (OLG Nürnberg, B.v. 27.11.2014 - 2 OLG 2 Ss 284/14 B). Die vom Beklagten behauptete Notwehr bzw. Nothilfesituation konnte der Senat, der das Polizeivideo im Rahmen der mündlichen Verhandlung ebenfalls in Augenschein genommen hat, nicht erkennen. Der Unbekannte leistete weder Widerstand noch griff er (vermeintlich) an. Da sich dieser zum Zeitpunkt der Schläge bereits abgewandt hatte, bestand auch keine Putativnotwehrsituation. Auch insoweit besteht - wie das Verwaltungsgericht zutreffend auf S. 28 seines Urteils angenommen hat - die Bindungswirkung des landgerichtlichen Urteils.

Der Beklagte hat durch sein Verhalten gegen seine Pflicht zur Achtung der Gesetze und zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten (§ 340 Abs. 1 StGB, § 34 Satz 3 BeamtStG) verstoßen. Dieses Dienstvergehen hat der Beklagte innerdienstlich begangen, weil sein pflichtwidriges Verhalten in sein Amt und in seine dienstlichen Pflichten eingebunden war (BVerwG, U.v. 10.12.2015 - 2 C 6/14 - juris Rn. 11 m.w.N.).

2. Nach Art. 14 Abs. 1 BayDG und der dieser Vorschrift inhaltlich entsprechenden Bemessungsregelung des Disziplinargesetzes des Bundes ist die Entscheidung über die Disziplinarmaßnahme nach der Schwere des Dienstvergehens und unter angemessener Berücksichtigung des Persönlichkeitsbildes des Beamten sowie des Umfangs der Beeinträchtigung des Vertrauens des Dienstherrn und der Allgemeinheit zu treffen. Das Gewicht der Pflichtverletzung ist danach Ausgangspunkt und richtungsweisendes Bemessungskriterium für die Bestimmung der erforderlichen Disziplinarmaßnahme. Dies beruht auf dem Schuldprinzip und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, die auch im Disziplinarverfahren Anwendung finden. Die gegen den Beamten ausgesprochene Disziplinarmaßnahme muss unter Berücksichtigung aller be- und entlastenden Umstände des Einzelfalls in einem gerechten Verhältnis zur Schwere des Dienstvergehens und zum Verschulden des Beamten stehen (vgl. BVerwG, U.v. 10.12.2015 - 2 C 6/14 - ZBR 2016, 254 - juris Rn. 12 m.w.N.).

2.1 Da die Schwere des Dienstvergehens nach Art. 14 Abs. 1 Satz 2 BayDG maßgebendes Bemessungskriterium für die Bestimmung der erforderlichen Disziplinarmaßnahme ist, muss das festgestellte Dienstvergehen nach seiner Schwere einer der im Katalog des Art. 6 Abs. 1 BayDG aufgeführten Disziplinarmaßnahme zugeordnet werden. Bei der Auslegung des Begriffs „Schwere des Dienstvergehens“ ist maßgebend auf das Eigengewicht der Verfehlung abzustellen. Hierfür können bestimmend sein objektive Handlungsmerkmale (insbesondere Eigenart und Bedeutung der Dienstpflichtverletzung, z.B. Kern- oder Nebenpflichtverletzungen, sowie besondere Umstände der Tatbegehung, z.B. Häufigkeit und Dauer eines wiederholten Fehlverhaltens), subjektive Handlungsmerkmale (insbesondere Form und Gewicht der Schuld des Beamten, Beweggründe für seine Verhalten) sowie unmittelbare Folgen des Dienstvergehens für den dienstlichen Bereich und für Dritte (vgl. BVerwG, U.v. 10.12.2015 - 2 C 6/14 - ZBR 2016, 254 - juris Rn. 16).

Zur Bestimmung des Ausmaßes des Vertrauensschadens, der durch eine vom Beamten vorsätzlich begangene Straftat hervorgerufen worden ist, greift der Senat auch bei innerdienstlich begangenen Straftaten nunmehr auf den Strafrahmen zurück und folgt damit der geänderten höchstrichterlichen Rechtsprechung (vgl. BVerwG, U.v. 10.12.2015 - 2 C 6/14 - ZBR 2016, 254; B.v. 05.7.2016 - 2 B 24/16 - juris Rn. 14).

Vorliegend stellt die dienstpflichtverletzende Handlung eine sehr schwere Dienstpflichtverletzung dar. Dies ergibt sich schon daraus, dass für Straftaten der gefährlichen Körperverletzung im Amt nach §§ 340 Abs. 1, 224 Abs. 1 StGB ein Strafrahmen von sechs Monaten bis zu zehn Jahren Freiheitsstrafe besteht. Begeht ein Beamter wie vorliegend innerdienstlich unter Ausnutzung seiner Dienststellung eine Straftat, für die das Strafgesetz als Strafrahmen eine Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren - hier sind es sogar bis zu zehn Jahre - vorsieht, reicht der Orientierungsrahmen für die mögliche Disziplinarmaßnahme bis zur Entfernung aus dem Beamtenverhältnis (BVerwG, U.v. 18.6.2015 a.a.O. juris Rn. 33 m.w.N.).

Bei einem innerdienstlichen Dienstvergehen, bei dem der Beamte gerade nicht wie jeder andere Bürger, sondern in seiner dienstlichen Pflichtenstellung und damit als Garant einer unparteilichen und gesetzestreuen Verwaltung betroffen ist, kommt dem abgeurteilten Strafmaß (hier: acht Monate) entgegen der Auffassung des Beklagten bei der Bestimmung der konkreten Disziplinarmaßnahme keine „indizielle“ oder „präjudizielle“ Bedeutung zu (BVerwG, B.v. 5.7.2016 - 2 B 24/16 - juris Rn. 15), zumal das Landgericht die Anwendung des für einen minder schweren Fall vorgesehenen Ausnahmestrafrahmens (§ 224 Abs. 1 Nr. 2, 2. Alt. StGB: drei Monate bis fünf Jahre) nicht für geboten hielt.

2.2 Ausgangspunkt für die Maßnahmebemessung im vorliegenden Fall war zunächst die Höchstmaßnahme, also die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis gemäß Art. 11 BayDG.

Der Beklagte hat in Ausübung seines Dienstes eine vorsätzliche Körperverletzung begangen, ohne dass ein Fall der Notwehr oder Putativnotwehr vorlag, und damit als Polizeivollzugsbeamter in grober Weise gegen seinen gesetzlichen Auftrag zur Gefahrenabwehr verstoßen und den Kernbereich seiner Dienstpflichten verletzt. Durch sein Verhalten hat der Beklagte die ihm zur Erfüllung seiner Aufgaben verliehenen Machtbefugnisse missbraucht, das in ihn vom Dienstherrn gesetzte Vertrauen in seine dienstliche Zuverlässigkeit erschüttert und in erheblichem Maße das Ansehen der Polizei beeinträchtigt. Polizeibeamte haben Straftaten zu verhüten, aufzuklären und zu verfolgen, sie genießen in der Öffentlichkeit eine besondere Vertrauens- und Garantenstellung. Das zur Ausübung dieser Ämter erforderliche Vertrauen wird in besonderem Maße beeinträchtigt, wenn Polizeibeamte selbst erhebliche Straftaten begehen. Die Allgemeinheit kann und darf mit Recht erwarten, dass das allgemeine strafgesetzliche Verbot, andere körperlich zu verletzen, gerade von Polizeibeamten befolgt wird, zu deren Kernpflichten es gehört, die Einhaltung dieses Verbots zu überwachen und Verstöße hiergegen zu unterbinden und zu verfolgen. Das Rechtsgut der körperlichen Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG) besitzt einen besonders hohen Rang (BayVGH, U.v. 18.1.2017 - 16a D 14.1992 - juris Rn. 49 m.w.N.; BayVGH, U.v. 12.7.2017 - 16a D 15.368 - juris Rn. 53).

2.3 Die in Ausfüllung dieses Rahmens zu treffende Bemessungsentscheidung nach Maßgabe des Art. 14 BayDG führt dazu, dass der Beklagte um eine Stufe in das Amt eines Polizeiobermeisters (BesGr. A 8) zurückzustufen ist. Der Ausspruch dieser Maßnahme ist im Hinblick auf die Eigenart und Schwere des Dienstvergehens, seine Auswirkungen und das Maß der Schuld unter angemessener Berücksichtigung der Persönlichkeit des Beamten zur Überzeugung des Senats ausreichend, aber auch erforderlich.

Das Bundesverwaltungsgericht hat ausdrücklich klargestellt, dass die Ausschöpfung des maßgeblich in Anlehnung an die abstrakte Strafandrohung gebildeten Orientierungsrahmens nur in Betracht kommt, wenn dies auch dem Schweregehalt des vom Beamten konkret begangenen Dienstvergehens entspricht (BVerwG, U.v. 28.7.2011 - 2 C 16.10 - juris Rn. 29). Delikte, die angesichts ihrer möglichen Variationsbreite der Vorgabe einer Regeldisziplinarmaßnahme nicht zugänglich sind, bedürfen einer sorgsamen Würdigung der Einzelfallumstände. Die Disziplinargerichte müssen für eine solche Betrachtung und Ausschöpfung des Orientierungsrahmens - nach oben wie nach unten - unter Berücksichtigung aller be- und entlastenden Umstände offen sein (BVerwG, U.v. 23.7.2013 - 2 C 63.11 - juris Rn. 13). Ein wie auch immer gearteter Schematismus verbietet sich in besonderer Weise (BVerwG, U.v. 18.6.2015 a.a.O. - juris Rn. 36).

Hiervon ausgehend ist der Senat zu der Überzeugung gelangt, dass das Fehlverhalten des Beklagten zwar schwer i.S.v. Art. 14 Abs. 1 Satz 2 BayDG wiegt, der Beklagte insbesondere unter Berücksichtigung seines Persönlichkeitsbildes und seines bisherigen dienstlichen Verhaltens das Vertrauen des Dienstherrn und der Allgemeinheit jedoch noch nicht endgültig verloren hat und eine Entfernung aus dem Beamtenverhältnis vorliegend weder als verhältnismäßig noch als erforderlich anzusehen wäre. Die volle Ausschöpfung des in Anlehnung an die abstrakte Strafandrohung gebildeten Orientierungsrahmens ist vorliegend wegen der konkreten Umstände des Dienstvergehens nicht geboten.

2.3.1 Zu Lasten des Beklagten spricht, dass er dreimal mit dem Einsatzstock vorsätzlich und ohne rechtfertigenden Grund auf den Rücken des Unbekannten geschlagen hat, von dem zum Zeitpunkt der Anwendung des Einsatzstockes ersichtlich keine Gefahr mehr ausgegangen ist. Der Beklagte schlug „gezielt und mit voller Wucht“ (Bl. 476 der Strafakte) und musste vom Kollegen T... von weiteren Schlägen abgehalten werden (Bl. 476 der Strafakte). Negativ zu werten ist auch, dass der Beklagte dem Unbekannten folgte und auf den Rücken schlug, wobei dieser zum Zeitpunkt der letzten beiden Schläge bereits auf dem Boden kauerte. Insoweit ist auch die gerichtliche Feststellung, dass eine „erhebliche Überschreitung der polizeilichen Befugnisse“ (Bl. 485 der Strafakte) vorlag, zu Lasten des Beklagten zu berücksichtigen.

2.3.2 Zu Gunsten des Beklagten greifen vorliegend jedoch beträchtliche Milderungsgründe, die dazu führen, dass zur Ahndung der einmaligen Verfehlung eine einfache Zurückstufung als ausreichend anzusehen ist.

Es kann nicht unberücksichtigt bleiben, dass das Verhalten des Beklagten durch die äußeren Umstände maßgeblich beeinflusst war. Die Stimmung war - wie auch im Strafverfahren festgestellt - „aufgeheizt“, die Beamten der Polizei zahlenmäßig unterlegen: Zehn bis zwölf Beamte bildeten die Polizeikette und standen 30 bis 40 Fans gegenüber. Diese waren gewaltbereit. Es kam zu Schmähungen wie „Jetzt hauen wir den Bullen so richtig auf die Fresse“ und „Scheiß Bullen“ (Bl. 474 der Strafakte). Überdies bewegten sich die Fans unmittelbar vor dem Vorfall „in Form einer ungeordneten Meute (Bl. 475 der Strafakte) auf die Polizeikette zu. Vor allem das Bedrohungsszenario, das die Fans bereits durch ihre zahlenmäßige Überlegenheit und das Nicht-Einhalten eines hinreichenden Abstands zur Polizeikette aufbauten, sowie der verbalen Provokationen und Beleidigungen seitens der Fans lassen das Verhalten des Beklagten als weniger schwerwiegend erscheinen.

Das Dienstvergehen erscheint auch deswegen weniger gravierend, weil zu Gunsten des Beklagten davon auszugehen ist, dass das spätere Opfer einen kleineren Gegenstand in Richtung der Polizeibeamten warf (Bl. 475 der Strafakte), was eine zusätzliche Bedrohung bzw. Provokation darstellte.

Dem Senat ist zwar bewusst, dass der Beklagte als Polizeivollzugsbeamter bzw. als Mitglied einer geschlossenen Polizeieinheit mit solchen besonderen Situationen vertraut ist. Gleichwohl hält der Senat dem Beklagten eine Ausnahmesituation zum Tatzeitpunkt mildernd zu Gute, die zu einem Augenblicksversagen des Beklagten geführt hat, der sich von dem Fehlverhalten des früheren Kollegen R..., das die Eskalation der Situation maßgeblich befördert hat, hat anstecken lassen.

Zu Gunsten des Beklagten spricht auch, dass er bisher (bis auf die zugrunde gelegte Verurteilung) weder strafrechtlich noch disziplinarrechtlich in Erscheinung getreten ist und er mehrfach Leistungsprämien erhalten hat. Zudem zeigen die bisherigen dienstlichen Beurteilungen, bei denen der Beklagte 2008 und 2011 jeweils 10 Punkte erreichte, dass der Beklagte gute Leistungen erbringt. Bestätigt wird dieser positive Eindruck durch die Persönlichkeitsbilder vom 4. Mai 2015 und vom 5. Juni 2018, die ihm ein „tadelloses Verhalten“ vor und nach dem Vorfall bescheinigen.

2.3.3 Im Rahmen der Gesamtschau der den Beklagten be- und entlastenden Umstände ist deshalb - auch unter Berücksichtigung der Persönlichkeit des Beklagten - eine deutliche Pflichtenmahnung in Form der Zurückstufung des Beklagten um eine Stufe geboten. Diese Disziplinarmaßnahme ist aufgrund der erheblichen Milderungsgründe schuldangemessen und im Hinblick auf die Schwere des Dienstvergehens und den damit einhergehenden Vertrauensschaden verhältnismäßig.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf Art. 72 Abs. 1 BayDG.

Das Urteil ist mit seiner Verkündung rechtskräftig geworden (Art. 64 Abs. 2 BayDG).

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Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Urteil, 06. Juni 2018 - 16a D 16.1928 zitiert 5 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Urteil, 12. Juli 2017 - 16a D 15.368

bei uns veröffentlicht am 12.07.2017

Tenor I. Die Berufung wird zurückgewiesen. II. Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens. Tatbestand I. Der im Jahr 19 in M … geborene Beklagte beendete 1980 seine Schullaufbahn mi

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Urteil, 18. Jan. 2017 - 16a D 14.1992

bei uns veröffentlicht am 18.01.2017

Tenor I. Unter Abänderung von Ziffer 1 des Urteils des Verwaltungsgerichts München vom 14. Juli 2014 wird gegen den Beklagten auf die Disziplinarmaßnahme der Zurückstufung in das Amt eines Polizeimeisters (BesGr. A7) erkannt. II.

Bundesverwaltungsgericht Beschluss, 27. Dez. 2017 - 2 B 18/17

bei uns veröffentlicht am 27.12.2017

Gründe 1 Die auf sämtliche Gründe gestützte Beschwerde des Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision ist unbegründet.

Bundesverwaltungsgericht Beschluss, 05. Juli 2016 - 2 B 24/16

bei uns veröffentlicht am 05.07.2016

Gründe 1 Die auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache sowie auf einen Verfahrensfehler (§ 67 Satz 1 LDG NW und § 132 Abs. 2 Nr. 1 und 3 VwGO) gestützte Beschwerd

Bundesverwaltungsgericht Urteil, 10. Dez. 2015 - 2 C 6/14

bei uns veröffentlicht am 10.12.2015

Tatbestand 1 Das Verfahren betrifft die disziplinarrechtliche Ahndung eines von einem Feuerwehrbeamten innerdienstlich begangenen Diebstahls.
1 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Urteil, 06. Juni 2018 - 16a D 16.1928.

Verwaltungsgericht Regensburg Urteil, 18. März 2019 - RN 10 A DK 18.936

bei uns veröffentlicht am 18.03.2019

Tenor I. Gegen den Beklagten wird auf die Disziplinarmaßnahme der Kürzung der monatlichen Dienstbezüge in Höhe von 1/10 auf die Dauer von 18 Monaten erkannt. II. Der Beklagte trägt 4/5 und der Kläger 1/5 der Kosten des Verfahrens

Referenzen

Gründe

1

Die auf sämtliche Gründe gestützte Beschwerde des Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision ist unbegründet.

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Aus § 88 Abs. 4 bis 6 des Disziplinargesetzes des Landes Mecklenburg-Vorpommern in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. November 2015 (GVOBl. M-V S. 437 - LDG MV) folgt, dass die bei Inkrafttreten dieses Gesetzes eingeleiteten förmlichen Disziplinarverfahren sowie anhängigen gerichtlichen Disziplinarverfahren nach den Bestimmungen des bisherigen Rechts fortgeführt werden, d.h. nach dem Disziplinargesetz des Landes Mecklenburg-Vorpommern vom 4. Juli 2005 (GVOBl. M-V S. 274 - LDG MV a.F.).

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1. Der Beklagte steht als Regierungsdirektor (Besoldungsgruppe A 15) im Dienst des klagenden Landes. Seit 1996 war der Beklagte Vorsteher eines Finanzamts. Anfang 2008 wurde gegen den Beklagten ein Disziplinarverfahren wegen des Vorwurfs eingeleitet, in fünf Fällen zusammen mit seiner ersten Ehefrau in den Einkommenssteuererklärungen der Jahre 2002 bis 2006 vorsätzlich unrichtige Angaben über seine persönlichen Verhältnisse gemacht zu haben, um die Veranlagungsart "Zusammenveranlagung" zu erwirken. Der Beklagte und seine damalige Ehefrau hätten auf dem jeweiligen Deckblatt der Steuererklärungen die abweichende Anschrift der ersten Ehefrau des Beklagten nicht angegeben, die Zusammenveranlagung gewählt, obwohl die gesetzlichen Voraussetzungen für die Zusammenveranlagung wegen des Getrenntlebens der Eheleute ab Mitte 2001 ab dem Besteuerungszeitraum 2002 nicht mehr gegeben gewesen seien sowie Angaben zur Gütergemeinschaft/Gütertrennung unterlassen. Der Beklagte wurde wegen Steuerhinterziehung in vier Fällen und wegen versuchter Steuerhinterziehung in einem Fall zu einer Gesamtgeldstrafe von 160 Tagessätzen á 100 € verurteilt. Im Disziplinarverfahren hat das Verwaltungsgericht den Beklagten aus dem Beamtenverhältnis entfernt. Das Oberverwaltungsgericht hat die Berufung des Beklagten gegen das Urteil zurückgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt:

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Der Beklagte habe ein außerdienstliches Dienstvergehen begangen, das in besonderem Maße geeignet sei, Achtung und Vertrauen in einer für das Amt des Beamten oder für das Ansehen des Beamtentums bedeutsamen Weise zu beeinträchtigen. Anlass für eine Lösung von den Feststellungen des rechtskräftigen Strafurteils bestehe nicht. Für das Landgericht sei bei der Verurteilung wegen Steuerhinterziehung unerheblich gewesen, ob der Beklagte die Steuererstattungen an seine Ehefrau ausbezahlt habe. Auch sei die Höhe des konkreten Schadens für das Landgericht unerheblich gewesen, weil es bereits auf die Verkürzung der Steuern durch die Erlangung nicht gerechtfertigter Steuervorteile durch unrichtige oder unvollständige Angaben über steuerlich erhebliche Tatsachen abgestellt habe. Das außerdienstliche Dienstvergehen sei mit einer Entfernung des Beklagten aus dem Beamtenverhältnis angemessen zu ahnden. Die abstrakte Strafandrohung für Steuerhinterziehung mit einer Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren biete einen Orientierungsrahmen für die Bewertung der Schwere des Dienstvergehens. Das außerdienstliche Fehlverhalten des Beklagten wiege hier deshalb schwer, weil es einen Bezug zu seinen dienstlichen Kernpflichten aufweise, der Verletzung von Steuervorschriften entgegenzuwirken. Erschwerend komme hinzu, dass der Beklagte zum Zeitpunkt der Einreichung der Steuererklärungen als Vorsteher eines Finanzamts und damit in Vorgesetztenfunktionen tätig gewesen sei. Zudem habe der Beklagte nicht nur einmalig, sondern mehrmalig versagt. Aufgrund des im Sommer 2001 geschlossenen notariell beurkundeten Ehevertrags, in dem anlässlich der Trennung der damaligen Eheleute Regelungen über die wirtschaftlichen und rechtlichen Angelegenheiten getroffen worden seien, sei dem Beklagten bewusst gewesen, dass die wirtschaftliche und räumliche Trennung der Eheleute endgültig gewesen sei. Anerkannte Minderungsgründe kämen dem Beklagten nicht zugute. Dem Umstand, dass der beim Dienstherrn letztendlich eingetretene wirtschaftliche Schaden wegen der Steuererstattungen für die erste Ehefrau des Beklagten gering sei, komme keine ausschlaggebende Bedeutung zu. Der Beklagte habe bei Einzelbetrachtung erhebliche steuerliche Vorteile gehabt; der damaligen Ehefrau seien erhebliche Nachteile entstanden. Unabhängig von der Höhe des Schadens sei entscheidend, dass das Verhalten des Beklagten erhebliche Zweifel an der für seine dienstliche Tätigkeit gebotenen Vertrauenswürdigkeit hervorrufe.

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2. Die Revision ist nicht wegen der vom Beklagten geltend gemachten grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache zuzulassen (§ 69 LDG MV a.F. und § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).

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Grundsätzliche Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine - vom Beschwerdeführer zu bezeichnende - grundsätzliche, bisher höchstrichterlich nicht beantwortete Rechtsfrage aufwirft, die im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder einer Weiterentwicklung des Rechts revisionsgerichtlicher Klärung bedarf und die für die Entscheidung des Revisionsgerichts erheblich sein wird (stRspr, BVerwG, Beschluss vom 2. Oktober 1961 - 8 B 78.61 - BVerwGE 13, 90 <91 f.>). Das ist hier nicht der Fall.

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a) Die Beschwerde sieht die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache zunächst in der Frage,

"ob eine außerdienstlich begangene Steuerhinterziehung nach § 370 Abs. 1 AO, die nach Maßgabe der Grundsatzentscheidung des BGH vom 2.12.2008 (1 StR 416/08) auf Grund des Steuerschadens (bis 50.000 €) höchstens mit Geldstrafe geahndet wird, die disziplinare Höchstmaßnahme der Entfernung aus dem Beamtenverhältnis rechtfertigt."

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Diese Frage vermag die Zulassung der Revision nicht zu rechtfertigen, weil sie einerseits im Grundsatz in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts geklärt ist und andererseits - auf einen konkreten Fall bezogen - einer rechtsgrundsätzlichen Klärung nicht zugänglich ist.

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Der Senat geht unverändert im Grundsatz davon aus, dass Straf- und Disziplinarrecht unterschiedliche Zwecke verfolgen (BVerwG, Urteil vom 18. Juni 2015 - 2 C 9.14 - BVerwGE 152, 228 Rn. 37). Das Strafrecht ist vom Vergeltungsprinzip mit dem Ziel der individuellen Sühne durch ein Unwerturteil über gemeinschaftswidriges Verhalten und strafrechtliche Sanktionen geprägt. Demgegenüber ist es ausschließlich Zweck des Disziplinarverfahrens, das Vertrauen in die Ehrlichkeit und Zuverlässigkeit der Beamten und damit die Funktionsfähigkeit des öffentlichen Dienstes sicherzustellen. Bei einer außerdienstlich begangenen Straftat kann zur Festlegung der Schwere des begangenen Dienstvergehens, die gemäß § 15 Abs. 2 Satz 1 LDG MV a.F. richtungweisend für die Bestimmung der erforderlichen Disziplinarmaßnahme ist, zwar indiziell auf die vom Strafgericht konkret ausgesprochene Sanktion zurückgegriffen werden (BVerwG, Urteile vom 25. März 2010 - 2 C 83.08 - BVerwGE 136, 173 Rn. 21 und 26 und vom 18. Juni 2015 - 2 C 9.14 - BVerwGE 152, 228 Rn. 37). Aber selbst dann, wenn von den Strafgerichten bei einem außerdienstlich begangenen Dienstvergehen lediglich auf eine Geldstrafe erkannt worden ist, kommt im Rahmen der den Disziplinargerichten obliegenden Bemessungsentscheidung die Entfernung des Beamten aus dem Beamtenverhältnis dann in Betracht, wenn disziplinarrechtlich bedeutsame Umstände vorliegen (BVerwG, Urteil vom 18. Juni 2015 - 2 C 9.14 - BVerwGE 152, 228 Rn. 38 und Beschluss vom 5. Juli 2016 - 2 B 24.16 - Buchholz 235.1 § 13 BDG Nr. 38 Rn. 13).

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Die Frage, wann solche disziplinarrechtlich bedeutsamen Umstände gegeben sind, die bei einem außerdienstlichen Fehlverhalten des Beamten trotz einer bloßen Geldstrafe die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis nach Maßgabe des § 15 LDG MV a.F. rechtfertigen, könnte im angestrebten Revisionsverfahren dagegen nicht rechtsgrundsätzlich geklärt werden.

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b) Grundsätzliche Bedeutung misst die Beschwerde ferner folgender Frage zu:

"Wenn nach der o.g. Grundsatzentscheidung des BGH die Höhe der verkürzten Steuern ein bestimmender Strafzumessungsumstand ist, darf dieselbe Höhe der verkürzten Steuern, die im Strafrecht zu einer niedrigen Strafhöhenbemessung führt, im Disziplinarrecht ein schweres Dienstvergehen darstellen, für dessen Ahndung die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis tat- und schuldangemessen ist?"

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Auch diese Frage führt nicht zur Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache, weil sie in der Rechtsprechung des Senats bereits geklärt ist. Zwar wird auch in der Rechtsprechung zum Disziplinarrecht dem Betrag der hinterzogenen Steuern Bedeutung für die Bestimmung der angemessenen Disziplinarmaßnahme beigemessen (BVerwG, Urteil vom 28. Juli 2011 - 2 C 16.10 - BVerwGE 140, 185 Rn. 33 f.). Dies gilt allerdings nur für solche Fallkonstellationen, in denen das außerdienstliche Dienstvergehen keine Rückschlüsse auf die Dienstausübung des Betroffenen zulässt und sich damit die disziplinarrechtliche Relevanz des Dienstvergehens ausschließlich aus dem damit verbundenen Ansehensschaden ergibt. In Fällen wie dem des Beklagten, in dem die außerdienstliche Steuerhinterziehung einen dienstlichen Bezug aufweist, kommt der Höhe der hinterzogenen Steuern für die Bestimmung der Schwere des Dienstvergehens keine ausschlaggebende Bedeutung zu.

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c) Auch die weiteren, zusammenhängenden Fragen,

"ob die im Strafurteil zugunsten des Beklagten getroffenen Strafzumessungserwägungen als anerkannte Minderungsgründe oder als sonstige mildernde Umstände bei der Bestimmung der Disziplinarmaßnahme zu berücksichtigen sind,"

und

"ob, wenn im Strafurteil im Rahmen der Strafzumessung die Geringfügigkeit der Steuerverkürzung auf Grundlage einer 'Alternativberechnung' festgestellt und zugunsten des Beamten berücksichtigt wird, dieser Umstand ebenfalls bei der Bestimmung der tat- und schuldangemessenen Disziplinarmaßnahme zugunsten des Beamten zwingend nach § 57 LDG MV oder als Milderungsgrund Berücksichtigung finden muss,"

führen nicht zur Zulassung der Revision nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Die Grundsätze der Bemessung der Disziplinarmaßnahme im Falle einer außerdienstlichen Steuerhinterziehung sind in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts geklärt. Insbesondere ist, wie vorstehend dargelegt, anerkannt, dass bei einer außerdienstlichen Steuerhinterziehung mit dienstlichem Bezug die Höhe der hinterzogenen Steuer keine ausschlaggebende Bedeutung hat, sondern die Rückschlüsse auf das zukünftige dienstliche Verhalten des Beamten maßgeblich sind (BVerwG, Urteil vom 24. November 1998 - 1 D 16.97 - juris Rn. 16 m.w.N.).

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d) Schließlich begründet auch die Frage,

"ob sich bei der außerdienstlichen Steuerhinterziehung die 'Schwere des Dienstvergehens' nach der Größenordnung des aus dem Strafurteil ersichtlichen Steuerhinterziehungsbetrages oder nach der nicht identischen (ggf. geringen) Höhe des dem Fiskus entstandenen Schadens beurteilt,"

nicht die rechtsgrundsätzliche Bedeutung der Rechtssache, weil sie im angestrebten Revisionsverfahren nicht rechtsgrundsätzlich geklärt werden könnte. Denn wie dargelegt, ist hier für die Beurteilung der Schwere des Dienstvergehens des Beklagten maßgebend, dass es Rückschlüsse auf die zukünftige Erfüllung seiner innerdienstlichen Pflichten zulässt. Dieser dienstliche Bezug und nicht eine bestimmte Höhe des Hinterziehungsbetrags oder des dem Fiskus entstandenen Schadens sind hier für die Bewertung der Schwere und des Verlusts des Vertrauens des Dienstherrn i.S.v. § 15 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 Satz 1 LDG MV a.F. entscheidend.

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3. Die Revision ist auch nicht wegen Divergenz (§ 69 LDG MV a.F. i.V.m. § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) zuzulassen.

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Eine Divergenz i.S.v. § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO setzt voraus, dass die Entscheidung des Berufungsgerichts auf einem abstrakten Rechtssatz beruht, der im Widerspruch zu einem Rechtssatz steht, den das Bundesverwaltungsgericht, der Gemeinsame Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder das Bundesverfassungsgericht in Anwendung derselben Rechtsvorschrift aufgestellt hat. Zwischen den Gerichten muss ein prinzipieller Auffassungsunterschied über den Bedeutungsgehalt einer bestimmten Rechtsvorschrift oder eines Rechtsgrundsatzes bestehen (stRspr, vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 19. August 1997 - 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133 VwGO Nr. 26 S. 14 und vom 25. Mai 2012 - 2 B 133.11 - NVwZ-RR 2012, 607 Rn. 5). Die Behauptung einer fehlerhaften oder unterbliebenen Anwendung von Rechtssätzen, die das Bundesverwaltungsgericht oder ein anderes divergenzfähiges Gericht aufgestellt hat, genügt den Zulässigkeitsanforderungen einer Divergenzrüge dagegen nicht. Die Entscheidungen müssen dasselbe Gesetz und dieselbe Fassung des Gesetzes zum Gegenstand haben (stRspr, vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 17. Januar 1995 - 6 B 39.94 - Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 342 S. 55 und vom 9. April 2014 - 2 B 107.13 - NVwZ 2014, 1174 Rn. 3 ff. m.w.N.).

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Diesen Voraussetzungen genügt das Beschwerdevorbringen nicht.

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a) Zunächst entnimmt die Beschwerde Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts den Rechtssatz, bei der disziplinarrechtlichen Würdigung oder der Bemessung der Disziplinarmaßnahme bei einem außerdienstlichen Dienstvergehen sei die Bewertung des Dienstvergehens durch die Strafgerichte zugrunde zu legen und hält dem Berufungsgericht vor, einen hiervon abweichenden Rechtssatz aufgestellt zu haben. Dies trifft nicht zu. Denn in den Urteilen vom 18. Juni 2015 - 2 C 9.14 - (BVerwGE 152, 228 Rn. 37) und - 2 C 19.14 - (juris Rn. 32) sowie im Beschluss vom 5. Juli 2016 - 2 B 24.16 - (Buchholz 235.1 § 13 BDG Nr. 38 Rn. 13) hat der Senat lediglich zum Ausdruck gebracht, dass bei einer außerdienstlich begangenen Straftat zur Festlegung der Schwere des begangenen Dienstvergehens, die richtungsweisend für die Bestimmung der erforderlichen Disziplinarmaßnahme ist, indiziell auf die vom Strafgericht konkret ausgesprochene Sanktion zurückgegriffen werden kann. Ist von den Strafgerichten bei einem außerdienstlich begangenen Dienstvergehen lediglich auf eine Geldstrafe erkannt worden, kommt im Disziplinarverfahren die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis nur ausnahmsweise und bei Vorliegen disziplinarrechtlich bedeutsamer Umstände in Betracht.

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Hiervon ist das Oberverwaltungsgericht nicht rechtssatzmäßig abgewichen. Denn es hat lediglich ausgeführt (UA S. 15), dem Umstand, dass das Strafgericht den Beklagten lediglich zu einer Geldstrafe verurteilt hat, könne als Indiz für die Schwere der außerdienstlichen Dienstpflichtverletzung nicht entscheidend herangezogen werden. Entsprechend der Rechtsprechung des Senats (Urteil vom 18. Juni 2015 - 2 C 9.14 - BVerwGE 152, 228 Rn. 38 und Beschluss vom 5. Juli 2016 - 2 B 24.16 - Buchholz 235.1 § 13 BDG Nr. 38 Rn. 13) hat es die disziplinarrechtliche Höchstmaßnahme trotz der strafgerichtlichen Ahndung des Verhaltens des Beklagten mit einer bloßen Geldstrafe mit konkreten, für die Frage des Verlustes des Vertrauens des Dienstherrn oder der Allgemeinheit (§ 15 Abs. 2 Satz 1 LDG MV a.F.) bedeutsamen Umständen des Einzelfalls gerechtfertigt.

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b) Ferner rügt die Beschwerde, das Oberverwaltungsgericht sei von der in Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts zum Ausdruck gebrachten Bezugnahme auf das Statusamt des betroffenen Beamten anstelle des konkreten Dienstpostens rechtssatzmäßig abgewichen. Auch dies trifft nicht zu.

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Zunächst beziehen sich die Ausführungen in den von der Beschwerde genannten Urteilen vom 18. Juni 2015 - 2 C 9.14 - (BVerwGE 152, 228 Rn. 16) und vom 10. Dezember 2015 - 2 C 50.13 - (Buchholz 235.2 LDisziplinarG Nr. 39 Rn. 34) auf die Frage der Disziplinarwürdigkeit eines außerdienstlichen Verhaltens eines Beamten nach Maßgabe von § 47 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG. Danach ist ein Verhalten außerhalb des Dienstes nur dann ein Dienstvergehen, wenn es nach den Umständen des Einzelfalls in besonderem Maße geeignet ist, das Vertrauen in einer für ihr Amt bedeutsamen Weise zu beeinträchtigen. Demgegenüber befassen sich die von der Beschwerde insoweit beanstandeten Darlegungen des Berufungsurteils (UA S. 16) mit der Bestimmung der Schwere des Dienstvergehens im Rahmen von § 15 Abs. 2 LDG MV a.F.

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Im Übrigen misst auch der Senat bei der Frage der Disziplinarwürdigkeit außerdienstlichen Fehlverhaltens nach Maßgabe von § 47 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG dem Dienstposten, d.h. dem konkreten Aufgabenbereich des Beamten, Bedeutung zu. Denn er geht davon aus, dass sich aus dem sachlichen Bezug des Dienstvergehens zum konkreten Aufgabenbereich des Beamten eine Indizwirkung ergeben kann, weil der Beamte mit dem ihm übertragenen konkreten Amt identifiziert wird (BVerwG, Urteil vom 18. Juni 2015 - 2 C 9.14 - BVerwGE 152, 228 Rn. 37). Je näher der Bezug des außerdienstlichen Fehlverhaltens des Beamten zu dem ihm übertragenen Aufgabenbereich ist, umso eher kann davon ausgegangen werden, dass sein Verhalten geeignet ist, das Vertrauen zu beeinträchtigen, das sein Beruf erfordert.

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c) Schließlich besteht auch in Bezug auf die Bemessung der konkreten Disziplinarmaßnahme keine rechtssatzmäßige Abweichung. Denn den von der Beschwerde insoweit genannten Urteilen des Bundesverwaltungsgerichts (vom 21. Juni 2011 - 2 WD 10.10 - Buchholz 450.2 § 58 WDO 2002 Nr. 8, vom 8. September 2004 - 1 D 18.03 - Buchholz 235.1 § 85 BDG Nr. 7 und vom 28. Juli 2011 - 2 C 16.10 - BVerwGE 140, 185 Rn. 33 f.) kann nicht der Rechtssatz entnommen werden, dass die Entfernung eines Beamten aus dem Beamtenverhältnis wegen des außerdienstlichen Dienstvergehens der Steuerhinterziehung ausschließlich dann in Betracht kommt, wenn der Betrag der hinterzogenen Steuern einen siebenstelligen Euro-Betrag erreicht. Vielmehr hat der Senat im Urteil vom 28. Juli 2011 - 2 C 16.10 - (BVerwGE 140, 185 Rn. 33 f.) dargelegt, dass sich die Überlegungen zu der in Betracht kommenden Disziplinarmaßnahme bei dem außerdienstlichen Pflichtenverstoß der Steuerhinterziehung in Abhängigkeit von der Höhe des Hinterziehungsbetrags auf die Fälle beziehen, in denen die außerdienstliche Steuerhinterziehung keinen dienstlichen Bezug aufweist und deshalb auch keine Rückschlüsse auf die zukünftige Dienstausübung des Betroffenen zulässt. Auch der Wehrdienstsenat (Urteil vom 21. Juni 2011 - 2 WD 10.10 - Buchholz 450.2 § 58 WDO 2002 Nr. 8 Rn. 41) spricht davon, dass nachteilige Umstände von erheblichem Eigengewicht zu berücksichtigen sein können. Dies gilt auch für das Urteil des Disziplinarsenats des Bundesverwaltungsgerichts vom 8. September 2004 - 1 D 18.03 - (Buchholz 235.1 § 85 BDG Nr. 7 S. 14).

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4. Die in der Beschwerdebegründung geltend gemachten Verfahrensmängel (§ 69 LDG MV a.F. und § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) liegen nicht vor.

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a) Ohne Erfolg rügt der Beklagte eine Verletzung der dem Oberverwaltungsgericht obliegenden Aufklärungspflicht nach § 86 VwGO.

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aa) Insoweit beanstandet der Beklagte zunächst, dass das Oberverwaltungsgericht den vom Beklagten in der Berufungsverhandlung gestellten unbedingten Beweisantrag auf Vernehmung der früheren Ehefrau des Beklagten fehlerhaft abgelehnt habe. Das ist nicht der Fall. Für das Vorliegen eines Fehlers des Verfahrens vor dem Oberverwaltungsgericht kommt es auf dessen Rechtsauffassung an, weil die Entscheidung nur dann auf dem geltend gemachten Verfahrensmangel i.S.v. § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO beruhen kann. Da aber das Berufungsgericht davon ausging, es sei mangels Anhaltspunkten für die Unrichtigkeit der Feststellungen des strafgerichtlichen Urteils i.S.v. § 57 Abs. 1 Satz 2 LDG MV a.F. an diese gebunden und nicht zu eigenen Feststellungen befugt, konnte es sich nicht von diesen lösen und war deshalb an der Vernehmung der Zeugin rechtlich gehindert.

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bb) Der Sache nach geht es dem Beklagten mit den Ausführungen unter IV) 1 der Beschwerdebegründung nicht um den Verstoß gegen die Pflicht zur Aufklärung des Sachverhalts, sondern um die nach Ansicht des Beklagten fehlerhafte Handhabung des § 57 Abs. 1 LDG MV a.F. durch das Oberverwaltungsgericht, die der Entscheidung über die Vernehmung der früheren Ehefrau des Beklagten zugrunde liegt. Unrichtig sei die Annahme des Berufungsgerichts, an die tatsächlichen Feststellungen des strafgerichtlichen Urteils gebunden und damit an der Vernehmung der früheren Ehefrau des Beklagten zum Beweis der entscheidungserheblichen Tatsache gehindert zu sein, die damalige Ehefrau des Beklagten habe diesen jahrelang glauben und hoffen lassen, es handele sich lediglich um eine vorübergehende räumliche Trennung ohne Scheidungsabsicht und die Eheleute würden wieder zueinander finden und -kommen. Die Handhabung des § 57 Abs. 1 LDG MV a.F. durch das Berufungsgericht begegnet aber im Hinblick auf die in der Beschwerdebegründung insoweit geltend gemachten Umständen keinen Bedenken.

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Die Verwaltungsgerichte sind nur dann berechtigt und verpflichtet, sich von den Tatsachenfeststellungen eines rechtskräftigen Strafurteils zu lösen und den disziplinarrechtlich bedeutsamen Sachverhalt eigenverantwortlich zu ermitteln, wenn sie ansonsten "sehenden Auges" auf der Grundlage eines unrichtigen oder aus rechtsstaatlichen Gründen unverwertbaren Sachverhalts entscheiden müssten. Dies ist etwa der Fall, wenn die Feststellungen in einem entscheidungserheblichen Punkt unter offenkundiger Verletzung wesentlicher Verfahrensvorschriften zustande gekommen sind. Darüber hinaus entfällt die Bindungswirkung, wenn neue Beweismittel eingeführt werden, die dem Strafgericht nicht zur Verfügung standen und nach denen seine Tatsachenfeststellungen zumindest auf erhebliche Zweifel stoßen (BVerwG, Urteile vom 29. November 2000 - 1 D 13.99 - BVerwGE 112, 243 <245> und vom 16. März 2004 - 1 D 15.03 - Buchholz 232 § 54 Satz 3 BBG Nr. 36 S. 81 f.; Beschlüsse vom 24. Juli 2007 - 2 B 65.07 - Buchholz 235.2 LDisziplinarG Nr. 4 Rn. 11, vom 26. August 2010 - 2 B 43.10 - Buchholz 235.1 § 57 BDG Nr. 3 Rn. 5, vom 1. März 2013 - 2 B 78.12 - ZBR 2013, 262 Rn. 7 und vom 18. Juni 2014 - 2 B 55.13 - juris Rn. 21).

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Zwar stammt der handschriftliche Brief der früheren Ehefrau des Beklagten vom 20. Juli 2012 und konnte dementsprechend nicht durch das Landgericht bei seiner Urteilsfindung berücksichtigt werden, dessen Strafurteil vom 11. September 2009 letztendlich rechtskräftig wurde. Es handelt sich dabei aber nicht um ein neues Beweismittel, aufgrund dessen die Tatsachenfeststellungen des Strafgerichts zumindest auf erhebliche Zweifel stoßen.

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Die der Rechtssicherheit dienende Bindungswirkung legitimiert sich aus dem grundsätzlich berechtigten Vertrauen in die Richtigkeit derjenigen Feststellungen eines Strafgerichts, über die nach Prozessregeln in einer Hauptverhandlung (vollständig) Beweis erhoben worden ist, wobei es aus der Sicht des Strafrichters für seine Entscheidung auch auf diese Feststellungen ankommen muss. Ausgehend von diesem Grundgedanken der Bindungswirkung kommt eine Lösung von den Bindungen des Strafurteils bei neuen Sachverständigengutachten oder bei Aussagen von solchen Zeugen in Betracht, die erst nachträglich bekannt werden oder erst im Anschluss eines Strafverfahrens vernehmbar sind, nicht aber bei weiteren Bekundungen von solchen Personen, die im Strafverfahren gerade zu dem betreffenden Sachverhalt als Zeugen vernommen worden sind und deren Aussage das Strafgericht bei seiner Sachverhaltsfeststellung zu würdigen hatte.

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Die frühere Ehefrau des Beklagten hat in der Hauptverhandlung vor dem Landgericht am 9. September 2009 als Zeugin zur Sache ausgesagt. Das Landgericht (UA S. 12 ff.) hat sich eingehend mit der Aussage der früheren Ehefrau des Beklagten in der Hauptverhandlung befasst und hat auch deren Intention berücksichtigt, mit ihrer Aussage die "Version" des Beklagten zu stützen (UA S. 13). Unter Würdigung sämtlicher Umstände, auch unter Berücksichtigung der von den früheren Eheleuten vor einem Notar geschlossenen Vereinbarungen - Ehevertrag, Grundstücksüberlassungsvertrag und Erbverzichtsvertrag -, ist das Landgericht zu der Erkenntnis gelangt, dass zumindest auf der Seite der früheren Ehefrau des Beklagten seit Ende 2001 jeglicher Wille gefehlt hatte, die häusliche Gemeinschaft mit dem Beklagten wieder herzustellen und dies dem Beklagten während des gesamten Tatzeitraums auch bewusst war. Wenn aber das Strafgericht die konkrete Aussage einer Zeugin zu einem bestimmten Umstand - hier die Frage der Aussicht auf Wiederherstellung der ehelichen Lebensgemeinschaft - bei seinem Strafurteil gewürdigt hat, stellen spätere schriftliche Aussagen, die nicht darlegen, dass nunmehr im Verhältnis zur Aussage im Strafverfahren wesentlich Abweichendes zu berichten ist, keine neuen Beweismittel dar, die die vom Gesetzgeber angeordnete Bindungswirkung aufheben können.

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b) Aus den in der Beschwerdebegründung dargelegten Gründen folgt auch kein Verstoß gegen den Überzeugungsgrundsatz nach § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO.

33

Gemäß § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. Die Sachverhalts- und Beweiswürdigung einer Tatsacheninstanz ist der Beurteilung des Revisionsgerichts nur insoweit unterstellt, als es um Verfahrensfehler i.S.d. § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO geht. Rügefähig ist damit nicht das Ergebnis der Beweiswürdigung, sondern nur ein Verfahrensvorgang auf dem Weg dorthin. Derartige Mängel liegen insbesondere vor, wenn das angegriffene Urteil von einem falschen oder unvollständigen Sachverhalt ausgeht, also etwa entscheidungserheblichen Akteninhalt übergeht oder auf einer aktenwidrigen Tatsachengrundlage basiert (BVerwG, Beschlüsse vom 13. Februar 2012 - 9 B 77.11 - Buchholz 310 § 108 Abs. 1 VwGO Nr. 73 Rn. 7, vom 21. Mai 2013 - 2 B 67.12 - DokBer 2013, 269 Rn. 18 und vom 23. Dezember 2015 - 2 B 40.14 - Buchholz 449 § 3 SG Nr. 82 S. 107 m.w.N.). Das Gericht darf nicht in der Weise verfahren, dass es einzelne erhebliche Tatsachenfeststellungen oder Beweisergebnisse nicht in die rechtliche Würdigung einbezieht, insbesondere Umstände übergeht, deren Entscheidungserheblichkeit sich ihm hätte aufdrängen müssen. In solchen Fällen fehlt es an einer tragfähigen Tatsachengrundlage für die innere Überzeugungsbildung des Gerichts, auch wenn die darauf basierende rechtliche Würdigung als solche nicht zu beanstanden ist (BVerwG, Urteile vom 2. Februar 1984 - 6 C 134.81 - BVerwGE 68, 338 <339> und vom 5. Juli 1994 - 9 C 158.94 - BVerwGE 96, 200 <208 f.>; Beschlüsse vom 18. November 2008 - 2 B 63.08 - Buchholz 235.1 § 17 BDG Nr. 1 Rn. 27, vom 31. Oktober 2012 - 2 B 33.12 - NVwZ-RR 2013, 115 Rn. 12 und vom 20. Dezember 2013 - 2 B 35.13 - Buchholz 235.1 § 13 BDG Nr. 21 Rn. 19). Das Ergebnis der gerichtlichen Beweiswürdigung selbst ist vom Revisionsgericht nur daraufhin nachzuprüfen, ob es gegen Logik (Denkgesetze) und Naturgesetze verstößt oder gedankliche Brüche und Widersprüche enthält (stRspr, vgl. BVerwG, Urteil vom 3. Mai 2007 - 2 C 30.05 - Buchholz 310 § 108 Abs. 1 VwGO Nr. 50 Rn. 16 sowie Beschluss vom 23. Februar 2017 - 2 B 14.15 - Buchholz 237.1 Art. 62 BayLBG Nr. 1 Rn. 32).

34

aa) Zunächst macht der Beklagte geltend, die Überlegungen des Oberverwaltungsgerichts zur Höhe des der früheren Ehefrau des Beklagten in den Jahren 2002 bis 2005 - ursprünglich - entstandenen Steuernachteils genügten nicht den vorstehenden Anforderungen des Überzeugungsgrundsatzes des § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Dies trifft jedoch nicht zu, weil die Beschwerde insoweit verschiedene Aspekte miteinander vermischt, die im angegriffenen Berufungsurteil zutreffend voneinander getrennt sind. Unbegründet ist damit zugleich der insoweit erhobene Vorwurf, das Oberverwaltungsgericht habe aktenwidrige Feststellungen getroffen oder sei ohne rechtfertigenden Grund von den tatsächlichen Feststellungen des Strafgerichts abgewichen.

35

Die von der Beschwerde angegriffenen Ausführungen des Berufungsgerichts befassen sich mit dem Vorbringen des Beklagten, tatsächlich sei der beim klagenden Dienstherrn eingetretene wirtschaftliche Schaden als relativ gering einzustufen, weil sich unter Berücksichtigung der nachträglichen Einzelveranlagung der damaligen Eheleute für die Jahre 2002 und 2003 tatsächlich ein Saldo zu ihren Lasten und lediglich in den Jahren 2004 und 2005 ein Saldo zu ihren Gunsten ergeben habe. Diesem Vortrag des Beklagten hat das Oberverwaltungsgericht deshalb nur geringe Bedeutung beigemessen, weil aufgrund der für die Eheleute vorgelegten - ursprünglichen - Steuerbescheide für die Jahre 2002 bis 2005, die auf den unzutreffenden Steuererklärungen in den Jahren 2002 bis 2005 beruhen, der beim Beklagten zunächst entstandene steuerliche Vorteil mit diesen Beträgen nicht korrespondiere und es zudem zu einem erheblichen Steuernachteil zu Lasten der damaligen Ehefrau gekommen sei. Diese Aussage betrifft aber ersichtlich lediglich die Steuerschuld der früheren Ehefrau nach Maßgabe der ursprünglich erlassenen Steuerbescheide. Tatsächlich hat die nachträgliche Einzelveranlagung bei der früheren Ehefrau des Beklagten dazu geführt, dass ihr angesichts ihrer unterjährig nach Steuerklasse V überhöhten Lohnsteuerzahlungen gegenüber dem Fiskus Steuererstattungsansprüche zustehen.

36

Andererseits hat das Berufungsgericht tragend auf die bindenden Überlegungen des Landgerichts zur Erfüllung des Tatbestandes des § 370 AO abgestellt. Danach kommt es für die Schadenshöhe aufgrund von § 370 Abs. 4 Satz 3 AO gerade nicht auf die Höhe des letztendlich beim Fiskus verbleibenden Steuerschadens infolge einer "Verrechnung" an. Entscheidend ist bereits die Verkürzung der Steuern oder die Erlangung nicht gerechtfertigter Steuervorteile durch unrichtige oder unvollständige Angaben über steuerlich erhebliche Tatsachen, hier die unrichtige Angabe der Veranlagungsart "Zusammenveranlagung" durch den Beklagten.

37

bb) In Bezug auf den "anerkannten" mildernden Gesichtspunkt der "Überwindung einer negativen Lebensphase" wird in der Beschwerdebegründung geltend gemacht, das Oberverwaltungsgericht habe den Umstand übergangen, dass der Pflichtenverstoß eine Folge der Ehekrise gewesen sei. Dieser Vorwurf trifft nicht zu, weil das Berufungsgericht die familiäre Situation des Beklagten nach dem Auszug seiner früheren Ehefrau aus dem gemeinsamen Haus in die Prüfung mit einbezogen hat. Der Sache nach wird damit lediglich vorgebracht, das Oberverwaltungsgericht habe diesen "anerkannten" Milderungsgrund zu Unrecht verneint. Unter dem Vorwand eines Verstoßes gegen § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO kann aber nicht die inhaltliche Richtigkeit der Sachentscheidung - hier die disziplinarrechtliche Bemessungsentscheidung aufgrund des festgestellten Sachverhalts - des Oberverwaltungsgerichts gerügt werden.

38

cc) Die vorstehenden Ausführungen gelten entsprechend für das Vorbringen in der Beschwerdebegründung unter IV 4).

39

Die Geringfügigkeit des dem Dienstherrn letztendlich verbliebenen wirtschaftlichen Schadens und die besondere familiäre Belastungssituation - in Gestalt der Trennung von der Ehefrau, der gebotenen Versorgung und Betreuung der Kinder, der Pflege der erkrankten Freundin sowie die eigene Erkrankung - hat das Berufungsgericht in die Bemessungsentscheidung eingestellt. Unter Berufung auf § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO kann aber nicht geltend gemacht werden, das Berufungsgericht hätte bei der inhaltlichen Würdigung der konkreten Umstände zu einem anderen Ergebnis, d.h. zu einer milderen Maßnahme kommen müssen.

40

c) Schließlich ist die Revision auch nicht wegen der vom Beklagten geltend gemachten Verletzung des § 57 Abs. 1 LDG MW a.F. und des Gebots des rechtlichen Gehörs gemäß Art. 103 Abs. 1 GG im Hinblick auf die Frage der teilweisen Überweisung der Steuererstattung auf das Konto der früheren Ehefrau des Beklagten zuzulassen.

41

Wie dem angegriffenen Urteil zu entnehmen ist (UA S. 12 letzter Absatz), hat das Oberverwaltungsgericht das Vorbringen des Beklagten, er habe die seiner damaligen Ehefrau für die Jahre 2002 und 2003 anteilig zustehende Steuererstattung in Höhe von 389,23 € am 17. Januar 2005 auf ihr Konto überwiesen und diesen Zweck auch bei der Überweisung kenntlich gemacht, zur Kenntnis genommen und diesen Vortrag in Bezug auf die fragliche Lösung von den tatsächlichen Feststellungen des Strafurteils rechtlich bewertet. Damit hat es dem Anspruch des Beklagten auf rechtliches Gehör Genüge getan.

42

Ausgehend von den oben dargestellten Grundsätzen (a) bb)) zu einer Lösung von den tatsächlichen Feststellungen eines Strafurteils nach § 57 Abs. 1 Satz 2 LDG MV a.F. kann die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts auch inhaltlich nicht beanstandet werden. Denn aufgrund des Vorbringens des Beklagten in der Schrift zur Begründung seiner Berufung war das Oberverwaltungsgericht zur Lösung von der Feststellung des Landgerichts, der Beklagte habe den objektiven wie den subjektiven Tatbestand der Steuerhinterziehung nach § 370 Abs. 1 und 2 AO in fünf Fällen erfüllt, nach § 57 Abs. 1 Satz 2 LDG MV a.F. nicht berechtigt. Für das Landgericht hing die Erfüllung des objektiven und subjektiven Tatbestands der Steuerhinterziehung nach § 370 AO nicht davon ab, dass der Beklagte die Steuererstattung auch nicht teilweise - in Höhe von 389,23 € - an seine Ehefrau weitergegeben, sondern vollständig für sich verwendet hat.

43

Die Kostenentscheidung folgt aus § 77 Abs. 4 LDG MV a.F. und § 154 Abs. 2 VwGO. Einer Festsetzung des Streitwerts für das Beschwerdeverfahren bedarf es nicht, weil für das Beschwerdeverfahren Festgebühren nach dem Gebührenverzeichnis der Anlage zu § 77 LDG MV a.F. erhoben werden. § 88 Abs. 11 Satz 2 LDG MV bestimmt ausdrücklich, dass alle nach dem 31. Dezember 2015 eingeleiteten Rechtsmittelverfahren gebührenpflichtig sind.

(1) Ein Amtsträger, der während der Ausübung seines Dienstes oder in Beziehung auf seinen Dienst eine Körperverletzung begeht oder begehen läßt, wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft. In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(3) Die §§ 224 bis 229 gelten für Straftaten nach Absatz 1 Satz 1 entsprechend.

(1) Beamtinnen und Beamte haben sich mit vollem persönlichem Einsatz ihrem Beruf zu widmen. Sie haben die übertragenen Aufgaben uneigennützig nach bestem Gewissen wahrzunehmen. Ihr Verhalten innerhalb und außerhalb des Dienstes muss der Achtung und dem Vertrauen gerecht werden, die ihr Beruf erfordern.

(2) Beamtinnen und Beamte haben bei der Ausübung des Dienstes oder bei einer Tätigkeit mit unmittelbarem Dienstbezug auch hinsichtlich ihres Erscheinungsbilds Rücksicht auf das ihrem Amt entgegengebrachte Vertrauen zu nehmen. Insbesondere das Tragen von bestimmten Kleidungsstücken, Schmuck, Symbolen und Tätowierungen im sichtbaren Bereich sowie die Art der Haar- und Barttracht können eingeschränkt oder untersagt werden, soweit die Funktionsfähigkeit der Verwaltung oder die Pflicht zum achtungs- und vertrauenswürdigen Verhalten dies erfordert. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn Merkmale des Erscheinungsbilds nach Satz 2 durch ihre über das übliche Maß hinausgehende besonders individualisierende Art geeignet sind, die amtliche Funktion der Beamtin oder des Beamten in den Hintergrund zu drängen. Religiös oder weltanschaulich konnotierte Merkmale des Erscheinungsbilds nach Satz 2 können nur dann eingeschränkt oder untersagt werden, wenn sie objektiv geeignet sind, das Vertrauen in die neutrale Amtsführung der Beamtin oder des Beamten zu beeinträchtigen. Die Einzelheiten nach den Sätzen 2 bis 4 können durch Landesrecht bestimmt werden. Die Verhüllung des Gesichts bei der Ausübung des Dienstes oder bei einer Tätigkeit mit unmittelbarem Dienstbezug ist stets unzulässig, es sei denn, dienstliche oder gesundheitliche Gründe erfordern dies.

Tatbestand

1

Das Verfahren betrifft die disziplinarrechtliche Ahndung eines von einem Feuerwehrbeamten innerdienstlich begangenen Diebstahls.

2

Der 1962 geborene Beklagte steht als Brandmeister im Dienst der Klägerin und wurde von der Klägerin wegen seiner Ausbildung zum Rettungsassistenten auch im Rettungsdienst eingesetzt. Der Beklagte ist 2003 wegen Urkundenfälschung in Tateinheit mit Betrug sowie 2005 wegen Entziehung elektrischer Energie zu Geldstrafen verurteilt worden.

3

Wegen des Vorfalls, der den Gegenstand des Disziplinarverfahrens bildet, wurde der Beklagte wegen Diebstahls zu einer Freiheitsstrafe von neun Monaten verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Der Beklagte hatte im Jahr 2006 einem stark alkoholisierten und bewusstlosen Patienten während der Fahrt im Rettungswagen einen 50 €-Schein entwendet, um diesen für sich zu behalten. Vom Fahrer des Rettungswagens, der ihn bei der Tat be-obachtet hatte, zur Rede gestellt, schlug der Beklagte zunächst vor, den Geldschein als Trinkgeld in die Gemeinschaftskasse zu geben. Der Fahrer bestand jedoch auf der Rückgabe des Geldes an den Patienten. Bei der Aushändigung des Geldscheins an einen Pfleger des Krankenhauses gab der Beklagte an, der Patient habe das Geld im Rettungswagen verloren. Noch während der Bewährungszeit dieser strafgerichtlichen Verurteilung und des laufenden Disziplinarverfahrens wurde der Beklagte wegen Diebstahls einer geringwertigen Sache zu einer weiteren Freiheitsstrafe verurteilt, die auch vollstreckt wurde.

4

Im Disziplinarverfahren hat das Verwaltungsgericht den Beklagten aus dem Dienst entfernt. Das Oberverwaltungsgericht hat die Berufung des Beklagten zurückgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt:

5

Bei Gesamtwürdigung aller für und gegen den Beklagten sprechenden Umstände und seines Persönlichkeitsbildes sei der Beklagte aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen, weil er das Vertrauen der Klägerin und auch der Allgemeinheit unwiederbringlich verloren habe. Mit dem Diebstahl im Rettungswagen habe der Beklagte ein einem Zugriffsdelikt zu Lasten des Dienstherrn gleichzustellendes Dienstvergehen begangen. Das dem Patienten entwendete Geld sei dem Beklagten im Rahmen seiner dienstlichen Tätigkeit zugänglich gewesen. Auf den Milderungsgrund der Geringwertigkeit der entwendeten Sache könne sich der Beklagte nicht berufen, weil durch das Dienstvergehen weitere wichtige Interessen verletzt seien und die konkreten Umstände der Tatbegehung ihn zusätzlich belasteten. Andere anerkannte Milderungsgründe kämen ebenfalls nicht in Betracht. Es habe sich nicht um eine unbedachte persönlichkeitsfremde Augenblickstat in einer besonderen Versuchungssituation gehandelt. Die sonstigen Verurteilungen des Beklagten zeigten, dass ihm der Zugriff auf fremdes Vermögen und Eigentum keineswegs persönlichkeitsfremd sei.

6

Hiergegen wendet sich die Revision des Beklagten, mit der er beantragt,

die Urteile des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 27. März 2013 und des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 2. September 2009 aufzuheben und die Disziplinarklage abzuweisen,

hilfsweise auf eine unterhalb der Entfernung aus dem Beamtenverhältnis liegende Disziplinarmaßnahme zu erkennen.

7

Die Klägerin beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

8

Die Revision des Beklagten ist unbegründet. Das Urteil des Oberverwaltungsgerichts verletzt weder Bundes- (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO) noch revisibles Landesbeamtenrecht (§ 191 Abs. 2 VwGO, §§ 13, 59, 65 und 67 Satz 1 LDG NW i.V.m. § 127 Nr. 2 BRRG und § 63 Abs. 3 Satz 2 BeamtStG). Die Wertung, der Beklagte sei bei Gesamtwürdigung aller für und gegen ihn sprechenden Umstände und seines Persönlichkeitsbildes aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen, weil er durch den innerdienstlich begangenen Diebstahl das Vertrauen der Klägerin und auch der Allgemeinheit im Sinne von § 13 Abs. 3 des Disziplinargesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen vom 16. November 2004 (- LDG NW -, GV. NRW S. 624), zuletzt geändert durch Art. 6 des Gesetzes vom 2. Oktober 2014 (GV. NRW S. 622), endgültig verloren habe, ist nicht zu beanstanden. Die Revision ist daher zurückzuweisen (§ 67 Satz 1 LDG NW i.V.m. § 144 Abs. 2 VwGO).

9

Der Beklagte hat ein innerdienstliches Dienstvergehen begangen (1.). Die grundsätzliche Zuordnung des Dienstvergehens nach seiner Schwere zu einer der Disziplinarmaßnahmen nach § 5 Abs. 1 LDG NW richtet sich nach dem gesetzlich bestimmten Strafrahmen (2.a). Da der Beklagte die ausweglose Lage des Patienten ausgenutzt hat, ist hier die volle Ausschöpfung des in Anlehnung an die abstrakte Strafandrohung gebildeten Orientierungsrahmens geboten (2.b). Die in der Rechtsprechung entwickelten "anerkannten" Milderungsgründe kommen dem Beklagten nicht zugute (2.c und d). Die Gesamtwürdigung aller be- und entlastenden Umstände ergibt, dass der Beklagte wegen des endgültigen Verlusts des Vertrauens des Dienstherrn und der Allgemeinheit aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen ist (2.e).

10

1. Nach den gemäß § 67 Satz 1 LDG NW i.V.m. § 137 Abs. 2 VwGO bindenden tatsächlichen Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts hat sich der Beklagte eines Diebstahls schuldig gemacht. Der Beklagte hat dadurch schuldhaft seine Pflichten verletzt und damit ein Dienstvergehen begangen (§ 83 Abs. 1 Satz 1 LBG NW in der Fassung der Bekanntmachung vom 1. Mai 1981, GV. NRW S. 234 - LBG NW a.F. -). Er hat gegen die ihm obliegende Dienstpflicht verstoßen, sein Amt uneigennützig nach bestem Wissen zu verwalten (§ 57 Satz 2 LBG NW a.F.). Zugleich hat er die ihm obliegende Pflicht zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten vorsätzlich und schuldhaft verletzt (§ 57 Satz 3 LBG NW a.F.).

11

Dieses Dienstvergehen hat der Beklagte innerdienstlich begangen, weil sein pflichtwidriges Verhalten in sein Amt und in seine dienstlichen Pflichten eingebunden war (BVerwG, Urteile vom 19. August 2010 - 2 C 5.10 - Buchholz 235.2 LDisziplinarG Nr. 12 Rn. 9 und vom 18. Juni 2015 - 2 C 9.14 - NVwZ 2015, 1680 Rn. 10).

12

2. Nach § 13 Abs. 2 LDG NW und den dieser Vorschrift inhaltlich entsprechenden Bemessungsregelungen der Disziplinargesetze des Bundes und der anderen Länder ist die Entscheidung über die Disziplinarmaßnahme nach der Schwere des Dienstvergehens und unter angemessener Berücksichtigung des Persönlichkeitsbildes des Beamten sowie des Umfangs der Beeinträchtigung des Vertrauens des Dienstherrn oder der Allgemeinheit zu treffen. Das Gewicht der Pflichtverletzung ist danach Ausgangspunkt und richtungsweisendes Bemessungskriterium für die Bestimmung der erforderlichen Disziplinarmaßnahme (BVerwG, Urteil vom 29. Oktober 2013 - 1 D 1.12 - BVerwGE 148, 192 Rn. 39 f.). Dies beruht auf dem Schuldprinzip und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, die auch im Disziplinarverfahren Anwendung finden (BVerfG, Kammerbeschluss vom 8. Dezember 2004 - 2 BvR 52/02 - BVerfGK 4, 243 <257>). Die gegen den Beamten ausgesprochene Disziplinarmaßnahme muss unter Berücksichtigung aller be- und entlastenden Umstände des Einzelfalls in einem gerechten Verhältnis zur Schwere des Dienstvergehens und zum Verschulden des Beamten stehen (BVerwG, Urteil vom 20. Oktober 2005 - 2 C 12.04 - BVerwGE 124, 252 <258 f.>).

13

Die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis als disziplinarrechtliche Höchstmaßnahme ist nur zulässig, wenn der Beamte wegen der schuldhaften Verletzung einer ihm obliegenden Pflicht das für die Ausübung seines Amtes erforderliche Vertrauen endgültig verloren hat (§ 13 Abs. 3 Satz 1 LDG NW). Das Beamtenverhältnis wird auf Lebenszeit begründet und kann vom Dienstherrn nicht einseitig aufgelöst werden. Pflichtverletzungen des Beamten machen daher Reaktions- und Einwirkungsmöglichkeiten des Dienstherrn erforderlich. Das Disziplinarrecht stellt hierfür Maßnahmen zur Verfügung, um den Beamten im Falle des Dienstvergehens zur Pflichterfüllung anzuhalten oder ihn aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen, wenn das notwendige Vertrauen endgültig verloren ist. Nur so können die Integrität des Berufsbeamtentums und das Vertrauen in die ordnungsgemäße Aufgabenwahrnehmung der Beamten aufrechterhalten werden (BVerwG, Urteile vom 23. Januar 1973 - 1 D 25.72 - BVerwGE 46, 64 <66 f.>, vom 25. Juli 2013 - 2 C 63.11 - BVerwGE 147, 229 Rn. 21 und vom 27. Februar 2014 - 2 C 1.13 - BVerwGE 149, 117 Rn. 16 f.). Ist die Weiterverwendung eines Beamten wegen eines von ihm begangenen schweren Dienstvergehens nicht mehr denkbar, muss er durch eine Disziplinarmaßnahme aus dem Beamtenverhältnis entfernt werden.

14

Schwerwiegende Vorsatzstraftaten bewirken generell einen Vertrauensverlust, der unabhängig vom jeweiligen Amt zu einer Untragbarkeit der Weiterverwendung als Beamter führt.

15

Nach § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BeamtStG hat die Verurteilung wegen einer vorsätzlichen Tat zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr zwingend den Verlust der Beamtenrechte zur Folge. Aus der Intensität der verhängten Strafe hat der Gesetzgeber unwiderleglich auf das Ausmaß der Vertrauensbeeinträchtigung geschlossen (vgl. zur Berücksichtigung der Höhe der gegen den Beamten verhängten Strafe auch BVerwG, Urteil vom 18. Juni 2015 - 2 C 9.14 - NVwZ 2015, 1680 Rn. 37). Umgekehrt vermag ein außerdienstliches Verhalten, das keinen Straftatbestand erfüllt, die Höchstmaßnahme regelmäßig nicht zu rechtfertigen (BVerfG, Kammerbeschlüsse vom 14. Juni 2000 - 2 BvR 993/94 - ZBR 2001, 208 <209 f.> und vom 8. Dezember 2004 - 2 BvR 52/02 - BVerfGK 4, 243 <257 f.>).

16

a) Da die Schwere des Dienstvergehens nach § 13 Abs. 2 Satz 1 LDG NW maßgebendes Bemessungskriterium für die Bestimmung der erforderlichen Disziplinarmaßnahme ist, muss das festgestellte Dienstvergehen nach seiner Schwere einer der im Katalog des § 5 Abs. 1 LDG NW aufgeführten Disziplinarmaßnahme zugeordnet werden. Bei der Auslegung des Begriffs "Schwere des Dienstvergehens" ist maßgebend auf das Eigengewicht der Verfehlung abzustellen. Hierfür können bestimmend sein objektive Handlungsmerkmale (insbesondere Eigenart und Bedeutung der Dienstpflichtverletzung, z.B. Kern- oder Nebenpflichtverletzung, sowie besondere Umstände der Tatbegehung, z.B. Häufigkeit und Dauer eines wiederholten Fehlverhaltens), subjektive Handlungsmerkmale (insbesondere Form und Gewicht der Schuld des Beamten, Beweggründe für sein Verhalten) sowie unmittelbare Folgen des Dienstvergehens für den dienstlichen Bereich und für Dritte (BVerwG, Urteil vom 20. Oktober 2005 - 2 C 12.04 - BVerwGE 124, 252 <259>).

17

aa) Zur Bestimmung des Ausmaßes des Vertrauensschadens, der durch eine vom Beamten vorsätzlich begangene Straftat hervorgerufen worden ist, hat der Senat zunächst bei außerdienstlichen Dienstvergehen auf den Strafrahmen zurückgegriffen. Mit der Strafandrohung hat der Gesetzgeber seine Einschätzung zum Unwert eines Verhaltens verbindlich zum Ausdruck gebracht. Die Orientierung des Umfangs des Vertrauensverlustes am gesetzlichen Strafrahmen gewährleistet eine nachvollziehbare und gleichmäßige disziplinarische Ahndung von außerdienstlich begangenen Straftaten. Mit der Anknüpfung an die (im Tatzeitpunkt geltende) Strafandrohung wird zugleich verhindert, dass die Disziplinargerichte ihre jeweils eigene Einschätzung des Unwertgehalts eines Delikts an die Stelle der Bewertung des Gesetzgebers setzen (BVerwG, Urteile vom 19. August 2010 - 2 C 5.10 - Buchholz 235.2 LDisziplinarG Nr. 12 Rn. 22, - 2 C 13.10 - Buchholz 235.1 § 13 BDG Nr. 12 Rn. 25 und vom 18. Juni 2015 - 2 C 9.14 - NVwZ 2015, 1680 Rn. 31). Nicht die Vorstellung des jeweiligen Disziplinargerichts, sondern die Einschätzung des Parlaments bestimmt, welche Straftaten als besonders verwerflich anzusehen sind.

18

Hiervon ausgehend hat der Senat für die disziplinarrechtliche Ahndung des außerdienstlichen Besitzes kinderpornographischer Schriften aus dem von April 2004 bis Januar 2015 geltenden Strafrahmen des § 184b Abs. 4 StGB in der Fassung des Gesetzes vom 27. Dezember 2003 (BGBl. I S. 3007) von bis zu zwei Jahren Freiheitsstrafe geschlossen, dass für die Maßnahmebemessung grundsätzlich auf einen Orientierungsrahmen bis zur Zurückstufung abzustellen ist. Weist ein Dienstvergehen indes, wie bei einem Lehrer oder einem Polizeibeamten, hinreichenden Bezug zum Amt des Beamten auf, reicht der Orientierungsrahmen für die mögliche Disziplinarmaßnahme auch für mittelschwere Straftaten, für die eine Strafandrohung von Freiheitsstrafen bis zu zwei Jahren gilt, bis zur Entfernung aus dem Beamtenverhältnis (BVerwG, Urteile vom 19. August 2010 - 2 C 5.10 - Buchholz 235.2 LDisziplinarG Nr. 12 Rn. 24 und vom 18. Juni 2015 - 2 C 9.14 - NVwZ 2015, 1680 Rn. 33; Beschlüsse vom 25. Mai 2012 - 2 B 133.11 - NVwZ-RR 2012, 607 Rn. 9 ff. und vom 23. Januar 2014 - 2 B 52.13 - juris Rn. 8).

19

bb) Die Ausrichtung der grundsätzlichen Zuordnung eines Dienstvergehens zu einer der Disziplinarmaßnahmen im Sinne von § 5 Abs. 1 LDG NW am gesetzlich bestimmten Strafrahmen ist auch bei innerdienstlich begangenen Dienstvergehen geboten. Auch bei diesen Dienstvergehen gewährleistet die Orientierung des Umfangs des Vertrauensverlustes am gesetzlichen Strafrahmen eine nachvollziehbare und gleichmäßige disziplinarische Ahndung der Dienstvergehen. Auf die bisher in der Praxis des Senats maßgebliche Einstufung eines Dienstvergehens als Zugriffsdelikt zu Lasten des Dienstherrn oder einem diesem gleichgestellten Delikt, für das die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis grundsätzlich Richtschnur für die Maßnahmebestimmung sein soll, wenn die veruntreuten Beträge oder Werte insgesamt die Schwelle der Geringwertigkeit deutlich übersteigen, kommt es nicht an. Diese Rechtsprechung (z.B. BVerwG, Urteile vom 20. Oktober 2005 - 2 C 12.04 - BVerwGE 124, 252 <260 ff.>, vom 3. Mai 2007 - 2 C 9.06 - Buchholz 235.1 § 13 BDG Nr. 3 Rn. 20 f., vom 23. Februar 2012 - 2 C 38.10 - NVwZ-RR 2012, 479 Rn. 12 und vom 25. Juli 2013 - 2 C 63. 11 - BVerwGE 147, 229 Rn. 15) gibt der Senat auf.

20

Die Strafgerichte haben den Beklagten wegen des zum Nachteil des bewusstlosen Patienten begangenen besonders schweren Falls des Diebstahls nach § 243 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 StGB bestraft, weil der Beklagte beim Diebstahl die Hilflosigkeit des Patienten ausgenutzt hat. Nach § 243 Abs. 1 Satz 1 StGB reicht der Strafrahmen von drei Monaten Freiheitsstrafe bis zu zehn Jahren. Begeht ein Beamter innerdienstlich unter Ausnutzung seiner Dienststellung eine Straftat, für die das Strafgesetz als Strafrahmen eine Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren - hier sind es bis zu zehn Jahre - vorsieht, reicht der Orientierungsrahmen für die mögliche Disziplinarmaßnahme bis zur Entfernung aus dem Beamtenverhältnis.

21

b) Die in Ausfüllung dieses Rahmens zu treffende Bemessungsentscheidung nach Maßgabe des § 13 LDG NW führt zur Entfernung des Beklagten aus dem Beamtenverhältnis, weil er durch sein Dienstvergehen das Vertrauen der Klägerin und auch der Allgemeinheit endgültig verloren hat (§ 13 Abs. 3 Satz 1 LDG NW). Die vom Oberverwaltungsgericht getroffene Entscheidung ist deshalb nicht zu beanstanden.

22

Gemäß § 13 Abs. 1 und 2 LDG NW ergeht die Entscheidung über eine Disziplinarmaßnahme nach pflichtgemäßem Ermessen unter Berücksichtigung der Schwere des Dienstvergehens, des Persönlichkeitsbildes des Beamten und der Beeinträchtigung des Vertrauens des Dienstherrn oder der Allgemeinheit. Eine objektive und ausgewogene Zumessungsentscheidung setzt voraus, dass diese Bemessungskriterien mit dem ihnen im Einzelfall zukommenden Gewicht ermittelt und in die Entscheidung eingestellt werden. Die gegen den Beamten ausgesprochene Disziplinarmaßnahme muss unter Berücksichtigung aller be- und entlastenden Umstände des Einzelfalls in einem gerechten Verhältnis zur Schwere des Dienstvergehens und zum Verschulden des Beamten stehen. Dies beruht auf dem Schuldprinzip und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, die auch im Disziplinarverfahren Anwendung finden (stRspr, vgl. BVerwG, Urteile vom 20. Oktober 2005 - 2 C 12.04 - BVerwGE 124, 252 <258 f.> sowie zuletzt vom 18. Juni 2015 - 2 C 9.14 - NVwZ 2015, 1680 Rn. 35). Bei der Ausübung des den Gerichten nach § 13 Abs. 1 LDG NW eröffneten Ermessens, bei dem sie nicht an die Wertungen des Dienstherrn gebunden sind (§ 59 Abs. 2 Satz 2 LDG NW), ist jede Schematisierung zu vermeiden (BVerwG, Urteile vom 20. Oktober 2005 - 2 C 12.04 - BVerwGE 124, 252 <261> und vom 18. Juni 2015 - 2 C 9.14 - NVwZ 2015, 1680 Rn. 36).

23

Die volle Ausschöpfung des in Anlehnung an die abstrakte Strafandrohung gebildeten Orientierungsrahmens ist hier wegen der konkreten Umstände des Dienstvergehens geboten. Der Beklagte hat die schutzlose Lage des verletzten und bewusstlosen Opfers, das ihm im Inneren des Rettungswagens ausgeliefert und dessen Schutz ihm als dienstliche Verpflichtung auferlegt war, zum Diebstahl ausgenutzt. Da eine vollständige Kontrolle der Bediensteten aufgrund der Einsatzumstände ausgeschlossen ist, verlangt die Funktionsfähigkeit der öffentlichen Verwaltung, deren Schutz Aufgabe der Disziplinarbefugnis ist, gerade im Bereich des Feuerwehr- und Rettungsdienstes, dass sich der Dienstherr und die Öffentlichkeit auf die Ehrlichkeit und Gesetzestreue der dort eingesetzten Beamten unbedingt verlassen können. Die Allgemeinheit muss darauf vertrauen können, dass Beamte im Feuerwehr- und Rettungsdienst das Eigentum sowie die sonstigen Rechte der Opfer achten und schützen und nicht deren Hilflosigkeit und die eigene Zugriffsmöglichkeit zu Eigentumsdelikten ausnutzen.

24

Bei der Einordnung des Dienstvergehens des Beklagten in den bis hin zur Dienstentfernung eröffneten Orientierungsrahmen ist auch die von den Strafgerichten ausgesprochene, erhebliche Freiheitsstrafe von neun Monaten zu berücksichtigen. Ungeachtet der unterschiedlichen Zwecke von Straf- und Disziplinarrecht kann bei der disziplinarrechtlichen Ahndung eines Dienstvergehens indiziell auch an die von den Strafgerichten ausgesprochenen Sanktionen angeknüpft werden (BVerwG, Urteil vom 18. Juni 2015 - 2 C 9.14 - NVwZ 2015, 1680 Rn. 38 f. m.w.N.).

25

c) Der in der Rechtsprechung entwickelte, "anerkannte" Milderungsgrund der Geringwertigkeit der Sache kommt dem Beklagten nicht zugute.

26

Ausgehend von der Rechtsprechung der Strafgerichte zu § 248a StGB ist die Grenze zur Geringwertigkeit bei etwa 50 € anzusetzen (BVerwG, Urteile vom 13. Dezember 2012 - 2 WD 29.11 - BVerwGE 145, 269 Rn. 82 und vom 25. Juli 2013 - 2 C 63.11 - BVerwGE 147, 229 Rn. 16).

27

Der "anerkannte" Milderungsgrund der Geringwertigkeit der Sache ist hier aber ausgeschlossen, weil der Beklagte durch die konkrete Tatausführung und sein sonstiges Verhalten zusätzlich belastet wird (BVerwG, Urteile vom 24. November 1992 - 1 D 66.91 - BVerwGE 93, 314 <318> und vom 11. Juni 2002 - 1 D 31.01 - BVerwGE 116, 308 <311>).

28

Tragend für diesen Milderungsgrund ist die Erwägung, bei einem Zugriff auf geringere Werte bestünden noch Persönlichkeitselemente, die den betroffenen Beamten noch tragbar und die Fortführung des Beamtenverhältnisses noch möglich erscheinen lassen. Dies ist insbesondere die Annahme, beim Beamten bestehe beim Zugriff auf höhere Werte noch eine Hemmschwelle und beim Zugriff auf lediglich geringwertige Sachen sei sein Unrechtsbewusstsein vermindert (BVerwG, Urteil vom 24. November 1992 - 1 D 66.91 - BVerwGE 93, 314 <318>).

29

Im Streitfall wird das Unrechtsbewusstsein des Beklagten jedoch nicht durch den Wert der entwendeten Sache bestimmt, sondern durch die äußeren Umstände der Tatbegehung. Der Beklagte hat eine Person bestohlen, deren Schutz ihm als dienstliche Verpflichtung auferlegt war. Er hat den Umstand, dass der geschädigte Patient ihm wegen seiner Verletzung und seiner Bewusstlosigkeit ausgeliefert war, zum Diebstahl ausgenutzt.

30

Zudem liegt hier ein erschwerender Umstand vor, der die weitere Vertrauenswürdigkeit des Beklagten trotz der objektiven Geringwertigkeit der entwendeten Sache ausschließt (BVerwG, Urteile vom 24. November 1992 - 1 D 66.91 - BVerwGE 93, 314 <318> und vom 11. Juni 2002 - 1 D 31.01 - BVerwGE 116, 308 <311>). Der Beklagte ist im Vorfeld des Dienstvergehens bereits zweimal wegen Eigentums- und Vermögensdelikten nachteilig in Erscheinung getreten und hat sich diese Verurteilungen nicht zur Warnung dienen lassen. Im November 2010 ist der Beklagte zudem noch wegen eines während seiner Bewährungszeit begangenen Diebstahls einer geringwertigen Sache zu einer Freiheitsstrafe verurteilt worden, die auch vollstreckt wurde.

31

d) Auch andere in der Rechtsprechung "anerkannte" (klassische) Milderungsgründe, die typisierend Beweggründe oder Verhaltensweisen des betroffenen Beamten erfassen, die regelmäßig Anlass für eine noch positive Persönlichkeitsprognose geben, greifen nicht zu Gunsten des Beklagten ein.

32

Die Annahme, das Verhalten des Beklagten stelle sich als unbedachte persönlichkeitsfremde Augenblickstat in einer besonderen Versuchungssituation dar (BVerwG, Urteil vom 24. Februar 1999 - 1 D 31.98 - juris Rn. 19 m.w.N.), ist hier ausgeschlossen. Das Verhalten des Beklagten kann nicht als spontan, kopflos oder unüberlegt bewertet werden. Die Kontrolle der Wertgegenstände eines durch Rettungskräfte versorgten Patienten gehört zu deren Routine. Das Rettungspersonal muss regelmäßig die zu versorgende Person durchsuchen, etwa um die Krankenversicherungskarte zu finden. Auch bei der Rückgabe des Geldes hat der Beklagte durch die Behauptung, das Opfer habe den Geldschein im Rettungswagen verloren, seine Straftat zu verschleiern versucht.

33

Der Milderungsgrund der freiwilligen Offenbarung des Fehlverhaltens oder der Wiedergutmachung des Schadens vor Tatentdeckung durch einen bisher unbescholtenen Beamten (BVerwG, Urteil vom 7. Februar 2001 - 1 D 69.99 - Buchholz 232 § 54 Satz 2 BBG Nr. 25 S. 14 m.w.N.) scheidet ebenfalls aus. Zum einen ist der Beklagte wegen seiner vorangegangenen Eigentums- und Vermögensdelikte nicht unbescholten. Zum anderen erweist sich die Übergabe des gestohlenen 50 €-Scheins an den Pfleger im Krankenhaus allein als Folge der hartnäckigen Vorhaltungen und Ermahnungen des Fahrers des Rettungswagens.

34

Der Milderungsgrund der unverschuldeten ausweglosen wirtschaftlichen Notlage kommt nicht zur Anwendung, weil der Beklagte den Diebstahl nach den tatsächlichen Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts nicht aus Armutsgründen begangen hat. Dieser "anerkannte" Milderungsgrund setzt aber voraus, dass der Beamte Gelder oder Güter zur Minderung oder Abwendung einer existenzbedrohenden Notlage verwendet hat (BVerwG, Urteil vom 25. August 2009 - 1 D 1.08 - Buchholz 232.0 § 77 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 74).

35

Die Annahme der erheblich verminderten Schuldfähigkeit im Sinne des § 21 StGB ist aufgrund der das Revisionsgericht nach § 67 Satz 1 LDG NW i.V.m. § 137 Abs. 2 VwGO bindenden tatsächlichen Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts ausgeschlossen.

36

Schließlich kommt auch der "anerkannte" Milderungsgrund der "Entgleisung während einer negativen, inzwischen überwundenen Lebensphase" dem Beklagten nach den tatsächlichen Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts nicht zugute. Dieser setzt außergewöhnlich belastende Umstände voraus, die für die Begehung der konkreten Tat ursächlich geworden, inzwischen aber überwunden sind (BVerwG, Urteile vom 18. April 1979 - 1 D 39.78 - BVerwGE 63, 219 <220> und vom 3. Mai 2007 - 2 C 9.06 - Buchholz 230.1 § 13 BDG Nr. 3 Rn. 36). Zum Zeitpunkt der Tat war der Beklagte nicht "vorübergehend aus der Bahn geworfen". Seine Arbeitsleistung war nicht eingeschränkt, er nahm keine Medikamente ein und konnte seine dienstlichen Pflichten im Rettungsdienst uneingeschränkt erfüllen. Nach der eigenen Einschätzung des Beklagten handelte es sich bei dem konkreten Einsatz um einen Routinefall. Auch die Debatte des Beklagten mit dem Fahrer des Rettungswagens, wie mit dem gestohlenen Geld zu verfahren sei, belegt, dass der Beklagte zum Zeitpunkt der Tat mit Bedacht handeln konnte. Auch litt der Beklagte zum Zeitpunkt der Tat nicht unter einem akuten finanziellen Engpass, den er durch den Diebstahl hätte überwinden können. Zum Zeitpunkt der Tat war der Beklagte nicht alkoholabhängig und hatte den Dienst auch nicht alkoholisiert angetreten.

37

e) § 13 Abs. 2 LDG NW sowie das im Disziplinarverfahren geltende Schuldprinzip und der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verlangen, dass - über die in der Rechtsprechung entwickelten "anerkannten" Milderungsgründe hinaus - bei der Bemessung der Disziplinarmaßnahme sämtliche be- und entlastenden Gesichtspunkte ermittelt und vom Gericht bei seiner Entscheidung berücksichtigt werden (stRspr, BVerwG, Urteile vom 20. Oktober 2005 - 2 C 12.04 - BVerwGE 124, 252 <261 ff.>, vom 23. Februar 2012 - 2 C 38.10 - NVwZ-RR 2012, 479 Rn. 14 ff. und vom 18. Juni 2015 - 2 C 9.14 - NVwZ 2015, 1680 Rn. 25).

38

Die Gesamtwürdigung aller relevanten Umstände ergibt, dass der Beklagte aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen ist, weil er durch das Dienstvergehen das Vertrauen der Klägerin und der Allgemeinheit endgültig verloren hat (§ 13 Abs. 3 Satz 1 LDG NW).

39

Die Strafgerichte haben die Tat mit einer Freiheitsstrafe geahndet, die sich der Beendigung des Beamtenverhältnisses allein wegen einer strafgerichtlichen Verurteilung annähert (§ 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BeamtStG). Feuerwehrbeamte, die zur Brandbekämpfung oder im Rettungsdienst eingesetzt werden, genießen wegen der von ihnen bekämpften Gefahren und Schäden sowie der häufigen Selbstlosigkeit ihres Einsatzes eine besondere Vertrauensstellung. Diese wird durch einen Diebstahl zerstört, bei dem der Beamte die Eigenarten des Einsatzes, hier die alleinige Betreuung des Patienten während der Fahrt zum Krankenhaus, sowie dessen Hilflosigkeit ausnutzt. Die Rückgabe des Geldes beruhte nicht auf der eigenen Einsicht des Beklagten, Unrecht begangen zu haben, sondern auf dem Druck des Kollegen, der den Beklagten beim Diebstahl beobachtet und zur Rückgabe des Geldes gedrängt hatte. Bei der Rückgabe des Geldscheins versuchte der Beklagte noch seine Straftat zu verschleiern. Zum Zeitpunkt der Tat war der Beklagte für seinen verantwortlichen Dienst als Rettungsassistent voll einsatzfähig. Er war auch in der Lage, seinen Alkoholkonsum zu steuern. Die vorhergehenden strafgerichtlichen Verurteilungen wegen Eigentums- und Vermögensdelikten hat sich der Beklagte nicht zur Warnung gereichen lassen. Die Disziplinarklage mit dem Ziel, den Beklagten aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen, hat die Klägerin bereits im März 2007 erhoben. Ungeachtet dieser drohenden Folge des Disziplinarverfahrens hat der Beklagte im Juli 2010 einen weiteren Diebstahl begangen. Damit hat er dokumentiert, dass er fremdes Eigentum nicht zu respektieren bereit ist. Als Feuerwehrmann wäre der Beklagte beim Einsatz im Bereich der Brandbekämpfung oder des Rettungsdienstes aber immer wieder mit dem Eigentum Dritter befasst, die sich regelmäßig in einer hilflosen Lage befinden und deshalb den Rettungskräften faktisch ausgeliefert sind.

40

3. Der Senat weist darauf hin, dass der Beklagte durch die Aufgabe der Regeleinstufung bei einem innerdienstlich begangenen Dienstvergehen (oben Rn. 19) nicht benachteiligt wird. Denn auch auf der Grundlage der bisherigen Rechtsprechung wäre die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis Richtschnur für die Bemessungsentscheidung gewesen und wäre der "anerkannte" Milderungsgrund der Geringwertigkeit der Sache nicht zur Anwendung gekommen:

41

Der Beklagte hat nicht auf finanzielle Mittel des Dienstherrn, sondern auf Vermögenswerte eines Dritten zugegriffen, die ihm aufgrund seiner dienstlichen Tätigkeit zugänglich waren. Dieses Dienstvergehen wäre nach der bisherigen gerichtlichen Praxis einem Zugriffsdelikt zum Nachteil des Dienstherrn gleichzustellen gewesen, weil der Beklagte im Kernbereich der ihm obliegenden Dienstpflichten versagt hat (BVerwG, Urteile vom 23. Februar 2012 - 2 C 38.10 - NVwZ-RR 2012, 479 Rn. 16 und vom 25. Juli 2013 - 2 C 63.11 - BVerwGE 147, 229 Rn. 15 m.w.N.).

42

Der Umstand, dass der Beklagte durch den Diebstahl auf das Eigentum einer hilflosen Person zugegriffen hat, die zu schützen ihm dienstlich oblag, wäre nach Maßgabe des § 13 LDG NW auch bei der Prüfung des anerkannte Milderungsgrundes der Geringwertigkeit der Sache zu berücksichtigen gewesen. Der Beklagte hat die hilflose Lage einer ihm anvertrauten Person ausgenutzt. Durch diese konkrete Tatausführung wird der Beklagte zusätzlich belastet, so dass der Umstand, dass er nur eine geringwertige Sache gestohlen hat, zurücktritt. Zudem ist der Beklagte mehrfach wegen Eigentums- und Vermögensdelikten verurteilt worden und hat sich diese nicht zur Warnung gereichen lassen (BVerwG, Urteile vom 24. November 1992 - 1 D 66.91 - BVerwGE 93, 314 <318> und vom 11. Juni 2002 - 1 D 31.01 - BVerwGE 116, 308 <311>).

43

4. Anlass, die gesetzliche Laufzeit des Unterhaltsbeitrages (§ 10 Abs. 3 Satz 1 LDG NW) abzuändern, besteht nicht.

44

5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 74 Abs. 1 LDG NW i.V.m. § 154 Abs. 2 VwGO.

Gründe

1

Die auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache sowie auf einen Verfahrensfehler (§ 67 Satz 1 LDG NW und § 132 Abs. 2 Nr. 1 und 3 VwGO) gestützte Beschwerde des Beklagten ist unbegründet.

2

1. Der 1967 geborene, ledige Beklagte steht als Justizvollzugshauptsekretär im Dienst des Klägers. Wegen des Sachverhalts, der den Gegenstand des gerichtlichen Disziplinarverfahrens bildet, wurde der Beklagte wegen Geheimnisverrats (§ 353b StGB) in zwei Fällen zu einer Gesamtgeldstrafe von 75 Tagessätzen verurteilt. In zwei Fällen hatte der Beklagte einem ihm bekannten Mitglied eines Motorradclubs Informationen über ein in der Justizvollzugsanstalt inhaftiertes Mitglied dieses Motorradclubs, der wegen des Vorwurfs des Mordes an einem Mitglied eines konkurrierenden Motorradclubs vor Gericht stand, übermittelt. Der Beklagte hatte angegeben, auf welche Weise der Transport des inhaftierten Mitglieds zum Strafgericht gesichert und wie dieser Untersuchungshäftling in der Justizvollzugsanstalt untergebracht war. Gegenstand des gerichtlichen Disziplinarverfahrens ist neben dem strafgerichtlich abgeurteilten Geheimnisverrat noch der Umstand, dass sich der Beklagte bereit erklärt hatte, für zwei inhaftierte Mitglieder des Motorradclubs bestimmte Gegenstände in die Justizvollzugsanstalt zu schmuggeln und den Mitgliedern zu übergeben. Das Verwaltungsgericht hat den Beklagten aus dem Beamtenverhältnis entfernt. Das Oberverwaltungsgericht hat die Berufung des Beklagten zurückgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt:

3

Der Beklagte habe die ihm obliegenden Dienstpflichten zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten, zur Amtsverschwiegenheit und zum Befolgen der allgemeinen Richtlinien seines Vorgesetzten verletzt. Bei Würdigung sämtlicher zu berücksichtigenden Umstände sei der Beklagte aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen, weil er durch das Dienstvergehen das Vertrauen des Dienstherrn und der Allgemeinheit endgültig verloren habe. Die schwerste Verfehlung, die strafbare Verletzung der Pflicht zur Amtsverschwiegenheit, wiege so schwer, dass die Entfernung des Beklagten aus dem Beamtenverhältnis indiziert sei. Zu den beiden Fällen der unbefugten Offenbarung von Dienstgeheimnissen kämen weitere vorsätzliche Pflichtverletzungen hinzu. Erkenntnisse zum Persönlichkeitsbild des Beklagten und zum Umfang der Beeinträchtigung des Vertrauens fielen nicht derart ins Gewicht, dass eine andere als die durch die Schwere indizierte Maßnahme geboten sei.

4

2. Die Rechtssache hat nicht die grundsätzliche Bedeutung (§ 67 Satz 1 LDG NW und § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO), die ihr die Beschwerde des Beklagten beimisst.

5

Grundsätzliche Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine - vom Beschwerdeführer zu bezeichnende - grundsätzliche, bisher höchstrichterlich nicht beantwortete Rechtsfrage aufwirft, die im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder einer Weiterentwicklung des Rechts revisionsgerichtlicher Klärung bedarf und die für die Entscheidung des Revisionsgerichts erheblich sein wird (stRspr, BVerwG, Beschluss vom 2. Oktober 1961 - 8 B 78.61 - BVerwGE 13, 90 <91 f.>). Das ist hier nicht der Fall.

6

a) Die Beschwerde sieht die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache zunächst in der Frage,

"ob der Verstoß gegen die Pflicht zur Amtsverschwiegenheit als vom Oberverwaltungsgericht angenommene schwerste Verfehlung des Beamten, ohne weitere Wertung insbesondere für die Zukunft für sich allein schon die Annahme zu rechtfertigen vermag, dass einzig die Entfernung aus dem Dienst als schwerste Disziplinarmaßnahme geeignet und angemessen ist, um das Vergehen des Beamten zu ahnden".

7

Die so formulierte Frage vermag die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache nicht zu rechtfertigen, weil sie sich im angestrebten Revisionsverfahren nicht stellen würde und deshalb nicht beantwortet werden könnte.

8

Der Frage liegt die Vorstellung zugrunde, das Oberverwaltungsgericht sei davon ausgegangen, der Verstoß des Beklagten gegen die ihm obliegende Pflicht zur Amtsverschwiegenheit als der schwersten Verfehlung vermöge ohne weitere Wertung insbesondere für die Zukunft für sich allein schon die Annahme zu rechtfertigen, einzig seine Entfernung aus dem Beamtenverhältnis sei als schwerste Disziplinarmaßnahme zur Ahndung des Vergehens des Beamten geeignet und angemessen.

9

Diese Vorstellung entspricht tatsächlich weder der Systematik der Vorschrift des § 13 LDG NW (entspricht § 13 BDG) noch der Vorgehensweise des Oberverwaltungsgerichts im konkreten Fall, das sich an der ständigen Rechtsprechung des Senats (BVerwG, Urteile vom 20. Oktober 2005 - 2 C 12.04 - BVerwGE 124, 252 <258 ff.> und vom 3. Mai 2007 - 2 C 9.06 - Buchholz 235.1 § 13 BDG Nr. 3 S. 3 f.) zum Bedeutungsgehalt der Bestimmung des § 13 LDG NW orientiert hat. Die wörtlich verstandene Fragestellung unterscheidet nicht zwischen der Indizwirkung der Schwere des Dienstvergehens nach § 13 Abs. 2 Satz 1 LDG NW und der eigentlichen Bemessung der Disziplinarmaßnahme unter Würdigung aller be- und entlastenden Umstände des Einzelfalls.

10

Als maßgebendes Bemessungskriterium ist die Schwere des Dienstvergehens gemäß § 13 Abs. 2 Satz 1 LDG NW richtungweisend für die Bestimmung der erforderlichen Disziplinarmaßnahme. Davon ausgehend kommt es für die Bestimmung der Disziplinarmaßnahme darauf an, ob Erkenntnisse zum Persönlichkeitsbild und zum Umfang der Vertrauensbeeinträchtigung im Einzelfall derart ins Gewicht fallen, dass eine andere als die durch die Schwere des Dienstvergehens indizierte Disziplinarmaßnahme geboten ist. Dementsprechend hat die Schwere des Dienstvergehens lediglich eine Indizwirkung, sie bestimmt aber nicht "ohne weitere Wertung" die für die Ahndung des Dienstvergehens angemessene Disziplinarmaßnahme.

11

Sollte sich die Frage - entsprechend den einleitenden Ausführungen in der Beschwerdebegründung - tatsächlich nicht auf die endgültige Bemessung der Disziplinarmaßnahme, sondern lediglich auf die Einstufung der Schwere des Dienstvergehens i.S.v. § 13 Abs. 2 Satz 1 LDG NW und der grundsätzlichen Zuordnung zu einer bestimmten Disziplinarmaßnahme als Ausgangspunkt für die weiteren Erwägungen nach Maßgabe des § 13 Abs. 2 und 3 LDG NW beziehen, so könnte sie ebenfalls nicht zur Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache führen. Denn die so verstandene Frage beträfe die Würdigung des konkreten Einzelfalls, die einer grundsätzlichen Klärung nicht zugänglich ist.

12

b) Auch die weitere Frage,

"ob von einer vorsätzlichen Unterstützung einer kriminellen Vereinigung schon allein dann die Rede sein kann, wenn eine Person, mit welcher der Beamte seit der Kindheit und Jugend persönlich verbunden ist, etwas als persönlichen Gefallen vom Beamten erbittet, die ihrerseits einer kriminellen Vereinigung angehört",

führt nicht zur Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache. Denn auch sie betrifft lediglich die Würdigung der Umstände des konkreten Einzelfalls und wirft keine grundsätzliche Rechtsfrage auf.

13

c) Schließlich begründet auch die Frage,

"ob die Erwägungen des Strafgerichts zum Strafmaß - wie vom Oberverwaltungsgericht angenommen - für die Bemessung der Disziplinarmaßnahme tatsächlich unerheblich sind",

nicht die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache i.S.v. § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Das Oberverwaltungsgericht hat seiner Entscheidung die Rechtsprechung des Senats zur Bedeutung der Bewertung des Dienstvergehens durch die Strafgerichte für die disziplinarrechtliche Würdigung zugrunde gelegt (UA S. 25 f.). Insbesondere geht der Senat unverändert im Grundsatz davon aus, dass Straf- und Disziplinarrecht unterschiedliche Zwecke verfolgen (BVerwG, Urteil vom 18. Juni 2015 - 2 C 9.14 - BVerwGE 152, 228 Rn. 37). Das Strafrecht ist vom Vergeltungsprinzip mit dem Ziel der individuellen Sühne durch ein Unwerturteil über gemeinschaftswidriges Verhalten und strafrechtliche Sanktionen geprägt. Demgegenüber ist es ausschließlich Zweck des Disziplinarverfahrens, das Vertrauen in die Ehrlichkeit und Zuverlässigkeit der Beamten und damit die Funktionsfähigkeit des öffentlichen Dienstes sicherzustellen. Bei einer außerdienstlich begangenen Straftat kann zur Festlegung der Schwere des begangenen Dienstvergehens, die gemäß § 13 Abs. 2 Satz 1 LDG NW richtungweisend für die Bestimmung der erforderlichen Disziplinarmaßnahme ist, indiziell auf die vom Strafgericht konkret ausgesprochene Sanktion zurückgegriffen werden (BVerwG, Urteile vom 25. März 2010 - 2 C 83.08 - BVerwGE 136, 173 Rn. 21 und 26 und vom 18. Juni 2015 - 2 C 9.14 - BVerwGE 152, 228 Rn. 37). Ist von den Strafgerichten bei einem außerdienstlich begangenen Dienstvergehen lediglich auf eine Geldstrafe erkannt worden, kommt die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis nur ausnahmsweise und bei Vorliegen disziplinarrechtlich bedeutsamer Umstände in Betracht (BVerwG, Urteil vom 18. Juni 2015 - 2 C 9.14 - BVerwGE 152, 228 Rn. 38).

14

Dies gilt aber nur für außerdienstlich begangene Dienstvergehen, nicht aber für ein innerdienstliches Dienstvergehen, bei dem - wie hier - das pflichtwidrige Verhalten in das Amt des Beamten und in die damit verbundene dienstliche Tätigkeit eingebunden war. Bei diesem hat sich die grundsätzliche Zuordnung des Dienstvergehens zu einer der Disziplinarmaßnahmen im Sinne von § 5 Abs. 1 LDG NW zunächst ebenfalls am gesetzlich bestimmten Strafrahmen auszurichten, um durch die Orientierung des Umfangs des Vertrauensverlustes an dieser Vorgabe des Gesetzgebers eine nachvollziehbare und gleichmäßige disziplinarische Ahndung der Dienstvergehen zu gewährleisten (BVerwG, Urteil vom 10. Dezember 2015 - 2 C 6.14 - NVwZ 2016, 772 Rn. 19). Ein über die bisherige Rechtsprechung des Senats hinausgehender Klärungsbedarf wird in der Beschwerdebegründung nicht entsprechend § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO dargelegt.

15

Bei einem innerdienstlichen Dienstvergehen, bei dem der Beamte gerade nicht wie jeder andere Bürger, sondern in seiner dienstlichen Pflichtenstellung und damit als Garant einer unparteilichen und gesetzestreuen Verwaltung betroffen ist, kommt dem ausgeurteilten Strafmaß bei der Bestimmung der konkreten Disziplinarmaßnahme dagegen keine "indizielle" oder "präjudizielle" Bedeutung zu (stRspr, BVerwG, Urteil vom 8. März 2005 - 1 D 15.04 - Buchholz 232 § 77 BBG Nr. 24 S. 16).

16

Zu Recht weist die Beschwerde darauf hin, dass bei Straftaten im Amt das Strafgericht das sachnähere Gericht ist, um umfassende Erwägungen zur Strafzumessung zu treffen. Wie dargelegt, dient aber die disziplinarrechtliche Ahndung insbesondere eines innerdienstlichen Dienstvergehens nicht der strafrechtlichen Sanktionierung des Pflichtenverstoßes, sondern der Sicherstellung der Funktionsfähigkeit des öffentlichen Dienstes. Für diese muss sich das Disziplinargericht nicht an der - im Streitfall ohnehin nicht unerheblichen - Geldstrafe orientieren, sondern hat in der originär dienstrechtlichen Bemessungsentscheidung in Ausübung der ihm übertragenen Disziplinarbefugnis eigenständig und ohne präjudizielle Bindung an strafrechtliche Bemessungserwägungen zu entscheiden, ob der betroffene Beamte durch das innerdienstlich begangene Dienstvergehen das Vertrauen des Dienstherrn und der Allgemeinheit endgültig verloren hat und deshalb aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen ist.

17

3. Der vom Beklagten in der Beschwerdebegründung behauptete Verfahrensmangel (§ 67 Satz 1 LDG NW und § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) liegt nicht vor.

18

Die Beschwerde macht geltend, das Oberverwaltungsgericht habe den Anspruch des Beklagten auf rechtliches Gehör dadurch verletzt, dass es ihm in der mündlichen Verhandlung verschiedene Zeitungsberichte zur öffentlichen Wahrnehmung der Gruppe der "..." zur Kenntnis gebracht habe, ohne deren Relevanz für das Verfahren deutlich zu machen und ohne hierzu Fragen an den Beklagten zu richten. Dies trifft nicht zu.

19

Der Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs soll sicherstellen, dass ein Verfahrensbeteiligter Einfluss auf den Gang des gerichtlichen Verfahrens und dessen Ausgang nehmen kann. Zu diesem Zweck muss er Gelegenheit erhalten, sich zu allen tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkten zu äußern, die entscheidungserheblich sein können. Zwar korrespondiert mit diesem Äußerungsrecht keine umfassende Frage-, Aufklärungs- und Hinweispflicht des Gerichts. Vielmehr kann regelmäßig erwartet werden, dass die Beteiligten von sich aus erkennen, welche Gesichtspunkte Bedeutung für den Fortgang des Verfahrens und die abschließende Sachentscheidung des Gerichts erlangen können, und entsprechend vortragen. Das Gericht verstößt aber dann gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör, wenn es ohne vorherigen Hinweis auf rechtliche Gesichtspunkte abstellt, mit denen auch gewissenhafte und kundige Prozessbeteiligten nach dem bisherigen Prozessverlauf nicht zu rechnen brauchten (stRspr, vgl. BVerfG, Beschluss vom 19. Mai 1992 - 1 BvR 986/91 - BVerfGE 86, 133 <144 f.> sowie Kammerbeschluss vom 15. Februar 2011 - 1 BvR 980/10 - NVwZ-RR 2011, 460 Rn. 13 m.w.N.).

20

Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt. Das Oberverwaltungsgericht hat nicht auf einen im vorstehenden Sinne überraschenden rechtlichen Gesichtspunkt abgehoben. Die Einordnung des Motorradclubs "..." als eine rechtsfeindliche und gewaltbereite Gruppierung war bereits Gegenstand des erstinstanzlichen Urteils. Das Verwaltungsgericht hat im Hinblick auf die Schwere des Dienstvergehens des Beklagten ausgeführt, es handele sich bei den "..." um eine Vereinigung, die außerhalb der Gesellschaft und deren Regeln und Gesetze stehe. Immer wieder würden einzelnen Mitgliedern oder ganzen Untergruppierungen Kontakte zur organisierten Kriminalität nachgewiesen, insbesondere hinsichtlich der Verstöße gegen das Betäubungsmittel- und das Waffengesetz. Ausweislich des Protokolls der mündlichen Verhandlung vor dem Oberverwaltungsgericht sind dem Beklagten vor der Erörterung der Sach- und Rechtslage Berichte über die Gewaltbereitschaft und die Nähe zur Kriminalität von Mitgliedern des Motorradclubs "..." ausgehändigt worden und ist ihm Gelegenheit zur Kenntnisnahme gegeben worden. Zudem hat der Beklagte in der Berufungsverhandlung eingeräumt, von der langjährigen Mitgliedschaft seines Freundes bei den "..." gewusst zu haben. Angesichts dessen hätte ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter Anlass gehabt, von sich aus auf den Gesichtspunkt der Gefährlichkeit der Gruppierung "..." und ihrer Unterstützung durch den zweifachen Geheimnisverrat des Beklagten nach § 353b StGB, bei dem der Strafrahmen immerhin bis zu einer Freistrafe von fünf Jahren reicht, einzugehen und hierzu umfassend vorzutragen.

21

Die Kostenentscheidung beruht auf § 74 Abs. 1 LDG NW und § 154 Abs. 2 VwGO. Einer Festsetzung des Streitwerts für das Beschwerdeverfahren bedarf es nicht, weil für das Verfahren Gebühren nach dem Gebührenverzeichnis der Anlage zu § 75 LDG NW erhoben werden.

(1) Ein Amtsträger, der während der Ausübung seines Dienstes oder in Beziehung auf seinen Dienst eine Körperverletzung begeht oder begehen läßt, wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft. In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(3) Die §§ 224 bis 229 gelten für Straftaten nach Absatz 1 Satz 1 entsprechend.

Gründe

1

Die auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache sowie auf einen Verfahrensfehler (§ 67 Satz 1 LDG NW und § 132 Abs. 2 Nr. 1 und 3 VwGO) gestützte Beschwerde des Beklagten ist unbegründet.

2

1. Der 1967 geborene, ledige Beklagte steht als Justizvollzugshauptsekretär im Dienst des Klägers. Wegen des Sachverhalts, der den Gegenstand des gerichtlichen Disziplinarverfahrens bildet, wurde der Beklagte wegen Geheimnisverrats (§ 353b StGB) in zwei Fällen zu einer Gesamtgeldstrafe von 75 Tagessätzen verurteilt. In zwei Fällen hatte der Beklagte einem ihm bekannten Mitglied eines Motorradclubs Informationen über ein in der Justizvollzugsanstalt inhaftiertes Mitglied dieses Motorradclubs, der wegen des Vorwurfs des Mordes an einem Mitglied eines konkurrierenden Motorradclubs vor Gericht stand, übermittelt. Der Beklagte hatte angegeben, auf welche Weise der Transport des inhaftierten Mitglieds zum Strafgericht gesichert und wie dieser Untersuchungshäftling in der Justizvollzugsanstalt untergebracht war. Gegenstand des gerichtlichen Disziplinarverfahrens ist neben dem strafgerichtlich abgeurteilten Geheimnisverrat noch der Umstand, dass sich der Beklagte bereit erklärt hatte, für zwei inhaftierte Mitglieder des Motorradclubs bestimmte Gegenstände in die Justizvollzugsanstalt zu schmuggeln und den Mitgliedern zu übergeben. Das Verwaltungsgericht hat den Beklagten aus dem Beamtenverhältnis entfernt. Das Oberverwaltungsgericht hat die Berufung des Beklagten zurückgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt:

3

Der Beklagte habe die ihm obliegenden Dienstpflichten zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten, zur Amtsverschwiegenheit und zum Befolgen der allgemeinen Richtlinien seines Vorgesetzten verletzt. Bei Würdigung sämtlicher zu berücksichtigenden Umstände sei der Beklagte aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen, weil er durch das Dienstvergehen das Vertrauen des Dienstherrn und der Allgemeinheit endgültig verloren habe. Die schwerste Verfehlung, die strafbare Verletzung der Pflicht zur Amtsverschwiegenheit, wiege so schwer, dass die Entfernung des Beklagten aus dem Beamtenverhältnis indiziert sei. Zu den beiden Fällen der unbefugten Offenbarung von Dienstgeheimnissen kämen weitere vorsätzliche Pflichtverletzungen hinzu. Erkenntnisse zum Persönlichkeitsbild des Beklagten und zum Umfang der Beeinträchtigung des Vertrauens fielen nicht derart ins Gewicht, dass eine andere als die durch die Schwere indizierte Maßnahme geboten sei.

4

2. Die Rechtssache hat nicht die grundsätzliche Bedeutung (§ 67 Satz 1 LDG NW und § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO), die ihr die Beschwerde des Beklagten beimisst.

5

Grundsätzliche Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine - vom Beschwerdeführer zu bezeichnende - grundsätzliche, bisher höchstrichterlich nicht beantwortete Rechtsfrage aufwirft, die im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder einer Weiterentwicklung des Rechts revisionsgerichtlicher Klärung bedarf und die für die Entscheidung des Revisionsgerichts erheblich sein wird (stRspr, BVerwG, Beschluss vom 2. Oktober 1961 - 8 B 78.61 - BVerwGE 13, 90 <91 f.>). Das ist hier nicht der Fall.

6

a) Die Beschwerde sieht die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache zunächst in der Frage,

"ob der Verstoß gegen die Pflicht zur Amtsverschwiegenheit als vom Oberverwaltungsgericht angenommene schwerste Verfehlung des Beamten, ohne weitere Wertung insbesondere für die Zukunft für sich allein schon die Annahme zu rechtfertigen vermag, dass einzig die Entfernung aus dem Dienst als schwerste Disziplinarmaßnahme geeignet und angemessen ist, um das Vergehen des Beamten zu ahnden".

7

Die so formulierte Frage vermag die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache nicht zu rechtfertigen, weil sie sich im angestrebten Revisionsverfahren nicht stellen würde und deshalb nicht beantwortet werden könnte.

8

Der Frage liegt die Vorstellung zugrunde, das Oberverwaltungsgericht sei davon ausgegangen, der Verstoß des Beklagten gegen die ihm obliegende Pflicht zur Amtsverschwiegenheit als der schwersten Verfehlung vermöge ohne weitere Wertung insbesondere für die Zukunft für sich allein schon die Annahme zu rechtfertigen, einzig seine Entfernung aus dem Beamtenverhältnis sei als schwerste Disziplinarmaßnahme zur Ahndung des Vergehens des Beamten geeignet und angemessen.

9

Diese Vorstellung entspricht tatsächlich weder der Systematik der Vorschrift des § 13 LDG NW (entspricht § 13 BDG) noch der Vorgehensweise des Oberverwaltungsgerichts im konkreten Fall, das sich an der ständigen Rechtsprechung des Senats (BVerwG, Urteile vom 20. Oktober 2005 - 2 C 12.04 - BVerwGE 124, 252 <258 ff.> und vom 3. Mai 2007 - 2 C 9.06 - Buchholz 235.1 § 13 BDG Nr. 3 S. 3 f.) zum Bedeutungsgehalt der Bestimmung des § 13 LDG NW orientiert hat. Die wörtlich verstandene Fragestellung unterscheidet nicht zwischen der Indizwirkung der Schwere des Dienstvergehens nach § 13 Abs. 2 Satz 1 LDG NW und der eigentlichen Bemessung der Disziplinarmaßnahme unter Würdigung aller be- und entlastenden Umstände des Einzelfalls.

10

Als maßgebendes Bemessungskriterium ist die Schwere des Dienstvergehens gemäß § 13 Abs. 2 Satz 1 LDG NW richtungweisend für die Bestimmung der erforderlichen Disziplinarmaßnahme. Davon ausgehend kommt es für die Bestimmung der Disziplinarmaßnahme darauf an, ob Erkenntnisse zum Persönlichkeitsbild und zum Umfang der Vertrauensbeeinträchtigung im Einzelfall derart ins Gewicht fallen, dass eine andere als die durch die Schwere des Dienstvergehens indizierte Disziplinarmaßnahme geboten ist. Dementsprechend hat die Schwere des Dienstvergehens lediglich eine Indizwirkung, sie bestimmt aber nicht "ohne weitere Wertung" die für die Ahndung des Dienstvergehens angemessene Disziplinarmaßnahme.

11

Sollte sich die Frage - entsprechend den einleitenden Ausführungen in der Beschwerdebegründung - tatsächlich nicht auf die endgültige Bemessung der Disziplinarmaßnahme, sondern lediglich auf die Einstufung der Schwere des Dienstvergehens i.S.v. § 13 Abs. 2 Satz 1 LDG NW und der grundsätzlichen Zuordnung zu einer bestimmten Disziplinarmaßnahme als Ausgangspunkt für die weiteren Erwägungen nach Maßgabe des § 13 Abs. 2 und 3 LDG NW beziehen, so könnte sie ebenfalls nicht zur Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache führen. Denn die so verstandene Frage beträfe die Würdigung des konkreten Einzelfalls, die einer grundsätzlichen Klärung nicht zugänglich ist.

12

b) Auch die weitere Frage,

"ob von einer vorsätzlichen Unterstützung einer kriminellen Vereinigung schon allein dann die Rede sein kann, wenn eine Person, mit welcher der Beamte seit der Kindheit und Jugend persönlich verbunden ist, etwas als persönlichen Gefallen vom Beamten erbittet, die ihrerseits einer kriminellen Vereinigung angehört",

führt nicht zur Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache. Denn auch sie betrifft lediglich die Würdigung der Umstände des konkreten Einzelfalls und wirft keine grundsätzliche Rechtsfrage auf.

13

c) Schließlich begründet auch die Frage,

"ob die Erwägungen des Strafgerichts zum Strafmaß - wie vom Oberverwaltungsgericht angenommen - für die Bemessung der Disziplinarmaßnahme tatsächlich unerheblich sind",

nicht die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache i.S.v. § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Das Oberverwaltungsgericht hat seiner Entscheidung die Rechtsprechung des Senats zur Bedeutung der Bewertung des Dienstvergehens durch die Strafgerichte für die disziplinarrechtliche Würdigung zugrunde gelegt (UA S. 25 f.). Insbesondere geht der Senat unverändert im Grundsatz davon aus, dass Straf- und Disziplinarrecht unterschiedliche Zwecke verfolgen (BVerwG, Urteil vom 18. Juni 2015 - 2 C 9.14 - BVerwGE 152, 228 Rn. 37). Das Strafrecht ist vom Vergeltungsprinzip mit dem Ziel der individuellen Sühne durch ein Unwerturteil über gemeinschaftswidriges Verhalten und strafrechtliche Sanktionen geprägt. Demgegenüber ist es ausschließlich Zweck des Disziplinarverfahrens, das Vertrauen in die Ehrlichkeit und Zuverlässigkeit der Beamten und damit die Funktionsfähigkeit des öffentlichen Dienstes sicherzustellen. Bei einer außerdienstlich begangenen Straftat kann zur Festlegung der Schwere des begangenen Dienstvergehens, die gemäß § 13 Abs. 2 Satz 1 LDG NW richtungweisend für die Bestimmung der erforderlichen Disziplinarmaßnahme ist, indiziell auf die vom Strafgericht konkret ausgesprochene Sanktion zurückgegriffen werden (BVerwG, Urteile vom 25. März 2010 - 2 C 83.08 - BVerwGE 136, 173 Rn. 21 und 26 und vom 18. Juni 2015 - 2 C 9.14 - BVerwGE 152, 228 Rn. 37). Ist von den Strafgerichten bei einem außerdienstlich begangenen Dienstvergehen lediglich auf eine Geldstrafe erkannt worden, kommt die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis nur ausnahmsweise und bei Vorliegen disziplinarrechtlich bedeutsamer Umstände in Betracht (BVerwG, Urteil vom 18. Juni 2015 - 2 C 9.14 - BVerwGE 152, 228 Rn. 38).

14

Dies gilt aber nur für außerdienstlich begangene Dienstvergehen, nicht aber für ein innerdienstliches Dienstvergehen, bei dem - wie hier - das pflichtwidrige Verhalten in das Amt des Beamten und in die damit verbundene dienstliche Tätigkeit eingebunden war. Bei diesem hat sich die grundsätzliche Zuordnung des Dienstvergehens zu einer der Disziplinarmaßnahmen im Sinne von § 5 Abs. 1 LDG NW zunächst ebenfalls am gesetzlich bestimmten Strafrahmen auszurichten, um durch die Orientierung des Umfangs des Vertrauensverlustes an dieser Vorgabe des Gesetzgebers eine nachvollziehbare und gleichmäßige disziplinarische Ahndung der Dienstvergehen zu gewährleisten (BVerwG, Urteil vom 10. Dezember 2015 - 2 C 6.14 - NVwZ 2016, 772 Rn. 19). Ein über die bisherige Rechtsprechung des Senats hinausgehender Klärungsbedarf wird in der Beschwerdebegründung nicht entsprechend § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO dargelegt.

15

Bei einem innerdienstlichen Dienstvergehen, bei dem der Beamte gerade nicht wie jeder andere Bürger, sondern in seiner dienstlichen Pflichtenstellung und damit als Garant einer unparteilichen und gesetzestreuen Verwaltung betroffen ist, kommt dem ausgeurteilten Strafmaß bei der Bestimmung der konkreten Disziplinarmaßnahme dagegen keine "indizielle" oder "präjudizielle" Bedeutung zu (stRspr, BVerwG, Urteil vom 8. März 2005 - 1 D 15.04 - Buchholz 232 § 77 BBG Nr. 24 S. 16).

16

Zu Recht weist die Beschwerde darauf hin, dass bei Straftaten im Amt das Strafgericht das sachnähere Gericht ist, um umfassende Erwägungen zur Strafzumessung zu treffen. Wie dargelegt, dient aber die disziplinarrechtliche Ahndung insbesondere eines innerdienstlichen Dienstvergehens nicht der strafrechtlichen Sanktionierung des Pflichtenverstoßes, sondern der Sicherstellung der Funktionsfähigkeit des öffentlichen Dienstes. Für diese muss sich das Disziplinargericht nicht an der - im Streitfall ohnehin nicht unerheblichen - Geldstrafe orientieren, sondern hat in der originär dienstrechtlichen Bemessungsentscheidung in Ausübung der ihm übertragenen Disziplinarbefugnis eigenständig und ohne präjudizielle Bindung an strafrechtliche Bemessungserwägungen zu entscheiden, ob der betroffene Beamte durch das innerdienstlich begangene Dienstvergehen das Vertrauen des Dienstherrn und der Allgemeinheit endgültig verloren hat und deshalb aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen ist.

17

3. Der vom Beklagten in der Beschwerdebegründung behauptete Verfahrensmangel (§ 67 Satz 1 LDG NW und § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) liegt nicht vor.

18

Die Beschwerde macht geltend, das Oberverwaltungsgericht habe den Anspruch des Beklagten auf rechtliches Gehör dadurch verletzt, dass es ihm in der mündlichen Verhandlung verschiedene Zeitungsberichte zur öffentlichen Wahrnehmung der Gruppe der "..." zur Kenntnis gebracht habe, ohne deren Relevanz für das Verfahren deutlich zu machen und ohne hierzu Fragen an den Beklagten zu richten. Dies trifft nicht zu.

19

Der Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs soll sicherstellen, dass ein Verfahrensbeteiligter Einfluss auf den Gang des gerichtlichen Verfahrens und dessen Ausgang nehmen kann. Zu diesem Zweck muss er Gelegenheit erhalten, sich zu allen tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkten zu äußern, die entscheidungserheblich sein können. Zwar korrespondiert mit diesem Äußerungsrecht keine umfassende Frage-, Aufklärungs- und Hinweispflicht des Gerichts. Vielmehr kann regelmäßig erwartet werden, dass die Beteiligten von sich aus erkennen, welche Gesichtspunkte Bedeutung für den Fortgang des Verfahrens und die abschließende Sachentscheidung des Gerichts erlangen können, und entsprechend vortragen. Das Gericht verstößt aber dann gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör, wenn es ohne vorherigen Hinweis auf rechtliche Gesichtspunkte abstellt, mit denen auch gewissenhafte und kundige Prozessbeteiligten nach dem bisherigen Prozessverlauf nicht zu rechnen brauchten (stRspr, vgl. BVerfG, Beschluss vom 19. Mai 1992 - 1 BvR 986/91 - BVerfGE 86, 133 <144 f.> sowie Kammerbeschluss vom 15. Februar 2011 - 1 BvR 980/10 - NVwZ-RR 2011, 460 Rn. 13 m.w.N.).

20

Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt. Das Oberverwaltungsgericht hat nicht auf einen im vorstehenden Sinne überraschenden rechtlichen Gesichtspunkt abgehoben. Die Einordnung des Motorradclubs "..." als eine rechtsfeindliche und gewaltbereite Gruppierung war bereits Gegenstand des erstinstanzlichen Urteils. Das Verwaltungsgericht hat im Hinblick auf die Schwere des Dienstvergehens des Beklagten ausgeführt, es handele sich bei den "..." um eine Vereinigung, die außerhalb der Gesellschaft und deren Regeln und Gesetze stehe. Immer wieder würden einzelnen Mitgliedern oder ganzen Untergruppierungen Kontakte zur organisierten Kriminalität nachgewiesen, insbesondere hinsichtlich der Verstöße gegen das Betäubungsmittel- und das Waffengesetz. Ausweislich des Protokolls der mündlichen Verhandlung vor dem Oberverwaltungsgericht sind dem Beklagten vor der Erörterung der Sach- und Rechtslage Berichte über die Gewaltbereitschaft und die Nähe zur Kriminalität von Mitgliedern des Motorradclubs "..." ausgehändigt worden und ist ihm Gelegenheit zur Kenntnisnahme gegeben worden. Zudem hat der Beklagte in der Berufungsverhandlung eingeräumt, von der langjährigen Mitgliedschaft seines Freundes bei den "..." gewusst zu haben. Angesichts dessen hätte ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter Anlass gehabt, von sich aus auf den Gesichtspunkt der Gefährlichkeit der Gruppierung "..." und ihrer Unterstützung durch den zweifachen Geheimnisverrat des Beklagten nach § 353b StGB, bei dem der Strafrahmen immerhin bis zu einer Freistrafe von fünf Jahren reicht, einzugehen und hierzu umfassend vorzutragen.

21

Die Kostenentscheidung beruht auf § 74 Abs. 1 LDG NW und § 154 Abs. 2 VwGO. Einer Festsetzung des Streitwerts für das Beschwerdeverfahren bedarf es nicht, weil für das Verfahren Gebühren nach dem Gebührenverzeichnis der Anlage zu § 75 LDG NW erhoben werden.

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

Tenor

I. Unter Abänderung von Ziffer 1 des Urteils des Verwaltungsgerichts München vom 14. Juli 2014 wird gegen den Beklagten auf die Disziplinarmaßnahme der Zurückstufung in das Amt eines Polizeimeisters (BesGr. A7) erkannt.

II. Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Tatbestand

Der im Jahr 19... geborene Beklagte beendete seine Schullaufbahn 1996 mit der mittleren Reife. Danach arbeitete er eineinhalb Jahre bei einer Sicherheitsfirma. 1998 wurde er unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Widerruf zum Polizeimeisteranwärter ernannt. 1999 folgte seine Ernennung zum Polizeioberwachtmeister unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Probe. Im Jahr 2000 legte er die Anstellungsprüfung für den mittleren Polizeivollzugsdienst mit der Gesamtprüfungsnote „ausreichend (3,92)“ ab. Im Jahr 2000 wurde er zum Polizeimeister ernannt. Seine Probezeit wurde 2003 um ein Jahr verlängert, anschließend wurde er zum Polizeiobermeister ernannt. 2005 wurde er in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit berufen und 2008 zum Polizeihauptmeister ernannt. Im Oktober 2006, Oktober 2008, Oktober 2009 und Oktober 2010 erhielt der Beklagte jeweils eine Leistungsprämie in Höhe von 400,- Euro, 750,- Euro, 400,- Euro bzw. 500,- Euro für überdurchschnittliches Engagement auf dem Gebiet der „Bekämpfung der Straßenkriminalität“.

Der verheiratete Beklagte ist Vater von 2005 geborenen Zwillingen. Er erhält um 5 Prozent gekürzte Dienstbezüge aus der Besoldungsgruppe A 9.

In seinen letzten periodischen Beurteilungen aus den Jahren 2005, 2008 und 2011 erhielt der Beklagte 11, 13 und 15 Punkte.

II.

Der Beklagte ist strafrechtlich wie folgt in Erscheinung getreten:

1. Mit Strafbefehl des Amtsgerichts R … (Az: 27 Cs 106 Js 23429/11) vom 1. März 2012, geändert in der Höhe des Tagessatzes durch Beschluss des Amtsgerichts R … vom 11. Juli 2012, rechtskräftig seit 26. Juli 2012, wurde der Beklagte wegen vorsätzlicher Körperverletzung und Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung gemäß §§ 223 Abs. 1, 230 Abs. 1, 113 Abs. 1, 52, 53 StGB zu einer Gesamtgeldstrafe in Höhe von 50 Tagessätzen à 35,-- € verurteilt.

Dem Strafbefehl liegen folgende tatsächliche Feststellungen zugrunde:

„1. Am 14.10.2011 gegen 0.00 Uhr verletzten Sie in der W …straße, … R … vor dem Lokal „G …“ den F.M.R. ohne rechtfertigenden Grund, indem Sie ihm zunächst ins Gesicht schlugen. Als Sie daraufhin - zur Verteidigung in den Schwitzkasten genommen wurden - schlugen Sie mit der rechten Hand links in den Bauch des Geschädigten R. Hierdurch erlitt der Geschädigte, wie von Ihnen zumindest vorhergesehen und billigend in Kauf genommen, einen leichten Kratzer an der rechten Wange und zwei leichte Striemen unter dem rechten Auge, welche sich bereits am nächsten Morgen zurückgebildet hatten.

Die Staatsanwalt hält wegen des besonderen öffentlichen Interesses an der Strafverfolgung ein Einschreiten von Amts wegen für geboten.

2. Am 14.10.2011 gegen 0.15 Uhr wurden Sie am N …platz in … R … von den Polizeibeamten E. und St. aufgefordert stehen zu bleiben. Aufgrund des unter Ziffer 1 benannten Vorfalls sollte Ihre Identität festgestellt werden. Nachdem Sie sich weigerten stehen zu bleiben, wurden Sie von beiden Polizeibeamten an Ihren Armen festgehalten. Sie rissen sich los und zeigten sich deutlich aggressiv. Infolgedessen wurden Sie aufgefordert, sich auf den Boden zu legen und wurden durch PHK E. über die Folgen des Nichtbefolgens belehrt. Trotz dessen leisteten Sie den Anweisungen keine Folge. Sie wurden daraufhin polizeilich festgehalten. Diesem erwehrten Sie sich massiv, indem Sie sich mit Ihren Armen und Beinen sperrten und mit beiden Beinen um sich schlugen. Sie wurden zu Boden gebracht, schlugen aber auch dort liegend noch wild um sich. Hierbei schubsten Sie PHMin St. ohne rechtfertigenden Grund, so dass sie zu Boden fiel und sich wie von Ihnen zumindest billigend in Kauf genommen, eine Prellung an der rechten Schulter und des linken Handballens zuzog. Bei der sich anschließenden Fesselung traten Sie mit den Füßen wild um sich. Sie traten mehrfach gegen den linken Oberschenkel und den Po der PHMin St.. Hierdurch erlitt die Geschädigte, wie von Ihnen zumindest vorhergesehen und billigend in Kauf genommen, ein Hämatom am linken Schienbein. Die Geschädigte erlitt durch die Verletzungen nicht unerhebliche Schmerzen. Die Polizeibeamten waren für Sie durch das Tragen der Uniform als Amtsträger erkennbar. Die Staatsanwaltschaft hält wegen des besonderen öffentlichen Interesses an der Strafverfolgung ein Einschreiten von Amts wegen für geboten. Eine bei Ihnen am 14.10.2011 gegen 1.35 Uhr entnommene Blutprobe ergab eine Blutalkoholkonzentration von 2,09 Promille.“

2. Mit Urteil des Amtsgerichts M … vom 21. Mai 2013 (Az: 813 Cs 120 Js 223834/12), rechtskräftig seit 12. September 2013, wurde der Beklagte wegen Körperverletzung im Amt gemäß § 340 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von sieben Monaten verurteilt, die zur Bewährung ausgesetzt wurde.

Dem Urteil liegen folgende tatsächliche Feststellungen zugrunde:

„Am 19.10.2012 war der Angeklagte gemeinsam mit Kollegen als Polizeibeamter in der Nähe des U-Bahnhofs S.- …-Platz in M … gegen 14.30 Uhr bei der Fahndung nach einem flüchtenden Einbrecher eingesetzt. Als der Angeklagte den Tatverdächtigen R. gestellt hatte, hatte dieser nach dem Angeklagten geschlagen. Ihm war danach zunächst die Flucht gelungen. Er konnte jedoch von Kollegen festgenommen werden. Als die Kollegen POK K. und POM C. Herrn R. an die Ecke G … Straße, H …straße in M … gegen 14.35 Uhr führten, kam der Angeklagte aus etlicher Entfernung hinzu, sagte zunächst „ja ja, das ist er“. Sodann ging der Angeklagte auf den von den Kollegen K. und C. gefesselten und abgeführten Herrn R. zu, sagte zu den Kollegen: „So, jetzt schauts mal kurz weg“. Der Angeklagte nahm dann mit der linken Hand den von ihm gehaltenen Teleskopschlagstock und schlug, nachdem Herr R. sinngemäß geäußert hatte: „Nicht schlagen“ mit dem herausstehenden Stück des Teleskopschlagstocks relativ leicht in die Bauchregion des Festgenommenen. Wie der Angeklagte wusste, hatte er dazu keinen rechtfertigenden oder entschuldigenden Grund. Herr R. erlitt leichte Schmerzen jedoch keine bleibenden oder ernsthaften Verletzungen. Die Schuldfähigkeit des Angeklagten war zum Tatzeitpunkt auf Grund der Gesamtsituation erheblich eingeschränkt.“

III.

Aufgrund des Vorfalls vom 13./14. Oktober 2011 wurden am 14. Oktober 2011 gegen den Beklagten gemäß Art. 19 Abs. 1 BayDG - Bayerisches Disziplinargesetz - disziplinarrechtliche Ermittlungen eingeleitet, mit Verfügung vom 23. Oktober 2012 ausgedehnt und bis zum Abschluss des Strafverfahrens ausgesetzt. Der Beklagte wurde mit Verfügung vom 24. Juni 2013 vorläufig des Dienstes enthoben, 5 Prozent seiner Bezüge sowie die jährliche Sonderzahlung werden seitdem einbehalten. Das Disziplinarverfahren wurde nach Abschluss des weiteren Strafverfahrens fortgesetzt. Mit Schreiben vom 3. Januar 2014 wurde der Beklagte abschließend gehört. Seine Bevollmächtigte äußerte sich mit Schreiben vom 6. Februar 2014. Von der Beteiligungsmöglichkeit der Personalvertretung machte der Beklagte keinen Gebrauch.

IV.

Am 21. März 2014 erhob das Polizeipräsidium M … Klage zum Verwaltungsgericht und beantragte, den Beklagten aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen.

Grundlage hierfür seien die ihm im Strafbefehl des Amtsgerichts R … vom 1. März 2012 und dem Urteil des Amtsgerichts M … vom 21. Mai 2013 zur Last gelegten Sachverhalte. Der Beklagte habe sich nicht seinem Beruf entsprechend achtungs- und vertrauenswürdig verhalten und die Gesetze nicht beachtet. Er habe damit ein schweres, den Kernbereich der Dienstpflichten betreffendes Dienstvergehen gemäß § 47 Abs. 1 BeamtStG begangen. Unter Berücksichtigung des Umfangs der Pflichtverletzung, der Beeinträchtigung des Vertrauens des Dienstherrn und der Allgemeinheit sowie unter Würdigung des Persönlichkeitsbilds des Beklagten sei eine Entfernung aus dem Beamtenverhältnis geboten; eine mildere, disziplinarrechtliche Ahndung sei nicht veranlasst. Durch die vorsätzliche Körperverletzung in Tatmehrheit mit Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung habe sich der Beklagte nicht nur strafbar gemacht, er habe auch die ihm nach § 34 Satz 3 BeamtStG obliegende Pflicht nicht beachtet, durch das Verhalten innerhalb und außerhalb des Dienstes, der Achtung und dem Vertrauen, das sein Beruf erfordere, gerecht zu werden. Bei einem Polizeibeamten, dem gerade der Schutz der Rechtsordnung obliege und der in dieser Funktion auch in der Öffentlichkeit wahrgenommen werde, leide die Wertschätzung und das Ansehen, die er als Amtsträger nach außen genieße, durch die Begehung einer solchen Straftat beträchtlich. Durch das außerdienstliche Verhalten sei der Beklagte dem Bild und dem Anspruch der Allgemeinheit an einen Polizeibeamten in keiner Weise gerecht geworden. Das Fehlverhalten des Beklagten sei folglich gemäß § 47 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG nach den Umständen des Einzelfalls im besonderen Maße geeignet, das Vertrauen in einer für das Amt des Beamten bedeutsamen Weise zu beeinträchtigen.

Das Verwaltungsgericht hat mit Urteil vom 14. Juli 2014 auf die Disziplinarmaßnahme der Entfernung aus dem Beamtenverhältnis erkannt. Die dem Beklagten zur Last gelegten Dienstvergehen stünden zur Überzeugung des Gerichts fest und rechtfertigten die verhängte Disziplinarmaßnahme. Das Schwergewicht der Verfehlung liege dabei auf der innerdienstlichen Körperverletzung. Ein Polizeivollzugsbeamter, der in Ausübung seines Dienstes eine vorsätzliche Körperverletzung begehe, ohne dass ein Fall von Notwehr oder Putativnotwehr vorliege, verstoße in grober Weise gegen seinen gesetzlichen Auftrag zur Gefahrenabwehr und verletze den Kernbereich seiner Dienstpflichten. Durch sein Verhalten habe der Beklagte zusammen mit den außerdienstlichen Körperverletzungen, dem Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte und dem Nachtatverhalten die Vertrauensgrundlage zum Dienstherrn und zur Öffentlichkeit in nicht wiederherzustellender Weise zerstört. Mildernd könne zwar zu Gunsten des Beklagten berücksichtigt werden, dass er vom Geschädigten zuvor geschlagen worden sei, dieser Provokation komme jedoch mangels Unmittelbarkeit kein entscheidungserhebliches Gewicht zu. Erheblich erschwerend falle zu Lasten des Beklagten ins Gewicht, dass er den Geschädigten mit seinem Schlagstock geschlagen habe, als dieser ihm bereits verhaftet und gefesselt, flankiert von Kollegen gegenüber gestanden sei. Zu diesem Zeitpunkt habe sich der Geschädigte in einem völlig wehrlosen Zustand befunden, von ihm sei keinerlei Gefahr gegenüber dem Beklagten mehr ausgegangen. Zu seinen Lasten sei auch zu gewichten, dass er die Körperverletzung quasi als Racheakt an dem Geschädigten vorgenommen habe. Bevor er den Schlag mit seinem Schlagstock ausgeführt habe, habe er dies seinen Kollegen angekündigt. Auch das Nachtatverhalten spreche gegen den Beklagten, da seine Kollegen mangels Geständnis gezwungen gewesen seien, als Zeugen im Strafverfahren auszusagen. Im Disziplinarverfahren habe er weiterhin versucht, sein Verhalten zu beschönigen und abweichend vom medizinischen Gutachter, der die zwei als druckschmerzhaft beschriebenen Stellen an der Brustkorbseite links als Treffpunkte des eingesetzten Schlagstocks erklärte, daran festgehalten, dass er den Geschädigten nur gepackt und geschüttelt habe. Weitere Milderungsgründe, insbesondere eine einmalige, persönlichkeitsfremde Augenblickstat, seien nicht ersichtlich. Im Rahmen der Gesamtwürdigung sei auch die Persönlichkeit des Beklagten zu berücksichtigen. Hier seien sowohl die dienstliche Äußerung vom 1. Oktober 2012, das Persönlichkeitsbild des Dienstvorgesetzten vom 17. Dezember 2013 sowie die vom Verwaltungsgericht in der mündlichen Verhandlung festgestellte mangelnde Einsicht des Beklagten sowie der Umstand eingeflossen, dass der Beklagte unter Alkoholeinfluss zu Gewaltexzessen neige, wie sein Verhalten und die Verlängerung der Probezeit wegen alkoholbedingter Vorfälle belegten. Hieraus ergebe sich ein deutlich negativ geprägtes Persönlichkeitsbild des Beklagten und eine negative Zukunftsprognose. Zu seinen Lasten sei auch zu berücksichtigen, dass die Presseberichterstattung zu einer massiven Schädigung des Ansehens der Polizei in der Öffentlichkeit geführt habe. Deshalb sei die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis trotz der guten Beurteilungen des Beklagten und fehlenden disziplinarrechtlichen Vorbelastung geboten.

Die Beklagte hat gegen dieses Urteil, zugestellt am 26. August 2014, am 12. September 2014 Berufung eingelegt und beantragt,

das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 14. Juli 2014 abzuändern und die Klage abzuweisen sowie das gegen den Beklagten eingeleitete Disziplinarverfahren einzustellen.

Die Sachverhalte, die dem Verfahren zugrunde lägen, seien unstreitig. Hinsichtlich des Vorfalls vom 19. Oktober 2012 bestehe die Bindungswirkung des Strafurteils vom 21. Mai 2013. Dennoch sei das Verwaltungsgericht hinsichtlich des zeitlichen Zusammenhangs zwischen dem Angriff des Geschädigten und der späteren Verletzung durch den Beklagten von einem Sachverhalt ausgegangen, der weder den Feststellungen im Strafurteil noch dem Beklagtenvorbringen so zu entnehmen sei. Das Gericht verneine zu Unrecht einen unmittelbaren Zusammenhang zwischen der vorangegangenen Provokation und der vom Beklagten begangenen Körperverletzung. Zwischen dem Angriff auf den Beklagten und dessen gegen den Tatverdächtigten verübten Schlag hätten nur wenige Minuten gelegen. Das Gericht habe zudem unberücksichtigt gelassen, dass sich aus dem schriftlichen Gutachten keine Verletzungen ergäben, die sich mit einem Schlagstockschlag in Übereinstimmung bringen ließen. Erst in der mündlichen Verhandlung vor dem Amtsgericht habe der Sachverständige erklärt, es habe an der linken Brustkorbseite zwei druckschmerzhafte Punkte gegeben, die eventuell auf eine Berührung mit dem Schlagstock zurückzuführen seien. Laut Sachverständigem müsse die Intensität dieses Schlags im untersten Bereich gelegen haben. Der Beklagte selbst könne sich nicht erinnern, den Tatverdächtigen geschlagen zu haben. Wenn dies so gewesen sei, dann habe er den Schlagstock so gehalten, dass er nur wenige Zentimeter über die Hand des Beklagten hinausgestanden hätte. Das Verwaltungsgericht habe zudem nicht berücksichtigt, dass dem Beklagten im Strafurteil eine erheblich verminderte Schuldfähigkeit zugestanden worden sei, da er vom Geschädigten zuvor erheblich verletzt worden sei. Diese Verletzung sei wesentlich schwerer gewesen sei als die Verletzung, die der Beklagte später dem Tatverdächtigen beigebracht habe. Er habe erhebliche Kopfschmerzen gehabt und aus dem Ohr geblutet. Der Beklagte habe ein Schädelhirntrauma erlitten, weshalb er die folgende Nacht auf der Intensivstation habe verbringen müssen und zwei weitere Tage im Krankenhauses geblieben sei. Die vorangegangene massive Provokation des Beklagten hätte insoweit berücksichtigt werden müssen, so dass lediglich auf Zurückstufung zu erkennen gewesen wäre. Die vom Verwaltungsgericht zitierte Rechtsprechung, mit welcher die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis begründet werde, beziehe sich nicht auf vergleichbare Körperverletzungen im Amt. Bei der vorliegenden Handlung liege die Gewalteinwirkung - wie auch der medizinische Sachverständige festgestellt habe - im untersten Bereich. Auch die guten Beurteilungen des Beklagten und sein bisheriges Verhalten hätten mildernd in die Betrachtung des Gerichts einfließen müssen.

Der Kläger verteidigt das angefochtene Urteil und beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Zur Begründung werde auf die Disziplinarklageschrift vom 19. März 2014 und den Schriftsatz vom 26. Juni 2014 verwiesen. Ergänzend führt der Kläger aus, dass das Verwaltungsgericht zu Recht davon ausgegangen sei, dass es an einer Unmittelbarkeit zwischen der Provokation und der späteren Tat des Beklagten fehle. Sowohl aus den Feststellungen im Strafurteil als auch aus dem Vorbringen des Beklagten ergebe sich eine räumliche und zeitliche Zäsur. Die fehlende Unmittelbarkeit folge insbesondere daraus, dass sich der Geschädigte bereits in gefestigtem polizeilichem Gewahrsam befunden habe als der Beklagte aus „etlicher“ Entfernung dazugekommen sei. Zudem habe sich das Verwaltungsgericht mit der im Strafurteil angenommenen verminderten Schuldfähigkeit des Beklagten durchaus auseinander gesetzt, aber festgestellt, dass diese weder zu dessen Gunsten noch als Milderungsgrund zu berücksichtigen sei. Gleiches gelte für das Persönlichkeitsbild des Beklagten und dessen dienstliches Verhalten. Hiermit habe sich das Verwaltungsgericht ausführlich auseinandergesetzt. Es sei aber nicht geeignet gewesen, den eingetretenen Vertrauensverlust zu relativieren.

Der Senat hat am 18. Januar 2017 mündlich zur Sache verhandelt. Hierzu wird auf die Niederschrift verwiesen.

V.

Ergänzend wird auf die Gerichts- und vorgelegten Behördenakten Bezug genommen. Dem Senat haben diesbezüglich die Strafakten der Staatsanwaltschaft R* … und der Staatsanwaltschaft M …, die Disziplinarakten des Polizeipräsidiums M* … sowie die Personalakten vorgelegen.

Gründe

Die Berufung des Beklagten ist zulässig und hat in der Sache teilweise Erfolg. In Abänderung von Ziffer 1 des Urteils des Verwaltungsgerichts München vom 14. Juli 2014 wird gegen den Beklagten auf die Disziplinarmaßnahme der Zurückstufung um zwei Stufen in das Amt eines Polizeimeisters (BesGr. A7) erkannt.

I.

Das Disziplinarverfahren weist in formeller Hinsicht keine Mängel auf. Solche sind auch vom Beklagten im Berufungsverfahren nicht geltend gemacht worden.

II.

1. Der dem Beklagten zur Last gelegte Sachverhalt, der dem rechtskräftigen Urteil des Amtsgerichts M* … vom 21. Mai 2013, zugrunde liegt, steht gemäß Art. 25, 55, 63 Abs. 1 Satz 1 BayDG für den Senat bindend fest. Danach hat der Beklagte am 19. Oktober 2012 gemäß § 340 Abs. 1 StGB eine Körperverletzung im Amt begangen, als er den Einbrecher R., der ihn im Rahmen einer vorangegangenen Verfolgungsjagd durch einen Schlag auf den Kopf verletzt hatte, kurz nach dessen Verhaftung durch Kollegen mit dem von ihm parallel zum linken Unterarm gehaltenen Teleskopschlagstock, von dem ein Stück aus der Hand herausragte, in die Bauchregion schlug. Davor hatte er, während er auf den gefesselten und abgeführten R. aus etlicher Entfernung zuging, seine Kollegen K. und C aufgefordert, jetzt kurz mal wegzuschauen. Herr R., der den Beklagten zuvor noch gebeten hatte, ihn nicht zu schlagen, erlitt durch den relativ leichten Schlag leichte Schmerzen, jedoch keine bleibenden oder ernsthaften Verletzungen.

2. Der vom Verwaltungsgericht festgestellte Sachverhalt, der dem seit dem 26. Juli 2012 rechtskräftigen Strafbefehl des Amtsgerichts R … (Az.: 27 Cs 106 Js 23429/11) zugrunde liegt, ist zur Überzeugung des Berufungsgerichts ebenfalls erwiesen. Die tatsächlichen Feststellungen im Strafbefehl, mit dem gegen den Beklagten wegen vorsätzlicher Körperverletzung und Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung gemäß §§ 223 Abs. 1, 230 Abs. 1, 113 Abs. 1, 52, 53 StGB eine Gesamtgeldstrafe in Höhe von 50 Tagessätzen à 35,-- Euro verhängt worden ist, sind zwar nicht bindend (Art. 63 Abs. 1 Satz 1, 55, 25 Abs. 1 BayDG), der Senat kann sie dennoch gemäß Art. 25 Abs. 2 BayDG seinem Urteil ohne nochmalige Prüfung zugrunde legen. Diesen Vorfall hat der Beklagte in vollem Umfang eingeräumt. Weitere Ermittlungen waren deshalb nicht veranlasst. Es steht fest, dass er am 14. Oktober 2011 gegen Mitternacht in erheblich alkoholisiertem Zustand (2,09 Promille) nach einer privaten Feier, den F.M.R. ohne rechtfertigenden Grund ins Gesicht geschlagen hat, als dieser für sich und seine Begleitung die Jacken zurückforderte, die der Beklagte aus dem Lokal mitgenommen und fälschlicherweise aufgrund seines alkoholisierten Zustands für seine eigene und die eines Kollegen gehalten hatte. Als er daraufhin zur Verteidigung in den Schwitzkasten genommen wurde, schlug der Beklagte mit der rechten Hand in den Bauch des Geschädigten R. und verletzte ihn leicht im Gesicht. Gegen seine Identitätsfeststellung durch zwei als Polizeibeamte erkennbare Kollegen setzte er sich massiv zur Wehr, zeigte sich deutlich aggressiv und weigerte sich, den polizeilichen Anweisungen Folge zu leisten. Er trat mit den Beinen um sich, schubste eine Kollegin und trat mit den Füßen wild um sich, wobei er die Polizeibeamtin mehrfach am Körper traf. Hierdurch erlitt die Kollegin Hämatome und nicht unerhebliche Schmerzen.

III.

Mit seinem Verhalten hat der Beklagte ein einheitliches schweres Dienstvergehen im Sinne von § 47 Abs. 1 Satz 1 und 2 BeamtStG verwirklicht, weil er schuldhaft die ihm obliegenden Pflichten verletzt hat.

1. Bei der Körperverletzung im Amt im Rahmen der Verfolgungsjagd vom 19. Oktober 2012 liegt ein innerdienstliches Dienstvergehen vor. Der Beklagte hat durch sein Verhalten gegen seine Pflicht zur Achtung der Gesetze und zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten (§ 340 Abs. 1 StGB, § 34 Satz 3 BeamtStG) verstoßen.

2. Bei den Körperverletzungshandlungen und dem Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte (§§ 223 Abs. 1, 113 Abs. 1 StGB) im Rahmen des Vorfalls vom 14. Oktober 2011 handelt es sich um ein außerdienstliches Dienstvergehen. Das hierbei gezeigte Verhalten des Beklagten war nach den Umständen des Einzelfalls in besonderem Maße geeignet, das Vertrauen in einer für das Amt des Beamten bedeutsamen Weise zu beinträchtigen (vgl. § 47 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG). Der Beklagte hat gegen seine Pflicht aus § 34 Satz 3 BeamtStG verstoßen, auch außerhalb des Dienstes ein Verhalten zu zeigen, das der Achtung und dem Vertrauen gerecht wird, die sein Beruf als Polizeibeamter erfordert. Zwar kann außerdienstliches Verhalten den Pflichtenkreis des Beamten nur berühren, wenn es zur Beeinträchtigung des berufserforderlichen Vertrauens führt und dadurch mittelbar dienstrechtliche Relevanz erlangt. Dieses berufserforderliche Vertrauen wird jedoch in besonderem Maße beeinträchtigt, wenn ein Polizeibeamter außer Dienst in erheblich alkoholisiertem Zustand vorsätzliche Körperverletzungsdelikte begeht und massiven Widerstand gegen polizeiliche Maßnahmen seiner Kollegen leistet. Polizeibeamte haben Straftaten zu verhüten, aufzuklären und zu verfolgen. Sie genießen daher in der Öffentlichkeit eine besondere Vertrauens- und Garantenstellung (BVerwG, U.v. 18.6.2015 - 2 C 9/14 - juris Rn. 22). Erhebliche vorsätzliche Straftaten eines Polizeibeamten begründen deshalb auch in Ansehung ihres außerdienstlichen Charakters ein disziplinarwürdiges Dienstvergehen (vgl. insgesamt zur disziplinarrechtlichen Beurteilung außerdienstlicher vorsätzlicher Straftaten von Polizeibeamten BVerwG, U.v. 18.6.2015 - 2 C 9/14 - juris Rn. 10 ff.).

IV.

Die festgestellten Dienstpflichtverletzungen sind nach dem Grundsatz der Einheit des Dienstvergehens gemäß § 47 Abs. 1 BeamtStG einheitlich zu würdigen.

Das Fehlverhalten des Beklagten wiegt schwer i. S. v. Art. 14 Abs. 1 Satz 2 BayDG. In Anbetracht der erheblichen, zu Gunsten des Beklagten heranzuziehenden Milderungsgründe geht der Senat - auch unter Berücksichtigung der Persönlichkeit des Beklagten, seines bisherigen dienstlichen Verhaltens und seiner erbrachten Leistungen - vorliegend davon aus, dass ein endgültiger Vertrauensverlust des Dienstherrn und der Allgemeinheit noch nicht eingetreten ist. Aufgrund des schwerwiegenden Dienstvergehens war der Beklagte aber gemäß Art. 10 BayDG um zwei Stufen in das Amt eines Polizeimeisters (BesGr. A7 - Eingangsamt) zurückzustufen. Der Ausspruch dieser Maßnahme ist im Hinblick auf die Eigenart und Schwere des Dienstvergehens, seine Auswirkungen und das Maß der Schuld unter angemessener Berücksichtigung der Persönlichkeit des Beamten zur Überzeugung des Senats ausreichend, aber auch erforderlich.

Der Senat folgt hinsichtlich der Zumessungskriterien des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 BayDG der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (U.v. 29.5.2008 - 2 C 59/07 - juris) zu § 13 BDG (BayVGH U.v. 23.9.2009 - 16a D 07.2355 - juris; U.v. 15.2.2012 - 16a D 10.1974; U.v. 21.1.2015 - 16a D 13.1904, Rn. 81; U.v. 11.5.2016 - 16a D 13.1540, Rn. 61, U.v. 28.9.2016 - 16a D 14.991 - jeweils in juris).

1. Welche Disziplinarmaßnahme im Einzelfall erforderlich ist, richtet sich gemäß Art. 14 Abs. 1 Satz 2 BayDG nach der Schwere des Dienstvergehens unter angemessener Berücksichtigung der Persönlichkeit des Beamten und des Umfangs der durch das Dienstvergehen herbeigeführten Vertrauensbeeinträchtigung. Die gegen den Beamten ausgesprochene Disziplinarmaßnahme muss unter Berücksichtigung aller belastender und entlastender Umstände des Einzelfalls in einem gerechten Verhältnis zur Schwere des Dienstvergehens und zum Verschulden des Beamten stehen (vgl. BVerwG, B.v. 11.2.2014 - 2 B 37/12 - juris Rn. 18). Im Rahmen dieser Gesamtwürdigung haben die Gerichte zunächst im Einzelfall bemessungsrelevante Tatsachen zu ermitteln und sie mit dem ihnen zukommenden Gewicht in die Bewertung einzubeziehen. Dieses Erfordernis beruht letztlich auf dem im Disziplinarverfahren geltenden Schuldprinzip und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (Übermaßverbot). Auf der Grundlage des so zusammengestellten Tatsachenmaterials haben die Gerichte eine Prognose über das voraussichtliche künftige dienstliche Verhalten des Beamten zu treffen und das Ausmaß der von ihm herbeigeführten Ansehensbeeinträchtigung des Berufsbeamtentums einzuschätzen. Bei schweren Dienstvergehen stellt sich vorrangig die Frage, ob der Beamte nach seiner gesamten Persönlichkeit noch im Beamtenverhältnis tragbar ist oder ein endgültiger Vertrauensverlust i.S.v. Art. 14 Abs. 2 Satz 1 BayDG eingetreten ist (BVerwG, U.v. 29.5.2008 - 2 C 59/07 - juris Rn. 18; BayVGH, U.v. 23.7.2014 - 16a D 12.2519 - juris Rn. 66).

Maßgebendes Kriterium für die Bemessung der Disziplinarmaßnahme ist die Schwere des Dienstvergehens. Sie ist richtungsweisend für die Bestimmung der erforderlichen Disziplinarmaßnahme. Die Schwere des Dienstvergehens beurteilt sich zum einen nach Eigenart und Bedeutung der verletzten Dienstpflichten, Dauer und Häufigkeit der Pflichtenverstöße und den Umständen der Tatbegehung (objektive Handlungsmerkmale), zum anderen nach Form und Gewicht des Verschuldens und den Beweggründen des Beamten für sein pflichtwidriges Verhalten (subjektive Handlungsmerkmale) sowie nach den unmittelbaren Folgen für den dienstlichen Bereich und für Dritte (BVerwG, B.v. 10.12.2015 - 2 C 6/14 - juris Rn. 16; B.v. 11.2.2014 - 2 B 37/12 - juris Rn. 20; B.v. 25.5.2012 - 2 B 133.11 - juris Rn. 9 mit weiteren Nachweisen).

Das Bemessungskriterium „Persönlichkeitsbild des Beamten“ erfasst dessen persönliche Verhältnisse und sein sonstiges Verhalten vor, bei und nach der Tatbegehung. Dies erfordert eine Prüfung, ob das festgestellte Dienstvergehen mit dem bisher gezeigten Persönlichkeitsbild des Beamten übereinstimmt oder es - etwa als persönlichkeitsfremdes Verhalten in einer Notlage oder gar einer psychischen Ausnahmesituation - davon abweicht (BVerwG, U.v. 29.5.2008 a.a.O. Rn. 14).

Der Gesichtspunkt der „Beeinträchtigung des Vertrauens des Dienstherrn oder der Allgemeinheit“ verlangt eine Würdigung des Fehlverhaltens des Beamten im Hinblick auf seinen allgemeinen Status, seinen Tätigkeitsbereich innerhalb der Verwaltung und seine konkret ausgeübte Funktion (BVerwG, U.v. 29.5.2008 a.a.O. Rn. 15).

Bei der Anwendung des Bemessungskriteriums „Schwere des Dienstvergehens“ ist das festgestellte Dienstvergehen nach seinem Gewicht einer der im Gesetz aufge-führten Disziplinarmaßnahmen zuzuordnen (Art. 6 Abs. 1 BayDG). Davon ausgehend kommt es für die Bestimmung der Disziplinarmaßnahme darauf an, ob Erkenntnisse zum Persönlichkeitsbild und zum Umfang der Vertrauensbeeinträchtigung im Einzelfall derart ins Gewicht fallen, dass eine andere als die durch die Schwere des Dienstvergehens indizierte Disziplinarmaßnahme geboten ist (vgl. BVerwG, U.v. 29.5.2008 a.a.O. Rn. 20).

2. Fallen einem Beamten - wie hier - mehrere Dienstpflichtverletzungen zur Last, die in ihrer Gesamtheit das einheitliche Dienstvergehen ergeben, so bestimmt sich die zu verhängende Disziplinarmaßnahme in erster Linie nach der schwersten Verfehlung (BayVGH, U.v. 28.9.2016 - 16a D 14.991 - juris Rn. 52; U.v. 13.7.2011 - 16a D 09.3127 - juris Rn. 127), also vorliegend nach der Körperverletzung im Amt gemäß § 340 Abs. 1 StGB, für die der Beklagte zu 7 Monaten Freiheitsstrafe - zur Bewährung ausgesetzt - verurteilt wurde.

Nur dann, wenn aufgrund der Gesamtwürdigung der Schluss gezogen werden muss, dass aufgrund des Fehlverhaltens ein endgültiger Vertrauensverlust in die ordnungsgemäße Aufgabenwahrnehmung des Beamten eingetreten ist, muss er durch eine Disziplinarmaßnahme aus dem Beamtenverhältnis entfernt werden (vgl. BVerwG, U.v. 10.12.2015 - 2 C 6/14 - juris Rn. 13). Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts bewirken schwerwiegende Vorsatzstraftaten generell einen Vertrauensverlust, der unabhängig vom jeweiligen Amt zu einer Untragbarkeit der Weiterverwendung als Beamter führt (U.v. 18.6.2015 - 2 C 9/14 - juris Rn. 27).

3. Zur Bestimmung des Ausmaßes des Vertrauensschadens, der durch eine vom Beamten vorsätzlich begangene Straftat hervorgerufen worden ist, hat das Bundesverwaltungsgericht, nachdem es zunächst nur bei außerdienstlichen Dienstvergehen auf den Strafrahmen zurückgegriffen hat (BVerwG, U.v. 19.8.2010 - 2 C 5.10 - juris Rn. 22; BVerwG, U.v. 18.6.2015 - 2 C 9.14 - juris Rn. 31), nunmehr in seinem Urteil vom 10. Dezember 2015 (a.a.O. Rn. 19) ausdrücklich klargestellt, dass auch bei innerdienstlich begangenen Dienstvergehen die Ausrichtung der grundsätzlichen Zuordnung eines Dienstvergehens zu einer der gesetzlich vorgesehenen Disziplinarmaßnahmen am gesetzlich bestimmten Strafrahmen geboten ist. Auch bei diesen Dienstvergehen gewährleistet die Orientierung des Umfangs des Vertrauensverlustes am gesetzlichen Strafrahmen eine nachvollziehbare und gleichmäßige disziplinarische Ahndung der Dienstvergehen. Mit der Strafandrohung hat der Gesetzgeber seine Einschätzung zum Unwert eines Verhaltens verbindlich zum Ausdruck gebracht. Die Orientierung des Umfangs des Vertrauensverlustes am gesetzlichen Strafrahmen (zum Tatzeitpunkt) verhindert gleichzeitig, dass die Disziplinargerichte ihre jeweils eigene Einschätzung des Unwertgehalts eines Delikts an die Stelle der Bewertung des Gesetzgebers setzen (BVerwG, U.v. 19.8.2010 a.a.O. Rn. 22; U.v. 18.6.2015 a.a.O. juris Rn. 31). Nicht die Vorstellung des jeweiligen Disziplinargerichts, sondern die Einschätzung des Gesetzgebers bestimmt auf diese Weise, welche Straftaten als besonders verwerflich anzusehen sind. Soweit das Bundesverwaltungsgericht bisher in bestimmten Fallkonstellationen, z.B. bei Zugriffsdelikten, maßgeblich auf andere Kriterien, wie z.B. die Schadenshöhe abgestellt hat, hält das Bundesverwaltungsgericht an dieser Rechtsprechung nicht mehr fest (U.v. 10.12.2015 - 2 C 6/14, juris).

Das Amtsgericht M … hat den Beklagten wegen des ihm im Disziplinarverfahren zur Last gelegten Tatvorwurfs der Körperverletzung im Amt zu einer Freiheitsstrafe von sieben Monaten verurteilt. Die dabei im Falle des Beklagten zur Anwendung gekommene Strafnorm des § 340 Abs. 1 StGB sieht einen Strafrahmen von 3 Monaten bis zu fünf Jahren vor. Begeht ein Beamter wie vorliegend innerdienstlich unter Ausnutzung seiner Dienststellung eine Straftat, für die das Strafgesetz als Strafrahmen eine Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren - hier sind es sogar bis zu fünf Jahre - vorsieht, reicht der Orientierungsrahmen für die mögliche Disziplinarmaßnahme bis zur Entfernung aus dem Beamtenverhältnis (BVerwG, U.v. 18.6.2015 a.a.O. juris Rn. 33 m.w.N.).

3.1 Ausgangspunkt für die Maßnahmezumessung im vorliegenden Fall war deshalb zunächst die Höchstmaßnahme, also die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis gemäß Art. 11 BayDG.

Bei der Ausübung des den Gerichten nach Art. 14 Abs. 1 BayDG eröffneten Ermessens, bei dem sie nicht an die Wertungen des Dienstherrn gebunden sind, sind alle be- und entlastenden Umstände des Einzelfalls in einem gerechten Verhältnis zur Schwere des Dienstvergehens und zum Verschulden des Beklagten zu berücksichtigen. Dies beruht auf dem Schuldprinzip und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, die auch im Disziplinarverfahren Anwendung finden (BVerwG, U.v. 20.10.2005 - 2 C 12.04; U.v. 18.6.2015 a.a.O. - jeweils in juris). Das Bundesverwaltungsgericht hat diesbezüglich ausdrücklich klargestellt, dass die Ausschöpfung des maßgeblich in Anlehnung an die abstrakte Strafandrohung gebildeten Orientierungsrahmens nur in Betracht kommt, wenn dies auch dem Schweregehalt des vom Beamten konkret begangenen Dienstvergehens entspricht (BVerwG, U.v. 28.7.2011 - 2 C 16.10 - juris Rn. 29). Delikte, die angesichts ihrer möglichen Variationsbreite der Vorgabe einer Regeldisziplinarmaßnahme nicht zugänglich sind, bedürfen einer sorgsamen Würdigung der Einzelfallumstände. Die Disziplinargerichte müssen für eine solche Betrachtung und Ausschöpfung des Orientierungsrahmens - nach oben wie nach unten - unter Berücksichtigung aller be- und entlastenden Umstände offen sein (BVerwG, U.v. 23.7.2013 - 2 C 63.11 . juris Rn. 13). Ein wie auch immer gearteter Schematismus verbietet sich in besonderer Weise (BVerwG, U.v. 18.6.2015 a.a.O. - juris Rn. 36).

3.2 Hiervon ausgehend ist der Senat zu der Überzeugung gelangt, dass das Fehlverhalten des Beklagten zwar schwer i.S.v. Art. 14 Abs. 1 Satz 2 BayDG wiegt, der Beklagte - insbesondere unter Berücksichtigung seines Persönlichkeitsbildes und seines bisherigen dienstlichen Verhaltens - das Vertrauen des Dienstherrn und der Allgemeinheit jedoch noch nicht endgültig verloren hat und eine Entfernung aus dem Beamtenverhältnis vorliegend weder als verhältnismäßig noch als erforderlich anzusehen ist. Die volle Ausschöpfung des in Anlehnung an die abstrakte Strafandrohung gebildeten Orientierungsrahmens ist vorliegend wegen der konkreten Umstände des Dienstvergehens nicht geboten.

Der Beklagte war zum Tatzeitpunkt am 19. Oktober 2012 gemeinsam mit Kollegen im Rahmen der Fahndung nach einem flüchtenden Einbrecher eingesetzt. Gegen 14:30 Uhr gelang es ihm, den Tatverdächtigen R. zu stellen. Durch einen Schlag auf den Kopf des Beklagten konnte sich der Tatverdächtige befreien und flüchten. Wenig später gelang es jedoch den Kollegen des Beklagten, den Flüchtigen festzunehmen. Als der Beklagte gegen 14:35 Uhr hinzukam, ging er auf den gefesselten Tatverdächtigen zu, forderte seine Kollegen auf, mal kurz wegzuschauen, nahm den parallel zum linken Unterarm gehaltenen Teleskopschlagstock und schlug den Tatverdächtigen mit dem aus der Hand herausstehenden Stück des Teleskopschlagstocks relativ leicht in die Bauchregion. Dieser erlitt leichte Schmerzen, jedoch keine bleibenden oder ernsthaften Verletzungen.

Der Beklagte hat hierdurch in Ausübung seines Dienstes eine vorsätzliche Körperverletzung begangen, ohne dass ein Fall der Notwehr oder Putativnotwehr vorlag, und damit als Polizeivollzugsbeamter in grober Weise gegen seinen gesetzlichen Auftrag zur Gefahrenabwehr verstoßen und den Kernbereich seiner Dienstpflichten verletzt. In Übereinstimmung mit dem Verwaltungsgericht geht der Senat insofern davon aus, dass aufgrund des räumlichen und zeitlichen Abstands zwischen dem Angriff auf den Beklagten und der Körperverletzung im Amt kein unmittelbarer Zusammenhang bestand.

Durch sein Verhalten hat der Beklagte die ihm zur Erfüllung seiner Aufgaben verliehenen Machtbefugnisse missbraucht, das in ihn vom Dienstherrn gesetzte Vertrauen in seine dienstliche Zuverlässigkeit erschüttert und in erheblichem Maße das Ansehen der Polizei beeinträchtigt. Polizeibeamte haben Straftaten zu verhüten, aufzuklären und zu verfolgen, sie genießen in der Öffentlichkeit eine besondere Vertrauens- und Garantenstellung. Das zur Ausübung dieser Ämter erforderliche Vertrauen wird in besonderem Maße beeinträchtigt, wenn Polizeibeamte selbst erhebliche Straftaten begehen (BVerwG, U.v. 18.6.2015 - 2 C 9/14, juris Rn. 22). Die Allgemeinheit kann und darf mit Recht erwarten, dass das allgemeine strafgesetzliche Verbot, andere körperlich zu verletzen, gerade von Polizeibeamten befolgt wird, zu deren Kernpflichten es gehört, die Einhaltung dieses Verbots zu überwachen und Verstöße hiergegen zu unterbinden und zu verfolgen. Das Rechtsgut der körperlichen Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG) besitzt einen besonders hohen Rang (vgl. zum Ganzen: BayVGH, U.v. 5.3.2008 - 16a D 07.1368 - juris Rn. 25).

Zu Lasten des Beklagten spricht dabei vorliegend, dass er eine bereits gefesselte und damit widerstandsunfähige Person quasi im Rahmen eines „Racheakts“ körperlich misshandelt hat (vgl. Zängl, Bayerisches Disziplinarrecht, Stand: November 2012, MatR/II Rn. 435/ 438, wonach vorsätzliche Tätigkeiten aus Rache gegen einen bereits Festgenommenen disziplinarrechtlich schwer wiegen und nur bei Vorliegen mildernder Umstände eine unterhalb der Höchstmaßnahme liegende Disziplinarmaßnahme noch als ausreichend erscheint.). Auch der Senat geht grundsätzlich davon aus, dass es sich in schwerwiegenden Fällen, vor allem bei Übergriffen auf sich in (polizeilichem) Gewahrsam befindenden Personen angesichts der Tatsache, dass aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG eine staatliche Schutzpflicht abzuleiten ist, die körperliche Integrität jeder Person in staatlichem Gewahrsam zu wahren und zu schützen, im Regelfall die Dienstentfernung erforderlich ist (vgl. BayVGH, U.v. 5.3.2008 a.a.O. juris Rn. 25).

Zu Gunsten des Beklagten greifen vorliegend jedoch beträchtliche Milderungsgründe, die dazu führen, dass die Verhängung der Höchstmaßnahme nicht geboten ist.

Entlastungsgründe können sich aus allen Umständen ergeben. Sie müssen in ihrer Gesamtheit aber geeignet sein, die Schwere des Pflichtverstoßes erheblich herabzusetzen. Generell gilt, dass das Gewicht der Entlastungsgründe umso größer sein muss, je schwerer das Delikt im Einzelfall wiegt. Erforderlich ist stets eine Prognoseentscheidung zum Umfang der Vertrauensbeeinträchtigung auf der Grundlage aller im Einzelfall be- und entlastenden Umstände. Als durchgreifende Entlastungsgründe kommen vor allem die Milderungsgründe in Betracht, die in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts entwickelt worden sind. Diese Milderungsgründe erfassen typisierend Beweggründe oder Verhaltensweisen des Beamten, die regelmäßig Anlass für eine noch positive Persönlichkeitsprognose geben. Zum einen erfassen sie ein tätiges Abrücken von der Tat, insbesondere durch die freiwillige Wiedergutmachung des Schadens oder die Offenbarung des Fehlverhaltens jeweils vor drohender Entdeckung, zum anderen tragen sie existentiellen wirtschaftlichen Notlagen sowie körperlichen oder psychischen Ausnahmesituationen Rechnung, in denen ein an normalen Maßstäben orientiertes Verhalten nicht mehr vorausgesetzt werden kann (BVerwG, U.v. 29.5.2008 - 2 C 59/07 - juris).

Vorliegend kann nach Auffassung des Senats nicht unberücksichtigt bleiben, dass sich der Beklagte am 19. Oktober 2012 aufgrund der vorangegangenen Verfolgungsjagd in einer außergewöhnlichen Einsatz- und Stresssituation befunden hat. Dem Senat ist zwar bewusst, dass der Beklagte als Polizeivollzugsbeamter bzw. als Mitglied einer zivilen Einsatzgruppe mit solchen besonderen Situationen vertraut ist. So wurden dem Beklagten für seinen besonderen Einsatz bei der Bekämpfung von Straßenkriminalität mehrfach (im Jahr 2006, 2008, 2009 und 2010) Sonderprämien gewährt. Gleichwohl geht der Senat aufgrund der der Körperverletzung im Amt vorausgegangen Verfolgungsjagd, in deren Verlauf der Beklagte durch den Geschädigten R. mit einem Schlag an den Kopf verletzt wurde, davon aus, dass sich der Beklagte zum Tatzeitpunkt in einer psychischen Ausnahmesituation befunden hat. Nach dessen Vortrag in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht, der auch durch seinen Kollegen POM C* … bestätigt wurde (s. Zeugenvernehmung des POM C … am 7. November 2012 im Ermittlungsvermerk der Kriminalpolizei vom 14.12.2012), schlug der Geschädigte R. dem Beklagten ins Gesicht, als dieser ihn festzunehmen versuchte, und verstrickte ihn in ein Gerangel. Hierbei konnte er fliehen und wurde vom Beklagten verfolgt. Die Verfolgung endete an einem Tor, über das der Geschädigte sprang. Hinter dem Tor wurde er von den Kollegen des Beklagten verhaftet und gefesselt. Als der Beklagte, dessen Kleidung aufgrund der Verfolgungsjagd zerrissen war und aus dessen Ohr infolge eines Risses in der Ohrmuschel Blut rann, um das Gebäude herum ging, um den Dieb zu identifizieren, kam es zur gegenständlichen Körperverletzung im Amt. Nach seinem eigenen Bekunden lag zwischen dem Ende der Verfolgungsjagd und dem Wiedersehen mit R. ca. eine Minute bzw. 100m Weg. Selbst bei einem etwas größeren zeitlichen Abstand - das Strafurteil vom 21. Mai 2013 hat 5 Minuten vom Beginn der Verfolgungsjagd bis zur Tat festgestellt - geht der Senat davon aus, dass die vorangegangenen, mit der Verfolgungsjagd zusammenhängenden Ereignisse zu einer zum Tatzeitpunkt noch nachwirkenden psychischen Ausnahmesituation beim Beklagten geführt haben, auch wenn aufgrund des räumlichen und zeitlichen Abstands die Provokation des Geschädigten R. die Tat des Beklagten nicht entschuldigen kann.

Dem Klinikbericht vom 15. November 2012 ist zu entnehmen, dass sich die Geschehnisse im Zusammenhang mit der Verfolgungsjagd auch nicht unmaßgeblich auf den Gesundheitszustand des Beklagten ausgewirkt haben. Zwar habe er im Anschluss an den Vorfall zunächst weiter gearbeitet, sich dann aber gegen 22:30 Uhr mit dem Krankenwagen in die Ambulanz der RoMed Klinik in B** … fahren lassen, nachdem bei ihm in häuslicher Umgebung Augenflimmern, Übelkeit und Erbrechen aufgetreten seien. Bei der Aufnahme habe er über starke Kopfschmerzen stirnseitig und innere Unruhe berichtet. In der Nacht vom 19. auf den 20. Oktober 2012 wurde der Beklagte aufgrund der diagnostizierten Schädel- und Beckenprellung stationär intensiv-medizinisch überwacht. Dies spricht dafür, dass der Beklagte durch den Schlag auf den Kopf und die anschließende Verfolgungsjagd gesundheitlich nicht unerheblich beeinträchtigt wurde.

Für das Vorliegen einer psychischen Ausnahmesituation beim Beklagten ist auch heranzuziehen, dass der im Rahmen der mündlichen Verhandlung von dem Strafgericht zu seiner Einschätzung befragte Sachverständige Dr. B. erklärte, aufgrund der gesamten Umstände sei nicht auszuschließen, dass beim Beklagten zum Tatzeitpunkt die Voraussetzungen des § 21 StGB vorgelegen hätten. In der Folge wurde im Urteil des Amtsgerichts M … vom 21. Mai 2013 davon ausgegangen, dass die Schuldfähigkeit des Beklagten zum Tatzeitpunkt erheblich eingeschränkt war und im Rahmen der Strafzumessung zu Gunsten des Beklagten ein Augenblicksversagen berücksichtigt.

Nach Auffassung des Senats kann sich der Beklagte zwar vorliegend nicht auf eine erheblich verminderte Schuldfähigkeit mit der Folge berufen, dass dann die Höchstmaßnahme grundsätzlich nicht mehr ausgesprochen werden könnte (BVerwG, U.v. 25.3.2010 - 2 C 83/08 - juris Rn. 34; U.v. 11.1.2012 - 2 B 78/11 - juris Rn. 5). Im Hinblick auf die leicht einsehbare Kernpflicht des Beklagten, bereits in Gewahrsam genommene, wehrlose Tatverdächtige nicht zu verletzen, und angesichts seiner vor der Tat an die Kollegen gerichteten Aufforderung, wegzuschauen, legt das gezeigte Verhalten nahe, dass der Beklagte zum Tatzeitpunkt noch über einen ausreichenden Rest an Einsichts- und Steuerungsfähigkeit verfügte.

Gleichwohl hält der Senat dem Beklagten aufgrund der vorangegangenen Geschehnisse eine psychische Ausnahmesituation zum Tatzeitpunkt mildernd zu Gute, die zu einem Augenblicksversagen des Beklagten geführt hat, das in seiner disziplinarrechtlichen Beurteilung nicht anders als eine erheblich geminderte Schuldfähigkeit gesehen werden kann.

Zu Gunsten des Beklagten ist vorliegend auch zu berücksichtigen, dass er den Geschädigten R. mit dem herausstehenden Stück des Teleskopschlagstocks lediglich relativ leicht in der Bauchregion getroffen hat. Den Ausführungen des Sachverständigen Dr. B. im Untersuchungsbefund vom 25. Oktober 2012 zufolge lag die Intensität des Schlags nach objektivierbaren Gesichtspunkten im untersten Bereich und hatte keine schwerwiegenden oder bleibenden Folgen. Im Hinblick auf die obergerichtliche Rechtsprechung, wonach mit besonderer Brutalität vorgenommene Körperverletzungshandlungen im Amt grundsätzlich die Höchstmaßnahme rechtfertigen, wirkt sich die vorliegend vergleichsweise geringe Intensität im Rahmen der Gesamtwürdigung zu Gunsten des Beklagten aus (vgl. hierzu BayVGH, U.v. 5.3.2008 a.a.O Rn. 32: Höchstmaßnahme bei einem Polizeibeamten, der nach vorangegangenem Angriff mit seinem Schlagstock aus stabilem Hartgummi achtmal auf den Kopf des Geschädigten einschlug und ihn erheblich verletzte; OVG NW, U.v. 10.3.1999 - 6d A 255/98.O - juris: Höchstmaßnahme bei einem Polizeibeamten, der den Geschädigten im Rahmen einer Festnahme mit einem Schlagstockhagel überfiel, obwohl dieser keinerlei Anstalten machte, sich den polizeilichen Anordnungen zu widersetzen; VGHBW, U.v 4.11.2008 - DL 16 S 616/08 - juris: Höchstmaßnahme bei einem Polizeibeamten, der einem eindeutig unterlegenen, erheblich alkoholisierten und schutzlos ausgelieferten Geschädigten nach vorangegangener Provokation infolge massiver Gewalteinwirkung einen doppelten Kieferbruch zufügte, so dass der Geschädigte zwei Monate lang nur flüssige Nahrung zu sich nehmen konnte und seither seinen Kiefer nicht mehr vollständig öffnen kann und U.v. 10.11.2006 - DL 16 S 22/06 - juris Rn. 53: Höchstmaßnahme bei einem Justizvollzugsbeamten, der einem Untersuchungshäftling nach einer vergleichsweisen belanglosen Provokation mit solcher Wucht einen Faustschlag ins Gesicht versetzte, dass dieser zu Boden stürzte, in der Folgezeit zweimal kurz bewusstlos wurde und eine Halswirbelsäulendistorsion sowie ein Monokelhämatom erlitt, während sich der Beamte infolge des Schlags den Mittelhandknochen brach und rund 3 Monate dienstunfähig erkrankt war; OVG NW, U.v. 26.2.2014 - 3d A 2472/11.O - juris Rn. 47: Höchstmaßnahme bei einem Polizeibeamten, der in einer alltäglichen Einsatzsituation einen völlig arglosen Geschädigten mit Reizstoff eindeckte und ihm, nachdem er unter der Wirkung des Reizstoffes zu Boden gegangen war, einen Fußtritt in die Rippen versetzte).

Zugunsten des Beklagten kann vorliegend auch gewertet werden, dass der Geschädigte selbst an der Strafverfolgung kein Interesse zeigte und keinen Strafantrag gestellt hat. Trotz Schlagstockeinsatzes erfolgte zudem keine Verurteilung wegen gefährlicher Körperverletzung gemäß § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB, was den Schluss nahe legt, dass in der Art und Weise des konkreten Schlagstockeinsatzes durch den Beklagten keine gesteigerte Gefahr für erhebliche Verletzungen beim Geschädigten bestand (vgl. Schönke/Schröder a.a.O. § 224 Rn.1).

Zugunsten des Beklagten spricht auch, dass er bisher (bis auf die zugrunde gelegten Verurteilungen) weder strafrechtlich noch disziplinarrechtlich in Erscheinung getreten ist und er aufgrund seines überobligatorischen Einsatzes mehrfach Leistungsprämien erhalten hat. Auch seine hervorragenden dienstlichen Leistungen, die im Rahmen der letzten periodischen Beurteilung zu einer Bewertung mit 15 Punkten geführt haben, wirken sich im Rahmen der Prognoseentscheidung günstig aus.

Erschwerend wirkt sich zu Lasten des Beklagten allerdings der außerdienstliche Vorfall vom 14. Oktober 2011 aus, bei dem er sich in erheblich alkoholisiertem Zustand fremder Jacken bemächtigte und diese - irrtümlich für die eigenen haltend - körperlich gegen die tatsächlichen Eigentümer verteidigte, erheblichen Widerstand bei der Identitätsfeststellung gegenüber Kollegen leistete und hierbei eine Kollegin körperlich misshandelte. Auch wenn der Vorfall mit der Körperverletzung im Amt nicht vergleichbar ist, tritt er zu dieser mit nicht unerheblichem disziplinarischem Eigengewicht hinzu, zumal es sich ebenfalls um Körperverletzungsdelikte handelt. Jedoch ist zugunsten des Beklagten hierbei zu berücksichtigen, dass er bei Tatbegehung erheblich alkoholisiert war und sich in einem Zustand befand, der einer verminderten Schuldfähigkeit zumindest nahe kam. Auch das verhängte Strafmaß in Höhe von 50 Tagessätzen à 35,-- Euro bewegt sich gemessen an den verwirklichten Delikten am untersten Rand einer möglichen Strafzumessung.

Der Senat geht davon aus, dass das inner- und außerdienstliche Fehlverhalten des Beklagten insgesamt - auch aufgrund der negativen Presseberichterstattung - zu einer schweren Schädigung des Ansehens der Polizei und des Berufsbeamtentums geführt hat, welche nur ausnahmeweise angesichts der besonderen Umstände und der hervorragenden Beurteilungen des Beklagten keinen endgültigen Vertrauensverlust mit sich bringt. Gerade auch im Hinblick auf die außerdienstlichen Pflichtverletzungen sieht der Senat zwar eine gewisse rücksichtslose Grundhaltung des Beklagten einhergehend mit der Neigung, sich im Hinblick auf die eigene Person über (dienstliche) Vorschriften hinwegzusetzen, jedoch geht der Senat - ähnlich wie der Dienstherr im Persönlichkeitsbild des Beklagten vom 1. Oktober 2012 - angesichts der hervorragenden Leistungen des Beklagten - noch von einer positiven Zukunftsprognose aus. Auch im dortigen Persönlichkeitsbild wurde seine Eignung als Polizeibeamter aufgrund der außerdienstlichen Pflichtverletzungen nicht grundsätzlich in Frage gestellt, vielmehr wurde ihm erhebliches Potential bescheinigt. Soweit das zweite Persönlichkeitsbild vom 17. Dezember 2013 dem Beklagten aufgrund des Vorfalls vom 19. Oktober 2012 eine Neigung zu innerdienstlichen Gewaltexzessen bescheinigt und insoweit zu einer negativen Zukunftsprognose gelangt, teilt der S enat diese Sichtweise auf den Beklagten im Hinblick auf die dargelegte psychische Ausnahmesituation zum Tatzeitpunkt und die Art und Weise der Tatbegehung unter Einbeziehung der bisherigen tadellosen Führung des Beamten seit seiner Berufung in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit nicht. Vielmehr geht der Senat davon aus, dass der Beklagte in Zukunft auch im privaten Bereich beim Umgang mit Alkohol besondere Vorsicht walten lässt und seine Dienstaufgaben pflichtgemäß erfüllen wird.

Im Rahmen der Gesamtschau der den Beklagten be- und entlastenden Umstände ist deshalb - auch unter Berücksichtigung der Persönlichkeit des Beklagten - zwar keine Entfernung aus dem Beamtenverhältnis, aber eine deutliche Pflichtenmahnung in Form der Zurückstufung des Beamten um zwei Stufen in das Eingangsamt geboten. Diese Disziplinarmaßnahme ist aufgrund der erheblichen Milderungsgründe schuldangemessen und im Hinblick auf die Schwere des Dienstvergehens und den damit einhergehenden Vertrauensschaden verhältnismäßig.

Die Kostenentscheidung beruht auf Art. 72 Abs. 1 BayDG.

Das Urteil ist mit seiner Verkündung rechtskräftig geworden (Art. 64 Abs. 2 BayDG).

Tenor

I. Die Berufung wird zurückgewiesen.

II. Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Tatbestand

I.

Der im Jahr 19 in M … geborene Beklagte beendete 1980 seine Schullaufbahn mit dem Abitur. Am 1. Oktober 1981 trat er als Polizeiwachtmeister unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Widerruf in den Dienst des Klägers ein. Zum 1. Oktober 1982 folgte seine Ernennung zum Polizeioberwachtmeister, nach erfolgreicher Laufbahnprüfung für den gehobenen Polizeivollzugsdienst mit der Gesamtprüfungsnote „befriedigend“ (2,81) zum 1. Dezember 1984 die Ernennung zum Polizeikommissar unter gleichzeitiger Berufung in das Beamtenverhältnis auf Probe. Am 1. Juni 1988 wurde er zum Polizeioberkommissar ernannt, am 19. Oktober 1988 in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit berufen und zum 29. November 1991 zum Polizeihauptkommissar ernannt. Nach erfolgreicher Laufbahnprüfung für den höheren Polizeivollzugsdienst mit der Gesamtprüfungsnote „gut“ (2,33) folgte zum 1. Juli 1994 die Ernennung zum Polizeirat und zum 1. Juli 1997 zum Polizeioberrat. Mit Schreiben vom 11. November 2003 wurde ihm als Leiter der VPI Verkehrsüberwachung für die Einsatzführung im Zusammenhang mit Staatsbesuchen eine Leistungsprämie von 1000,- Euro gewährt. Zum 1. September 2010 wurde der Beklagte unter gleichzeitiger Berufung in das Beamtenverhältnis auf Probe zum Polizeidirektor ernannt. Mit Bescheid des Polizeipräsidiums M … vom 24. Mai 2012 wurde festgestellt, dass die Probezeit nicht erfolgreich beendet wurde. Der Beklagte ist geschieden, Vater von zwei in erster Ehe 1994 und 1997 geborenen Kindern und in zweiter Ehe wieder verheiratet (seit 2014 getrennt lebend). Er erhält um 15 Prozent gekürzte Dienstbezüge aus der Besoldungsgruppe A14. In seiner letzten periodischen Beurteilung erreichte der Beklagte 14 Punkte.

II.

Der Beklagte ist strafrechtlich wie folgt in Erscheinung getreten:

Mit Urteil des Landgerichts T … vom 27. November 2012 (Az. 2 KLs 580 Js 25447/11) wurde er wegen drei tatmehrheitlicher Fälle der Körperverletzung im Amt zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 11 Monaten verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Die Revision des Beklagten wurde mit Beschluss des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 10. April 2013 als unbegründet verworfen.

Dem Urteil des Landgerichts liegen folgende tatsächliche Feststellungen zugrunde:

„Am 03.09.2011 befand sich der Angeklagte ab 18.00 Uhr im Dienst. Als Leiter der Polizeiinspektion R … verrichtete er diesen auf dem Herbstfest in R …, welches vom 26.08.2011 bis 11.09.2011 stattfand. Auf dem Festgelände auf der L …wiese befindet sich eine, während der Wiesnzeit provisorisch eingerichtete Wiesnwache, von wo aus die polizeilichen Einsätze koordiniert und durchgeführt werden. Nachdem der Angeklagte am 03.09.2012 zunächst damit befasst war, eine größere Gruppe von Motoradrockern aus Sicherheitsgründen davon abzuhalten, dass diese gemeinsam auf das Herbstfest gehen, was sich schließlich ohne größere Probleme erledigte, begab er sich im Rahmen seiner dienstlichen Tätigkeit kurz vor 22.00 Uhr zusammen mit seinem Kollegen, PHK K., auf Fußstreife über das Festgelände.

Zum gleichen Zeitpunkt kam es vor dem Fahrgeschäft Poseidon zu einer Rangelei und kurzen Schlägerei, an der auch der später Geschädigte M. H. beteiligt war. Der Geschädigte H. befand sich mit zwei Freunden ebenfalls auf dem Herbstfest und die drei pöbelten zunächst vor dem Fahrgeschäft eine Gruppe von jungen Erwachsenen an. Kurze Zeit darauf versetzte der Geschädigte H. dem Zeugen D. auch einen Kopfstoß. Die am Streit Beteiligten stürzten dabei auch zu Boden. Der genaue Hergang dieser Auseinandersetzung konnte nicht geklärt werden. Möglicherweise erhielt der Geschädigte H. im Rahmen dieser Auseinandersetzung einen Schlag oder Stoß an die rechte Unterkieferseite, wodurch an zwei Backenzähnen eine Zahnschmelzabplatzung bzw. – sprung und an dem rechten vorderen Unterkieferrand ein Bluterguss entstand.

Der Geschädigte H. war zum Zeitpunkt dieser Auseinandersetzung nach dem Genuss von zwei Maß Bier nicht unerheblich alkoholisiert. Seine Blutalkoholkonzentration betrug wahrscheinlich 1,4 Promille, maximal 1,66 Promille. Der Geschädigte H. wurde schließlich durch die herbeigerufenen Polizeibeamten, die Zeugen B. und N., wegen der Beteiligung an der Schlägerei und unter dem Verdacht der Körperverletzung festgenommen. Die Zeugen B. und N. brachten den Geschädigten H. zu Boden und fesselten seine Hände auf dem Rücken. Anschließend sollte der Geschädigte H. von den Zeugen B. und N. zur etwa 50 m entfernten Wiesnwache abgeführt werden.

Zu diesem Zeitpunkt hatte der Geschädigte keine, insbesondere keine blutenden Verletzungen im Bereich der Lippe. Aufgrund seiner Alkoholisierung und der unmittelbar zuvor stattgefundenen Auseinandersetzung war der Geschädigte eher aggressiv gestimmt, aber nicht so, dass er sich der Festnahme widersetzt hätte.

Der zum Einsatzort hinzugekommene Angeklagte löste den Kollegen N. ab und führte den Geschädigten zusammen mit dem Zeugen B. in Richtung Wiesnwache, wobei der Geschädigte vom Angeklagten rechts und vom Zeugen B. links gehalten und geführt wurde. Aufgrund des hohen Besucherandrangs auf dem Festplatz kam es immer wieder zu kurzen Stockungen, auch drehte sich der Geschädigte mehrmals nach rechts zum Angeklagten hin um und wollte wissen, was denn der Grund dafür sei, warum er abgeführt werde. Er habe wissen wollen „was abgehe“ und was er gemacht habe. Der Angeklagte antwortete ihm darauf, dass dies auf der Wache geklärt werde. Der Geschädigte meinte daraufhin, sein Vater sei Rechtsanwalt (was nicht zutrifft) und es gäbe eine Anzeige. Von Seiten des Geschädigten wurden auch im Einzelnen nicht mehr feststellbare Beleidigungen gegen den Angeklagten ausgesprochen. Während dieses Abführens versetzte der Angeklagte dem Geschädigten mehrere Stöße, mindestens zwei, mit dem Knie in den rechten Gesäßbereich des Geschädigten, um diesen zum zügigen Weitergehen zu veranlassen. Für diese Stöße bestand jedoch nicht die geringste Notwendigkeit, da der Geschädigte ohnehin gefesselt war und auf beiden Seiten von Polizeibeamten abgeführt wurde. Der Geschädigte „bedankte“ sich ironisch beim Angeklagten und wurde zunehmend aggressiver, er fragte „was ist los du Irrer“ und bezeichnete den Angeklagten auch als „Psycho“ und fragte was mit ihm „los“ sei. Daraufhin versetzte der Angeklagte dem Geschädigten mit der rechten offenen flachen Hand einen Schlag in die linke Gesichtshälfte. Auf dem weiteren Weg zur Wache gab der Angeklagte dem Geschädigten eine Anzahl weiterer nicht mehr genauer feststellbarer Kniestöße, mindestens aber vier. Kurz bevor der Angeklagte und der Geschädigte die Wiesnwache erreichten, versetzte der Angeklagte dem Geschädigten eine weitere Ohrfeige.

Durch diese beiden Ohrfeigen bzw. Schläge ins Gesicht entstanden beim Geschädigten keine nennenswerten Verletzungen, die Schläge waren aber so heftig, dass der Geschädigte jeweils Schmerzen verspürte. Durch die Kniestöße in die rechte Gesäßgegend verspürte der Geschädigte zwei bis drei Tage ziehende Schmerzen vor allem beim Liegen, welche in den Lenden- und Nierenbereich ausstrahlten.

Eine blutende Verletzung im Bereich Nase/Mund trug der Geschädigte weder bei der Schlägerei, welche Anlass für den Polizeieinsatz war, noch bei der Festnahme und beim Abführen zur Wiesnwache davon.

Nachdem die drei Personen an der Wiesnwache angekommen waren, wurde der Geschädigte vom Angeklagten in einen Raum, welcher sich unmittelbar nach Betreten des Gebäudes rechts befand, geführt. Bei diesem Raum handelt es sich um eine Räumlichkeit einer Bäckerei, die in der Zeit des Herbstfestes provisorisch als Dienstraum für die Polizeiinspektion eingerichtet ist, sonst aber der Bäckerei als Lager- und Abstellraum dient. Unmittelbar nach dem Eingang befindet sich auf der linken Seite an der Wand eine vorübergehend dort angebrachte Sitzbank mit einer Sitzfläche von etwa 1,20 m x 46 cm. Die Sitzfläche befindet sich auf einer Höhe von 42,5 cm. In dem insgesamt etwa 17 m² großen Raum befanden sich weiterhin noch ein Tresen, ein Schreibtisch und ein kleiner Schrank, sowie eine provisorische Spüle. Wegen der Einzelheiten der örtlichen Verhältnisse wird auf die Planskizze auf Bl. 544 d. A. verwiesen.

Unmittelbar nach Betreten dieses Wachraumes setzte der Angeklagte den nach wie vor mit den Händen auf den Rücken gefesselten Geschädigten auf diese Sitzbank. Der Geschädigte äußerte sich weiterhin erbost über den Umstand seiner Festnahme. Hierauf entwickelte sich ein zunehmend lauter werdendes Streitgespräch zwischen dem Angeklagten und dem Geschädigten. Aus Verärgerung über das weiter andauernde renitente Verhalten des Geschädigten trat der Angeklagte aufgrund eines neuen Tatentschlusses, kurz nachdem sich der Geschädigte auf die Bank gesetzt hatte, an diesen heran, zog ihn nach oben und drehte ihn mit dem Gesicht gegen die Wand. Sodann packte der Angeklagte den Geschädigten hinten am Kopf oder im Nacken und stieß dessen Kopf mindestens zweimal gegen die Wand. Der Geschädigte war dabei in seiner Abwehrfähigkeit nicht nur durch die auf den Rücken gefesselten Hände beeinträchtigt, sondern auch durch die Sitzbank, welche sich unmittelbar vor seinen Schienbeinen befand und welche es ihm unmöglich machte, nach vorne auszuweichen und die Stöße damit irgendwie abzufangen oder abzumildern.

Durch die beiden Stöße gegen die Wand brach ein Teil des linken oberen vorderen Schneidezahns ab, ferner erlitt der Geschädigte zwei blutende Quetsch-Risswunden an der Unterlippe, wovon eine 1 cm tief und 0,5 cm breit war. Des Weiteren wurden vier Zähne gelockert.

Danach verließ der Angeklagte das Dienstzimmer.

Einige Zeit darauf kam er wieder in den Wachraum zurück, wo der zwischenzeitlich stark blutende Geschädigte auf der Sitzbank saß. Als dieser den Angeklagten wahrnahm, begann er sofort wieder auf ihn zu schimpfen und ihn zu beleidigen, darüber hinaus spuckte er in Richtung des Angeklagten, ohne ihn jedoch zu treffen. Auch versuchte er gegen diesen zu treten. Wegen dieses Verhaltens entschloss sich der Angeklagte erneut den Geschädigten zu maßregeln und versetzte diesem eine weitere heftige Ohrfeige in die linke Gesichtshälfte. Auch hierdurch verspürte der Geschädigte Schmerzen, bleibende Verletzungen sind aber nicht entstanden.

Die Verletzung an der Lippe wurde im Krankenhaus R … durch zwei Nähte versorgt. Ferner mussten die gelockerten Zähne wieder gerichtet werden und der abgebrochene Schneidezahn durch eine Teilprothese ersetzt werden. Aufgrund der Verletzungen ist beim Geschädigten eine kleine, kaum sichtbare Narbe an der Unterlippe verblieben, zudem besteht ein maßvoll erhöhtes Risiko dafür, dass der geschädigte Schneidezahn später absterben könnte und durch ein Implantat ersetzt werden müsste.

Weitergehende Folgen hat der Vorfall weder in körperlicher, noch in psychischer Hinsicht beim Geschädigten hinterlassen.

Der Angeklagte hat im Rahmen der Durchführung eines von ihm angestrebten Täter Opfer Ausgleichs einen Termin bei der Fachstelle für Täter Opfer Ausgleich der Diakonie in T … am 29.09.2012 wahrgenommen und dort ein Gespräch mit der Dipl. Sozialpädagogin G.G. geführt.

Der Geschädigte nahm an diesem Gespräch nicht teil, weil seine Mutter als Erziehungsberechtigte ein Gespräch mit der Fachstelle ablehnte.

Der Angeklagte verfasste daraufhin unter dem 20.10.2012 ein zweiseitiges Entschuldigungsschreiben an den Geschädigten.

In der Hauptverhandlung erkannte der Angeklagte durch gerichtlich protokollierten Teilvergleich an, dem Geschädigten dem Grunde nach Schadensersatz und Schmerzensgeld zu schulden und verpflichtete sich einen Schmerzensgeldbetrag in Höhe von 6.000 Euro zu bezahlen.“

III.

Aufgrund des Vorfalls vom 3. September 2011 wurden mit Vermerk vom 16. September 2011 gegen den Beklagten disziplinarrechtliche Ermittlungen gemäß Art. 19 Abs. 1 BayDG eingeleitet und wegen des sachgleichen Strafverfahrens ausgesetzt. Mit Verfügung vom 22. September 2011 wurde dem Beklagten die Führung der Dienstgeschäfte verboten. Mit Bescheid des Polizeipräsidiums M … vom 21. Mai 2012, das das Disziplinarverfahren zwischenzeitlich übernommen hatte, wurde der Beklagte vorläufig des Dienstes enthoben. Die jährliche Sonderzuwendung sowie 30 Prozent seiner Dienstbezüge wurden zunächst einbehalten, mit Bescheid vom 25. Juli 2012 auf 25 Prozent reduziert und mit Bescheid vom 8. August 2013 aufgehoben. Mit Verfügung vom 1. Dezember 2016 wurde unter Aufhebung des Bescheids vom 8. August 2013 erneut der Einbehalt der jährlichen Sonderzahlung sowie von 15 Prozent der Dienstbezüge verfügt. Im Rahmen des mit Schreiben vom 8. August 2013 nach Abschluss des Strafverfahrens fortgesetzten Disziplinarverfahrens wurde der Beklagte unter dem 8. April 2014 zur beabsichtigten Entfernung aus dem Beamtenverhältnis abschließend angehört. Von der Beteiligungsmöglichkeit der Personalvertretung machte der Beklagte Gebrauch. Diese hat der Erhebung der Disziplinarklage mit Schreiben vom 25. Juni 2014 zugestimmt.

IV.

Am 22. Juli 2014 erhob das Polizeipräsidium M … Klage zum Verwaltungsgericht und beantragte, den Beklagten aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen.

Grundlage hierfür seien die im Urteil des Landgerichts T … vom 27. November 2012 zur Last gelegten Sachverhalte. Der Beklagte habe sich nicht seinem Beruf entsprechend achtungs- und vertrauenswürdig verhalten und die Gesetze nicht beachtet. Er habe ein schweres, den Kernbereich der Dienstpflichten betreffendes Dienstvergehen gemäß § 47 Abs. 1 BeamtStG begangen. Unter Berücksichtigung des Umfangs der Pflichtverletzung, der Beeinträchtigung des Vertrauens des Dienstherrn und der Allgemeinheit sowie unter Würdigung des Persönlichkeitsbilds des Beklagten sei eine Entfernung aus dem Beamtenverhältnis geboten; eine mildere disziplinarrechtliche Ahndung sei nicht veranlasst. Bei einem Polizeibeamten, dem gerade der Schutz der Rechtsordnung obliege und der in dieser Funktion auch in der Öffentlichkeit wahrgenommen werde, leide die Wertschätzung und das Ansehen, die er als Amtsträger nach außen genieße, durch die Begehung einer solchen Straftat erheblich. Er habe über einen längeren Zeitraum ein völlig unverhältnismäßiges Verhalten an den Tag gelegt und seine dienstlichen Machtbefugnisse derart missbraucht, dass sein Verhalten nur noch als Ausdruck persönlicher Machtdemonstration gesehen werden könne. Besonders sei auch zu seinen Lasten zu berücksichtigen, dass es sich bei dem Vorfall um eine absolute Routinesituation gehandelt habe, der Geschädigte ihm schutzlos ausgeliefert gewesen und er mit besonderer Brutalität vorgegangen sei. Der Beklagte sei seiner Vorbildfunktion nicht im Geringsten gerecht geworden und habe auch nach der Tat keinerlei Einsicht und Reue gezeigt, sondern vielmehr den Anschein erweckt, er wolle auf das Aussageverhalten seiner Kollegen Einfluss nehmen. Die positiv zu würdigenden Gesichtspunkte wie z.B. die fehlende Vorbelastung, die gute Beurteilung und die Leistung eines Schmerzensgelds in Höhe von 6.000,- habe die Schwere des Dienstvergehens nicht aufwiegen können.

Der Beklagte beantragte, die Klage abzuweisen, hilfsweise auf eine mildere Disziplinarmaßnahme zu erkennen.

Die Disziplinarklage sei unbegründet, allenfalls komme eine geringere Disziplinarmaßnahme in Betracht. Das Gericht sei verpflichtet, die erforderlichen Beweise in einer Beweisaufnahme zu erheben und sich von den Feststellungen des Strafgerichts gemäß Art. 55 BayDG i.V.m. Art. 25 Abs. 1 BayDG zu lösen. Eine Lösung sei erforderlich, wie sich aus dem dargestellten und durch Beweisangebote hinreichend substantiierten Sachvortrag des Beklagten ergebe. Das Strafurteil beruhe im Wesentlichen auf den Angaben des Geschädigten, der jedoch aufgrund seiner Alkoholisierung keine glaubwürdigen Angaben habe machen können. Die Feststellungen des Strafgerichts würden nicht durch die erhobenen objektiven Befunde oder sonstige Zeugen- und Sachverständigenaussagen gestützt. Als Leiter der Polizeidirektion R … habe er grundsätzlich nicht an vergleichbaren Vor-Ort-Einsätzen teilgenommen, es habe sich deshalb nicht um eine Routinesituation für den Beklagten gehandelt. Es träfe nicht zu, dass der Beklagte seine Kollegen in ihrem Aussageverhalten habe beeinflussen wollen. Zu Gunsten des Beklagten sei zu berücksichtigen gewesen, dass er bislang völlig unbelastet gewesen sei und herausragende Leistungen erbracht habe. Mit Schreiben vom 29. September 2014 wurden vom Beklagten neun weitere Beweisanträge gestellt.

Das Verwaltungsgericht hat mit Urteil vom 15. Dezember 2014 auf die Disziplinarmaßnahme der Entfernung aus dem Beamtenverhältnis erkannt. Die dem Beklagten zur Last gelegten Dienstvergehen stünden zur Überzeugung des Gerichts fest und rechtfertigten die verhängte Disziplinarmaßnahme. Das Gericht habe keinen Anlass gesehen, sich von den tatsächlichen Urteilsfeststellungen des Landgerichts T … zu lösen. Dies sei nur ausnahmsweise und unter eng begrenzten Voraussetzungen möglich, allein die Möglichkeit, dass das Geschehen objektiv oder subjektiv auch anders gewesen sein könnte, reiche nicht aus. Die diesbezüglich gestellten Beweisanträge seien abzulehnen. Im Rahmen einer Gesamtabwägung aller be- und entlastenden Umstände gehe das Gericht davon aus, dass das Fehlverhalten des Beklagten äußerst schwer wiege. Es halte deshalb im Hinblick auf die Eigenart und Schwere des Dienstvergehens, seine Auswirkungen, das Maß der Schuld und auch aus generalpräventiven Erwägungen eine Dienstentfernung des Beklagten für angemessen und erforderlich. Ein Polizeibeamter, der in Ausübung seines Dienstes eine vorsätzliche Körperverletzung begehe, ohne dass ein Fall von Notwehr oder Putativ-notwehr vorliege, verstoße in grober Weise gegen seinen gesetzlichen Auftrag zur Gefahrenabwehr und verletze den Kernbereich seiner Dienstpflichten. Er missbrauche damit die ihm zur Erfüllung seiner Aufgaben verliehenen Machtbefugnisse, erschüttere das in ihn vom Dienstherrn gesetzte Vertrauen in seine dienstliche Zuverlässigkeit und beeinträchtige in erheblichem Maße das Ansehen der Polizei als staatlicher Institution, weil der Achtungsverlust des Beamten auf die Polizei insgesamt ausstrahle. Gerade bei Übergriffen auf sich in (polizeilichem) Gewahrsam befindlichen Personen sei nach ständiger Rechtsprechung in der Regel die Höchstmaßnahme erforderlich. Auf dieser Grundlage ergebe sich im Rahmen der Gesamtbetrachtung, dass die vom Beklagten begangenen Körperverletzungen im Amt bereits für sich genommen, jedenfalls aber in Verbindung mit seinem Nachtatverhalten, das erforderliche Vertrauen in nicht wiederherzustellender Weise zerstört hätten. Der Beklagte habe in drei, durch zeitliche Zäsur getrennten Komplexen, dem Geschädigten jeweils auf neuen Tatentschlüssen beruhende, erhebliche Verletzungen zugefügt. Beim Abführen auf die Wiesnwache habe er dem Geschädigten mindestens sechs Stöße mit dem Knie in den Gesäßbereich gegeben, die zu zwei bis drei Tage ziehenden Schmerzen, insbesondere im Liegen mit Ausstrahlungen in den Lenden- und Nierenbereich geführt hätten. Auch habe er ihm zwei heftige, Schmerzen verursachende Ohrfeigen versetzt. Diese Körperverletzungshandlungen habe der Beklagte vorgenommen, obwohl der Geschädigte gefesselt gewesen sei und sich nach Aussagen des beim Abführen beteiligten Kollegen in keiner Weise widersetzt habe. Auf der Wiesnwache habe er den auf einer Bank sitzenden Geschädigten nach oben gezogen, mit dem Gesicht zur Wand gedreht, am Nacken gepackt und mindestens zweimal gegen die Wand gestoßen. Hierdurch sei beim Geschädigten ein Teil des linken oberen Schneidezahns abgebrochen und er habe zwei blutende Quetsch-Risswunden an der Unterlippe erlitten, wovon eine 1 cm tief und 0,5 cm breit gewesen sei. Ferner seien vier Zähne gelockert worden. Nachdem der Beklagte den Raum verlassen, dann aber wieder zurück gekommen sei, habe er dem zwischenzeitlich stark blutenden Geschädigten eine weitere heftige Ohrfeige in die linke Gesichtshälfte versetzt, die zu erheblichen Schmerzen geführt habe. Demgegenüber hätten sich die provozierenden Äußerungen und Handlungen des Geschädigten nicht mildernd ausgewirkt. Als langjähriger, erfahrener Polizeibeamter könne der Beklagte nicht darauf verweisen, provoziert worden zu sein. Es habe sich um einen typischen Routineeinsatz gehandelt, zudem sei der Geschädigte dem Beklagten körperlich unterlegen und aufgrund der Handschellen schutzlos ausgeliefert gewesen. Die Körperverletzungshandlungen zeigten eine äußerst brutale Vorgehensweise, ein solches Verhalten stehe völlig außer Verhältnis zu der vorangegangenen Provokation. Auch belege das Maß der angewandten Gewalt den Missbrauch der dienstlichen Machtbefugnisse durch den Beklagten nachdrücklich. Zu seinen Lasten falle in hohem Maße auch ins Gewicht, dass es sich vorliegend um einen mit 14 Punkten beurteilten Polizeibeamten handle, der sich zum maßgeblichen Zeitpunkt in der Probezeit zur Ernennung zum Polizeidirektor befunden habe und über eine jahrzehntelange Diensterfahrung verfüge. Darüber hinaus habe er als Leiter der Dienststelle R … eine Vorbildfunktion inne gehabt. Gegen den Beklagten spreche zudem sein Nachtatverhalten. Er habe durch seine Stellungnahme zum Vorfall mit E-Mail vom 4. September 2011 versucht, seine Kolleginnen und Kollegen zu beeinflussen. Schließlich habe der Kläger weder im Strafverfahren noch im Disziplinarverfahren echte Reue und Einsicht in seine Schuld gezeigt. Zu seinen Lasten sei auch zu berücksichtigen, dass das Dienstvergehen infolge der Presseberichterstattung zu einer massiven Schädigung des Ansehens des Berufsbeamtentums und der Polizei in der Öffentlichkeit geführt habe. Milderungsgründe, insbesondere ein einmaliges, persönlichkeitsfremdes Augenblicksversagen, lägen nicht vor. Das notwendige Vertrauensverhältnis zum Dienstherrn sei völlig zerstört, der Ansehens- und Vertrauensverlust werde auch nicht durch die beanstandungsfreie langjährige Tätigkeit des Beklagten, seine gute Beurteilung und die Schmerzensgeldzahlung an den Geschädigten derart relativiert, dass von einer Entfernung aus dem Beamtenverhältnis abgesehen werden könnte.

Der Beklagte hat gegen dieses Urteil, zugestellt am 29. Januar 2015, am 12. Februar 2015 Berufung eingelegt und mit Schriftsatz vom 19. März 2015 beantragt,

in Abänderung des Urteils des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 15. Dezember 2014 die Klage abzuweisen bzw. hilfsweise auf eine geringere Disziplinarmaßnahme als die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis zu erkennen.

Die Berufung richte sich sowohl gegen das verhängte Disziplinarmaß als auch gegen die Tat- und Schuldfeststellungen im angefochtenen Urteil. Das Verwaltungsgericht habe sich zu Unrecht nicht von den Feststellungen im Strafurteil gelöst. Es habe im Hinblick auf den dem Beklagten vorgeworfenen Sachverhalt auf die tatsächlichen Feststellungen im Urteil des Landgerichts T … vom 27. November 2012 abgestellt. Dabei habe es jedoch verkannt, dass die dortigen Sachverhaltsfeststellungen falsch seien. Es treffe nicht zu, dass der Beklagte den Geschädigten mindestens zweimal in der Wache gegen die Wand gestoßen habe. Tatsächlich habe der Beklagte dem Geschädigten in der Wache lediglich einen Stoß mit der rechten Hand gegen die rechte Schulter gegeben, weil sich der Geschädigte trotz entsprechender Aufforderung geweigert habe, sich hinzusetzen. Daraufhin habe der Geschädigte das Gleichgewicht verloren und sei mit dem Kopf gegen die Wand geprallt. Der Beklagte habe dem Geschädigten dann lediglich eine Ohrfeige mit der flachen Hand gegeben, nachdem dieser den Beklagten nochmals bedroht, beleidigt und bespuckt habe. Es habe nur ein Kontakt mit dem Kopf des Geschädigten gegen die Wand stattgefunden. Begünstigt sei das Fallen des Geschädigten offenbar dadurch gewesen, dass dieser stark alkoholisiert gewesen sei und nur schwer auf den Beinen habe stehen können. Das Landgericht habe diese Schilderung aber nicht als bestätigt angesehen, sondern sei insbesondere den angeblich glaubwürdigen Angaben des Geschädigten H … gefolgt. Diese Feststellungen seien falsch. Das Abstellen auf die Angaben des Geschädigten sei schon deshalb nicht nachvollziehbar, weil das Erinnerungsvermögen des Geschädigten aufgrund einer starken Blutalkoholkonzentration zwischen 1,4 und 1,6 Promille eingeschränkt und nur bruchstückehaft vorhanden gewesen sei und im Gegensatz zu den Aussagen anderer Zeugen stehe. Hierfür spreche auch, dass ein von ihm zunächst behaupteter Faustschlag gar nicht stattgefunden habe, der Geschädigte sich an die durch den Zeugen B … beobachteten Ohrfeigen auf dem Weg zur und auf der Wache nicht habe erinnern können und er im Gegensatz zum Zeugen B … ausgesagt habe, dass er vor dem Stoß an die Wand bereits auf der Sitzbank gesessen und vom Beklagten hochgezogen worden sei. Auch an die genaue Anzahl der angeblichen Stöße gegen die Wand habe sich der Geschädigte nicht mehr erinnern können. In der polizeilichen Vernehmung habe er zunächst von nur einem Stoß gesprochen, später sollen es dann vier bis fünf Kopfschläge gewesen sein (z.B. im Rahmen der Tatkonstruktion vom 27. September 2011). In der Hauptverhandlung vor dem Strafgericht am 19. November 2012 habe der Geschädigte dann nur noch von angeblich drei Schlägen des Kopfes an die Wand gesprochen, die dem zu diesem Zeitpunkt vorliegenden zahnmedizinischen Gutachten entsprochen hätten. Gegenüber der die Platzwunde an der Unterlippe und den Zahnschaden behandelnden Notfallärztin Dr. H … sei als Ursache lediglich von einem Faustschlag auf der Polizeiwache die Rede gewesen und nicht von angeblich mehrfachen Stößen an die Wand (vgl. Befund v. 4. September 2011). Die angebliche Glaubwürdigkeit des Geschädigten werde auch nicht durch objektive Befunde gestützt (s. Gutachten S … zum Grad der Alkoholisierung). Es stehe keinesfalls fest, dass der Geschädigte aufgrund eines erheblichen Kraftaufwandes des Beklagten gegen die Wand gestoßen sei, die Sachverständige habe nicht mit Gewissheit sagen können, ob der Geschädigte zum Tatzeitpunkt überhaupt habe stehen können. Dieser sei wohl aufgrund der Alkoholisierung ins Wanken geraten und gegen die Wand gestoßen. Der Sachverständige K … habe festgestellt, dass der Geschädigte zwei Verletzungsbilder an den Zähnen aufgewiesen habe, welche verschiedenen Krafteinwirkungen zuzuordnen seien. Es liege deshalb der Schluss nahe, dass eine der beiden Verletzungen im Zuge der der Festnahme des Geschädigten vorausgegangenen Schlägerei entstanden sei. Auch der Sachverständige Dr. S … habe nicht ausgeschlossen, dass das Blut an der Wand von nur einem Stoß verursacht worden sei. Der Sachverständige Dr. A … habe zur Frage, ob ein oder mehrere Stöße verübt worden seien, überhaupt keine weiteren Angaben machen können. Das Verwaltungsgericht verkenne, dass es die tatsächlichen Urteilsfeststellungen des Strafgerichts seiner Entscheidung nicht zugrunde habe legen dürfen, sondern sich zwingend vom Strafurteil gem. Art. 25 Abs. 1, Art. 55 HS 2 BayDG hätte lösen müssen. Das Strafgericht habe nicht dargelegt, warum es gleichwohl von der Glaubwürdigkeit des Zeugen ausgegangen sei, obwohl bezüglich der Richtigkeit der Angaben des Geschädigten ganz offenkundig erhebliche Zweifel bestanden hätten. Die Feststellungen des Strafgerichts würden auch nicht durch die objektiven Befunde oder sonstigen Zeugen – und Sachverständigenaussagen gestützt. Das Festhalten des Verwaltungsgerichts an den unzutreffenden Tatsachenfeststellungen im Strafurteil habe zu einer falschen Bewertung des Tatkomplexes „Wiesnwache“ geführt. Eine vorsätzliche Körperverletzung sei lediglich in der Ohrfeige zu sehen, die der Beklagte zugegeben und der Zeuge B … im Strafprozess bestätigt habe. Diese sei jedoch nicht brutal oder besonders schmerzhaft gewesen, der Geschädigte habe sich hieran aufgrund seiner Alkoholisierung gar nicht erinnern können. Diese sei in besonders aufgeheizter Situation erfolgt und habe keine erheblichen Verletzungen zur Folge gehabt. Soweit der Geschädigte einmal mit dem Kopf an die Wand gestoßen sei, habe dies der Beklagte nicht beabsichtigt. Er habe den Geschädigten lediglich dazu anhalten wollen, sich auf die Bank zu setzen. Der Geschädigte sei so alkoholisiert gewesen, dass ein leichter Schubser oder Stoß dazu geführt habe, dass der Geschädigte mit dem Kopf gegen die Wand geschlagen sei. Dies sei für den Beklagten nicht vorhersehbar gewesen. Dieses Verhalten des Beklagten begründe – auch im Hinblick auf die vorangegangenen Provokationen - allerdings kein schweres Dienstvergehen, das bereits die Erhebung einer Disziplinarklage rechtfertigen würde. Zudem gebe es für Körperverletzungen im Amt keine Regelmaßnahme. Dies habe das Verwaltungsgericht offenkundig verkannt. Zudem habe das Gericht wesentlichen Sachvortrag des Beklagten nicht berücksichtigt. Er habe sich unmittelbar vor dem vorgeworfenen Ereignis aufgrund eines Hörsturzes und eines starken Tinnitus in Behandlung befunden. Bei ihm habe eine psychische Ausnahmesituation vorgelegen, die durch eine erhebliche dienstliche Belastung des Beklagten (Aufgabenflut, Personalmangel, Vorbereitung des anstehenden Herbstfestes) ausgelöst worden sei. Trotzdem habe er vor, während und nach dem Herbstfest durchgängig 25 Tage Dienst verrichtet. Dies hätte bei der Bemessung der Disziplinarmaßnahme, zumindest aber beim Bemessungskriterium „Persönlichkeitsbild des Beamten“ berücksichtigt werden müssen. Selbst wenn man vorliegend von einer Bindungswirkung des Strafurteils ausgehen würde, wäre das Dienstvergehen nicht als so schwerwiegend zu beurteilen, dass das Vertrauensverhältnis endgültig zerstört sei. Es habe eine aufgeheizte Stimmung auf dem Volksfest geherrscht, der Geschädigte sei zuvor an einer Schlägerei beteiligt gewesen und unstreitig aggressiv aufgetreten. Er habe unter Alkoholeinfluss die Kollegen beschimpft und beleidigt. Es habe sich für den Kläger als PI-Leiter um keinen typischen Routineeinsatz gehandelt. Der Beklagte sei als Gesamteinsatzleiter verantwortlich und aufgrund seiner gesundheitlichen Situation (Tinnitus, Hörsturz) stark belastet gewesen; der Kläger habe die Überlastung des Klägers sehenden Auges trotz seines angeschlagenen Gesundheitszustands zugelassen; zudem sei zu berücksichtigen, dass der Geschädigte durch die Kniestöße und Ohrfeigen keine erheblichen Verletzungen erlitten hätte. Der Beklagte habe auch seine Kollegen nach der Tat nicht beeinflussen wollen. Das Versenden einer Stellungnahme an Kollegen, die man nicht alle Tage treffe, sei in einem solchen Fall absolut üblich. Im Hinblick auf die Persönlichkeit des Beklagten sei auch zu berücksichtigen, dass er bisher unbelastet sei und herausragende Leistungen erbracht habe. Dies spreche für den Beklagten, nicht gegen ihn. Er habe als Leiter der Dienststelle R … gerade nicht über jahrzehntelange Erfahrung für Einsätze „auf der Straße“ verfügt. Auch das Strafgericht habe im Hinblick auf die Strafzumessung von 11 Monaten Freiheitsstrafe auf Bewährung ein Verbleiben des Beamten im Beamtenverhältnis als möglich erachtet.

Der Kläger verteidigt das angefochtene Urteil und beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Zur Begründung führte er im Wesentlichen aus, dass das Verwaltungsgericht sich zu Recht an die tatsächlichen Feststellungen im Strafurteil gebunden gesehen habe; Offensichtlich unrichtige oder inzwischen als unzutreffend erkannte Feststellungen seien weder ersichtlich noch von der Beklagtenseite schlüssig dargelegt worden. Der Bundesgerichtshof habe mit Beschluss vom 10. April 2013 die Revision gegen das Urteil des Landgerichts T … als unbegründet verworfen und dabei ausdrücklich festgestellt, dass die Nachprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsbegründung im Hinblick auf eine fehlerhafte und unvollständige Beweiswürdigung und die allgemeine Sachrüge keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Beklagten ergeben hätte. Dem Vortrag des Bevollmächtigten sei weder allgemein noch im Einzelnen zu folgen. Insbesondere seien keine Anhaltspunkte ersichtlich, warum der Geschädigte im Hinblick auf den Vorwurf, er sei mindestens zweimal vom Beklagten mit dem Kopf an die Wand gestoßen worden, unglaubwürdig sein solle. Das Landgericht T … habe ausführlich und nachvollziehbar begründet, warum es den Darstellungen des Geschädigten unter Heranziehung der Sachverständigengutachten gefolgt und von mindestens zwei Kopfstößen gegen die Wand ausgegangen sei. Einen Widerspruch zu den vorliegenden Sachverständigengutachten habe der Beklagte nicht aufzeigen können. Vielmehr habe die vom Beklagten behauptete Vorgehensweise (Stoß gegen die rechte Schulter, um den Geschädigten zum Hinsetzen zu bewegen) gutachterlich nicht plausibel nachvollzogen werden können. Die Alkoholisierung des Geschädigten mache ihn ebenso wenig per se unglaubwürdig wie der Umstand, dass er sich an bestimmte Handlungen des Beklagten (z.B. die Ohrfeige auf der Wache) nicht mehr habe erinnern können. Der Geschädigte habe zu keinem Zeitpunkt Belastungseifer gezeigt und seine Sachverhaltsdarstellung auch nicht im Nachhinein (im Hinblick auf die Ohrfeige) den Zeugenaussagen angepasst. In Bezug auf den zunächst behaupteten Faustschlag habe der Geschädigte seinen Irrtum eingeräumt, der keinerlei Auswirkungen auf den Schuldspruch und das Strafmaß des Beklagten gehabt habe. Bei den drei tatmehrheitlichen Fällen der Körperverletzung im Amt handele es sich insgesamt um ein sehr schwerwiegendes Dienstvergehen, das die Verhängung der Höchstmaßnahme erfordere. Der Beklagte habe wiederholt die Konfrontation mit dem Geschädigten gesucht und ihn selbst nach der Eskalation der Situation nochmals geohrfeigt. Dieses Verhalten offenbare eine schädliche Charakterhaltung und einen erheblichen Persönlichkeitsmangel, der für den Dienstherrn auch und gerade unter dem Aspekt der Vorbildfunktion von Führungskräften für die Zukunft untragbar sei. Mehrere Kollegen des Beklagten hätten übereinstimmend geschildert, dass bezüglich des Geschädigten keine ungewöhnliche Einsatzsituation vorgelegen habe, die ein Einschreiten des Beklagten verlangt hätte. Ohne dienstliche Notwendigkeit habe er einen anderen Beamten abgelöst und die Verbringung des Geschädigten zur Wache übernommen. Dabei sei er diesem von Anfang an ohne Grund gewaltvoll begegnet. Ein solcher Missbrauch der dienstlichen Stellung zum Zwecke der persönlichen Machtdemonstration gegenüber einem Jugendlichen und in Anwesenheit mehrerer Kollegen offenbare einen nachhaltigen Persönlichkeitsmangel und eine falsche Dienstauffassung. Gerade die geringe bzw. fehlende Hemmschwelle hinsichtlich der Gewaltausübung gegen den zum Tatzeitpunkt jugendlichen Geschädigten zeige, dass auch in Zukunft eine Wiederholung nicht ausgeschlossen sei. Belastbare Anhaltspunkte für eine tatsächliche körperliche oder psychische Beeinträchtigung zum Tatzeitpunkt hätten beim Beklagten nicht vorgelegen. Die Behandlung des Tinnitus sei im Zeitraum vom 1. Juni 2011 bis 11. August 2011 in ambulanter Form erfolgt. Krankheitsbedingte Fehlzeiten zu diesem Zeitpunkt seien nicht bekannt. Von einem dienst- und lebenserfahrenen Beamten müsse erwartet werden, dass er seine Stressbelastung selbst erkenne und angesichts seiner dienstlichen Verantwortung entsprechend gegensteuere. Er hätte jederzeit die notwendige persönliche Distanz zum Geschädigten schaffen können. Der Kläger gehe nach wie vor von einer versuchten Einflussnahme auf die Kollegen aus. Dies sei, insbesondere aus der Führungsposition heraus, als besonders verwerflich und grob dienstpflichtwidrig anzusehen. Von der Verhängung der Höchstmaßnahme könne auch nicht wegen der grundsätzlich anerkennenswerten bisherigen Leistungen des Beklagten abgesehen werden. Der nach innen und außen eingetretene Vertrauensverlust sei endgültig. Auch die mit elf Monaten deutlich an der Grenze zu einem Verlust der Beamtenrechte kraft Gesetzes gemäß § 24 Abs. 1 Nr. 1 BeamtStG stehende verhängte Gesamtfreiheitsstrafe entfalte insoweit Indizwirkung.

Der Senat hat am 12. Juli 2017 mündlich zur Sache verhandelt. Der Präsident des Landeskriminalamtes H … wurde als ehemaliger Vorgesetzter des Beklagten zum Persönlichkeitsbild angehört. Auf die Niederschrift wird insoweit verwiesen.

V.

Ergänzend wird auf die Gerichts- und vorgelegten Behördenakten Bezug genommen. Dem Senat haben diesbezüglich die Strafakten der Staatsanwaltschaft T …, die Disziplinarakten des Polizeipräsidiums M … sowie die Personalakten vorgelegen.

Gründe

Die zulässige Berufung des Beklagten hat keinen Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat zu Recht auf die Disziplinarmaßnahme der Entfernung aus dem Beamtenverhältnis (Art. 11 BayDG) erkannt.

I.

Das Disziplinarverfahren weist in formeller Hinsicht keine Mängel auf. Solche sind vom Beklagten im Berufungsverfahren auch nicht geltend gemacht worden.

II.

1. Der dem Beklagten zur Last gelegte Sachverhalt, der dem rechtskräftigen Urteil des Landgerichts T … vom 27. November 2012 (Az. 2 KLs 580 Js 25447/11) zugrunde liegt, steht gemäß Art. 25, 55, 63 Abs. 1 Satz 1 BayDG für den Senat bindend fest. Danach hat der Beklagte am 3. September 2011 drei tatmehrheitliche Fälle der Körperverletzung im Amt begangen, als er in drei jeweils durch zeitliche Zäsuren getrennten Komplexen dem Geschädigten jeweils auf neuen Tatentschlüssen beruhende (teilweise) erhebliche Verletzungen zugefügt hat. Beim Abführen zur Wiesnwache hat er ihm mindestens sechs Stöße mit dem Knie in den Gesäßbereich gegeben, die zu zwei bis drei Tage andauernden, ziehenden Schmerzen, insbesondere beim Liegen, mit Ausstrahlungen in den Lenden- und Nierenbereich geführt haben. Zudem versetzte er dem Geschädigten zwei heftige schmerzende Ohrfeigen, nachdem er sich durch das Verhalten des Geschädigten zunehmend provoziert gefühlt und seinerseits von diesem mit den Worten „was ist los Du Irrer“ und „Psycho“ konfrontiert worden war. Diese Körperverletzungshandlungen hat der Beklagte begangen, obwohl sich der Geschädigte, der gefesselt war, nach Aussage des beim Abführen beteiligten Kollegen B … in keiner Weise widersetzt hatte. Auf der Wiesnwache hat der Beklagte den Geschädigten am Kopf oder Nacken gepackt und mindestens zweimal gegen die Wand gestoßen, wodurch bei diesem ein Teil des linken oberen Schneidezahns abbrach und zwei blutende Quetsch-Risswunden an der Unterlippe entstanden, von denen eine 1 cm tief und 0,5 cm breit gewesen war. Ferner wurden vier Zähne gelockert. Daraufhin verließ der Angeklagte den Teil des Wachraums. Nachdem er einige Zeit darauf wieder zurückgekommen war, begann der Geschädigte, der inzwischen auf der Sitzbank saß, sofort wieder, ihn zu beleidigen und zu beschimpfen und in seine Richtung zu spucken, ohne den Beklagten zu treffen. Auch versuchte er, den Beklagten zu treten. Daraufhin versetzte der Beklagte dem mittlerweile stark blutenden Geschädigten eine weitere heftige Ohrfeige in die linke Gesichtshälfte.

Der Senat hat keinen Anlass, sich aufgrund des Vorbringens des Beklagten von den Feststellungen des Strafgerichts zu lösen (Art. 55 2. Halbsatz i.V.m. Art. 63 Abs. 1 Satz 1 BayDG). Die Disziplinargerichte sind nur dann berechtigt und verpflichtet, sich von den Tatsachenfeststellungen eines rechtskräftigen Strafurteils i.S.d. Art. 25 Abs. 1 BayDG zu lösen und den disziplinarrechtlich bedeutsamen Sachverhalt eigenverantwortlich zu ermitteln, wenn diese offenkundig unrichtig sind und sie daher „sehenden Auges“ auf der Grundlage eines unrichtigen oder aus rechtsstaatlichen Gründen unverwertbaren Sachverhalts entscheiden müssten. Dies ist etwa der Fall, wenn die Feststellungen im Widerspruch zu Denkgesetzen oder allgemeinen Erfahrungssätzen stehen, aus sonstigen Gründen offenbar unrichtig oder in einem entscheidungserheblichen Punkt unter offenkundiger Verletzung wesentlicher Verfahrensvorschriften zustande gekommen sind. Darüber hinaus kommt eine Lösung in Betracht, wenn Beweismittel eingeführt werden, die dem Strafgericht nicht zur Verfügung standen und nach denen dessen Tatsachenfeststellungen jedenfalls auf erhebliche Zweifel stoßen (BVerwG, B.v. 15.5.2013 - 2 B 20/12 – juris Rn. 8; BayVGH, B.v. 21.1.2015 – 16a D 13.1904 – juris Rn. 60). Wird das Vorliegen einer dieser Voraussetzungen geltend gemacht, so sind die Disziplinargerichte erst dann befugt, dem Vorbringen weiter nachzugehen und schließlich über eine Lösung nach Art. 55 2. Halbsatz BayDG zu entscheiden, wenn das Vorbringen hinreichend substantiiert ist. Pauschale Behauptungen oder bloßes Bestreiten genügen nicht. Es müssen tatsächliche Umstände dargetan werden, aus denen sich die offenkundige Unrichtigkeit i.S.d. Art. 55 Halbsatz 2 BayDG ergeben kann (BayVGH, U.v. 28.9.2016 – 16a D 14.991 – juris Rn. 40; U.v. 12.3.2013 - 16a D 11.624 – juris Rn. 38 m.w.N.). Anhaltspunkte hierfür sind allerdings nicht ersichtlich und wurden auch nicht vorgetragen. Das Landgericht hat sich über mehrere Verhandlungstage hinweg durch eine Einvernahme zahlreicher Zeugen, sachverständiger Zeugen und Heranziehung mehrerer Gutachten und Ergänzungsgutachten mit dem Tatgeschehen beschäftigt und ist auf dieser Grundlage nachvollziehbar zu den vorliegenden tatsächlichen Feststellungen gelangt. Entgegen der Auffassung des Beklagten hat es die nicht unerhebliche Alkoholisierung des Geschädigten berücksichtigt, jedoch detailliert dargelegt, warum es diesen gleichwohl für glaubwürdig hält und dessen Angaben - im Gegensatz zur Version des Beklagten - im Einklang mit den objektiven Befunden gesehen. Ein Widerspruch zu Denkgesetzen oder allgemeinen Erfahrungssätzen wurde nicht aufgezeigt. Auch der Bundesgerichtshof hat mit Beschluss vom 4. Februar 2013 ausdrücklich die Beweiswürdigung des Landgerichts T … bestätigt und die Revision des Beklagten verworfen.

III.

Mit seinem Verhalten hat der Beklagte ein einheitliches schweres Dienstvergehen im Sinne von § 47 Abs. 1 Satz 1 und 2 BeamtStG verwirklicht, weil er schuldhaft die ihm obliegenden Pflichten verletzt hat. Der Beklagte hat durch drei tatmehrheitlich begangene Körperverletzungen im Amt gegen seine Pflicht zu ordnungsgemäßer Dienstausübung (§ 34 Satz 1 BeamtStG), zur Achtung der Gesetze (§ 33 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG i.V.m. § 340 Abs. 1 StGB) und gegen die Pflicht zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten (§ 34 Satz 3 BeamtStG) verstoßen.

IV.

Das Fehlverhalten des Beklagten wiegt schwer i.S.v. Art. 14 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Satz 1 BayDG. Es hat – auch unter Berücksichtigung des Persönlichkeitsbilds des Beklagten und seines bisherigen dienstlichen Verhaltens – darüber hinaus die Folge, dass der Beklagte das Vertrauen sowohl des Dienstherrn als auch der Allgemeinheit endgültig verloren hat. Unter diesen Voraussetzungen ist nach Art. 14 Abs. 2 Satz 1 BayDG auf die disziplinarrechtliche Höchstmaßnahme zu erkennen.

Der Senat folgt hinsichtlich der Zumessungskriterien des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 BayDG der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (U.v. 29.5.2008 – 2 C-59/07 – juris) zu § 13 BDG (BayVGH U.v. 23.9.2009 – 16a D 07.2355 – juris; U.v. 15.2.2012 – 16a D 10.1974; U.v. 21.1.2015 – 16a D 13.1904, Rn. 81; U.v. 11.5.2016 – 16a D 13.1540, Rn. 61; U.v. 18.1.2017 – 16a D 14.1992 – jeweils in juris).

1. Welche Disziplinarmaßnahme im Einzelfall erforderlich ist, richtet sich gemäß Art. 14 Abs. 1 Satz 2 BayDG nach der Schwere des Dienstvergehens unter angemessener Berücksichtigung der Persönlichkeit des Beamten und des Umfangs der durch das Dienstvergehen herbeigeführten Vertrauensbeeinträchtigung, wobei Beamte, die durch ein schweres Dienstvergehen das Vertrauen des Dienstherrn oder der Allgemeinheit endgültig verloren haben, gemäß Art. 14 Abs. 2 Satz 1 BayDG regelmäßig aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen sind. Im Rahmen dieser Gesamtwürdigung haben die Gerichte zunächst im Einzelfall bemessungsrelevante Tatsachen zu ermitteln und sie mit dem ihnen zukommenden Gewicht in die Bewertung einzubeziehen. Dieses Erfordernis beruht letztlich auf dem im Disziplinarverfahren geltenden Schuldprinzip und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (Übermaßverbot). Die gegen den Beamten ausgesprochene Disziplinarmaßnahme muss unter Berücksichtigung aller belastender und entlastender Umstände des Einzelfalls in einem gerechten Verhältnis zur Schwere des Dienstvergehens und zum Verschulden des Beamten stehen (vgl. BVerwG, B.v. 11.2.2014 – 2 B 37/12 – juris Rn. 18).

Maßgebendes Kriterium für die Bemessung der Disziplinarmaßnahme ist die Schwere des Dienstvergehens. Sie ist richtungsweisend für die Bestimmung der erforderlichen Disziplinarmaßnahme. Die Schwere des Dienstvergehens beurteilt sich zum einen nach Eigenart und Bedeutung der verletzten Dienstpflichten, Dauer und Häufigkeit der Pflichtenverstöße und den Umständen der Tatbegehung (objektive Handlungsmerkmale), zum anderen nach Form und Gewicht des Verschuldens und den Beweggründen des Beamten für sein pflichtwidriges Verhalten (subjektive Handlungsmerkmale) sowie nach den unmittelbaren Folgen für den dienstlichen Bereich und für Dritte (BVerwG, B.v. 10.12.2015 – 2 C-6/14 – juris Rn. 16; B.v. 11.2.2014 – 2 B 37/12 – juris Rn. 20; B.v. 25.5.2012 – 2 B 133.11 - juris Rn. 9 mit weiteren Nachweisen).

Das Bemessungskriterium „Persönlichkeitsbild des Beamten“ erfasst dessen persönliche Verhältnisse und sein sonstiges Verhalten vor, bei und nach der Tatbegehung. Dies erfordert eine Prüfung, ob das festgestellte Dienstvergehen mit dem bisher gezeigten Persönlichkeitsbild des Beamten übereinstimmt oder es - etwa als persönlichkeitsfremdes Verhalten in einer Notlage oder gar einer psychischen Ausnahmesituation – davon abweicht (BVerwG, U.v. 29.5.2008 a.a.O. Rn. 14).

Der Gesichtspunkt der „Beeinträchtigung des Vertrauens des Dienstherrn oder der Allgemeinheit“ verlangt eine Würdigung des Fehlverhaltens des Beamten im Hinblick auf ihren allgemeinen Status, ihren Tätigkeitsbereich innerhalb der Verwaltung und ihre konkret ausgeübte Funktion (BVerwG, U.v. 29.5.2008 a.a.O. Rn. 15).

Bei der Anwendung des Bemessungskriteriums „Schwere des Dienstvergehens“ ist das festgestellte Dienstvergehen nach seinem Gewicht einer der im Gesetz aufgeführten Disziplinarmaßnahmen zuzuordnen. Davon ausgehend kommt es für die Bestimmung der Disziplinarmaßnahme darauf an, ob Erkenntnisse zum Persönlichkeitsbild und zum Umfang der Vertrauensbeeinträchtigung im Einzelfall derart ins Gewicht fallen, dass eine andere als die durch die Schwere des Dienstvergehens indizierte Disziplinarmaßnahme geboten ist (vgl. BVerwG, U.v. 29.5.2008 a.a.O. Rn. 20).

2. Dem Beklagten fallen drei Körperverletzungen im Amt gemäß § 340 Abs. 1 StGB zur Last, die in ihrer Gesamtheit das einheitliche Dienstvergehen ergeben. Die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis setzt voraus, dass der Beamte durch ein schweres Dienstvergehen das Vertrauen des Dienstherrn oder der Allgemeinheit endgültig verloren hat (Art. 11 BayDG). Ein endgültiger Vertrauensverlust ist eingetreten, wenn aufgrund der Gesamtwürdigung der bedeutsamen Umstände der Schluss gezogen werden muss, der Beamte werde auch künftig seinen Dienstpflichten nicht ordnungsgemäß nachkommen oder aufgrund seines Fehlverhaltens sei eine erhebliche, nicht wieder gut zu machende Ansehensbeeinträchtigung eingetreten (grundlegend BVerwG, U.v. 20.10.2005 – 2 C 12.04; U.v. 24.5.2007 – 2 C 28.06 – jeweils in juris.) Das Beamtenverhältnis wird auf Lebenszeit begründet und kann vom Dienstherrn nicht einseitig aufgelöst werden. Pflichtverletzungen des Beamten machen daher Reaktions-und Einwirkungsmöglichkeiten des Dienstherrn erforderlich. Das Disziplinarrecht stellt hierfür Maßnahmen zur Verfügung, um den Beamten im Falle des Dienstvergehens zur Pflichterfüllung anzuhalten oder ihn aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen, wenn das notwendige Vertrauen endgültig verloren ist. Nur so können die Integrität des Berufsbeamtentums und das Vertrauen in die ordnungsgemäße Aufgabenwahrnehmung der Beamten aufrechterhalten werden. Ist die Weiterverwendung eines Beamten wegen eines von ihm begangenen schweren Dienstvergehens nicht mehr denkbar, muss er durch eine Disziplinarmaßnahme aus dem Beamtenverhältnis entfernt werden (vgl. BVerwG, U.v. 10.12.2015 – 2 C-6/14 – juris Rn. 13). Schwerwiegende Vorsatzstraftaten bewirken generell einen Vertrauensverlust, der unabhängig vom jeweiligen Amt zu einer Untragbarkeit der Weiterverwendung als Beamter führt (BayVGH, U.v. 28.9.2016 – 16a D 14.991 – juris Rn. 53).

3. Zur Bestimmung des Ausmaßes des Vertrauensschadens, der durch eine vorsätzlich begangene Straftat hervorgerufen worden ist, hat das Bundesverwaltungsgericht, nachdem es zunächst nur bei außerdienstlichen Dienstvergehen auf den Strafrahmen zurückgegriffen hat (BVerwG, U.v. 19.8.2010 – 2 C 5.10 – juris Rn. 22; BVerwG, U.v. 18.6.2015 – 2 C 9.14 – juris Rn. 31), nunmehr in seinem Urteil vom 10. Dezember 2015 (a.a.O. Rn. 19) ausdrücklich klargestellt, dass auch bei innerdienstlich begangenen Dienstvergehen die Ausrichtung der grundsätzlichen Zuordnung eines Dienstvergehens zu einer der gesetzlich vorgesehenen Disziplinarmaßnahmen am gesetzlich bestimmten Strafrahmen geboten sei. Auch bei diesen Dienstvergehen gewährleiste die Orientierung des Umfangs des Vertrauensverlustes am gesetzlichen Strafrahmen eine nachvollziehbare und gleichmäßige disziplinarische Ahndung der Dienstvergehen.

Im Hinblick auf die vom Beklagten verwirklichten Delikte ist vorliegend grundsätzlich die volle Ausschöpfung des in Anlehnung an die abstrakte Strafandrohung gebildeten Orientierungsrahmens bis zur Entfernung aus dem Beamtenverhältnisses wegen der konkreten Umstände des Dienstvergehens geboten. Das Strafgericht hat den Beklagten wegen dreifacher tatmehrheitlicher Körperverletzung im Amt nach § 340 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 11 Monaten verurteilt. Bei diesen Delikten reicht der Strafrahmen von einer Freiheitsstrafe von 3 Monaten bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe. Begeht ein Beamter innerdienstlich unter Ausnutzung seiner Dienststellung eine Straftat, für die das Strafgesetz als Strafrahmen eine Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren – hier sind es sogar bis zu fünf Jahre – vorsieht, reicht der Orientierungsrahmen für die mögliche Disziplinarmaßnahme bis zur Entfernung aus dem Beamtenverhältnis.

Zu Recht ist das Verwaltungsgericht deshalb von der Höchstmaßnahme, also der Entfernung aus dem Beamtenverhältnis gemäß Art. 11 BayDG, ausgegangen. Auch der Senat hält grundsätzlich in schwerwiegenden Fällen, vor allem bei Übergriffen auf sich in (polizeilichem) Gewahrsam befindenden Personen angesichts der Tatsache, dass aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG eine staatliche Schutzpflicht abzuleiten ist, die körperliche Integrität jeder Person in staatlichem Gewahrsam zu wahren und zu schützen, im Regelfall die Dienstentfernung für erforderlich (vgl. BayVGH, U.v. 18.1.2017 – 16a D 14.1992 – juris Rn. 50; U.v. 5.3.2008 – 16a D 07.1368 - juris Rn. 25; U.v. 25.5.1983 VGH n.F. 36, 47/48 f. m.w.N.; vgl. auch: OVG NRW vom 10.3.1999 DÖD 2000, 39/40; VGH BW 10.11.2006 - DL 16 S 22/06 – juris Rn. 50; Zängl, Bayer. Disziplinarrecht, Stand Oktober 2007, MatR/II RdNr. 438).

Ein Polizeivollzugsbeamter, der in Ausübung seines Dienstes eine oder mehrere vorsätzliche Körperverletzungen begeht, ohne dass ein Fall der Notwehr oder Putativnotwehr vorliegt, verstößt in grober Weise gegen seinen gesetzlichen Auftrag zur Gefahrenabwehr und verletzt den Kernbereich seiner Dienstpflichten. Er missbraucht damit die ihm zur Erfüllung seiner Aufgaben verliehenen Machtbefugnisse, erschüttert das in ihn vom Dienstherrn gesetzte Vertrauen in seine dienstliche Zuverlässigkeit und beeinträchtigt in erheblichem Maße das Ansehen der Polizei als staatlicher Institution, weil der Achtungsverlust des Beamten auf die Polizei insgesamt ausstrahlt. Denn die Allgemeinheit darf mit Recht erwarten, dass das allgemeine strafgesetzliche Verbot, andere körperlich zu verletzen, gerade von Polizeibeamten befolgt wird, die kraft ihrer Dienstpflicht die Einhaltung dieses Verbots zu überwachen und Verstöße hiergegen zu unterbinden und zu verfolgen haben. Das Rechtsgut der körperlichen Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG) besitzt einen besonders hohen Rang (vgl. zum Ganzen: BayVGH, U.v. 5.3.2008 – 16a D 07.1368 – juris Rn. 25; U.v. 18.1.2017 a.a.O.).

Zu Lasten des Beklagten ist vorliegend zu berücksichtigen, dass er den bereits gefesselten und damit widerstandsunfähigen, minderjährigen Geschädigten zunächst auf dem Weg zur Wiesnwache mit Kniestößen traktierte, ohne dass dieses Verhalten notwendig gewesen wäre, um den Geschädigten zum Weitergehen anzuhalten. Nach Aussage des Kollegen B … verhielt dieser sich weder aggressiv noch widersetzte er sich dem Abführen. Erst das Verhalten des Beklagten veranlasste den Geschädigten zu verbalen Ausfälligkeiten, welchen der Beklagte mit einer sehr heftigen Ohrfeige begegnete. Vor der Wiesnwache ohrfeigte er den Geschädigten nochmals, wenn auch weniger heftig. Der Senat geht insofern davon aus, dass die Provokationen, auf die sich der Beklagte stets entschuldigend berufen hat, letztendlich von ihm selbst ausgingen bzw. auf seinem Verhalten beruhten und deshalb nicht geeignet sind, das Dienstvergehen in einem milderem Licht erscheinen zu lassen.

Auch auf der Wiesnwache suchte der Beklagte immer wieder die Konfrontation mit dem sich zunehmend durch das Verhalten des Beklagten provoziert fühlenden Geschädigten, der sich nach Aussage der zugleich auf der Wache Dienst habenden Kollegen des Beklagten den anderen Polizeibeamten gegenüber höflich und zuvorkommend verhielt. Der Beklagte hätte ohne Probleme weiteren Konfrontationen mit dem Geschädigten aus dem Weg gehen können. Dass er dies im weiteren Verlauf unterließ, wertet der Senat zu seinen Lasten. Auch bei der dritten Körperverletzung im Amt – einer Ohrfeige, die er dem bereits stark aus dem Mund blutenden Jugendlichen ins Gesicht versetzte - suchte er erneut den Kontakt zum Geschädigten, nachdem er zunächst den Bereich, in dem sich dieser aufhielt, verlassen hatte. Nach den bindenden Feststellungen im Strafurteil trat der Beklagte jedoch erneut in das Zimmer ein, in dem sich der mittlerweile auf der Bank sitzende Geschädigte befand. Dieser zeigte sich aufgrund des erneuten Erscheinens des Beklagten höchst aggressiv, beschimpfte ihn und versuchte, ihn zu treten und zu bespucken. Daraufhin ohrfeigte der Beklagte den bereits stark aus dem Mund blutenden Jugendlichen erneut.

Mit seinem Einwand, die dritte Ohrfeige habe sich unmittelbar an die Kopfstöße angeschlossen und sei deshalb nicht als tatmehrheitliche Körperverletzung im Amt zu werten, kann der Beklagte deshalb nicht durchdringen. Für eine zeitliche Zäsur zwischen der dritten Ohrfeige und den Kopfstößen spricht im Übrigen auch, dass der Geschädigte mittlerweile (wieder) auf der Bank saß und nach Zeugenaussagen bereits stark blutete.

Selbst wenn die Kopfstöße nicht mit besonderer Wucht ausgeführt wurden, sprechen die Umstände der Tat vorliegend für eine brutale Vorgehensweise, die der Senat ebenfalls zu Lasten des Beklagten wertet. Aufgrund der Handschellen und der vor der Wand befindlichen Bank auf Schienbeinhöhe war es dem Geschädigten nämlich nicht möglich, die Stöße des Beklagten anders als mit dem Kopf abzufangen. Dies führte beim Geschädigten zu erheblichen Verletzungen.

Zu Lasten des Beklagten wirkt auch, dass es sich vorliegend um eine absolute Routinesituation beim Umgang mit alkoholisierten Jugendlichen auf einem Volksfest gehandelt hat, bei der die Reaktionen des Beklagten völlig außer Verhältnis standen und nach Auffassung des Senats der reinen Machtdemonstration dienten. Zu seinen Lasten ist auch zu berücksichtigen, dass der Beklagte über jahrzehntelange Dienst-erfahrung verfügte und als Dienststellenleiter der Polizeiinspektion R … eine Vorbildfunktion innehatte.

Gegen den Beklagten spricht des Weiteren sein Nachtatverhalten. Zu Recht hat die Disziplinarkammer es als erschwerend gewertet, dass der Beamte versucht hat, durch Abfassung der E-Mail vom 4. September 2011 sein vorangegangenes strafbares innerdienstliches Verhalten gegenüber den Kollegen zu relativieren und diese möglicherweise so in ihrem Aussageverhalten zu beeinflussen (vgl. VGH BW, U.v. 4.11.2008 – DL 16 S 616/08 – Rn. 37). Sein Vorbringen, bei dieser mit E-Mail vom 4. September 2011 versandten Stellungnahme zum Tatgeschehen, handele es sich um eine absolut übliche Vorgehensweise im Hinblick auf Kollegen, die man nicht alle Tage treffe und sei im Rahmen seiner Anzeige gegen den Geschädigten wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte erfolgt, hält der Senat für eine Schutzbehauptung. Zum einen erschließt sich nicht, inwieweit eine Absprache von Gedächtnisprotokollen überhaupt der Wahrheitsfindung dienen soll, zum anderen hegt der Senat Zweifel an der Üblichkeit einer solchen Vorgehensweise. Diese hat auch der in der mündlichen Verhandlung zum Persönlichkeitsbild des Beklagten befragte frühere Dienstvorgesetzte des Beklagten und nunmehrige Präsident des Landeskriminalamts H … nicht bestätigt. Auffällig in diesem Zusammenhang ist zudem, dass eine solche Stellungnahme allein vom Beklagten verfasst und an die ihm unterstellten Kollegen versandt wurde. Zudem ist in den inhaltlichen Ausführungen keine einzige der vom Beklagten später eingeräumten Körperverletzungshandlungen gegenüber dem Geschädigten enthalten.

Soweit das Verwaltungsgericht zu Lasten des Beklagten berücksichtigt hat, dass von ihm weder im Strafverfahren noch in seiner vom Bevollmächtigten in der mündlichen Verhandlung vor dem Disziplinargericht verlesenen Stellungnahme vom 14. Dezember 2014 echte Reue und Einsicht zum Ausdruck kam, so ist auch dies rechtlich nicht zu beanstanden. Bereits das Strafgericht hat die Anwendbarkeit des § 46a Abs. 1 StGB beim Beklagten im Hinblick auf eine mögliche Strafmilderung verneint. Auch im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof zeigte der Beklagte lediglich Bedauern im Hinblick auf die Folgen der Taten für seine eigene Person, nicht jedoch im Hinblick auf den Geschädigten.

Schließlich ist zu Lasten des Beklagten auch zu berücksichtigen, dass das Dienstvergehen infolge der Presseberichterstattung zu einer massiven Schädigung des Ansehens des Berufsbeamtentums und der Polizei in der Öffentlichkeit geführt hat.

Anerkannte oder in ihrem Gewicht vergleichbare Milderungsgründe, die zu einem Absehen von der Höchstmaßnahme führen würden, vermag der Senat vorliegend nicht zu erkennen. Insbesondere liegt kein einmaliges, persönlichkeitsfremdes Augenblicksversagen vor (vgl. zu diesem für die Zugriffsdelikte entwickelten Milderungsgrund etwa BVerwG, U.v. 26.02.1997 – 1 D 16.96 – juris; VGH BW U.v. 4.11.2008 – DL 16 S 616/08 – juris Rn. 39). Denn die Anwendung dieses Milderungsgrunds setzt voraus, dass der Beamte einmal spontan ohne hinreichende Überlegung quasi kurzschlussartig gehandelt hat (s. BayVGH, U.v. 5.3.2008 a.a.O. Rn. 33), weil nur dann davon ausgegangen werden kann, dass das Vertrauensverhältnis zum Dienstherrn nicht völlig zerstört ist und wiederhergestellt werden kann. Der Beamte hat hier nicht nur einmalig versagt, sondern sich immer wieder zu Körperverletzungshandlungen gegenüber dem Geschädigten hinreißen lassen, die er im Nachhinein bei den Kollegen zu relativieren suchte.

Mildernd zugunsten des Beklagten ist durchaus seine angeschlagene Gesundheit zum Tatzeitpunkt aufgrund der Belastung durch den Tinnitus zu berücksichtigen, wenngleich die diesbezügliche Behandlung bereits mehrere Wochen vor dem gegenständlichen Vorfall abgeschlossen war und in diesem Zusammenhang keinerlei krankheitsbedingte Abwesenheiten des Beklagten festzustellen sind. Auch der Zeuge H … erklärte in dieser Hinsicht, dass er sich an gesundheitliche Beeinträchtigungen des Beklagten im Sommer 2011 nicht erinnern könne und für ihn in Bezug auf das R … Herbstfest die gesundheitliche Eignung des Beklagten nicht in Zweifel gestanden habe.

Auch die dienstlichen Belastungen aufgrund der angespannten Personalsituation sind zu Gunsten des Beklagten heranzuziehen. Allerdings ist in diesem Zusammenhang auch zu berücksichtigen, dass nach Aussage des Zeugen H … zwar die Personalstärke bei der Polizeiinspektion R … mit einer Abweichung der Istvon der Sollstärke um 20 Prozent als angespannt zu bezeichnen war, eine solche Abweichung um 15 - 20 Prozent aber damals fast alle Dienststellen getroffen habe. Zudem sei R … Sitz der operativen Ergänzungsdienste, so dass dort Unterstützung erfolgen könne, die andere Dienststellen so nicht hätten. Ein Einsatz von 25 Tagen am Stück, wie vom Beklagten geleistet, sei deshalb nicht gefordert gewesen und hätte bei entsprechenden Planungen ohne weiteres verhindert werden können. Der Senat vermag vorliegend deshalb auch keine psychische Ausnahmesituation zu Gunsten des Beklagten zu erkennen. Eine solche wurde auch im Strafurteil nicht festgestellt.

Zwar sprechen die guten Beurteilungen und das Persönlichkeitsbild, das vom damaligen Vorgesetzten H … in der mündlichen Verhandlung vom Beklagten gezeichnet wurde, durchaus zu Gunsten des Beklagten, wenngleich dies nach Ansicht des Senats auch deutliche Anhaltspunkte für ein gelegentlich übermotiviertes Verhalten enthielt.

Auch wenn der Beklagte disziplinarisch nicht vorbelastet ist, erscheint angesichts des Umfangs und der Nachdrücklichkeit seines Versagens das notwendige Vertrauensverhältnis zum Dienstherrn endgültig zerstört. Der Ansehens- und Vertrauensverlust wird auch durch die beanstandungsfreie, langjährige Tätigkeit des Beamten, seine guten Beurteilungen und die Schmerzensgeldzahlung nicht derart relativiert, dass von einer Entfernung aus dem Beamtenverhältnis abgesehen werden könnte.

Die Würdigung aller Umstände führt bei prognostischer Beurteilung zu der Bewertung des Senats, dass der Dienstherr und die Allgemeinheit dem Beklagten nach dem von ihm begangenen schweren Dienstvergehen kein Vertrauen mehr in eine zukünftig pflichtgemäße Amtsausübung entgegenbringen können, weil die von ihm zu verantwortende Ansehensschädigung des Berufsbeamtentums bei einem Fortbestehen des Beamtenverhältnisses nicht wieder gut zu machen ist. Die Entfernung des Beklagten aus dem Beamtenverhältnis ist angemessen und geboten. Sie ist auch nicht unverhältnismäßig. Die dem Beklagten staatlicherseits auferlegte Belastung ist geeignet und erforderlich, um den angestrebten Zweck zu erreichen. Sie steht auch nicht außer Verhältnis zur Bedeutung der Sache und den von den Betroffenen hinzunehmenden Einbußen.

Ist durch das Gewicht des Dienstvergehens und mangels Milderungsgründen das Vertrauen zerstört und kann deshalb nicht davon ausgegangen werden, der Beamte werde dem Gebot, seine Aufgaben pflichtgemäß zu erfüllen, Rechnung tragen, erweist sich die Entfernung aus dem Dienst als erforderliche und geeignete Maßnahme, den aufgezeigten Zwecken der Disziplinarmaßnahme Geltung zu verschaffen. Abzuwägen sind dabei das Gewicht des Dienstvergehens und des dadurch eingetretenen Vertrauensschadens einerseits und die mit der Verhängung der Höchstmaßnahme einhergehende Belastung andererseits. Ist das Vertrauensverhältnis wie hier gänzlich zerstört, erweist sich die Entfernung aus dem Dienst als angemessene Reaktion auf das Dienstvergehen. Die Auflösung des Dienstverhältnisses beruht dann auf der schuldhaften Pflichtverletzung durch den Beamten und ist diesem daher als für alle öffentlich-rechtlichen und privaten Beschäftigungsverhältnisse vorhersehbare Rechtsfolge bei derartigen Pflichtverletzungen zuzurechnen (BVerwG, U. v. 14.10.2003 – 1 D 2.03 – juris; BayVGH, U.v. 28.9.2016 – 16a D 14.991 – juris Rn. 63).

Die Kostenentscheidung beruht auf Art. 72 Abs. 4 Satz 1 BayDG i.V.m. 154 Abs. 2 VwGO.

Das Urteil ist mit seiner Verkündung rechtskräftig geworden (Art. 64 Abs. 2 BayDG, Art. 3 BayDG i.V.m. § 116 Abs. 1 VwGO).