Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Urteil, 25. März 2014 - 10 B 13.529

bei uns veröffentlicht am25.03.2014
vorgehend
Verwaltungsgericht München, M 9 K 07.1285, 30.01.2008

Gericht

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof

Tenor

I.

Das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 30. Januar 2008 und der Bescheid der Beklagten vom 22. März 2007 in Gestalt der zuletzt in der mündlichen Verhandlung vom 24. März 2014 erfolgten Änderung werden aufgehoben.

II.

Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.

III.

Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

IV.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Mit seiner Berufung verfolgt der Kläger seine in erster Instanz erfolglose Klage gegen den Bescheid der Beklagten vom 22. März 2007 weiter, mit dem er aus der Bundesrepublik Deutschland ausgewiesen, ihm (zunächst) die Wiedereinreise (auf Dauer) untersagt sowie für den Fall der nicht fristgerechten Ausreise die Abschiebung in die T. angedroht wurde.

Der 1963 geborene Kläger ist türkischer Staatsangehöriger. Im August 1973 reiste er im Wege des Familiennachzugs zu seinen bereits im Bundesgebiet lebenden Eltern ein. Am 23. April 1979 erhielt er (erstmals) eine in der Folge mehrfach verlängerte befristete Aufenthaltserlaubnis, am 9. Juli 1996 eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis.

Der Kläger, der in der T. die Grundschule bis zur 3. Klasse besucht hatte, verließ die Hauptschule nach der 7. Klasse ohne Abschluss. Von 1979 bis April 1988 war er als Maschinenwart in einem Industriebetrieb beschäftigt. Anschließend arbeitete er bis 1999 als Kranführer in einer Müllverbrennungsanlage der Stadtwerke M. Danach betrieb er selbstständig verschiedene Lokale bzw. zeitweise eine Diskothek. Eines dieser Lokale wurde aufgrund eines Bescheids der Beklagten am 17. Mai 2004 geschlossen, weil es sich als Sammelpunkt für illegal eingeschleuste bulgarische Prostituierte herausgestellt hatte. Später betrieb der Kläger ein weiteres Lokal als Unterpächter seiner damaligen deutschen Lebensgefährtin.

Die 1984 geschlossene Ehe mit der türkischen Staatsangehörigen A. B. wurde am 19. September 2001 geschieden. Aus dieser Ehe sind eine 1984 geborene Tochter sowie zwei am 26. Januar 1990 und am 26. August 1991 geborene Söhne hervorgegangen, zu denen der Kläger jedoch aktuell keinen Kontakt mehr hat.

Der Kläger ist strafrechtlich wie folgt in Erscheinung getreten:

- Amtsgericht München, Verfahrenseinstellungen am 3.8.1981 und 27.10.1983 wegen Sachbeschädigung und Körperverletzung jeweils nach §§ 47 Abs. 1, 45 Abs. 2 JGG

- Amtsgericht München, Strafbefehl vom 19.3.2002 (rechtskräftig: 6.4.2002), Geldstrafe von 130 Tagessätzen zu je 40 Euro wegen Betrugs

- Amtsgericht München, Strafbefehl vom 28.5.2003 (rechtskräftig: 1.8.2003), Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je 40 Euro wegen unerlaubten Entfernens vom Unfallort

- Amtsgericht München, Strafbefehl vom 26.10.2004 (rechtskräftig: 26.10.2004), Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je 10 Euro wegen fahrlässiger Körperverletzung

- Amtsgericht München, Urteil vom 14.2.2005 (rechtskräftig: 14.2.2005), Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu je 15 Euro wegen Beihilfe zur Ausübung der verbotenen Prostitution

Mit Urteil des Amtsgerichts München vom 22. September 2005, abgeändert hinsichtlich des Strafmaßes durch Urteil des Landgerichts München I vom 10. Januar 2006, wurde der Kläger wegen neun sachlich zusammentreffender Fälle des gewerbsmäßigen Einschleusens von Ausländern, sachlich zusammentreffend mit vier sachlich zusammentreffenden Fällen der dirigierenden Zuhälterei, sachlich zusammentreffen mit sexueller Nötigung, sachlich zusammentreffend mit vier rechtlich zusammentreffenden Fällen der dirigierenden Zuhälterei zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren sechs Monaten verurteilt. Dieser Verurteilung lag zugrunde, dass der Kläger bis zu seiner Festnahme am 31. Mai 2005 in dem von ihm betriebenen Lokal in München bulgarischen Prostituierten, die als Touristinnen nach Deutschland eingereist waren, die Ausübung der verbotenen Prostitution ermöglichte. Gelegentlich vermittelte der Kläger dabei auch selbst Prostituierte an Gäste und wies die Prostituierten entsprechend an. In einem Fall nötigte der Kläger eine dieser Frauen mit Gewalt und unter Ausnutzung der schutzlosen Lage des Opfers zum Geschlechtsverkehr.

Mit Bescheid vom 22. März 2007 wies die Beklagte den Kläger nach erfolgter Anhörung aus der Bundesrepublik Deutschland aus, untersagte ihm die Wiedereinreise und drohte ihm für den Fall der nicht fristgerechten Ausreise die Abschiebung in die T. an. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, der Kläger habe durch die strafrechtliche Verurteilung durch das Landgericht München I vom 10. Januar 2006 den Tatbestand nach § 55 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2 AufenthG erfüllt. Da er nach § 56 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG besonderen Ausweisungsschutz genieße, dürfe er gemäß § 56 Abs. 1 Satz 2 AufenthG nur aus schwerwiegenden Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ausgewiesen werden. Solche Gründe lägen in seinem Fall vor. Die von ihm begangenen Straftaten seien im Bereich der Schwerkriminalität anzusiedeln. Er habe immer wieder Straftaten im Zusammenhang mit Prostitution begangen und dabei eine erhebliche kriminelle Energie an den Tag gelegt. Er habe die Abhängigkeit dieser jungen Frauen ausgenutzt und ihr Recht auf sexuelle Selbstbestimmung missachtet. Aufgrund der Rückfallgeschwindigkeit und der Vielzahl an einzelnen Straftaten sei von einer erheblichen Wiederholungsgefahr auszugehen. Nach pflichtgemäßer Ausübung des Ermessens und unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit seien die privaten Belange des Klägers auch unter Berücksichtigung von Art. 6 Abs. 1 GG und Art. 8 EMRK gegenüber dem öffentlichen Interesse an seiner Ausweisung als nachrangig anzusehen. Der Kläger sei nicht als faktischer Inländer anzusehen. Auch die familiären Bindungen zu seinen hier lebenden deutschen Kindern stünden der Aufenthaltsbeendigung nicht entgegen, weil er seit spätestens 2003 nahezu keinen Kontakt mehr zu diesen habe. Andere Angehörige des Klägers seien auf seine Anwesenheit im Bundesgebiet nicht angewiesen. Ebenso seien die Voraussetzungen für eine Aufenthaltsbeendigung nach Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80 erfüllt, weil das Verhalten des Klägers eine tatsächliche und hinreichend schwere Gefährdung der öffentlichen Ordnung darstelle, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berühre. Auf Art. 28 Abs. 3 Richtlinie 2004/38/EG könne sich der Kläger nicht berufen.

Die vom Kläger dagegen erhobene Klage hat das Bayerische Verwaltungsgericht München mit Urteil vom 30. Januar 2008 abgewiesen. Eine Ausweisung des Klägers sei, da er ein assoziationsrechtliches Aufenthaltsrecht nach Art. 6 und 7 ARB 1/80 erworben und durch seine Tätigkeit als selbstständiger Gastwirt nicht wieder verloren habe, nur auf der Grundlage einer ausländerbehördlichen Ermessensentscheidung möglich, wobei ausschließlich auf spezialpräventive Gründe abzustellen sei. Der Kläger genieße zudem nach § 56 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG besonderen Ausweisungsschutz und dürfe daher nur aus schwerwiegenden Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ausgewiesen werden (§ 56 Abs. 1 Satz 2 AufenthG). Bei der seiner Verurteilung zugrunde liegenden Einschleusung von Frauen aus Osteuropa zum Zweck der Ausbeutung als Prostituierte handle es sich um Fälle schwerer Kriminalität. Zudem bestünden erhebliche Anhaltspunkte dafür, dass eine erneute schwere Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung durch neue strafrechtliche Verfehlungen des Klägers ernsthaft drohe. Dieser habe sich durch frühere strafrechtliche Verurteilungen unbeeindruckt gezeigt. Zudem sei die soziale Prognose beim Kläger schlecht. Es müsse auch künftig bei ihm damit gerechnet werden, dass er versuche, aus seinen bescheidenen sozialen Verhältnissen auszubrechen, und neue schwere Straftaten begehe. Somit seien auch die Voraussetzungen gemäß Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80 erfüllt, weil von ihm im maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung eine erhebliche und konkrete Wiederholungsgefahr der genannten schweren Straftaten ausgehe. Art. 28 Abs. 3 Richtlinie 2004/38/EG sei auf türkische Staatsangehörige wie den Kläger dagegen nicht anwendbar. Auch die Ermessensausübung der Beklagten sei nach Maßgabe des § 114 Satz 1 VwGO rechtlich nicht zu beanstanden. Die Beklagte habe die für und gegen die Ausweisung sprechenden Erwägungen im angefochtenen Bescheid zutreffend dargelegt und abgewogen, alle Gesichtspunkte, die nach Lage der Dinge in die Ermessensentscheidung einzustellen waren, berücksichtigt und diese entsprechend dem ihnen zukommenden Gewicht gewertet. Schließlich verstoße die Ausweisung des Klägers auch nicht gegen Art. 8 EMRK.

Zur Begründung seiner vom Senat mit Beschluss vom 13. Februar 2009 zugelassenen Berufung macht der Kläger im Wesentlichen geltend, die streitbefangene Ausweisung verstoße gegen die Verfahrensvorschrift des Art. 9 Abs. 1 Richtlinie 64/221/EWG, falls die Richtlinie 2004/38/EG im Fall des Klägers nicht anwendbar sein sollte. Schon deshalb sei der angefochtene Bescheid unheilbar rechtswidrig. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts müsse jedoch die Regelung des Art. 28 Abs. 3 Richtlinie 2004/38/EWG auch bei assoziationsberechtigten Türken zur Anwendung gelangen. Der Kläger habe seinen Aufenthalt in den letzten zehn Jahren im Bundesgebiet gehabt. Die Ausweisung habe daher nach der genannten Regelung nur aus zwingenden Gründen der öffentlichen Sicherheit erfolgen dürfen. Solche Gründe lägen im Fall des Klägers nicht vor. Eine konkrete Wiederholungsgefahr sei bei ihm nicht mehr zu erkennen. Der Kläger sei erstmals zu einer Freiheitsstrafe verurteilt worden und befinde sich im Strafvollzug. Es müsse davon ausgegangen werden, dass der Strafvollzug auf ihn nachhaltige Wirkungen zeige und von der Begehung künftiger Straftaten abhalte. Zudem sei der Kläger faktischer Inländer, weshalb die für diese Personengruppe entwickelten Grundsätze der Rechtsprechung anwendbar seien. Auch danach sei die Ausweisung ermessensfehlerhaft und somit rechtswidrig.

Mit Beschluss vom 17. Juli 2009 hat der Verwaltungsgerichtshof das Berufungsverfahren im Hinblick auf ein beim Gerichtshof der Europäischen Union anhängiges Vorabentscheidungsersuchen in einem gleich gelagerten Fall ausgesetzt und das Verfahren nach Ergehen der Entscheidung des Gerichtshofs auf Antrag der Beklagten vom 8. März 2013 wieder fortgesetzt.

Der Kläger hat zuletzt beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 30. Januar 2008 und den Bescheid der Beklagten vom 22. März 2007 in Gestalt der in der mündlichen Verhandlung vom 24. März 2014 erfolgten Änderung aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Inzwischen seien die Rechtsfragen, die zur Aussetzung des Verfahrens geführt hätten, durch den Gerichtshof der Europäischen Union im Sinne der Beklagten geklärt. Der Kläger sei seit Jahren vollziehbar ausreisepflichtig und wegen Schleusens, Zuhälterei und sexueller Nötigung zu einer hohen Freiheitsstrafe verurteilt worden. Die drei Kinder des Klägers seien inzwischen alle volljährig.

Nach einem durch die Beklagte vorgelegten Bericht der Bewährungshelferin des Klägers an die Führungsaufsichtsstelle beim Landgericht München I vom 29. Juli 2013 sind beim Kläger im Berichtszeitraum weder in den persönlichen doch beruflichen Verhältnissen Änderungen eingetreten. Der Kläger halte sich an die Auflagen und Weisungen. Nennenswerte Schwierigkeiten gebe es derzeit nicht. Der Kläger sei nach vorliegenden Informationen strafrechtlich nicht mehr in Erscheinung getreten.

Mit Schriftsatz vom 20. März 2014 ergänzte die Beklagte den aus ihrer Sicht ausländerrechtlich relevanten Sachverhalt beim Kläger und im Hinblick darauf die Ermessenserwägungen der streitbefangenen Ausweisungsverfügung. Trotz der inzwischen vereinzelt eingetretenen positiven Entwicklungen beim Kläger könnten sich dessen private Interessen an einem Verbleib im Bundesgebiet nicht gegenüber den öffentlichen Interessen an seiner Ausreise durchsetzen. Aufgrund der Schwere seiner Delinquenz, der (vollständig) verbüßten Haftstrafe, der noch nicht abgeschlossenen Psychotherapie sowie der Tatsache, dass Führungsaufsicht angeordnet werden musste, würden im Ergebnis nach wie vor letztere überwiegen. Gleichzeitig wurde eine Befristung des Einreiseverbots auf drei Jahre ab Ausreise des Klägers verfügt und entsprechend begründet.

In der mündlichen Verhandlung am 24. März 2014 wurde mit den Beteiligten die Sach- und Rechtslage eingehend erörtert und die für den Kläger zuständige Bewährungshelferin als Zeugin zum Verhalten des Klägers seit seiner Haftentlassung vernommen. Die Beklagte erklärte in Abänderung der Nr. 2. des streitbefangenen Bescheids vom 22. März 2007 ihre Befristungsregelung mit einer Sperrfrist von drei Jahren ab Ausreise des Klägers zu Protokoll des Gerichts. Auf die Sitzungsniederschrift wird insoweit Bezug genommen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten beider Instanzen sowie der Behördenakten verwiesen.

Gründe

Die zulässige Berufung des Klägers hat in der Sache Erfolg. Seine auf Aufhebung des Bescheids der Beklagten vom 22. März 2007 in der in der mündlichen Verhandlung vom 24. März 2014 geänderten Form gerichtete Klage ist begründet, weil die im streitbefangenen Bescheid verfügte Ausweisung des Klägers im für die rechtliche Beurteilung dieser Verfügung maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs (1.) rechtswidrig ist und den Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt (§ 113 Absatz ein Satz 1 VwGO; 2.). Demgemäß sind auch die (nachträglich ergänzte) Befristungsregelung und die noch nicht vollzogene Abschiebungsandrohung rechtswidrig und deshalb ebenfalls aufzuheben (3.).

1. Maßgeblich für die rechtliche Beurteilung der Ausweisung und der noch nicht vollzogenen Abschiebungsandrohung ist grundsätzlich die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung oder der Entscheidung des Berufungsgerichts (st. Rspr. des BVerwG; vgl. U. v. 10.7.2012 - 1 C 19.11 - Rn. 12 m. w. N.).

2. Die Ausweisung des Klägers ist im für ihre rechtliche Beurteilung maßgeblichen Zeitpunkt rechtswidrig. Rechtsgrundlage für diese Verfügung der Beklagten ist § 55 Abs. 1, § 56 Abs. 1 Satz 2 AufenthG i. V. m. Art. 14 Abs. 1 des Beschlusses Nr. 1/80 des Assoziationsrates EWG/T. über die Entwicklung der Assoziation (ARB 1/80).

2.1. Der Kläger, der als Familienangehöriger seiner dem regulären Arbeitsmarkt in Deutschland angehörenden türkischen Eltern (zum Rentenversicherungsverlauf der Mutter vgl. Bl. 211 der Behördenakte; der Vater war seit 1963 bis zu seiner Verrentung durchgehend bei den Stadtwerken M. beschäftigt) 1973 die Genehmigung erhalten hat, zu seinen Eltern zu ziehen, und dort in der Folge jedenfalls mehr als drei Jahre seinen ordnungsgemäßen Wohnsitz hatte, hat - zwischen den Beteiligten unstreitig - eine Rechtsstellung nach Art. 7 Satz 1 ARB 1/80 erworben. Diese Rechtsstellung ist in der Folge weder durch die Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit durch den Kläger in der Gastronomie noch deshalb erloschen, weil der Kläger wegen der Verurteilung zu einer mehrjährigen Freiheitsstrafe, die vollstreckt worden ist, keine Beschäftigung mehr ausgeübt hat. Denn im Gegensatz zu den türkischen Arbeitnehmern, auf die 6 Abs. 1 ARB 1/80 Anwendung findet, hängt die Rechtsstellung der in Art. 7 ARB 1/80 genannten Familienangehörigen nicht von der Ausübung einer Tätigkeit im Lohn- oder Gehaltsverhältnis ab (EuGH, U. v. 7.7.2005 - C-373/03, Aydinli - juris Rn. 28 ff.; EuGH, U. v. 18.7.2007 - C-325/05, Derin - juris Rn. 56; BVerwG, U. v. 9.8.2007 - 1 C 47.06 - juris Rn. 14 ff. m. w. N.). Auf den Erwerb eines assoziationsrechtlichen Aufenthaltsrechts nach Art. 6 ARB 1/80 durch seine Beschäftigungszeiten als Arbeitnehmer und den Verlust dieses Rechts durch die spätere Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit kommt es daher nicht entscheidungserheblich an.

2.2. Der Kläger kann daher nach Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80 nur im Ermessenswege ausgewiesen werden, wenn sein persönliches Verhalten gegenwärtig eine tatsächliche und hinreichend schwere Gefahr für ein Grundinteresse der Gesellschaft der Bundesrepublik Deutschland darstellt und die Maßnahme für die Wahrung dieses Interesses unerlässlich ist (st. Rspr.; z. B. BVerwG, U. v. 15.1.2013 - 1 C 10.12 - juris Rn. 13, U. v. 4.10.2012 - 1 C 13.11 - juris Rn. 17, U. v. 10.7.2012 - 1 C 19.11 - Rn. 14 jeweils unter Verweis auf EuGH, U. v. 8.12.2011 - Rs. C-371/08, Ziebell - NVwZ 2012, 422).

2.2.1. Entgegen der Auffassung des Klägers ist die angefochtene Ausweisung nicht schon wegen eines unheilbaren Verfahrensfehlers rechtswidrig, weil entgegen der Bestimmung des Art. 9 Abs. 1 Richtlinie 64/221/EWG die darin vorgesehene Einschaltung einer unabhängigen Stelle im Ausweisungsverfahren (hier: Durchführung eines Widerspruchsverfahrens) nicht erfolgt ist. Denn in der Rechtsprechung ist inzwischen geklärt, dass Art. 9 der Richtlinie 64/221/EWG nach der Aufhebung dieser Richtlinie durch Art. 38 Abs. 2 Richtlinie 2004/38/EG mit Wirkung zum 30. April 2006 auf nach diesem Zeitpunkt erlassene Ausweisungen assoziationsrechtlich begünstigter türkischer Staatsangehöriger nach Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80 i. V. m. § 55 AufenthG nicht mehr angewandt werden kann (BVerwG, U. v. 10.7.2012 - 1 C 19.11 - juris Rn. 22; U. v. 14.5.2013 - 1 C 13.12 - juris Rn. 18 ff.; BayVGH, U. v. 5.3.2013 - 10 B 12.2219 - juris Rn. 33 sowie zuletzt B. v. 26.11.2013 - 10 ZB 13.1873 - Rn. 3).

2.2.2. Wie der Gerichtshof der Europäischen Union inzwischen ebenfalls geklärt hat (vgl. EuGH, U. v. 8.12.2011 - Rs. C-371/08, Ziebell - NVwZ 2012, 422), richten sich die Anforderungen an die Ausweisung von sich seit mehr als zehn Jahren rechtmäßig im Gebiet eines Mitgliedstaats aufhaltenden assoziationsrechtlich Aufenthaltsberechtigten auf der Grundlage von Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80 nicht, wie der Kläger im Berufungsverfahren geltend macht, nach Art. 28 Abs. 3 Richtlinie 2004/38/EG (vgl. zuletzt BayVGH, B. v. 12.7.2013 - 10 ZB 11.150 - juris Rn. 4).

2.2.3. Das mit Urteil des Amtsgerichts München vom 22. September 2005 strafrechtlich geahndete persönliche Verhalten des Klägers, der bereits zuvor wegen Beihilfe zur Ausübung der verbotenen Prostitution zu einer Geldstrafe verurteilt worden war, begründet eine tatsächliche und hinreichend schwere Gefahr für ein Grundinteresse der Gesellschaft. Die betroffenen Schutzgüter der sexuellen Selbstbestimmung der jungen Frauen und der körperlichen Integrität nehmen in der Hierarchie der in den Grundrechten des Grundgesetzes enthaltenen Wertordnung einen sehr hohen Rang ein und lösen entsprechende staatliche Schutzpflichten aus (vgl. BVerwG, U. v. 10.7.2012 - 1 C 19.11 - juris Rn. 15). Die sexuelle Ausbeutung von Frauen zählt im Übrigen auch zu den Kriminalitätsbereichen, die gemäß Art. 83 Abs. 1 Unterabs. 2 AEUV als Bereiche besonders schwerer Kriminalität genannt werden. Diese können als schwere Beeinträchtigung eines grundlegenden gesellschaftlichen Interesses angesehen werden und die Ausweisung von Personen rechtfertigen, die entsprechende Straftaten begangen haben (BVerwG, U. v. 14.5.2013 - 1 C 13.12 - juris Rn. 12 unter Verweis auf EuGH, U. v. 22.5.2012 - Rs. C-348/09, P.I. - juris Rn. 28). Der Kläger hat ausweislich der Feststellungen des Strafgerichts junge Frauen bulgarischer Staatsangehörigkeit, die zur Prostitution nach Deutschland eingeschleust worden sind, in seinem im absoluten Sperrbezirk der Landeshauptstadt München gelegenen Lokal in einer Reihe von Fällen die Ausübung der verbotenen Prostitution ermöglicht, gelegentlich selbst Prostituierte an Gäste vermittelt und dabei den Freier, Preis, Leistung und Dauer des sexuellen Kontakts bestimmt sowie in einem Fall eine Prostituierte mit Gewalt und unter Ausnutzung ihrer hilflosen Lage zu sexuellen Handlungen genötigt. Weil sich der Kläger durch eine einschlägige Vorverurteilung nicht von diesem strafbaren Verhalten abhalten ließ, hat das Landgericht München I in seinem Urteil vom 10. Januar 2006 festgestellt, dies rücke sein Verhalten in die Nähe eines kriminellen Hanges; von Gelegenheitsdelikten könne jedenfalls nicht gesprochen werden.

2.2.4. Im maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs ist jedoch entgegen der Auffassung der Beklagten beim Kläger die konkrete Gefahr der Wiederholung seines strafbaren Verhaltens im Bereich dieser schweren Kriminalität oder vergleichbar schwerer Straftaten nicht mehr zu bejahen.

Zwar ist für die im Rahmen der tatrichterlichen Prognose festzustellende Wiederholungsgefahr von einem differenzierenden Wahrscheinlichkeitsmaßstab auszugehen mit der Folge, dass bei bedrohten Rechtsgütern mit einer hervorgehobenen Bedeutung hinsichtlich der festzustellenden Wiederholungsgefahr eher geringere Anforderungen gelten. Dies bedeutet aber nicht, dass bei hochrangigen Rechtsgütern bereits jede auch nur entfernte Möglichkeit eine Wiederholungsgefahr begründet. Vielmehr dürfen an die nach dem Ausmaß des möglichen Schadens differenzierende hinreichende Wahrscheinlichkeit keine zu geringen Anforderungen gestellt werden (BVerwG, U. v. 10.7.2012 - 1 C 19.11 - Rn. 16). Zudem ist hinsichtlich der gebotenen Gefahrenprognose nicht allein auf das (maßgebliche) Strafurteil und die diesem zugrunde liegenden Straftaten, sondern auf die Gesamtpersönlichkeit des Betroffenen abzustellen; dabei sind auch nachträgliche Entwicklungen einzubeziehen (vgl. BVerwG, U. v. 4.10.2012 - 1 C 13.11 - juris Rn. 12).

Unter Berücksichtigung dieses Maßstabs ist die von der Beklagten und vom Verwaltungsgericht angestellte Gefahrenprognose nach der aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung des Senats (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) zum jetzigen Zeitpunkt nicht mehr gerechtfertigt.

Für die Prognose der Rückfallgefahr beim Kläger spricht zwar grundsätzlich, dass dieser bei der Ermöglichung der Ausübung der verbotenen Prostitution Wiederholungstäter ist und er sich durch seine hohen Schulden (vgl. dazu die Angaben der Bewährungshelferin des Klägers in der mündlichen Verhandlung, Bl. 5 der Sitzungsniederschrift vom 24.3.2014) erneut zu Straftaten verleiten lassen könnte. Zudem stellt die Entscheidung der Auswärtigen Strafvollstreckungskammer des Landgerichts A. beim Amtsgericht L. im Beschluss vom 16. Oktober 2009, mit der nach Vollstreckung der Freiheitsstrafe beim Kläger Führungsaufsicht für die Dauer von fünf Jahren angeordnet wurde, weil nicht gemäß § 68f Abs. 2 StGB zu erwarten sei, dass der Kläger ohne diese Maßregel keine Straftaten mehr begehen werde, ein bei der ausländerrechtlichen Prognose mit zu berücksichtigendes Indiz dar (vgl. BayVGH, B. v. 6.3.2014 - 10 ZB 11.2854 - juris Rn. 10).

Gegen die Annahme einer fortdauernden konkreten Wiederholungsgefahr von Straftaten durch den Kläger aus dem Bereich schwerer Kriminalität sprechen andererseits aber gewichtige Gründe, die für die tatrichterliche Prognose des Senats zum Zeitpunkt seiner Entscheidung letztlich den Ausschlag geben. Gravierendere Straftaten, die dem oben dargelegten Bereich schwerer Kriminalität zuzuordnen sind, hat der Kläger lediglich während der Zeit und im Zusammenhang mit seiner Tätigkeit als selbstständiger Gastronom begangen. Insbesondere die dem Urteil des Amtsgerichts München vom 22. September 2005 zugrunde liegenden Anlasstaten stehen in funktionalem Zusammenhang mit der selbstständigen gewerblichen Tätigkeit des Klägers als Betreiber einer Gaststätte. Im Zeitraum von 1979 bis 1999, in dem der Kläger zunächst als Maschinenwart in einem Industriebetrieb und anschließend als Kranführer in einer Müllverbrennungsanlage der Stadtwerke M. beschäftigt war, kam es zu keinen gravierenderen Verfehlungen des Klägers. Eine Rückkehr des Klägers in seinen Beruf als Gastwirt dürfte für ihn schon aufgrund seiner strafrechtlichen Biografie objektiv nicht mehr möglich sein und wird von ihm nach den Angaben seiner Bewährungshelferin in der mündlichen Verhandlung auch nicht mehr angestrebt. Die von der Bewährungshelferin des Klägers bei ihrer Zeugenvernehmung überzeugend geschilderte Einschätzung, im Laufe der Zeit seien auch die Straftaten beim Kläger weit in den Hintergrund getreten, die „wilden Zeiten“ seien lange vorbei, der Kläger sei „stark gealtert“ und „müde“ geworden und ihm sei bewusst, dass er mit seiner Strafe und dem dadurch bedingten Stigma sowie seinen erheblichen Schulden künftig in bescheidenen Verhältnissen leben müsse, ist nach dem vom Senat in der mündlichen Verhandlung gewonnenen persönlichen Eindruck nachvollziehbar und schlüssig. Dafür spricht auch, dass sich der Kläger seit seiner Haftentlassung Ende 2009 mit Unterstützung der Bewährungshilfe bewährt und als zuverlässig erwiesen hat, strafrechtlich bis auf ein vom Senat insoweit nicht für relevant erachtetes Ermittlungsverfahren im Jahr 2013 wegen Nötigung nicht in Erscheinung getreten ist, einer geregelten beruflichen Tätigkeit bei einem Putzdienst im Krankenhaus nachgeht, eine psychotherapeutische Langzeittherapie (von insgesamt 80 Stunden) im Zeitraum Januar 2010 bis März 2013 mit guter Kooperationsbereitschaft und Veränderungsmotivation sowie deutlichen Fortschritten durchgeführt hat (vgl. dazu die vom Kläger vorgelegte Bestätigung des psychologischen Psychotherapeuten P. S. vom 18. März 2014) und sich zuletzt auch mit der durchaus heiklen Problematik seiner Schulden in Höhe von derzeit 68.151,73 Euro auseinandergesetzt hat (vgl. Bl. 5 der Sitzungsniederschrift vom 24.3.2014 sowie die in der mündlichen Verhandlung übergebene, von einem ehrenamtlichen Mitarbeiter der Bewährungshilfe erstellte Schuldenübersicht). Auch lebt der Kläger soweit ersichtlich in einer stabilen Beziehung mit seiner neuen Lebensgefährtin, die ihn auf dem Weg seit der Haftentlassung begleitet und unterstützt. Der von der Bewährungshelferin geschilderte feste Zusammenhalt in der Familie des Klägers, von der der Kläger auch finanziell unterstützt worden ist, ist in dem Zusammenhang ebenfalls zu berücksichtigen.

Zusammenfassend vermittelt das vom Kläger gezeigte Wohlverhalten nach seiner Haft den Eindruck, dass die erstmalige Verbüßung einer Freiheitsstrafe auf ihn einen nachhaltigen Eindruck hinterlassen und bei ihm zu einer grundlegenden Verhaltensänderung geführt hat.

Ist nach alledem zur Überzeugung des Senats im für seine Entscheidung maßgeblichen Zeitpunkt beim Kläger die konkrete Wiederholungsgefahr von entsprechend schweren Straftaten nicht mehr festzustellen, stellt sein persönliches Verhalten gegenwärtig keine hinreichend schwere Gefahr für ein Grundinteresse der Gesellschaft mehr dar, weshalb die an Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80 zu messende Ausweisung schon deshalb als rechtswidrig aufzuheben ist; auf die Frage von Ermessensfehlern der Beklagten und die hinreichende Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit kommt es deshalb nicht mehr entscheidungserheblich an.

3. Ist die durch die Beklagte verfügte Ausweisung des Klägers aufzuheben und greift folglich das Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß Art. 11 Abs. 1 AufenthG nicht (mehr), sind auch die (nachträglich ergänzte) Befristungsregelung und die noch nicht vollzogene Abschiebungsandrohung in Nr. 2. und 3. des streitbefangenen Bescheids aufzuheben, weil der Kläger dadurch ebenfalls in seinen Rechten verletzt wird.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit stützt sich auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 ff. ZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.

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(1) Ein Ausländer, gegen den eine Ausweisungsverfügung auf Grund eines Ausweisungsinteresses nach § 54 Absatz 1 Nummer 2 bis 5 oder eine Abschiebungsanordnung nach § 58a besteht, unterliegt der Verpflichtung, sich mindestens einmal wöchentlich bei de

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(1) Ist die Anklage eingereicht, so kann der Richter das Verfahren einstellen, wenn 1. die Voraussetzungen des § 153 der Strafprozeßordnung vorliegen,2. eine erzieherische Maßnahme im Sinne des § 45 Abs. 2, die eine Entscheidung durch Urteil entbehrl

Strafgesetzbuch - StGB | § 68f Führungsaufsicht bei Nichtaussetzung des Strafrestes


(1) Ist eine Freiheitsstrafe oder Gesamtfreiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren wegen vorsätzlicher Straftaten oder eine Freiheitsstrafe oder Gesamtfreiheitsstrafe von mindestens einem Jahr wegen Straftaten der in § 181b genannten Art vollständig

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Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Urteil, 25. März 2014 - 10 B 13.529 zitiert oder wird zitiert von 2 Urteil(en).

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Urteil, 25. März 2014 - 10 B 13.529 zitiert 1 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss, 06. März 2014 - 10 ZB 11.2854

bei uns veröffentlicht am 06.03.2014

Tenor I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt. II. Die Beklagte trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens. III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 5.000,- Euro festgesetzt.
1 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Urteil, 25. März 2014 - 10 B 13.529.

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss, 29. Juli 2014 - 10 ZB 14.538

bei uns veröffentlicht am 29.07.2014

Tenor I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt. II. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens. III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 5.000,- Euro festgesetzt. Grü

Referenzen

(1) Ist die Anklage eingereicht, so kann der Richter das Verfahren einstellen, wenn

1.
die Voraussetzungen des § 153 der Strafprozeßordnung vorliegen,
2.
eine erzieherische Maßnahme im Sinne des § 45 Abs. 2, die eine Entscheidung durch Urteil entbehrlich macht, bereits durchgeführt oder eingeleitet ist,
3.
der Richter eine Entscheidung durch Urteil für entbehrlich hält und gegen den geständigen Jugendlichen eine in § 45 Abs. 3 Satz 1 bezeichnete Maßnahme anordnet oder
4.
der Angeklagte mangels Reife strafrechtlich nicht verantwortlich ist.
In den Fällen von Satz 1 Nr. 2 und 3 kann der Richter mit Zustimmung des Staatsanwalts das Verfahren vorläufig einstellen und dem Jugendlichen eine Frist von höchstens sechs Monaten setzen, binnen der er den Auflagen, Weisungen oder erzieherischen Maßnahmen nachzukommen hat. Die Entscheidung ergeht durch Beschluß. Der Beschluß ist nicht anfechtbar. Kommt der Jugendliche den Auflagen, Weisungen oder erzieherischen Maßnahmen nach, so stellt der Richter das Verfahren ein. § 11 Abs. 3 und § 15 Abs. 3 Satz 2 sind nicht anzuwenden.

(2) Die Einstellung bedarf der Zustimmung des Staatsanwalts, soweit er nicht bereits der vorläufigen Einstellung zugestimmt hat. Der Einstellungsbeschluß kann auch in der Hauptverhandlung ergehen. Er wird mit Gründen versehen und ist nicht anfechtbar. Die Gründe werden dem Angeklagten nicht mitgeteilt, soweit davon Nachteile für die Erziehung zu befürchten sind.

(3) Wegen derselben Tat kann nur auf Grund neuer Tatsachen oder Beweismittel von neuem Anklage erhoben werden.

(1) Das Bleibeinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt besonders schwer, wenn der Ausländer

1.
eine Niederlassungserlaubnis besitzt und sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat,
2.
eine Aufenthaltserlaubnis besitzt und im Bundesgebiet geboren oder als Minderjähriger in das Bundesgebiet eingereist ist und sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat,
3.
eine Aufenthaltserlaubnis besitzt, sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat und mit einem der in den Nummern 1 und 2 bezeichneten Ausländer in ehelicher oder lebenspartnerschaftlicher Lebensgemeinschaft lebt,
4.
mit einem deutschen Familienangehörigen oder Lebenspartner in familiärer oder lebenspartnerschaftlicher Lebensgemeinschaft lebt, sein Personensorgerecht für einen minderjährigen ledigen Deutschen oder mit diesem sein Umgangsrecht ausübt oder
5.
eine Aufenthaltserlaubnis nach § 23 Absatz 4, den §§ 24, 25 Absatz 4a Satz 3 oder nach § 29 Absatz 2 oder 4 besitzt.

(2) Das Bleibeinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt insbesondere schwer, wenn

1.
der Ausländer minderjährig ist und eine Aufenthaltserlaubnis besitzt,
2.
der Ausländer eine Aufenthaltserlaubnis besitzt und sich seit mindestens fünf Jahren im Bundesgebiet aufhält,
3.
der Ausländer sein Personensorgerecht für einen im Bundesgebiet rechtmäßig sich aufhaltenden ledigen Minderjährigen oder mit diesem sein Umgangsrecht ausübt,
4.
der Ausländer minderjährig ist und sich die Eltern oder ein personensorgeberechtigter Elternteil rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten beziehungsweise aufhält,
5.
die Belange oder das Wohl eines Kindes zu berücksichtigen sind beziehungsweise ist oder
6.
der Ausländer eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Absatz 4a Satz 1 besitzt.

(3) Aufenthalte auf der Grundlage von § 81 Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1 werden als rechtmäßiger Aufenthalt im Sinne der Absätze 1 und 2 nur berücksichtigt, wenn dem Antrag auf Erteilung oder Verlängerung des Aufenthaltstitels entsprochen wurde.

(1) Ein Ausländer, gegen den eine Ausweisungsverfügung auf Grund eines Ausweisungsinteresses nach § 54 Absatz 1 Nummer 2 bis 5 oder eine Abschiebungsanordnung nach § 58a besteht, unterliegt der Verpflichtung, sich mindestens einmal wöchentlich bei der für seinen Aufenthaltsort zuständigen polizeilichen Dienststelle zu melden, soweit die Ausländerbehörde nichts anderes bestimmt. Eine dem Satz 1 entsprechende Meldepflicht kann angeordnet werden, wenn der Ausländer

1.
vollziehbar ausreisepflichtig ist und ein in Satz 1 genanntes Ausweisungsinteresse besteht oder
2.
auf Grund anderer als der in Satz 1 genannten Ausweisungsinteressen vollziehbar ausreisepflichtig ist und die Anordnung der Meldepflicht zur Abwehr einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung erforderlich ist.

(2) Sein Aufenthalt ist auf den Bezirk der Ausländerbehörde beschränkt, soweit die Ausländerbehörde keine abweichenden Festlegungen trifft.

(3) Er kann verpflichtet werden, in einem anderen Wohnort oder in bestimmten Unterkünften auch außerhalb des Bezirks der Ausländerbehörde zu wohnen, wenn dies geboten erscheint, um

1.
die Fortführung von Bestrebungen, die zur Ausweisung geführt haben, zu erschweren oder zu unterbinden und die Einhaltung vereinsrechtlicher oder sonstiger gesetzlicher Auflagen und Verpflichtungen besser überwachen zu können oder
2.
die wiederholte Begehung erheblicher Straftaten, die zu einer Ausweisung nach § 54 Absatz 1 Nummer 1 geführt haben, zu unterbinden.

(4) Um die Fortführung von Bestrebungen, die zur Ausweisung nach § 54 Absatz 1 Nummer 2 bis 5, zu einer Anordnung nach Absatz 1 Satz 2 Nummer 1 oder zu einer Abschiebungsanordnung nach § 58a geführt haben, zu erschweren oder zu unterbinden, kann der Ausländer auch verpflichtet werden, zu bestimmten Personen oder Personen einer bestimmten Gruppe keinen Kontakt aufzunehmen, mit ihnen nicht zu verkehren, sie nicht zu beschäftigen, auszubilden oder zu beherbergen und bestimmte Kommunikationsmittel oder Dienste nicht zu nutzen, soweit ihm Kommunikationsmittel verbleiben und die Beschränkungen notwendig sind, um eine erhebliche Gefahr für die innere Sicherheit oder für Leib und Leben Dritter abzuwehren. Um die wiederholte Begehung erheblicher Straftaten, die zu einer Ausweisung nach § 54 Absatz 1 Nummer 1 geführt haben, zu unterbinden, können Beschränkungen nach Satz 1 angeordnet werden, soweit diese notwendig sind, um eine erhebliche Gefahr für die innere Sicherheit oder für Leib und Leben Dritter abzuwenden.

(5) Die Verpflichtungen nach den Absätzen 1 bis 4 ruhen, wenn sich der Ausländer in Haft befindet. Eine Anordnung nach den Absätzen 3 und 4 ist sofort vollziehbar.

(1) Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung.

(2) Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft.

(3) Gegen den Willen der Erziehungsberechtigten dürfen Kinder nur auf Grund eines Gesetzes von der Familie getrennt werden, wenn die Erziehungsberechtigten versagen oder wenn die Kinder aus anderen Gründen zu verwahrlosen drohen.

(4) Jede Mutter hat Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge der Gemeinschaft.

(5) Den unehelichen Kindern sind durch die Gesetzgebung die gleichen Bedingungen für ihre leibliche und seelische Entwicklung und ihre Stellung in der Gesellschaft zu schaffen wie den ehelichen Kindern.

(1) Alle Deutschen haben das Recht, sich ohne Anmeldung oder Erlaubnis friedlich und ohne Waffen zu versammeln.

(2) Für Versammlungen unter freiem Himmel kann dieses Recht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes beschränkt werden.

(1) Ein Ausländer, gegen den eine Ausweisungsverfügung auf Grund eines Ausweisungsinteresses nach § 54 Absatz 1 Nummer 2 bis 5 oder eine Abschiebungsanordnung nach § 58a besteht, unterliegt der Verpflichtung, sich mindestens einmal wöchentlich bei der für seinen Aufenthaltsort zuständigen polizeilichen Dienststelle zu melden, soweit die Ausländerbehörde nichts anderes bestimmt. Eine dem Satz 1 entsprechende Meldepflicht kann angeordnet werden, wenn der Ausländer

1.
vollziehbar ausreisepflichtig ist und ein in Satz 1 genanntes Ausweisungsinteresse besteht oder
2.
auf Grund anderer als der in Satz 1 genannten Ausweisungsinteressen vollziehbar ausreisepflichtig ist und die Anordnung der Meldepflicht zur Abwehr einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung erforderlich ist.

(2) Sein Aufenthalt ist auf den Bezirk der Ausländerbehörde beschränkt, soweit die Ausländerbehörde keine abweichenden Festlegungen trifft.

(3) Er kann verpflichtet werden, in einem anderen Wohnort oder in bestimmten Unterkünften auch außerhalb des Bezirks der Ausländerbehörde zu wohnen, wenn dies geboten erscheint, um

1.
die Fortführung von Bestrebungen, die zur Ausweisung geführt haben, zu erschweren oder zu unterbinden und die Einhaltung vereinsrechtlicher oder sonstiger gesetzlicher Auflagen und Verpflichtungen besser überwachen zu können oder
2.
die wiederholte Begehung erheblicher Straftaten, die zu einer Ausweisung nach § 54 Absatz 1 Nummer 1 geführt haben, zu unterbinden.

(4) Um die Fortführung von Bestrebungen, die zur Ausweisung nach § 54 Absatz 1 Nummer 2 bis 5, zu einer Anordnung nach Absatz 1 Satz 2 Nummer 1 oder zu einer Abschiebungsanordnung nach § 58a geführt haben, zu erschweren oder zu unterbinden, kann der Ausländer auch verpflichtet werden, zu bestimmten Personen oder Personen einer bestimmten Gruppe keinen Kontakt aufzunehmen, mit ihnen nicht zu verkehren, sie nicht zu beschäftigen, auszubilden oder zu beherbergen und bestimmte Kommunikationsmittel oder Dienste nicht zu nutzen, soweit ihm Kommunikationsmittel verbleiben und die Beschränkungen notwendig sind, um eine erhebliche Gefahr für die innere Sicherheit oder für Leib und Leben Dritter abzuwehren. Um die wiederholte Begehung erheblicher Straftaten, die zu einer Ausweisung nach § 54 Absatz 1 Nummer 1 geführt haben, zu unterbinden, können Beschränkungen nach Satz 1 angeordnet werden, soweit diese notwendig sind, um eine erhebliche Gefahr für die innere Sicherheit oder für Leib und Leben Dritter abzuwenden.

(5) Die Verpflichtungen nach den Absätzen 1 bis 4 ruhen, wenn sich der Ausländer in Haft befindet. Eine Anordnung nach den Absätzen 3 und 4 ist sofort vollziehbar.

Soweit die Verwaltungsbehörde ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, prüft das Gericht auch, ob der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist. Die Verwaltungsbehörde kann ihre Ermessenserwägungen hinsichtlich des Verwaltungsaktes auch noch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ergänzen.

(1) Das Bleibeinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt besonders schwer, wenn der Ausländer

1.
eine Niederlassungserlaubnis besitzt und sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat,
2.
eine Aufenthaltserlaubnis besitzt und im Bundesgebiet geboren oder als Minderjähriger in das Bundesgebiet eingereist ist und sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat,
3.
eine Aufenthaltserlaubnis besitzt, sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat und mit einem der in den Nummern 1 und 2 bezeichneten Ausländer in ehelicher oder lebenspartnerschaftlicher Lebensgemeinschaft lebt,
4.
mit einem deutschen Familienangehörigen oder Lebenspartner in familiärer oder lebenspartnerschaftlicher Lebensgemeinschaft lebt, sein Personensorgerecht für einen minderjährigen ledigen Deutschen oder mit diesem sein Umgangsrecht ausübt oder
5.
eine Aufenthaltserlaubnis nach § 23 Absatz 4, den §§ 24, 25 Absatz 4a Satz 3 oder nach § 29 Absatz 2 oder 4 besitzt.

(2) Das Bleibeinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt insbesondere schwer, wenn

1.
der Ausländer minderjährig ist und eine Aufenthaltserlaubnis besitzt,
2.
der Ausländer eine Aufenthaltserlaubnis besitzt und sich seit mindestens fünf Jahren im Bundesgebiet aufhält,
3.
der Ausländer sein Personensorgerecht für einen im Bundesgebiet rechtmäßig sich aufhaltenden ledigen Minderjährigen oder mit diesem sein Umgangsrecht ausübt,
4.
der Ausländer minderjährig ist und sich die Eltern oder ein personensorgeberechtigter Elternteil rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten beziehungsweise aufhält,
5.
die Belange oder das Wohl eines Kindes zu berücksichtigen sind beziehungsweise ist oder
6.
der Ausländer eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Absatz 4a Satz 1 besitzt.

(3) Aufenthalte auf der Grundlage von § 81 Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1 werden als rechtmäßiger Aufenthalt im Sinne der Absätze 1 und 2 nur berücksichtigt, wenn dem Antrag auf Erteilung oder Verlängerung des Aufenthaltstitels entsprochen wurde.

(1) Ein Ausländer, gegen den eine Ausweisungsverfügung auf Grund eines Ausweisungsinteresses nach § 54 Absatz 1 Nummer 2 bis 5 oder eine Abschiebungsanordnung nach § 58a besteht, unterliegt der Verpflichtung, sich mindestens einmal wöchentlich bei der für seinen Aufenthaltsort zuständigen polizeilichen Dienststelle zu melden, soweit die Ausländerbehörde nichts anderes bestimmt. Eine dem Satz 1 entsprechende Meldepflicht kann angeordnet werden, wenn der Ausländer

1.
vollziehbar ausreisepflichtig ist und ein in Satz 1 genanntes Ausweisungsinteresse besteht oder
2.
auf Grund anderer als der in Satz 1 genannten Ausweisungsinteressen vollziehbar ausreisepflichtig ist und die Anordnung der Meldepflicht zur Abwehr einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung erforderlich ist.

(2) Sein Aufenthalt ist auf den Bezirk der Ausländerbehörde beschränkt, soweit die Ausländerbehörde keine abweichenden Festlegungen trifft.

(3) Er kann verpflichtet werden, in einem anderen Wohnort oder in bestimmten Unterkünften auch außerhalb des Bezirks der Ausländerbehörde zu wohnen, wenn dies geboten erscheint, um

1.
die Fortführung von Bestrebungen, die zur Ausweisung geführt haben, zu erschweren oder zu unterbinden und die Einhaltung vereinsrechtlicher oder sonstiger gesetzlicher Auflagen und Verpflichtungen besser überwachen zu können oder
2.
die wiederholte Begehung erheblicher Straftaten, die zu einer Ausweisung nach § 54 Absatz 1 Nummer 1 geführt haben, zu unterbinden.

(4) Um die Fortführung von Bestrebungen, die zur Ausweisung nach § 54 Absatz 1 Nummer 2 bis 5, zu einer Anordnung nach Absatz 1 Satz 2 Nummer 1 oder zu einer Abschiebungsanordnung nach § 58a geführt haben, zu erschweren oder zu unterbinden, kann der Ausländer auch verpflichtet werden, zu bestimmten Personen oder Personen einer bestimmten Gruppe keinen Kontakt aufzunehmen, mit ihnen nicht zu verkehren, sie nicht zu beschäftigen, auszubilden oder zu beherbergen und bestimmte Kommunikationsmittel oder Dienste nicht zu nutzen, soweit ihm Kommunikationsmittel verbleiben und die Beschränkungen notwendig sind, um eine erhebliche Gefahr für die innere Sicherheit oder für Leib und Leben Dritter abzuwehren. Um die wiederholte Begehung erheblicher Straftaten, die zu einer Ausweisung nach § 54 Absatz 1 Nummer 1 geführt haben, zu unterbinden, können Beschränkungen nach Satz 1 angeordnet werden, soweit diese notwendig sind, um eine erhebliche Gefahr für die innere Sicherheit oder für Leib und Leben Dritter abzuwenden.

(5) Die Verpflichtungen nach den Absätzen 1 bis 4 ruhen, wenn sich der Ausländer in Haft befindet. Eine Anordnung nach den Absätzen 3 und 4 ist sofort vollziehbar.

(1) Das Bleibeinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt besonders schwer, wenn der Ausländer

1.
eine Niederlassungserlaubnis besitzt und sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat,
2.
eine Aufenthaltserlaubnis besitzt und im Bundesgebiet geboren oder als Minderjähriger in das Bundesgebiet eingereist ist und sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat,
3.
eine Aufenthaltserlaubnis besitzt, sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat und mit einem der in den Nummern 1 und 2 bezeichneten Ausländer in ehelicher oder lebenspartnerschaftlicher Lebensgemeinschaft lebt,
4.
mit einem deutschen Familienangehörigen oder Lebenspartner in familiärer oder lebenspartnerschaftlicher Lebensgemeinschaft lebt, sein Personensorgerecht für einen minderjährigen ledigen Deutschen oder mit diesem sein Umgangsrecht ausübt oder
5.
eine Aufenthaltserlaubnis nach § 23 Absatz 4, den §§ 24, 25 Absatz 4a Satz 3 oder nach § 29 Absatz 2 oder 4 besitzt.

(2) Das Bleibeinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt insbesondere schwer, wenn

1.
der Ausländer minderjährig ist und eine Aufenthaltserlaubnis besitzt,
2.
der Ausländer eine Aufenthaltserlaubnis besitzt und sich seit mindestens fünf Jahren im Bundesgebiet aufhält,
3.
der Ausländer sein Personensorgerecht für einen im Bundesgebiet rechtmäßig sich aufhaltenden ledigen Minderjährigen oder mit diesem sein Umgangsrecht ausübt,
4.
der Ausländer minderjährig ist und sich die Eltern oder ein personensorgeberechtigter Elternteil rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten beziehungsweise aufhält,
5.
die Belange oder das Wohl eines Kindes zu berücksichtigen sind beziehungsweise ist oder
6.
der Ausländer eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Absatz 4a Satz 1 besitzt.

(3) Aufenthalte auf der Grundlage von § 81 Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1 werden als rechtmäßiger Aufenthalt im Sinne der Absätze 1 und 2 nur berücksichtigt, wenn dem Antrag auf Erteilung oder Verlängerung des Aufenthaltstitels entsprochen wurde.

(1) Das Gericht entscheidet nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind.

(2) Das Urteil darf nur auf Tatsachen und Beweisergebnisse gestützt werden, zu denen die Beteiligten sich äußern konnten.

(1) Ist eine Freiheitsstrafe oder Gesamtfreiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren wegen vorsätzlicher Straftaten oder eine Freiheitsstrafe oder Gesamtfreiheitsstrafe von mindestens einem Jahr wegen Straftaten der in § 181b genannten Art vollständig vollstreckt worden, tritt mit der Entlassung der verurteilten Person aus dem Strafvollzug Führungsaufsicht ein. Dies gilt nicht, wenn im Anschluss an die Strafverbüßung eine freiheitsentziehende Maßregel der Besserung und Sicherung vollzogen wird.

(2) Ist zu erwarten, dass die verurteilte Person auch ohne die Führungsaufsicht keine Straftaten mehr begehen wird, ordnet das Gericht an, dass die Maßregel entfällt.

Tenor

I.

Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.

II.

Die Beklagte trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

III.

Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 5.000,- Euro festgesetzt.

Gründe

Der zulässige Antrag der Beklagten auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Augsburg vom 11. Oktober 2011, das den Bescheid der Beklagten vom 28. April 2011 aufhebt, mit dem der Kläger aus der Bundesrepublik Deutschland aufgewiesen worden ist, ist unbegründet.

Zulassungsgründe liegen nicht vor. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils bestehen nicht (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO; I.). Auch ist nicht den Anforderungen von § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO entsprechend dargelegt, dass die Rechtssache besondere tatsächliche Schwierigkeiten aufweist (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO; II.) oder grundsätzliche Bedeutung hat (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO; III.).

I.

Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils, die die Zulassung der Berufung nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO rechtfertigen könnten, lägen nur vor, wenn die Beklagte einen einzelnen tragenden Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt hätte (vgl. BVerfG, B. v. 10.9.2009 - 1 BvR 814/09 - juris Rn. 11). Dies ist jedoch nicht der Fall.

Das Verwaltungsgericht hat den Bescheid der Beklagten nach § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO aufgehoben, weil es die Ausweisung des 1946 geborenen Klägers, der türkischer Staatsangehöriger ist und seit 1968 zunächst auf der Grundlage immer wieder verlängerter befristeter Aufenthaltserlaubnisse und seit 1. Juli 1986 aufgrund einer nach § 101 Abs. 1 Satz 1 AufenthG als Niederlassungserlaubnis fortgeltenden Aufenthaltsberechtigung in der Bundesrepublik lebt, als rechtswidrig angesehen hat. Unabhängig davon, ob zugunsten des Klägers davon auszugehen sei, dass er nach Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80 nur aufgrund einer Ermessensentscheidung ausgewiesen werden könne, die sein Aufenthaltsrecht nach Art. 6 Abs. 1 ARB 1/80 berücksichtige, habe die Beklagte über die Ausweisung des Klägers nur nach Ermessen entscheiden können. Die Verurteilung des Klägers wegen in den Jahren 1991 bis 2001 gegenüber seiner Tochter begangener Taten des sexuellen Missbrauchs in 37 Fällen, des Beischlafs zwischen Verwandten in 11 Fällen und der Vergewaltigung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 5 Jahren und 8 Monaten führe zwar nach § 53 Nr. 1 AufenthG an sich zwingend zu seiner Ausweisung. Da der Kläger eine Niederlassungserlaubnis besitze und sich seit über vierzig Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten habe, genieße er aber nach § 56 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG besonderen Ausweisungsschutz und werde nach § 56 Abs. 1 Satz 2 AufenthG nur aus schwerwiegenden Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ausgewiesen. Zwar werde der Ausländer in den Fällen des § 53 AufenthG nach § 56 Abs. 1 Satz 4 AufenthG in der Regel ausgewiesen. Im Hinblick darauf, dass er sich wegen seines langjährigen rechtmäßigen Aufenthalts auf den Schutz des Art. 8 Abs. 1 EMRK berufen könne, dürfe er aber nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nur aufgrund einer umfassenden Abwägung der Umstände des Einzelfalls im Rahmen einer Ermessensentscheidung ausgewiesen werden (vgl. BVerwG, U. v. 23.10.2007 - 1 C 10.07 - juris Rn. 25 ff.).

Die Ermessensentscheidung der Beklagten hält das Verwaltungsgericht dabei für fehlerhaft, weil sie zu Unrecht davon ausgehe, dass beim Kläger eine ausreichend konkrete Gefahr der erneuten Begehung von Straftaten vorliege. Abgesehen davon, dass die Voraussetzungen für eine generalpräventive Ausweisung nicht vorlägen, könne die Ausweisung auch nicht auf spezialpräventive Gründe gestützt werden. Nach Einvernahme eines sachverständigen Zeugen in der mündlichen Verhandlung sei das Gericht der Überzeugung, dass von dem Kläger keine hinreichende Wiederholungsgefahr ausgehe. Die Gefahrenprognose habe die Wahrscheinlichkeit neuer Beeinträchtigungen im Verhältnis zu den davon betroffenen Rechtsgütern zu betrachten. Je schwerer die zu besorgende Beeinträchtigung wiege, desto geringer seien die Anforderungen, die an die Beurteilung der Wiederholung zu stellen seien. Danach sei eine Wiederholungsgefahr nicht gegeben.

Die Beklagte gehe davon aus, dass wegen der erheblichen Rechtsverletzungen beim Opfer einer Sexualstraftat keine konkreten Anhaltspunkte für erneute Rechtsverstöße notwendig seien und dass die Anordnung von Führungsaufsicht zeige, dass beim Kläger die erneute Begehung von Straftaten nicht ausgeschlossen sei. Demgegenüber stehe für das Verwaltungsgericht aufgrund der Aussage des sachverständigen Zeugen fest, dass eine erneute Begehung von Sexualstraftaten durch den Kläger nicht zu erwarten sei. Damit fehle es an jeglichem Anhaltspunkt für die Annahme einer Wiederholungsgefahr. Auch wenn die vom Kläger begangene Straftat eine erhebliche Rechtsgutverletzung dargestellt habe, sei nicht erkennbar, dass die Begehung derartiger Taten durch den Kläger in Zukunft zu erwarten sei. Der sachverständige Zeuge habe den Kläger im Rahmen der Führungsaufsicht im Hinblick auf die Sexualproblematik untersucht und sei zu dem Ergebnis gekommen, dass eine krankhafte Störung nicht festgestellt werden könne. Nach dem Ergebnis der vorgenommenen Untersuchungen sei die Rückfallgefahr derart gering, dass der Zeuge davon ausgehe, dass sich eine nennenswerte Wiederholungsgefahr wissenschaftlich nicht belegen lasse. An der Glaubwürdigkeit dieser sachverständigen Äußerungen habe das Verwaltungsgericht keine Zweifel. Der Zeuge habe nachvollziehbar die Grundlagen seiner Bewertung dargelegt. Er sei aufgrund seiner beruflichen Befassung mit derartigen Straftätern erkennbar in der Lage, die Frage nach der vom Straftäter ausgehenden Wiederholungsgefahr differenziert zu beantworten. Als Konsequenz seiner Erkenntnisse habe er der Bewährungshilfe mitgeteilt, dass eine therapeutische Behandlung des Klägers nicht angezeigt sei.

Auch wenn der Zeuge nicht jedes Restrisiko habe ausschließen können, sei die Begehung erneuter Straftaten nicht mit einer Wahrscheinlichkeit zu erwarten, die in Abwägung mit dem langjährigen Aufenthalt des Klägers im Bundesgebiet dessen Ausweisung rechtfertige. Die grundsätzlich bei keinem Menschen auszuschließende Gefahr strafrechtlicher Verstöße allein rechtfertige die Ausweisung jedenfalls nicht.

Die Beklagte meint, bei umfassender Würdigung sämtlicher Fakten müsse von einer Wiederholungsgefahr der Begehung schwerer Straftaten durch den Kläger ausgegangen werden. Die Auffassung des Verwaltungsgerichts, es fehle an irgendeinem Anhaltspunkt für eine Wiederholungsgefahr, sei zweifelsfrei unzutreffend.

1. Dies begründet die Beklagte zunächst damit, dass das Verwaltungsgericht die Anordnung von Führungsaufsicht durch die Strafvollstreckungskammer nicht hinreichend gewürdigt habe. Hätte es sich damit auseinandergesetzt, so hätte es zu dem Ergebnis gelangen müssen, dass die Ausweisung des Klägers aus spezialpräventiven Gründen gerechtfertigt sei. Die Strafvollstreckungskammer hätte nach § 68f Abs. 2 StGB den Entfall der Maßregel anordnen müssen, wenn zu erwarten gewesen wäre, dass der Kläger auch ohne die Führungsaufsicht keine Straftaten mehr begehen werde. Stattdessen habe sie die Führungsaufsicht für die maximale Dauer von fünf Jahren angeordnet. Dies sei nur deshalb geschehen, weil tatsächlich eine nicht zu gering einzuschätzende Gefahr der Begehung weiterer Straftaten durch den Kläger bestehe. Die Entscheidung der Strafvollstreckungskammer vom 8. Oktober 2010 sei relativ aktuell und könne als zuverlässiger Gradmesser für eine Wiederholungsgefahr angesehen werden. Jedenfalls stelle sie dafür ein gewichtiges Indiz dar, mit dem sich das Verwaltungsgericht hätte auseinandersetzen müssen. Diese Ausführungen stellen aber die Verneinung einer die Ausweisung rechtfertigenden Wiederholungsgefahr nicht mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage.

Zwar sind die Entscheidungen der Strafgerichte, die eine Prognose erfordern, ob von einem Verurteilten erneut Straftaten zu erwarten sind, von tatsächlichem Gewicht. Sie stellen bei der im Rahmen einer Ausweisung nach § 56 Abs. 1 Satz 2 AufenthG zu treffenden Prognose, ob schwerwiegende Gründe der öffentlichen Sicherheit und Ordnung vorliegen, weil Anhaltspunkte dafür bestehen, dass in Zukunft eine schwere Gefährdung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung durch neue Verfehlungen des Ausländers ernsthaft droht und damit von ihm eine bedeutsame Gefahr für ein wichtiges Schutzgut ausgeht (vgl. BVerwG, U. v. 13.1.2009 - 1 C 2.08 - juris Rn. 16; U. v. 11.6.1996 - 1 C 24/94 - juris Rn. 26), ein wesentliches Indiz dar. Die Ausländerbehörden und Verwaltungsgerichte haben aber eine eigenständige Prognose über die Wiederholungsgefahr zu treffen und sind an die Feststellungen der Strafgerichte nicht gebunden. Sie haben dabei auch sonstige, den Strafgerichten möglicherweise nicht bekannte oder von ihnen nicht beachtete Umstände des Einzelfalls heranzuziehen und können deshalb sowohl aufgrund einer anderen Tatsachengrundlage als auch aufgrund einer anderen Würdigung zu einer abweichenden Prognoseentscheidung gelangen (BVerwG, U. v. 16.11.2000 - 9 C 6.00 - juris Rn. 17; U. v. 2.9.2009 - 1 C 2.09 - juris Rn. 18; U. v. 13.12.2012 - 1 C 20.11 - juris Rn. 23).

Danach ist es aber rechtlich nicht zu beanstanden, dass das Verwaltungsgericht die Frage der Wiederholungsgefahr anders beurteilt hat als die Strafvollstreckungskammer bei ihrer Entscheidung über die Anordnung der Führungsaufsicht. Ihre Annahme, dass die Führungsaufsicht nicht nach § 68f Abs. 2 StGB entfalle, weil nicht zu erwarten sei, dass der Kläger ohne diese Maßregel keine Straftaten mehr begehen werde, begründet die Strafvollstreckungskammer nicht. Der der Anordnung der Führungsaufsicht zugrunde liegende Antrag der Staatsanwaltschaft verweist zur Antragsbegründung lediglich auf die Stellungnahme der Justizvollzugsanstalt vom 23. August 2010. Dort wird der Vorschlag, die Führungsaufsicht für fünf Jahre anzuordnen, damit begründet, dass die Bearbeitung des haftgegenständlichen Delikts an der ungeklärten ausländerrechtlichen Situation gescheitert sei, obwohl sich der Kläger von Beginn an motiviert gezeigt habe, eine Therapie zu machen. Auch wenn er nach wie vor dazu bereit sei, werde er aufgrund der nicht aufgearbeiteten Sexualproblematik von Seiten der Justizvollzugsanstalt als Risikoproband eingeschätzt. Eine Beurteilung der vom Kläger ausgehenden Rückfallgefahr durch einen Sachverständigen liegt dieser Stellungnahme ebenso wie dem darauf beruhenden Antrag der Staatsanwaltschaft und dem antragsgemäß erlassenen Beschluss der Strafvollstreckungskammer über die Führungsaufsicht hingegen nicht zugrunde.

Vor diesem Hintergrund ist es aber nicht zu beanstanden, dass das Verwaltungsgericht auf der Grundlage der Aussage des sachverständigen Zeugen zu einer anderen Prognose über die Wiederholungsgefahr gelangt ist als die Strafvollstreckungskammer. Denn der sachverständige Zeuge hat den Kläger erst nach dem Beschluss über die Führungsaufsicht im Hinblick auf die darin enthaltene Anweisung an den Kläger, nach näherer Weisung des Therapeuten eine ambulante Psychotherapie bezogen auf seine Sexualproblematik durchzuführen, untersucht und die vom Kläger ausgehende Wiederholungsgefahr beurteilt. Dessen der Strafvollstreckungskammer nicht bekannte und daher auch von ihr nicht beachtete Bewertung durfte und musste das Verwaltungsgericht bei seiner eigenständigen Prognose aber berücksichtigen.

2. Die Beklagte stützt ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils darüber hinaus darauf, dass sich die vom Kläger ausgehende Wiederholungsgefahr auch in seinem Verhalten und seinen Äußerungen widerspiegele. Eine Wiederholungsgefahr sei schon deshalb nicht von der Hand zu weisen, weil sich der Missbrauch der Tochter über Jahre hingezogen habe. Außerdem habe der Kläger mehrfach gegenüber seiner Tochter geäußert, er müsse mit den Übergriffen aufhören. Danach sei es jeweils zu zwei- bis vierwöchigen Unterbrechungen gekommen. Dies zeige nicht nur, dass der Kläger die Rechtswidrigkeit seines Handelns erkannt habe, sondern auch, dass er seine pädosexuellen Triebe eindeutig nicht habe kontrollieren können. Die sich daraus ergebende Wiederholungsgefahr könne nur durch eine die Persönlichkeit des Klägers, seine Taten und deren Dauer würdigende Gesamtbetrachtung widerlegt werden. An einer derartigen einzelfallbezogenen differenzierenden Würdigung fehle es jedoch. Auch diese Ausführungen stellen aber die Verneinung einer Wiederholungsgefahr durch das Verwaltungsgericht nicht mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage.

Die im Rahmen einer Ausweisung nach § 56 Abs. 1 Satz 2 AufenthG aus spezialpräventiven Gründen zu treffende Gefahrenprognose setzt voraus, dass Anhaltspunkte dafür bestehen, dass in Zukunft eine schwere Gefährdung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung durch neue Verfehlungen des Ausländers ernsthaft droht und damit von ihm eine bedeutsame Gefahr für ein wichtiges Schutzgut ausgeht (vgl. BVerwG, U. v. 13.1.2009 - 1 C 2.08 - juris Rn. 16; U. v. 11.6.1996 - 1 C 24/94 - juris Rn. 26). Im Rahmen der insoweit anzustellenden Prognose gilt dabei ein differenzierender, mit zunehmendem Ausmaß des Schadens abgesenkter Grad der Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts (vgl. BVerwG, U. v. 15.1.2013 - 1 C 10.12 - juris Rn. 15). An die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts sind umso geringere Anforderungen zu stellen, je größer und folgenschwerer der möglicherweise eintretende Schaden ist. Dementsprechend gelten für die Prognose der Wiederholungsgefahr bei bedrohten Rechtsgütern mit hervorgehobener Bedeutung eher geringere Anforderungen (vgl. BVerwG, U. v. 10.7.2012 - 1 C 19.11 - juris Rn. 16). Auch in solchen Fällen genügt aber für die Annahme einer Wiederholungsgefahr nicht jede auch nur entfernte Möglichkeit der Begehung weiterer Straftaten (vgl. BVerwG, U. v. 10.7.2012 - 1 C 19.11 - juris Rn. 16; U. v. 13.1.2009 - 1 C 2.08 - juris Rn. 16, U. v. 11.6.1996 - 1 C 24.94 - juris Rn. 26). Bei der Prognose, ob eine Wiederholung vergleichbarer Straftaten ernsthaft droht, sind die besonderen Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen, insbesondere die Höhe der verhängten Strafe, die Schwere der konkreten Straftat, die Umstände ihrer Begehung und das Gewicht des bei einem Rückfall bedrohten Rechtsguts ebenso wie die Persönlichkeit des Täters und seine Entwicklung und Lebensumstände bis zum maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Tatsachengerichts (vgl. BVerwG, U. v. 16.11.2000 - 9 C 6.00 - juris Rn. 16; vgl. zur Maßgeblichkeit dieses Zeitpunkts BVerwG, U. v. 15.11.2007 - 1 C 45.06 - juris Rn. 12 ff.). Nach diesen Maßstäben begründen die Ausführungen der Beklagten aber keine ernstlichen Zweifel an der Verneinung einer Wiederholungsgefahr durch das Verwaltungsgericht.

Zwar trifft es zu, dass das Verhalten des Klägers angesichts der jahrelangen regelmäßigen sexuellen Übergriffe auf seine Tochter und der Unfähigkeit des Klägers, sein Verhalten dauerhaft zu ändern, obwohl er die Rechtswidrigkeit seines Handelns erkannt hatte, ein starker Anhaltspunkt dafür sein kann, dass vom Kläger auch in Zukunft die Gefahr der Begehung weiterer vergleichbarer Straftaten ausgeht. Bei Berücksichtigung aller in die Gefahrenprognose einzubeziehender Umstände des Einzelfalls einschließlich insbesondere der Entwicklung und der Lebensumstände des Klägers bis zum Zeitpunkt der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs fehlt es aber an Anhaltspunkten dafür, dass die Gefahr der erneuten Begehung vergleichbarer Straftaten durch den Kläger ernsthaft droht.

Die Sexualstraftaten des Klägers sind nach den Feststellungen des Strafurteils dadurch gekennzeichnet, dass er zur Begehung seiner Taten anfangs seine Vaterposition und das Vertrauen seiner Tochter und später seine Autorität ihr gegenüber in der patriarchalisch strukturierten Familie ausgenutzt hat. Die Straftaten sind daher unter Umständen begangen worden, die inzwischen nicht mehr vorliegen. Die Tochter des Klägers lebt bereits seit dem Jahr 2000 nicht mehr bei ihrem Vater. Sie ist verheiratet und inzwischen über 30 Jahre alt. Der Kläger ist aufgrund der Aussage seiner Tochter zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren und acht Monaten verurteilt worden. Ein Kontakt zwischen Vater und Tochter besteht nicht mehr. Nach dem Beschluss über die Führungsaufsicht ist es dem Kläger untersagt, Kontakt zu seiner Tochter aufzunehmen. Unter diesen Umständen erscheint es aber ausgeschlossen, dass der Kläger erneut gegenüber seiner Tochter in eine Position gelangen könnte, die es ihm erlauben würde, ihr Vertrauen und seine Autorität ihr gegenüber zur Begehung von Sexualstraftaten auszunutzen. Ebenso ist nicht ersichtlich, dass der Kläger gegenüber anderen Personen, insbesondere etwa gegenüber Enkelkindern, in eine vergleichbare Vertrauensstellung gelangen könnte wie gegenüber seiner Tochter. Denn infolge der Sexualdelikte des Klägers ist nicht nur das Verhältnis zu seiner Tochter, sondern auch zu seiner inzwischen von ihm geschiedenen Ehefrau und zu seinem Sohn zerrüttet.

Eine Wiederholungsgefahr besteht zum Zeitpunkt der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs auch nicht deshalb fort, weil der Kläger trotz seines Unrechtsbewusstseins die sexuellen Übergriffe auf seine Tochter jeweils nach kurzen Unterbrechungen bis 2001 fortgesetzt hat. Auch wenn dies darauf hindeutet, dass der Kläger seine pädosexuellen Triebe nicht kontrollieren konnte, lässt sich daraus gegenwärtig eine Wiederholungsgefahr nicht mehr ableiten. Denn offenbar hat der Kläger nach dem letzten abgeurteilten Übergriff auf seine Tochter am 20. April 2001 bis zu seiner Inhaftierung am 22. Juni 2005 weder gegenüber seiner Tochter noch gegenüber anderen Personen weitere Sexualstraftaten begangen. Anhaltspunkte für die Begehung derartiger Delikte nach Entlassung des Klägers aus der Strafhaft im Februar 2011 liegen ebenfalls nicht vor, so dass der Kläger seit mehr als zwölf Jahren nicht mehr wegen einschlägiger Straftaten in Erscheinung getreten ist.

Schließlich ergibt sich auch aus der Aussage des sachverständigen Zeugen in der mündlichen Verhandlung des Verwaltungsgerichts kein Anhaltspunkt dafür, dass die Gefahr neuer Verfehlungen des Ausländers ernsthaft droht und damit von ihm eine bedeutsame Gefahr für ein wichtiges Schutzgut ausgeht. Denn der Zeuge hat dargelegt, dass beim Kläger eine dauerhafte psychische Störung oder Erkrankung, die einer psychotherapeutischen Behandlung bedürfe, nicht vorliege und dass die anhand anerkannter wissenschaftlicher Methoden durchgeführten Untersuchungen des Klägers eine nennenswerte Wiederholungsgefahr wissenschaftlich nicht belegen könnten. Nach dem Verfahren „Static 99“ habe der Kläger einen Punktwert von 1 erreicht. Er gehöre damit einer Gruppe von Personen an, bei der die Rückfallgefahr 1,55% betrage. Sonstige Kriterien, die für eine Rückfallgefahr des Klägers hätten sprechen können, hätten bei ihm nicht festgestellt werden können.

Berücksichtigt man diese Einschätzung des Zeugen, die durch das Verhalten des Klägers seit der letzten Tat im April 2001 bestätigt wird, so fehlt es selbst in Anbetracht der schweren Folgen, die erneute vergleichbare Straftaten für die in der Wertordnung des Grundgesetzes einen sehr hohen Rang einnehmenden Schutzgüter der sexuellen Selbstbestimmung und der körperlichen und psychischen Integrität (vgl. BVerwG, U. v. 10.7.2012 - 1 C 19.11 - juris Rn. 15) haben könnten, an Anhaltspunkten dafür, dass in Zukunft eine schwere Gefährdung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung durch neue Verfehlungen des Klägers ernsthaft droht und damit von ihm eine bedeutsame Gefahr für ein wichtiges Schutzgut ausgeht. Denn auch wenn im Hinblick auf die Bedeutung dieser Rechtsgüter und die Schwere des ihnen möglicherweise drohenden Schadens nur geringe Anforderungen an die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts zu stellen sind, kann zum maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs allenfalls noch von der entfernten Möglichkeit der erneuten Begehung vergleichbarer Straftaten durch den Kläger ausgegangen werden. Diese reicht aber auch bei Gefahren für hochrangige Rechtsgüter für die Annahme einer Wiederholungsgefahr nicht aus (vgl. BVerwG, U. v. 10.7.2012 - 1 C 19.11 - juris Rn. 16).

3. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils bestehen auch nicht, soweit die Beklagte die Ausführungen des vom Verwaltungsgericht vernommenen sachverständigen Zeugen nicht für geeignet hält, die Wiederholungsgefahr auszuschließen. Der Zeuge habe sich offensichtlich nicht differenziert mit der vom Kläger ausgehenden Gefahr auseinandergesetzt. Er habe sich nicht einmal zu den Motiven äußern können, aus denen der Kläger seine Tochter missbraucht habe. Der Hinweis, dass der Kläger bei Anwendung des statistischen Prognoseinstruments „Static 99“ eine bestimmte Anzahl von Risikopunkten aufweise, sei für die Feststellung der Gefährlichkeit des Klägers für die Allgemeinheit nicht ausreichend. Solche Prognoseinstrumente könnten gegebenenfalls Anhaltspunkte für die Ausprägung eines statistischen Grundrisikos liefern, aber nicht eine fundierte Einzelfallbetrachtung ersetzen. Eine Einzelfallanalyse habe der sachverständige Zeuge aber nicht abgegeben. Auch diese Ausführungen stellen aber die Verneinung der Wiederholungsgefahr durch das Verwaltungsgericht nicht mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage.

Zunächst ergibt sich daraus, dass der Zeuge in seiner Aussage in der mündlichen Verhandlung viele Motive des Klägers für die der Ausweisung zugrunde liegenden Sexualstraftaten für möglich gehalten hat, entgegen der Auffassung der Beklagten nicht zwingend, dass der Zeuge keine Einzelfallbetrachtung vorgenommen hat. Denn auch eine detaillierte Einzelfallanalyse muss nicht zwangsläufig zu einer eindeutigen Klärung der Motive führen, aus denen ein Straftäter gehandelt hat. Darüber hinaus trifft es auch nicht zu, dass der Zeuge seine Schlussfolgerung, eine nennenswerte Wiederholungsgefahr lasse sich im Falle des Klägers wissenschaftlich nicht belegen, allein auf das statistische Prognoseinstrument „Static 99“ gestützt hat, wie die Beklagte meint. Vielmehr ergibt sich aus der Niederschrift über die Zeugenaussage, dass der Zeuge den Kläger untersucht und dabei keine psychische Störung oder Erkrankung festgestellt hat, die eine Gefährlichkeit des Klägers begründen könnte. Daneben hat der Zeuge nach seiner Aussage weitere Untersuchungen anhand wissenschaftlich anerkannter Methoden durchgeführt und zu einer von ihnen, der Methode „Static 99“, in der mündlichen Verhandlung nähere Ausführungen dahingehend gemacht, dass nach dieser Methode der Kläger einer Gruppe von Personen angehöre, bei der die Rückfallwahrscheinlichkeit 1,55% betrage. Daraus ergibt sich aber, dass sich die Beurteilung der Gefährlichkeit des Klägers durch den Zeugen entgegen der Auffassung der Beklagten keineswegs auf die bloße Anwendung des Prognoseinstruments „Static 99“ beschränkt hat, sondern auf eine Reihe weiterer Untersuchungen gestützt ist.

Im Übrigen wird die Einschätzung des sachverständigen Zeugen, beim Kläger könne eine nennenswerte Wiederholungsgefahr wissenschaftlich nicht belegt werden, wie ausgeführt, dadurch bestätigt, dass die spezifische Situation, aus der heraus der Kläger seine Tochter sexuell missbraucht hat, nicht mehr gegeben ist und dass der Kläger seit der letzten abgeurteilten Tat am 20. April 2001 offenbar keine weiteren Sexualstraftaten mehr begangen hat.

4. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils ergeben sich darüber hinaus nicht daraus, dass sich das Verwaltungsgericht, wie die Beklagte meint, die Ausführungen des Zeugen unreflektiert und ohne inhaltliche Auseinandersetzung zu eigen gemacht habe und deshalb zu einem unzutreffenden Ergebnis gelangt sei und dass es entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts nicht nachvollziehbar sei, auf welcher Grundlage der sachverständige Zeuge zu dem Ergebnis gelangt sei, dass beim Kläger nach dem Verfahren „Static 99“ eine Rückfallwahrscheinlichkeit von 1,55% bestehe.

Abgesehen davon, dass es sich bei der Aussage des sachverständigen Zeugen um eine Zeugenaussage über die Feststellungen gehandelt hat, die der Zeuge bei seiner Untersuchung des Klägers kraft seiner Sachkunde getroffen hat (vgl. § 98 VwGO in Verbindung mit § 414 ZPO), und nicht, wie die Beklagte offenbar meint, um ein in der mündlichen Verhandlung für das Verwaltungsgericht erstattetes Sachverständigengutachten, stellen auch diese Ausführungen der Beklagten die Verneinung der Wiederholungsgefahr durch das Verwaltungsgericht nicht mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage. Denn jedenfalls lassen sich der Aussage des Zeugen Anhaltspunkte dafür, dass vom Kläger gegenwärtig noch eine nennenswerte Wiederholungsgefahr ausgeht, nicht entnehmen.

5. Die Beklagte macht schließlich geltend, das Verwaltungsgericht habe die Rückfallwahrscheinlichkeit von 1,55% falsch eingeordnet und gewichtet. Die darin zum Ausdruck kommende Gefahr erneuter einschlägiger strafrechtlicher Verstöße liege weit über der bei keinem Menschen auszuschließenden abstrakten Gefahr der Begehung von Straftaten. Eine Rückfallwahrscheinlichkeit von 1,55% bedeute, dass statistisch jeder 64. Sexualstraftäter aus der Gruppe, für die diese Wahrscheinlichkeit ermittelt worden sei, erneut vergleichbare Straftaten begehen werde. Je höher die Wertigkeit des bedrohten Rechtsguts sei, desto geringer könne die Wahrscheinlichkeit der erneuten Begehung von Straftaten sein. Die Wahrscheinlichkeit von 1,55% sei angesichts des hohen Wertes der bei einer erneuten Begehung vergleichbarer Straftaten bedrohten Rechtsgüter für die Annahme einer Wiederholungsgefahr ausreichend. Auch diese Ausführungen begründen jedoch keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung.

Zum einen geht der Verwaltungsgerichtshof, wie ausgeführt, angesichts der Einschätzung des Zeugen, dass eine nennenswerte Wiederholungsgefahr wissenschaftlich nicht belegbar sei, zu der dieser nicht nur mit Hilfe des Prognoseinstruments „Static 99“, sondern auch aufgrund weiterer Untersuchungen gelangt ist und die durch das straffreie Verhalten des Klägers seit der letzten Tat im April 2001 bestätigt wird, davon aus, dass gegenwärtig allenfalls noch die entfernte Möglichkeit der erneuten Begehung vergleichbarer Straftaten durch den Kläger besteht und dies für die Annahme einer Wiederholungsgefahr nicht ausreicht. Zum anderen stützt das Verwaltungsgericht die Aufhebung der Ausweisung selbstständig tragend darauf, dass die Begehung erneuter Straftaten durch den Kläger jedenfalls nicht mit einer Wahrscheinlichkeit zu erwarten sei, die in Abwägung mit dessen langjährigem Aufenthalt eine Ausweisung rechtfertigen könne. Das Verwaltungsgericht verneint damit aber zusätzlich zur Wiederholungsgefahr auch die Verhältnismäßigkeit der Ausweisung des Klägers.

Ist die angefochtene Entscheidung damit aber auf mehrere selbstständig tragende Gründe gestützt, so kommt eine Zulassung der Berufung nur dann in Betracht, wenn Zulassungsgründe wegen eines jeden die Entscheidung tragenden Grundes dargelegt werden und vorliegen (vgl. etwa BayVGH, B. v. 9.10.2013 - 10 ZB 13.1725 - juris Rn. 8; B. v. 10.10.2013 - 10 ZB 11.607 - juris Rn. 22; B. v. 30.10.2013 - 10 ZB 11.1390- juris Rn. 12). Hinsichtlich der Annahme des Verwaltungsgerichts, die Begehung erneuter Straftaten durch den Kläger sei jedenfalls nicht mit einer Wahrscheinlichkeit zu erwarten, die in Abwägung mit dessen langjährigem Aufenthalt eine Ausweisung rechtfertigen könne, hat die Beklagte jedoch Zulassungsgründe nicht den Anforderungen von § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO entsprechend dargelegt. Insbesondere hat sie ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angegriffenen Urteils insoweit nicht entsprechend diesen Anforderungen geltend gemacht.

6. Schließlich bestehen ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils entgegen der Auffassung der Beklagten auch nicht deshalb, weil das Verwaltungsgericht die der Ausweisung zugrunde liegenden Straftaten in ihrer Schwere und ihren Folgen verkannt hätte.

Zwar ist es zutreffend, dass es sich bei den durch die Straftaten des Klägers beeinträchtigten Schutzgütern der sexuellen Selbstbestimmung und der körperlichen und psychischen Integrität um Rechtsgüter handelt, die in der Wertordnung des Grundgesetzes einen sehr hohen Rang einnehmen (vgl. BVerwG, U. v. 10.7.2012 - 1 C 19.11 - juris Rn. 15), und dass die Gefahr solcher Straftaten, insbesondere wenn sie sich gegen Kinder richten, entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt (vgl. BVerwG, U. v. 27.10.1978 - 1 C 91.76 - juris Rn. 20). Jedoch fehlt es, wie bereits dargelegt, selbst dann an den erforderlichen Anhaltspunkten dafür, dass in Zukunft eine schwere Gefährdung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung durch neue Verfehlungen des Klägers ernsthaft droht und damit von ihm eine bedeutsame Gefahr für ein wichtiges Schutzgut ausgeht, wenn man die schweren Folgen berücksichtigt, die erneute vergleichbare Straftaten des Klägers für die in der Wertordnung des Grundgesetzes einen sehr hohen Rang einnehmenden Schutzgüter der sexuellen Selbstbestimmung und der körperlichen und psychischen Integrität haben könnten.

II.

Die Berufung ist auch nicht nach § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO zuzulassen. Die Beklagte hat nicht den Anforderungen von § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO entsprechend dargelegt, dass die Rechtssache besondere tatsächliche Schwierigkeiten aufweist. Denn sie hat die Gesichtspunkte, aus denen sich die besonderen Schwierigkeiten ergeben sollen, nicht in nachvollziehbarer Weise dargelegt und den Schwierigkeitsgrad der Rechtssache nicht hinreichend plausibel gemacht (vgl. BVerfG, B. v. 23.6.2000 - 1 BvR 830.00 - juris Rn. 17).

Die Beklagte legt nicht näher dar, aufgrund welcher Gesichtspunkte es sich bei der Rechtssache in tatsächlicher Hinsicht um einen komplexen Fall des Ausweisungsrechts handeln soll. Sie nennt vielmehr als entscheidend allein die Frage, ob prognostisch eine hinreichende Wahrscheinlichkeit dafür bestehe, dass durch den Kläger erneut erhebliche Straftaten begangen würden, legt aber den Schwierigkeitsgrad dieser Frage nicht plausibel dar. Zwar führt sie aus, dass der Verneinung dieser Frage durch das Verwaltungsgericht ihre Bejahung durch die Strafvollstreckungskammer gegenüberstehe. Daraus, dass das Verwaltungsgericht zu einem späteren Zeitpunkt und auf einer aktuelleren Tatsachengrundlage die Wiederholungsgefahr anders beurteilt als die Strafvollstreckungskammer, sind aber ohne nähere Erläuterungen zum Schwierigkeitsgrad der bei der Beurteilung der Wiederholungsgefahr auftretenden Tatsachenfragen besondere tatsächliche Schwierigkeiten der Rechtssache nicht ersichtlich.

III.

Schließlich ist auch nicht den Anforderungen von § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO entsprechend dargelegt, dass die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hätte und die Berufung daher nach § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zuzulassen wäre.

Der Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung ist nur dann den Anforderungen von § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO entsprechend dargelegt, wenn der Rechtsmittelführer eine konkrete Rechts- oder Tatsachenfrage formuliert, ausführt, warum diese Frage für den Rechtsstreit entscheidungserheblich ist, erläutert, weshalb sie klärungsbedürftig ist, und darlegt, warum ihr eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt (vgl. etwa BayVGH, B. v. 16.5.2012 - 10 ZB 11.2512 - juris Rn. 12; B. v. 16.5.2013 - 10 ZB 10.1362 - juris Rn. 18; B. v. 30.10.2013 - 10 ZB 11.1390 - juris Rn. 17). Diesen Anforderungen genügen die Ausführungen des Klägers in der Zulassungsbegründung jedoch nicht.

Zwar hat die Beklagte mit den Fragen, ob und wann allein das Ergebnis statistischer Modelle geeignet sei, das individuelle Rückfallrisiko zu bewerten, ob das Prognosemodell „Static 99“, dessen Anwendung keine Vorkenntnisse voraussetze und das eine starke Ausrichtung auf frühere Straftaten habe, Indizwirkung für die Frage der Wiederholungsgefahr im Verwaltungsverfahren haben könne, ob in diesem Fall das Ergebnis des Prognosemodells eine Vermutung für die Rückfallgefahr im Sinne einer Beweiserleichterung begründe und bis zu welchem Prozentbereich dann eine Wiederholungsgefahr ausgeschlossen oder angenommen werden könne, konkrete Fragen formuliert. Sie hat jedoch nicht ausgeführt, warum diese Fragen entscheidungserheblich sein sollen. Dies war auch nicht deshalb entbehrlich, weil die Entscheidungserheblichkeit dieser Fragen auf der Hand läge. Denn der vom Verwaltungsgericht in der mündlichen Verhandlung vernommene sachverständige Zeuge hat, wie sich aus seiner Aussage ausdrücklich ergibt, seine Einschätzung, eine nennenswerte Wiederholungsgefahr sei beim Kläger wissenschaftlich nicht belegbar, nicht allein auf der Grundlage des Prognoseinstruments „Static 99“, sondern auch aus einer Reihe weiterer Untersuchungen gewonnen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 1 und 3 und § 52 Abs. 2 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit der Ablehnung des Antrags auf Zulassung der Berufung wird die Entscheidung des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.

(1) Gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts (§ 49 Nr. 1) und gegen Beschlüsse nach § 47 Abs. 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundesverwaltungsgericht zu, wenn das Oberverwaltungsgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung das Bundesverwaltungsgericht sie zugelassen hat.

(2) Die Revision ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Das Bundesverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden.