Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss, 11. Aug. 2016 - 20 ZB 16.30110

bei uns veröffentlicht am11.08.2016

Gericht

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof

Tenor

I.

Die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 8. April 2016 wird zugelassen, soweit damit die Klage auf Verpflichtung der Beklagten zur Feststellung eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 5 oder 7 AufenthG abgewiesen wurde.

II.

Im Übrigen wird der Antrag auf Zulassung der Berufung verworfen.

III.

Dem Kläger wird Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt S., M., für das Zulassungsverfahren und das anschließende Berufungsverfahren bewilligt, soweit die Berufung zugelassen wurde. Im Übrigen wird der Prozesskostenhilfeantrag abgelehnt.

IV.

Die Kostenentscheidung bleibt der Berufungsentscheidung vorbehalten.

Gründe

1. Soweit der Zulassungsantrag sich auf die Klageabweisung hinsichtlich der im Hauptantrag begehrten Verpflichtung der Beklagten zur Gewährung subsidiären Schutzes im Sinne von § 4 AsylG bezieht, war er zu verwerfen, da insoweit eine § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG genügende Darlegung der Zulassungsgründe nicht erfolgt ist. Denn der geltend gemachte Zulassungsgrund einer dem Grundsatz des rechtlichen Gehörs nicht gerecht werdenden Ablehnung der gestellten Beweisanträge betrifft allein die mit dem Hilfsantrag begehrte Verpflichtung zur Feststellung eines Abschiebungsverbotes.

2. Im Übrigen ist der Zulassungsantrag jedoch zulässig und begründet.

Die rechtlich fehlerhafte Ablehnung eines in der mündlichen Verhandlung gestellten Beweisantrags stellt nicht immer einen Verstoß gegen den Grundsatz des rechtlichen Gehörs dar, sondern erst dann, wenn die Nichtberücksichtigung im Prozessrecht keine Stütze mehr findet (Berlit in GK-AsylVfG, 52. Ergänzungslieferung April 1998, § 78 Rn. 665 m. w. N.). Ein solcher qualifizierter Rechtsverstoß liegt hier vor, da das Attest bzw. der psychologische Bericht des Diplom-Psychologen und Psychologischen Psychotherapeuten H. S. vom 18. Januar 2016 die vom Bundesverwaltungsgericht in seinem Urteil vom 11. September 2007 (Az. 10 C 8/07, BVerwGE 129, 251, Rn. 15 und Leitsatz 1) aufgestellten Anforderungen an ein fachärztliches Attest inhaltlich erfüllt.

Vorweg ist darauf hinzuweisen, dass der psychologische Bericht des Dipl.-Psych. S. nicht mit der Begründung zurückgewiesen werden konnte, dass es sich bei ihm nicht um einen Arzt, sondern um einen Psychologischen Psychotherapeuten handelt. Denn aus der ausschließlichen Erwähnung eines „fachärztlichen“ Attestes in der genannten Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts folgt nicht, dass damit die gutachterliche Stellungnahme eines Psychologischen Psychotherapeuten zur Substantiierung eines Sachverständigen-Beweisantrags schlechthin ungeeignet wäre. Dies ergibt sich einerseits aus der vom Bundesverwaltungsgericht in der genannten Entscheidung vorgenommenen Einschränkung, dass „regelmäßig“ die Vorlage eines fachärztlichen Attestes erforderlich sei. Der Senat geht ebenso wie das OVG NRW (vgl. u. a. B.v. 19.12.2008, Az. 8 A 3053/08.A, InfAuslR 2009, 173 - 174) davon aus, dass auch Psychologische Psychotherapeuten aufgrund ihrer Ausbildung (vgl. § 5 Psychotherapeutengesetz - PsychThG) und ihrer fachlichen Qualifikation befähigt sind, psychische Erkrankungen wie auch posttraumatische Belastungsstörungen zu diagnostizieren (ebenso VG München, U.v. 28.7.2015 - M 2 K 14.31070 - juris, U.v. 14.2.2014 - M 21 K 11.30993 - juris; VG Augsburg, U.v. 21.6.2013 - Au 7 K 13.30077 - juris). Der psychologische Bericht vom 18. Januar 2016 enthält sowohl die nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts erforderlichen Pflichtangaben zur Beschreibung des Krankheitsbildes, zur Dauer und Häufigkeit der Behandlung und (obwohl unter der alleinigen Zwischenüberschrift des gesamten zweiseitigen Berichts „Anamnese“ aufgeführt) Aussagen über die Bestätigung der durch Anamnese des Betroffenen geschilderten Beschwerden durch die Diagnose des Behandelnden. Auch die als „Soll-Anforderungen“ vom Bundesverwaltungsgericht formulierten Angaben über Schwere der Krankheit und Behandlungsbedürftigkeit liegen vor. Allenfalls die Angaben über den Behandlungsverlauf sind etwas knapp geraten, als insoweit nur ausgeführt wird, dass das Verhältnis zur Belastung krankheitsbedingt massiv gestört sei. Da die sonstigen Angaben aber komplett vorhanden sind und der psychologische Bericht insgesamt ein anschauliches Bild über das Krankheitsbild wiedergibt, sind die Mindestanforderungen gewahrt.

Die Beweisanträge auf Einvernahme des Dipl.-Psych. S. (wofür nach der zutreffenden Rechtsprechung des VGH BW, B.v. 9.7.2012, Az. A 9 S 1359/12, AuAS 2012, 211, Leitsatz 1 und Rn. 14, die gleichen Grundsätze wie nach dem Urteil des BVerwG vom 11.9.2007 gelten) sowie auf Einholung eines Sachverständigengutachtens konnten auch nicht wegen eines unauflöslich widersprüchlichen Verfolgungsvortrags abgelehnt werden. Nach dieser Rechtsprechung greift das Gebot, ordnungsgemäß gestellten Beweisanträgen nachzugehen dann ausnahmsweise nicht, wenn das das Asylbegehren stützende Vorbringen in sich so unschlüssig und widersprüchlich ist, dass ein sachliches Substrat für eine Beweiserhebung zu einzelnen Elementen des Vorbringens fehlt (vgl. zum Ganzen Berlit in GK-AsylVfG, 52. Ergänzungslieferung, April 1998, § 78 Rn. 364 m. w. N.). Denn im vorliegenden Fall deckt sich der Kernbereich des Vorbringens des Klägers beim Bundesamt wie in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht mit seinen Angaben bei diversen Ärzten und Psychologen, die er wegen seiner psychischen Beschwerden aufgesucht hat. Nur in Randbereichen finden sich hier Widersprüche, deren Ursache in der jeweiligen Situation durchaus auch durch unzureichende Übersetzung gesetzt worden sein kann. Unauflösliche Widersprüche liegen aber nicht vor.

Dementsprechend liegen, soweit dem Antrag auf Zulassung der Berufung stattzugeben war, auch die Voraussetzungen für eine Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Rechtsanwaltsbeiordnung nach § 166 VwGO i. V. m. §§ 114 ff. ZPO vor.

Wegen des Grundsatzes der Einheitlichkeit der Kostenentscheidung bleibt diese der Entscheidung über die Berufung vorbehalten (vgl. zum Ganzen Rudisile in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, 30. Ergänzungslieferung Februar 2016, § 124a, Rn. 136 m. w. N.).

Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 80 AsylG, § 152 VwGO.

ra.de-Urteilsbesprechung zu Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss, 11. Aug. 2016 - 20 ZB 16.30110

Urteilsbesprechung schreiben

0 Urteilsbesprechungen zu Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss, 11. Aug. 2016 - 20 ZB 16.30110

Referenzen - Gesetze

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss, 11. Aug. 2016 - 20 ZB 16.30110 zitiert 9 §§.

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 60 Verbot der Abschiebung


(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalit

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 152


(1) Entscheidungen des Oberverwaltungsgerichts können vorbehaltlich des § 99 Abs. 2 und des § 133 Abs. 1 dieses Gesetzes sowie des § 17a Abs. 4 Satz 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes nicht mit der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht angefochte

Asylgesetz - AsylVfG 1992 | § 4 Subsidiärer Schutz


(1) Ein Ausländer ist subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gilt: 1. die Verhängung oder Vollstreckung der To

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 166


(1) Die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Prozesskostenhilfe sowie § 569 Abs. 3 Nr. 2 der Zivilprozessordnung gelten entsprechend. Einem Beteiligten, dem Prozesskostenhilfe bewilligt worden ist, kann auch ein Steuerberater, Steuerbevollmäc

Asylgesetz - AsylVfG 1992 | § 78 Rechtsmittel


(1) Das Urteil des Verwaltungsgerichts, durch das die Klage in Rechtsstreitigkeiten nach diesem Gesetz als offensichtlich unzulässig oder offensichtlich unbegründet abgewiesen wird, ist unanfechtbar. Das gilt auch, wenn nur das Klagebegehren gegen di

Asylgesetz - AsylVfG 1992 | § 80 Ausschluss der Beschwerde


Entscheidungen in Rechtsstreitigkeiten nach diesem Gesetz können vorbehaltlich des § 133 Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung nicht mit der Beschwerde angefochten werden.

Referenzen - Urteile

Urteil einreichen

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss, 11. Aug. 2016 - 20 ZB 16.30110 zitiert oder wird zitiert von 8 Urteil(en).

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss, 11. Aug. 2016 - 20 ZB 16.30110 zitiert 2 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Verwaltungsgericht München Urteil, 28. Juli 2015 - M 2 K 14.31070

bei uns veröffentlicht am 28.07.2015

Tenor I. Die Beklagte wird verpflichtet festzustellen, dass bei der Klägerin zu 2) die Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG hinsichtlich Bosnien-Herzegowinas vorliegen. Der Bescheid der Beklagten vom ... September 2014 wird

Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Beschluss, 09. Juli 2012 - A 9 S 1359/12

bei uns veröffentlicht am 09.07.2012

Tenor Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 9. Mai 2012 - A 7 K 3900/11 - wird abgelehnt.Der Kläger trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens. Gründe  1 Der Antrag bleibt
6 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss, 11. Aug. 2016 - 20 ZB 16.30110.

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss, 04. Apr. 2019 - 9 ZB 19.30999

bei uns veröffentlicht am 04.04.2019

Tenor I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt. II. Der Kläger hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben. Gründe I. Der Kläger ist Staa

Verwaltungsgericht Regensburg Beschluss, 05. Sept. 2018 - RN 7 K 16.32563

bei uns veröffentlicht am 05.09.2018

Tenor Der Antrag auf Prozesskostenhilfe und Anwaltsbeiordnung wird abgelehnt. Gründe I. Der Kläger begehrt die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, hilfsweise des subsidiären Schutzstatus, weiter h

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss, 20. Apr. 2018 - 11 ZB 18.30838

bei uns veröffentlicht am 20.04.2018

Tenor I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt. II. Die Kläger tragen die Kosten des Berufungszulassungsverfahrens. Gerichtskosten werden nicht erhoben. Gründe Der Antrag auf Zulassung

Verwaltungsgericht Bayreuth Urteil, 03. Aug. 2017 - B 3 K 17.31531

bei uns veröffentlicht am 03.08.2017

Tenor 1. Die Klage wird abgewiesen. 2. Der Kläger trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens. 3. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Tatbestand Der Kläger ist irakischer Staa

Referenzen

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Ein Ausländer ist subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gilt:

1.
die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe,
2.
Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung oder
3.
eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts.

(2) Ein Ausländer ist von der Zuerkennung subsidiären Schutzes nach Absatz 1 ausgeschlossen, wenn schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass er

1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Sinne der internationalen Vertragswerke begangen hat, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen festzulegen,
2.
eine schwere Straftat begangen hat,
3.
sich Handlungen zuschulden kommen lassen hat, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen, wie sie in der Präambel und den Artikeln 1 und 2 der Charta der Vereinten Nationen (BGBl. 1973 II S. 430, 431) verankert sind, zuwiderlaufen oder
4.
eine Gefahr für die Allgemeinheit oder für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland darstellt.
Diese Ausschlussgründe gelten auch für Ausländer, die andere zu den genannten Straftaten oder Handlungen anstiften oder sich in sonstiger Weise daran beteiligen.

(3) Die §§ 3c bis 3e gelten entsprechend. An die Stelle der Verfolgung, des Schutzes vor Verfolgung beziehungsweise der begründeten Furcht vor Verfolgung treten die Gefahr eines ernsthaften Schadens, der Schutz vor einem ernsthaften Schaden beziehungsweise die tatsächliche Gefahr eines ernsthaften Schadens; an die Stelle der Flüchtlingseigenschaft tritt der subsidiäre Schutz.

(1) Das Urteil des Verwaltungsgerichts, durch das die Klage in Rechtsstreitigkeiten nach diesem Gesetz als offensichtlich unzulässig oder offensichtlich unbegründet abgewiesen wird, ist unanfechtbar. Das gilt auch, wenn nur das Klagebegehren gegen die Entscheidung über den Asylantrag als offensichtlich unzulässig oder offensichtlich unbegründet, das Klagebegehren im Übrigen hingegen als unzulässig oder unbegründet abgewiesen worden ist.

(2) In den übrigen Fällen steht den Beteiligten die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts zu, wenn sie von dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.

(3) Die Berufung ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein in § 138 der Verwaltungsgerichtsordnung bezeichneter Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt.

(4) Die Zulassung der Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils zu beantragen. Der Antrag ist bei dem Verwaltungsgericht zu stellen. Er muss das angefochtene Urteil bezeichnen. In dem Antrag sind die Gründe, aus denen die Berufung zuzulassen ist, darzulegen. Die Stellung des Antrags hemmt die Rechtskraft des Urteils.

(5) Über den Antrag entscheidet das Oberverwaltungsgericht durch Beschluss, der keiner Begründung bedarf. Mit der Ablehnung des Antrags wird das Urteil rechtskräftig. Lässt das Oberverwaltungsgericht die Berufung zu, wird das Antragsverfahren als Berufungsverfahren fortgesetzt; der Einlegung einer Berufung bedarf es nicht.

(6) § 134 der Verwaltungsgerichtsordnung findet keine Anwendung, wenn das Urteil des Verwaltungsgerichts nach Absatz 1 unanfechtbar ist.

(7) Ein Rechtsbehelf nach § 84 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung ist innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung des Gerichtsbescheids zu erheben.

(8) Gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts steht den Beteiligten die Revision an das Bundesverwaltungsgericht abweichend von § 132 Absatz 1 und § 137 Absatz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung auch zu, wenn das Oberverwaltungsgericht

1.
in der Beurteilung der allgemeinen asyl-, abschiebungs- oder überstellungsrelevanten Lage in einem Herkunfts- oder Zielstaat von deren Beurteilung durch ein anderes Oberverwaltungsgericht oder durch das Bundesverwaltungsgericht abweicht und
2.
die Revision deswegen zugelassen hat.
Eine Nichtzulassungsbeschwerde kann auf diesen Zulassungsgrund nicht gestützt werden. Die Revision ist beschränkt auf die Beurteilung der allgemeinen asyl-, abschiebungs- oder überstellungsrelevanten Lage in einem Herkunfts- oder Zielstaat. In dem hierfür erforderlichen Umfang ist das Bundesverwaltungsgericht abweichend von § 137 Absatz 2 der Verwaltungsgerichtsordnung nicht an die in dem angefochtenen Urteil getroffenen tatsächlichen Feststellungen gebunden. Das Bundesverwaltungsgericht berücksichtigt für die Beurteilung der allgemeinen Lage diejenigen herkunfts- oder zielstaatsbezogenen Erkenntnisse, die von den in Satz 1 Nummer 1 genannten Gerichten verwertet worden sind, die ihm zum Zeitpunkt seiner mündlichen Verhandlung oder Entscheidung (§ 77 Absatz 1) von den Beteiligten vorgelegt oder die von ihm beigezogen oder erhoben worden sind. Die Anschlussrevision ist ausgeschlossen.

(8a) Das Bundesministerium des Innern und für Heimat evaluiert im Einvernehmen mit dem Bundesministerium der Justiz die Revision nach Absatz 8 drei Jahre nach Inkrafttreten.

Tenor

I.

Die Beklagte wird verpflichtet festzustellen, dass bei der Klägerin zu 2) die Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG hinsichtlich Bosnien-Herzegowinas vorliegen. Der Bescheid der Beklagten vom ... September 2014 wird in Ziffern 4. und 5. aufgehoben, soweit er dem entgegensteht. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

II.

Von den außergerichtlichen Kosten der Beklagten haben die Klägerin zu 2) 3/16 und die Kläger zu 1), zu 3) und zu 4) jeweils 1/4 zu tragen. Von den außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu 2) hat die Beklagte 1/4 zu tragen. Im Übrigen tragen die Beteiligen ihre außergerichtlichen Kosten selbst. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

III.

Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Kostenschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der jeweilige Kostengläubiger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Die Kläger zu 1) bis 4) sind Staatsangehörige Bosnien und Herzegowinas, nach eigenen Angaben bosniakischer Volkszugehörigkeit und islamischen Bekenntnisses. Sie reisten nach eigenen Angaben auf dem Landweg mit dem Bus von Bosnien kommend am 31. Oktober 2013 in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellten am 8. November 2013 Asylanträge.

Das Bundesamt ... (Bundesamt) hörte die Kläger zu 1) und 2) am 19. November 2013 an. Zur Begründung des Asylantrags trugen die Kläger u. a. Folgendes vor: Der Kläger zu 1) sei von 1996 bis Oktober 2013 als Polizist in einer Spezialeinheit der bosnischen Polizei für antiterroristische Einsätze in ... tätig gewesen. Dabei sei er bei mehreren polizeilichen Aktionen gegen Dschihadisten tätig gewesen. Am 2. Februar 2010 habe er an einem Einsatz von 600 Polizisten gegen eine Gruppe von Wahabiten oder Dschihadisten in dem Dorf ... teilgenommen. Ein zweites Mal habe seine Polizeieinheit das Nest der Wahabiten in ... im Januar 2012 gestürmt. Dabei sei der Kläger zu 1) zur Identifizierung der Wahabiten herangezogen worden, da er die Anführer N. Imamovic und dessen Bruder E. von früher persönlich gekannt habe. Am 14. Februar 2012 - so der Kläger zu 1) - habe ihm eine weitere ihm bekannte Person namens Hussein Kulanic erzählt, dass unter den Anführern der Wahabiten beraten worden sei, dass sein Leben und das seiner Familie in Gefahr zu bringen sei. Im August 2012 - so die Klägerin zu 2) - sei nachts einer der Dschihadisten um das Haus geschlichen. Der Kläger zu 1) habe ihn gepackt. Die Polizei sei gekommen, habe den Betroffenen aber gleich wieder laufen lassen. In den Monaten darauf habe sie dieser Dschihadist wiederholt bedroht. Im August 2013 - so die Kläger - seien an der Eingangstür des Wohnhauses der Kläger zwei Bomben so angebracht worden, dass sie beim Öffnen der Tür detoniert wären. Glücklicherweise habe der Kläger zu 1) einen anderen Ausgang benutzt und die Bomben entdeckt. Er habe - so der Kläger zu 1) weiter - die Polizei alarmiert, diese sei gekommen, die Angelegenheit aber nicht ernst genommen. Er habe die Bomben dann selbst entschärft. Konkret könne er die Person nicht benennen, die die Bombe angebracht habe. Weitere konkrete Vorfälle in der Zeit bis zur Ausreise Ende Oktober 2013 habe es nicht gegeben. Er habe bis zur Ausreise seinen Polizeidienst weiter verrichtet, für die Zeit im Oktober habe er Urlaub genommen. Die Zeit ab August 2013 sei aber für die Familie sehr schwierig gewesen. Die Klägerin zu 2) habe gesagt, sie könne diese bedrohliche Situation nicht weiter aushalten. Sie hätten schon im August 2013 ausreisen wollen, bei den Reisepässen der Kläger zu 2) bis 4) habe es aber noch etwas gedauert. Er habe überlegt, ob er irgendwo anders in Bosnien Polizeidienst leisten wolle. Dies sei leider nicht möglich gewesen, so dass nur noch die Ausreise geblieben sei. Wegen der psychischen Anspannung - so die Klägerin zu 2) - habe sie 15 Kilo an Gewicht verloren. Sie habe große psychische Probleme. Auch in Bosnien sie sie deswegen schon in ärztlicher Behandlung gewesen, der Arzt habe ihr Beruhigungsmedikamente verschrieben.

Mit Bescheid vom ... September 2014, als Einschreiben zur Post gegeben am 2. Oktober 2014, entschied das Bundesamt, dass den Klägern zu 1) bis 4) die Flüchtlingseigenschaft nicht zuerkannt wird (Ziffer 1.), lehnte die Anträge auf Asylanerkennung ab (Ziffer 2.), erkannte den subsidiären Schutzstatus nicht zu (Ziffer 3.), stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen (Ziffer 4.) und forderte die Kläger zu 1) bis 4) auf, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb von 30 Tagen nach Bekanntgabe dieser Entscheidung bzw. im Fall einer Klageerhebung innerhalb von 30 Tagen nach unanfechtbarem Abschluss des Asylverfahrens zu verlassen, andernfalls würden sie abgeschoben (Ziffer 5.). Zur Begründung wurde u. a. Folgendes ausgeführt: Die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und die Anerkennung als Asylberechtigte lägen nicht vor. Soweit die Kläger vorgetragen hätten, von Wahhabiten/Dschihadisten bedroht worden zu sein, sei dies nicht flüchtlingsschutzrelevant. Selbst bei Wahrunterstellung der geschilderten Ereignisse sie davon auszugehen, dass die zuständigen Behörden in Bosnien und Herzegowina grundsätzlich Willens und auch in der Lage sind, in entsprechenden Fällen Schutz zu gewähren. Es sei nicht plausibel, dass die Polizei eine Drohung mit einer Bombe nicht ernst nehmen würde, wenn doch gerade von staatlicher Seite eine Spezialeinheit mit antiterroristischen Einsätzen beauftragt gewesen sei. Die Voraussetzungen für die Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus lägen nicht vor. Abschiebungsverbote lägen ebenfalls nicht vor. Hinsichtlich des § 60 Abs. 5 AufenthG komme in erster Linie eine Verletzung des Art. 3 EMRK in Betracht. In Bezug auf Gefahren einer Verletzung des Art. 3 EMRK, die individuell durch einen konkret handelnden Täter drohen, sei keine andere Bewertung als bei der Prüfung des subsidiären Schutzes denkbar. Auch führten die derzeitigen humanitären Bedingungen in Bosnien und Herzegowina nicht zu der Annahme, dass bei Abschiebung der Antragsteller eine Verletzung des Art. 3 EMRK vorliege. Die hierfür vom EGMR geforderten hohen Anforderungen an den Gefahrenmaßstab seien nicht erfüllt. Auch unter Berücksichtigung der individuellen Umstände der Antragteller bestehe keine beachtliche Wahrscheinlichkeit einer Verletzung des Art. 3 EMRK. Den Antragstellern drohten auch keine individuellen Gefahren für Leib oder Leben, die zur Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 AufenthG führen würden. Die Abschiebungsandrohung sei gemäß § 34 Abs. 1 AsylVfG i. V. m. § 59 AufenthG zu erlassen. Die Ausreisefrist von 30 Tagen ergebe sich aus § 38 Abs. 1 AsylVfG.

Am 15. Oktober 2014 erhoben die Kläger zu 1) bis 4) durch ihre Bevollmächtigten Klage zum Bayerischen Verwaltungsgericht München mit den sinngemäßen Anträgen,

den Bescheid der Beklagten vom ... September 2014 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, die Kläger als Asylberechtigte anzuerkennen und ihnen die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen, hilfsweise den Klägern subsidiären Schutz zuzuerkennen, hilfsweise das Vorliegen von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG festzustellen.

Am 27. Oktober 2014 legte die Beklagte ihre Akten vor.

Mit Schriftsatz ihrer Bevollmächtigen vom 20. November 2014 beantragte die Kläger, ihnen Prozesskostenhilfe zu gewähren und Rechtsanwalt ... beizuordnen, ferner vertiefen sie zur Klagebegründung ihr Vorbringen beim Bundesamt: Der Kläger zu 1) habe ein eigenes Haus besessen, in dem Räume an einen Friseursalon vermietet waren, zudem sei er im Besitz eines Tennisplatzes gewesen, der ebenfalls vermietet worden sei, so dass das monatliche Einkommen der Familie für bosnische Verhältnisse sehr hoch gewesen sei. Die Kläger hätten auch überlegt, in einem anderen Teil Bosniens Schutz zu suchen. Wegen der Macht der radikalen Islamisten und die Korruptheit der Polizei und der Behörden in Bosnien hätten sie sich in keinem Teil Bosniens sicher fühlen können. Die Schilderungen der Kläger seien glaubwürdig. Über die vom Kläger zu 1) geschilderte Aktion im Februar 2010 werde u. a. auch in der vom Bundesamt herausgegebenen Informationsschrift „Lage der Religionsgemeinschaften in ausgewählten nichtislamischen Ländern“ (Anlage K 6) berichtet, über die Aktion 2012 im Internetportal der Zeitung „NEZAVISNE“ (Anlage K 7). Der bosnische Staat sei nicht in der Lage und auch nicht Willens gegen drohende Übergriffe und Racheakte der Islamisten ausreichend Schutz zu bieten. Zur Vorlage kamen diverse Unterlagen (Kopien des Originals nebst unbeglaubigten Übersetzungen ins Deutsche), u. a. eine Bestätigung des Innenministeriums des Kantons ..., wonach der Kläger zu 1) seit 1996 als Polizeibeamter des Sondereinsatzkommandos tätig sei (Anlage K 1), ein Beschluss dieser Stelle vom ... Januar 2014, wonach das Arbeitsverhältnis des Klägers zu 1) wegen unentschuldigten Fehlens zum ... Januar 2014 beendet sei (Anlage K 2), einen vom Kläger zu 1) verfassten „Polizeibericht“ über den Besuch eines Schulfreundes am 14. Februar 2012 und dessen Drohungen gegen ihn selbst und seine Familie (Anlage K 5). Ferner wurde vorgetragen, die Klägerin zu 2) leide unter erheblichen psychischen Problemen aufgrund der Bedrohungssituation in Bosnien. Zur Vorlage kam ein „Psychiatrisches Attest“ des Dr. med. ..., Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie, Facharzt für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, Facharzt für Innere Medizin, vom 5. November 2014 (Anlage K 3). Bei der Klägerin zu 2) bestehe eine posttraumatische Belastungsstörung. Es liege eine unbedingte Indikation für eine traumaspezifische Psychotherapie neben einer regelmäßigen psychiatrischen medikamentösen Behandlung vor.

Mit Beschluss vom 24. November 2014 wurde der Rechtstreit zur Entscheidung auf den Einzelrichter übertragen.

Mit Beschluss vom 25. November 2014 wurde den Klägern Prozesskostenhilfe gewährt und Rechtsanwalt ... beigeordnet.

Mit Schreiben ihrer Bevollmächtigten vom 17. März 2015 ließen die Kläger ein Psychologisches Attest der Psychologische Psychotherapeutin Dr. ... vom 8. März 2015 vorlegen. Danach habe sich die Klägerin zu 2) seit 18. November 2014 in ihrer psychologischen Behandlung befunden. Die Klägerin zu 2) leide an einer Angststörung, einer posttraumatischen Belastungsstörung und Depressionen. Sie habe aus Angst vier Monate nicht aus dem Haus gehen können. Es sei eine Traumatisierung mit Flashbacks und Albträumen gegeben. Magenbeschwerden, Schlafstörungen, Vergesslichkeit, Kraftlosigkeit und Hinfallen bestünden dauernd. Mit Schriftsatz vom 3. Juni 2015 äußerten sich die Kläger ergänzend.

Am 16. Juni 2015 fand die (erste) mündliche Verhandlung statt. Der Kläger zu 1) vertiefte sein bisheriges Vorbringen. Nach der Warnung durch den Schulfreund im Februar 2012 sei die Stresssituation in seiner Familie losgegangen. In dem Dorf habe es mindestens 40 Haushalte gegeben, in denen Dschihadisten gewohnt hätten. Sie seien nicht mehr gegrüßt worden. Seine Frau habe am meisten gelitten. Eines Abends habe er einen Dschihadisten in seinem Hof gesehen. Er habe die Polizei benachrichtigt, diese habe den Dschihadisten dann heimgefahren. Zu der Bombe habe die Polizei gemeint, dass diese nicht von den Dschihadisten käme. Seiner Frau sei es nach diesem Vorfall psychisch sehr schlecht gegangen. Er habe versucht, von seinem Arbeitgeber Schutz und Hilfe für seine Familie zu erhalten. Dieser habe aber gemeint, er sei keine besondere Person, es sei nicht möglich, dass zwei Polizisten die ganze Zeit vor seinem Haus stünden. Auf Frage erklärte der Kläger zu 1), er sei bei der Polizei „erster Schütze“ gewesen, Vorgesetzter sei er nicht gewesen. Bei der Polizeiaktion in ... im Januar 2012 seien ca. 48 Polizisten im Einsatz gewesen. An das Datum des Vorfalls mit der Bombe könne er sich nicht mehr erinnern, es dürfte Mitte August gewesen sein. In der Zeit zwischen dem Vorfall mit der Bombe und der Ausreise sei es die ganze Zeit zu Bedrohungen durch die Dschihadisten gekommen: Oft sei ein Fahrzeug vorbeigefahren und es sei aus dem Fahrzeug „Allah Akbar“ gerufen worden. Nach dem Vorfall mit der Bombe im August 2013 seien sie deswegen nicht sofort ausgereist, weil er die Polizei nicht verraten habe wollen, er habe nicht als Feigling dastehen wollen. Er habe sich mit seinem Vater und seinem Chef bei der Polizei beraten. Er habe Zeit gebraucht, um alles abzuwickeln, sie hätten in Bosnien ein Haus und einen Tennisplatz gehabt, ein Friseursalon sei vermietet gewesen. Wenn er nach Bosnien zurückkehren würde, würden die Dschihadisten die erste Gelegenheit nutzen, um ihm etwas anzutun. In seinem Dorf seien viele Dschihadisten, 7 km von seinem Dorf entfernt hätten die Dschihadisten Grundstücke gekauft, um ein neues Dorf zu bauen. Bei den Bomben habe es sich um Handgranaten gehandelt. Die Klägerin zu 2) erklärte, mit den Drohungen sei es im Jahr 2012 losgegangen. Sie sei mit den Kindern immer zu Hause gewesen, sie hätten sich eingesperrt. Sie hätte sich große Sorgen gemacht, wenn ihre Tochter zur Schule gegangen ist. Sie habe wirklich großen Stress und große Angst gehabt. Nach dem Vorkommnis mit den Bomben habe sie gesagt, ich kann nicht mehr. Sie habe Nächte lang nicht schlafen können. Sie habe sich nicht getraut, aus dem Fenster zu schauen. Sie habe die Kinder immer bei sich gehabt, sie seien nicht einmal in einem anderen Zimmer gewesen, so große Angst habe sie gehabt. Zu ihrem Gesundheitszustand erklärte die Klägerin zu 2), sie habe viele Albträume. Sie habe immer Angst, dass jeden Moment etwas passiert. Sie könne nicht schlafen. Sie habe keine Kraft mehr, ihre Beine würden sie nicht mehr tragen, sie falle einfach um. In Bosnien habe sie Medikamente verschrieben bekommen, die aber nicht geholfen hätten. In Deutschland habe sie mit der Psychotherapie und den Medikamenten angefangen. Es sei besser geworden, die Angst sei sie aber noch nicht losgeworden. Die Therapie bei Dr. ... dauere weiterhin an, bisher sei sie ca. sieben bis acht Mal bei ihr gewesen. Der Bevollmächtigte stellte hilfsweise den Beweisantrag, zum Beweis der Tatsache, dass der bosnische Staat nicht ausreichend in der Lage und willens sei, die Kläger vor weiteren Übergriffen radikaler und gewaltbereiter Islamisten zu schützen, ein Sachverständigengutachten der Dr. ..., zu laden über Pro Asyl, einzuholen.

Mit Beschluss vom 23. Juni 2015 vertagte das Gericht die mündliche Verhandlung.

Auf Anforderung des Gerichts ließen die Kläger mit Schreiben ihres Bevollmächtigten vom 14. Juli 2015 u. a. eine Schweigepflichtentbindungserklärung der Klägerin zu 2) für Frau Dr. ... vorlegen.

Am 28. Juli 2015 fand eine weitere mündliche Verhandlung statt. Der Bevollmächtigte übergab ein psychiatrisches Attest des Dr. ... vom 21. Juli 2015, wonach die Klägerin zu 2) an einer posttraumatischen Belastungsstörung leide. Aufgrund der Verschlimmerung der Erkrankung habe er diese am 14. Juli 2015 in die psychiatrische Abteilung des Klinikums ... eingewiesen. Ferner übergab der Bevollmächtigte eine Bescheinigung des Klinikums ... vom 24. Juli 2015, wonach sich die Klägerin zu 2) seit dem 17. Juli 2015 dort in stationärer Behandlung befinde. Frau Dr. ... wurde als Zeugin vernommen. Als Diagnosen der Klägerin zu 2) nannte sie eine Posttraumatische Belastungsstörung sowie die Diagnosen Angststörung und Depression. Die letztgenannten Diagnosen verblieben auf jeden Fall, selbst wenn man davon ausginge, es liege keine Posttraumatische Belastungsstörung vor. Im letzten Behandlungstermin am 25. Juni 2015 habe die Klägerin zu 2) erstmals über das Ursprungstrauma gesprochen: Als die Klägerin zu 2) 15 Jahre alt gewesen sei, sei ihr Bruder tot und blutend nach Hause gebracht worden. Die letzten zwei Jahre in Bosnien habe die Klägerin zu 2) die Angst gehabt, dass ihre Tochter genauso heimgebracht wird. Die Klägerin zu 2) habe zuvor noch nie darüber gesprochen. In der Therapiestunde sei sie zusammengebrochen, sie habe u. a. immer wieder Weinkrämpfe gehabt, ferner auch Bauchgrimmen und Herzschmerzen. Sie habe mindestens dreimal nicht weitersprechen können. Auf Frage erklärte die Zeugin, sie sei sich sicher, dass die Klägerin zu 2) nicht simuliere. Die Erkrankungen der Klägerin zu 2) seien behandlungsbedürftig. Ansonsten könnte sie chronisch werden, zum Beispiel könnte eine Persönlichkeitsstörung auftreten. Medikamente würden nur eine kurzfristige vegetative Beruhigung bringen. Die Klägerin zu 2) brauche spezielle Programme zur Traumabehandlung, also eine Psychotherapie. Bislang habe sie eine Verhaltenstherapie kombiniert mit einer Gesprächstherapie durchgeführt, die Behandlung habe bislang an zehn Terminen (18. November 2014, 27. November 2014, 1. Dezember 2014, 3. Februar 2015, 25. Februar 2015, 11. März 2015, 13. April 2015, 18. Mai 2015, 17. Juni 2015 und 25. Juni 2015) stattgefunden. Die Behandlung müsse weitergeführt werden. Medikamente erhalte die Klägerin zu 2) von Dr. ... verschrieben. Über die Diagnose Posttraumatische Belastungsstörung habe sie mit Dr. ... und zwei Kollegen von der Universität ... gesprochen und diesen jeweils die festgestellten Symptome geschildert. Es habe Übereinstimmung bestanden, dass es sich eindeutig um eine Posttraumatische Belastungsstörung handele. Vermutlich werde noch mindestens eineinhalb bis zwei Jahre eine psychotherapeutische Behandlung erforderlich sein. Ohne Psychotherapie würde das Krankheitsbild alsbald noch schlimmer werden, es würde drohen, dass sich das Krankheitsbild chronifiziert, dies würde relativ schnell eintreten. Es sei dann auch durchaus möglich, dass eine konkrete Suizidgefahr bestehe, die Klägerin zu 2) habe in Gesprächen durchaus Suizidgedanken geäußert.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte sowie die vorgelegten Behördenakten verwiesen.

Gründe

Die Klage ist zulässig und teilweise begründet.

1. Die Klägerin zu 2) hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Feststellung, dass bei ihr die Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG hinsichtlich Bosnien-Herzegowinas vorliegen.

Nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Die Regelung in § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG erfasst dabei nur solche Gefahren, die in den spezifischen Verhältnissen im Zielstaat begründet sind, während Gefahren, die sich aus der Abschiebung als solcher ergeben, nur von der Ausländerbehörde als inlandsbezogenes Vollstreckungshindernis berücksichtigt werden können (st. Rspr., BVerwG, U. v. 25.11.1997 - Az. 9 C 58.96 - juris; BVerwG, U. v. 29.10.2002 - 1 C 1/02 - juris; BayVGH, U. v. 8.3.2012 - 13a B 10.30172 - juris). Ein zielstaatsbezogenes Abschiebungshindernis kann sich dabei auch aus der Krankheit eines Ausländers ergeben, wenn diese sich im Heimatstaat verschlimmert, weil die Behandlungsmöglichkeiten dort unzureichend sind. Ein zielstaatsbezogenes Abschiebungshindernis kann sich darüber hinaus trotz an sich verfügbarer medikamentöser und ärztlicher Behandlung aber auch aus sonstigen Umständen im Zielstaat ergeben, die dazu führen, dass der betroffene Ausländer diese medizinische Versorgung tatsächlich nicht erlangen kann, etwa weil er nicht über die erforderlichen finanziellen Mittel verfügt (BVerwG, U. v. 29.10.2002, a. a. O.; BayVGH, U. v. 8.3.2012, a. a. O.). Dabei setzt die Annahme einer erheblichen konkreten Gefahr voraus, dass sich der Gesundheitszustand des betroffenen Ausländers alsbald nach der Ankunft im Zielland der Abschiebung wesentlich oder gar lebensbedrohlich verschlechtern würde (BVerwG, U. v. 25.11.1997, a. a. O.).

Im Fall der Klägerin zu 2) sind die Voraussetzungen für ein solches krankheitsbedingtes zielstaatsbezogenes Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG gegeben:

a) Die Klägerin zu 2) leidet zur Überzeugung des Gerichts an einer Posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS), einer Angststörung und einer Depression. Dies ergibt sich aus einer Gesamtschau der dem Gericht vorgelegten ärztlichen und psychologisch-psychotherapeutischen Atteste und Bescheinigungen sowie vor allem der Zeugenaussage der Psychologischen Psychotherapeutin Dr. phil. ... und steht im Einklang mit dem persönlichen Eindruck, den sich das Gericht von der Klägerin zu 2) in der mündlichen Verhandlung am 16. Juni 2015 verschaffen konnte. Hinsichtlich der Atteste und Bescheinigungen sind zu nennen das psychiatrisches Attest des Dr. med. ..., Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie, Facharzt für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, Facharzt für Innere Medizin, vom 5. November 2014, das psychologische Attest der Dr. ... vom 8. März 2015, das psychiatrische Attest des Dr. ... vom 21. Juli 2015 sowie die Bescheinigung des Klinikums ... vom 24. Juli 2015. Vor allem hat zur Überzeugungsbildung des Gerichts die glaubhafte Aussage der glaubwürdigen Zeugin Dr. ... in der mündlichen Verhandlung am 28. Juli 2015 beigetragen. Aufgrund dieser Unterlagen und der Zeugenaussage ist für das Gericht nachvollziehbar, auf welcher Grundlage die Diagnosen einer PTBS, einer Angststörung und einer Depression gestellt wurden (Behandlung an zehn Terminen durch Dr. ... im Zeitraum vom 18. November 2014 bis 25. Juni 2015, Konsil von Dr. ... u. a. mit Dr. ...). Hinzu kommt, dass das Klinikum ... die Klägerin zu 2) nunmehr Mitte Juli 2015 zur stationären psychiatrischen Behandlung aufgenommen hat, wie aus dem psychiatrischen Attest des Dr. ... vom 21. Juli 2015 und der Bescheinigung des Klinikums ... vom 24. Juli 2015 hervorgeht. Offenbar gehen auch die Ärzte des Klinikums ... von einer ernsthaften psychischen Erkrankung der Klägerin zu 2) aus, sonst hätten sie die Klägerin zu 2) nicht stationär aufgenommen. Bestätigt werden die fachärztlichen und psychologisch-psychotherapeutischen Diagnosen durch den persönlichen Eindruck, den das Gericht von der Klägerin zu 2) in der mündlichen Verhandlung am 16. Juni 2015 gewinnen konnte: Die Klägerin zu 2) hat ihre Beschwerden nachvollziehbar und glaubwürdig geschildert. Dabei war auch aus Sicht eines medizinischen Laien unverkennbar, dass die Klägerin zu 2) stark psychisch belastet ist.

Hinsichtlich der Diagnose PTBS ist ergänzend auf Folgendes hinzuweisen: Die höchstrichterliche Rechtsprechung stellt an die Substantiierung des Vorbringens einer Erkrankung an PTBS besondere Anforderungen. Gefordert wird die Vorlage eines gewisse Mindestanforderungen genügenden, aktuellen fachärztlichen Attests (BVerwG, B. v. 26.7.2012 - 10 B 21/12 - juris Rn. 7 m. w. N.; BVerwG, U. v. 11.9.2007 - 10 C 17/07 - juris Rn. 15). Dies gilt hinsichtlich eines Beweisantrags und erst recht für die Frage, ob vorgelegte Unterlagen ein ausreichender Nachweis für eine PTBS sein können. Diese besonderen Anforderungen sind im Fall der Klägerin zu 2) erfüllt durch die Angaben der behandelnden Psychologischen Psychotherapeutin Dr. ... im psychologischen Attest vom 8. März 2015 und vor allem bei ihrer Aussage als sachverständige Zeugin in der mündlichen Verhandlung am 28. Juli 2015 sowie der Bestätigung der Diagnose einer PTBS durch den Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie, Facharzt für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, Facharzt für Innere Medizin Dr. ... in den psychiatrischen Attesten vom 5. November 2014 und vom 21. Juli 2015. In einer Gesamtschau erfüllen diese Atteste und die Zeugenaussage die von der o.g. Rechtsprechung aufgestellten Anforderungen. Insbesondere ist nachvollziehbar, auf welcher Grundlage die Diagnose erstellt wurde (Behandlung an zehn Terminen durch Dr. ... im Zeitraum vom 18. November 2014 bis 25. Juni 2015, Konsil von Dr. ... u. a. mit Dr. ...) und wie sich die Krankheit im konkreten Fall der Klägerin zu 2) darstellt (Flashbacks, Albträume, Magenbeschwerden, starke Schlafstörungen, Vergesslichkeit, Kraftlosigkeit, Hinfallen, Suizidgedanken). Es liegen durch die Zeugenaussage der Dr. ... auch Angaben vor seit wann (18. November 2014) und wie häufig (an zehn konkret benannten Terminen im Zeitraum bis 25. Juni 2015) sich die Klägerin zu 2) in Behandlung befunden hat. Auch ergibt sich aus dieser Zeugenaussage, dass die von der Klägerin zu 2) geschilderten Beschwerden von den erhobenen Befunden bestätigt werden (die Zeugin schließt eine Simulation der Klägerin zu 2) sicher aus, während der Therapiestunde am 25. Juni 2015 hat sie selbst einen Zusammenbruch der Klägerin zu 2) erlebt und diesen bei ihrer Aussage näher geschildert). Des Weiteren ergeben die Angaben der Dr. ... auch hinreichend Aufschluss über die Schwere der Erkrankung (Flashbacks, etc., s. o.), deren Behandlungsbedürftigkeit (Notwendigkeit einer Psychotherapie, ansonsten u. a. Gefahr einer Chronifizierung z. B. in Form von Persönlichkeitsstörungen, medikamentöse Behandlung reicht nicht aus) sowie des bisherigen Behandlungsverlaufs (an zehn Terminen psychotherapeutische Behandlung in Form einer Verhaltenstherapie kombiniert mit einer Gesprächstherapie, zusätzlich medikamentöse Behandlung durch Dr. ...). Eine gesonderte Begründung für den Zeitpunkt, zu dem eine PTBS erstmals geltend gemacht wurde, ist vorliegend nicht erforderlich, da die Klägerin zu 2) bereits in ihrer Anhörung durch das Bundesamt am 19. November 2013 ihre psychischen Probleme vorgetragen hatte. Unschädlich ist, dass die wesentlichen Angaben zur Substantiierung der PTBS nicht von einem Facharzt stammen, sondern von einer Psychologischen Psychotherapeutin: Erstens spricht schon viel dafür, dass den Substantiierungsanforderungen an die Geltendmachung einer PTBS nicht nur durch Angaben eines Facharztes, sondern auch durch Angaben eines Psychologischen Psychotherapeuten genügt werden kann (OVG NW, B. v. 19.12.2008 - 8 A 3053/08.A - juris; VG München, U. v. 14.2.2014 - M 21 K 11.30993 - juris Rn. 34 m. w. N.; VG Augsburg, U. v. 21.6.2013 - Au 7 K 13.30077 - juris Rn. 57; a. A. VG München, U. v. 15.1.2015 - M 12 K 14.31140 - juris Rn. 41). Zweitens liegt im vorliegenden Einzelfall auch das fachärztliche Attest des Dr. ... vom 21. Juli 2015 vor, der seine Diagnose einer PTBS auf der Grundlage der medikamentösen Mitbehandlung der Klägerin zu 2) und eines Konsils mit der behandelnden Psychologischen Psychotherapeutin Dr. ... gestellt hat. Jedenfalls in dieser Konstellation, in der die Substantiierungsanforderungen gemäß der o. g. Rechtsprechung durch Angaben der behandelnden Psychologischen Psychotherapeutin erfüllt werden und in der die Diagnose einer PTBS zusätzlich von einem mitbehandelnden und durch ein Konsil über die Symptome informierten Facharztes bestätigt wird, kann kein Zweifel daran bestehen, dass eine ausreichende Grundlage für die Feststellung einer PTBS im Sinne der o. g. Rechtsprechung vorliegt. Das Gericht hat auch keinen Anlass, an der Richtigkeit der Angaben des Dr. ... und der Dr. ... zu zweifeln und insbesondere keine Notwendigkeit gesehen, ein zusätzliches Sachverständigengutachten einzuholen. Die Beklagte hat auch keinen dahingehenden Beweisantrag gestellt.

Schließlich ist das Gericht auch davon überzeugt, dass die traumatisierenden Erlebnisse tatsächlich stattgefunden haben. Dies muss gegenüber dem Tatrichter nachgewiesen bzw. wahrscheinlich gemacht werden, dass der Arzt oder Therapeut das entsprechende Vorbringen für glaubwürdig hält, genügt nicht (VG Ansbach, U. v. 24.3.2015 - AN 3 K 14.30132 - juris Rn. 77; VG München, U. v. 14.2.2014 - M 21 K 11.30993 - juris Rn. 36; VG Augsburg, U. v. 21.6.2013 - Au 7 K 13.30077 - juris Rn. 62). Vorliegend hat die sachverständige Zeugin Dr. ... bei ihrer Vernehmung in der mündlichen Verhandlung am 28. Juli 2015 als Ursache der PTBS der Klägerin zu 2) ein Ursprungstrauma im Alter von 15 Jahren - der tote und blutende Bruder der Klägerin zu 2) wird nach Hause gebracht - und die aktuelle (Re-) Traumatisierung in den Monaten vor der Ausreise nach Deutschland im Oktober 2013 - aufgrund der Erlebnisse in dieser Zeit Angst der Klägerin zu 2), dass ihre Tochter ebenso nach Hause gebracht wird - beschrieben. Diese Einschätzung ist für das Gericht nachvollziehbar und überzeugend: Sie steht im Einklang mit der Einlassung der Klägerin zu 2) in der mündlichen Verhandlung am 16. Juni 2015, bei der überaus deutlich wurde, dass die Klägerin zu 2) seit 2012 und verstärkt seit August 2013 große Angst um ihre Kinder hatte (sie sei immer mit den Kindern zu Hause gewesen und hätte sich eingesperrt; sie habe sich große Sorgen gemacht, wenn ihre Tochter zur Schule gegangen ist; sie habe die Kinder immer bei sich gehabt, sie seien nicht einmal in einem anderen Zimmer gewesen, so große Angst habe sie gehabt). Das Gericht geht auch trotz gewisser Steigerungstendenzen und Widersprüchlichkeiten im Vortrag der Kläger zu 1) und 2) grundsätzlich davon aus, dass es tatsächlich in den Monaten vor der Ausreise der Kläger nach Deutschland zu gewissen Belästigungen und Bedrohungen des Klägers zu 1) und seiner Familie durch wohl im Dorf der Kläger ansässige Islamisten gekommen ist (dazu im Einzelnen sogleich). Zwar geht das Gericht bei einer Gesamtwürdigung aller Umstände ebenso davon aus, dass objektiv betrachtet keine wirkliche Gefahr für Leben, Gesundheit oder Freiheit der Kläger zu 1) bis 4) bestand, es sich vielmehr bei den Belästigungen und Drohungen durch die Islamisten um bloße Einschüchterungsversuche gehandelt hat (auch dazu im Einzelnen sogleich). Nichtsdestotrotz ist das Gericht davon überzeugt, dass die Klägerin zu 2) aufgrund ihrer traumatisierenden Vorgeschichte das Verhalten der Islamisten nach ihrem subjektiven Empfinden als ernsthafte Bedrohung empfunden hat und tatsächlich große Angst um das Leben und die Gesundheit ihrer Familie hatte, auch wenn diese objektiv betrachtet unberechtigt war. Im Ergebnis ist somit festzustellen, dass das die PTBS auslösende traumatisierende Erlebnis in Gestalt gewisser Belästigungen und Bedrohungen durch im Dorf ansässige Islamisten, welche die Klägerin zu 2) subjektiv als ernsthafte Bedrohung von Leib und Leben ihrer Familie empfunden hat, tatsächlich stattgefunden hat.

b) Das Gericht ist weiter davon überzeugt, dass die PTBS, die Angststörung und die Depression der Klägerin zu 2) behandlungsbedürftig sind, wobei zur Behandlung neben Medikamenten vor allem eine Psychotherapie notwendig ist. Dies ergibt sich bereits aus den vorgelegten Attesten der Dr. ... vom 8. März 2015 und des Dr. ... vom 21. Juli 2015. Vor allem aber hat Dr. ... als sachverständige Zeugin in der mündlichen Verhandlung am 28. Juli 2015 überzeugend erläutert, dass die Erkrankungen der Klägerin zu 2) dringend behandlungsbedürftig sind, um eine Chronifizierung z. B. in Gestalt einer Persönlichkeitsstörung zu vermeiden, eine rein medikamentöse Behandlung würde nur eine kurzfristige vegetative Beruhigung bringen, zur wirksamen Behandlung seien spezifische Programme zur Traumabehandlung, also eine Psychotherapie erforderlich. Die Notwendigkeit der Psychotherapie zeigt sich auch darin, dass seit 18. November 2014 bereits zehn derartige Behandlungstermine bei Dr. ... stattgefunden haben und diese Behandlung auch für mindestens eineinhalb bis zwei Jahre weitergeführt werden soll.

c) Im Einzelfall der Klägerin zu 2) hat das Gericht auch keine Zweifel, dass diese die erforderliche Behandlung der PTBS, der Angststörung und der Depression durch Psychotherapie in Bosnien und Herzegowina zumindest faktisch nicht mit hinreichender Sicherheit erhalten könnte. Zwar geht das Gericht nicht generell davon aus, dass psychische Erkrankungen in Bosnien und Herzegowina nicht hinreichend behandelt werden können, vielmehr ist jeweils eine Würdigung der Umstände des konkreten Einzelfalls erforderlich. Eine insoweit ausreichende Therapie für den konkreten Behandlungsbedarf der Klägerin zu 2), also neben einer medikamentösen Behandlung vor allem eine psychotherapeutische Maßnahme als spezielles Programm zur Traumabehandlung, steht nach den dem Gericht zur Verfügung stehenden Erkenntnismitteln jedoch nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit tatsächlich zur Verfügung: So führt der aktuelle Lagebericht des Auswärtigen Amts (Stand: September 2014, S. 17) aus, dass es in Bosnien und Herzegowina zur Behandlung psychisch Kranker und traumatisierter Personen weitgehend an ausreichend qualifizierten Ärzten und an klinischen Psychologen und Sozialarbeitern fehlt. Therapien würden sich überwiegend auf Medikamentengaben beschränken. Eine adäquate Therapie Traumatisierter sei in Bosnien und Herzegowina nur unzureichend möglich. Für die Klägerin zu 2) kann deshalb nicht mit hinreichender Sicherheit angenommen werden, dass sie nach einer Rückkehr nach Bosnien und Herzegowina zeitnah die erforderliche Psychotherapie erhalten kann.

d) Weiter ist zur Überzeugung des Gerichts davon auszugehen, dass sich die psychische Erkrankung der Klägerin zu 2) (PTBS, Angststörung, Depression) ohne die erforderliche Behandlung mit einer Psychotherapie nach einer Rückkehr nach Bosnien und Herzegowina alsbald und wesentlich, ja gar lebensbedrohlich verschlimmerte: Gemäß der Aussage der sachverständigen Zeugin Dr. ... drohte ohne Behandlung mit einer Psychotherapie relativ schnell eine Chronifizierung des Krankheitsbildes. Dann - so die Zeugin weiter - bestünde auch eine konkrete Suizidgefahr. Die Klägerin zu 2) habe in Gesprächen durchaus Suizidgedanken geäußert. Gemessen an dieser Einschätzung ist festzustellen, dass sich die psychische Erkrankung der Klägerin zu 2) (PTBS, Angststörung, Depression) bei einer Rückkehr nach Bosnien und Herzegowina infolge der dann fehlenden Behandlungsmöglichkeit verschlimmern würde. Diese Verschlechterung würde alsbald eintreten. Aufgrund der drohenden Chronifizierung z. B. in Gestaltung einer Persönlichkeitsstörung sowie der Suizidalität handelte es sich auch um eine wesentliche, im Hinblick auf die Suizidgefahr sogar um eine lebensbedrohliche Verschlimmerung. Bezüglich der Suizidalität verkennt das Gericht dabei nicht, dass nach der obergerichtlichen Rechtsprechung (OVG NW, U. v. 27.1.2015 - 13 A 1201/12.A - juris Rn. 44) nicht jede Form der Suizidalität geeignet ist, eine Gefahr im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG zu begründen. Im Fall der Klägerin handelt es sich indes nicht nur um eine bloße innere Hinwendung zu Selbsttötungsgedanken, sondern es liegen bei der Klägerin zu 2) als äußere Anzeichen zwar keine Verletzungshandlungen, aber doch körperlicher Verfall und vegetative Auffälligkeiten vor (Gewichtsverlust, Flashbacks, Albträume, Magenbeschwerden, starke Schlafstörungen, Vergesslichkeit, Kraftlosigkeit, Hinfallen).

2. Im Übrigen ist die Klage im Haupt- und Hilfsantrag unbegründet. Abgesehen von dem hinsichtlich der Klägerin zu 2) bestehenden krankheitsbedingten Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG (dazu soeben 1.) droht den Klägern zu 1) bis 4) weder im Hinblick auf die allgemeine Situation in Bosnien und Herzegowina noch aufgrund besonderer individueller Umstände eine asylerhebliche Bedrohung, Verfolgung oder Gefährdung im Sinne des Art. 16 a Abs. 1 GG sowie der §§ 3 ff. AsylVfG, § 4 AsylVfG und § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG, insbesondere auch nicht im Hinblick auf etwaige Bedrohungen durch Islamisten im Zusammenhang mit der (früheren) Tätigkeit des Klägers zu 1) als Polizist.

Zur Begründung wird zur Vermeidung von Wiederholungen zunächst auf die Ausführungen im Bescheid des Bundesamts vom ... September 2014 verwiesen (§ 77 Abs. 2 AsylVfG). Ergänzend ist hinsichtlich des klägerischen Vorbringens einer Bedrohung durch Islamisten im Zusammenhang mit der (früheren) Tätigkeit des Klägers zu 1) als Polizist wie folgt auszuführen:

a) In tatsächlicher Hinsicht geht das Gericht diesbezüglich von folgendem Sachverhalt aus:

Aufgrund der Angaben des Klägers zu 1) gegenüber dem Bundesamt und in der mündlichen Verhandlung am 16. Juni 2015 und der von den Klägern vorgelegten Unterlagen ist hinreichend nachgewiesen, dass der Kläger zu 1) tatsächlich in Bosnien und Herzegowina als Polizist tätig war. Das Gericht sieht sich auch nicht veranlasst daran zu zweifeln, dass der Kläger zu 1) tatsächlich als Polizist an den polizeilichen Aktionen gegen Islamisten in dem Dorf ... am 2. Februar 2010 und erneut im Januar 2012 teilgenommen hat (dass es diese polizeilichen Aktionen tatsächlich gegeben hat, ist durch die von den Klägern vorgelegten Unterlagen nachgewiesen).

Das Gericht geht auch grundsätzlich davon aus, dass es tatsächlich in den Monaten vor der Ausreise der Kläger nach Deutschland im Oktober 2013 zu gewissen Belästigungen und Bedrohungen des Klägers zu 1) und seiner Familie durch wohl im Dorf der Kläger ansässige Islamisten gekommen ist. Zwar sind durchaus Steigerungstendenzen und Widersprüchlichkeiten im diesbezüglichen Vortrag der Kläger zu 1) und 2) festzustellen: So hatte der Kläger zu 1) etwa gegenüber dem Bundesamt noch vorgebracht gehabt, nach dem Vorfall im August 2013 habe es in der Zeit bis zur Ausreise im Oktober 2013 keine konkreten weiteren Vorfälle gegeben. In der mündlichen Verhandlung am 16. Juni 2015 behauptete der Kläger zu 1) hingegen, in diesem Zeitraum sei es die ganze Zeit zu Bedrohungen durch die Dschihadisten gekommen, oft sei ein Fahrzeug vorbeigefahren und es sei aus dem Fahrzeug „Allah Akbar“ gerufen worden. Indes haben der Kläger zu 1) und die Klägerin zu 2) andere Vorkommnisse gemessen an ihrem Vorbringen gegenüber dem Bundesamt, in der Klagebegründung sowie in der mündlichen Verhandlung am 16. Juni 2015 zwar nicht hinsichtlich jedes Details, aber doch im Grundsatz nachvollziehbar, substantiiert und glaubwürdig geschildert. Dies betrifft etwa die Drohung des Hussein Kulanic im Februar 2012, ferner einen Vorfall im August 2012, als der Kläger zu 1) im Bereich des Hauses der Kläger einen Mann, wohl einen Islamisten, angetroffen hatte sowie das Vorkommnis im August 2013, als unbekannte Dritte an der Haustür der Kläger zwar keine Bomben, aber - wie der Kläger zu 1) im weiteren Verlauf der mündlichen Verhandlung am 16. Juni 2015 klargestellt hat - zwei Handgranaten angebracht hatten.

Allerdings ist zur Überzeugung des Gerichts davon auszugehen, dass die Kläger zu 1) bis 4) objektiv betrachtet zu keinem Zeitpunkt tatsächlich in asylerheblicher Weise mit hinreichender Wahrscheinlichkeit hinsichtlich Leben, Gesundheit oder Freiheit gefährdet waren (unbeschadet des Umstands, dass die Klägerin zu 2) aufgrund ihrer traumatisierenden Vorbelastung sich subjektiv bedroht fühlte). Vielmehr hat es sich zur Überzeugung des Gerichts bei den geschilderten Belästigungen und Bedrohungen durch wohl im Dorf der Kläger ansässige Islamisten um bloße Einschüchterungsversuche gehandelt. Den Klägern sollte Angst gemacht werden, von einer konkreten Tötungs- oder Verletzungsabsicht kann hingegen nicht ausgegangen werden. Für eine solche Bewertung spricht schon, dass kein erheblicher Anlass für einen tatsächlichen Angriff auf Leib, Leben oder Freiheit der Kläger bestand: Der Kläger zu 1) war zwar als Polizist in einer Spezialeinheit tätig, er hatte aber als „erster Schütze“ nach eigenen Angaben keine Vorgesetztenstellung inne. Er hat nach eigenen Angaben an zwei konkreten Aktionen gegen Islamisten im Dorf ... teilgenommen, einmal am 2. Februar 2010 als einer von 600 Polizeibeamten, das andere Mal im Januar 2012 als einer von ca. 48 Polizisten, wobei er bei letztgenannter Aktion nach eigenen Angaben u. a. zur Identifizierung von Islamisten herangezogen worden sein soll. Diese Stellung des Klägers zu 1) als Polizist und diese konkreten Einsätze gegen Islamisten lassen es nachvollziehbar erscheinen, dass der Kläger zu 1) und seine Familie auf Ablehnung bei den in seinem Dorf ansässigen Islamisten gestoßen ist, etwa dass - so die Einlassung des Klägers zu 1) in der mündlichen Verhandlung am 16. Juni 2015 - der Kläger zu 1) und seine Familie von den im Dorf ansässigen Islamisten nicht mehr gegrüßt wurden, sowie dass darüber hinaus der Kläger zu 1) und seine Familie auch mit Belästigungen und Bedrohungen eingeschüchtert werden sollten. Hingegen ist es auch unter Berücksichtigung der aus den Erkenntnismitteln ableitbaren Lage in Bosnien und Herzegowina nicht mehr plausibel, dass diese Stellung und diese Einsätze auch einen Anlass dafür hätten geben können, einen ernsthaften Angriff auf Leib, Leben oder Freiheit des Klägers zu 1) oder seiner Familie zu führen. Hinzu kommt: Wenn die nach Angaben des Klägers im Februar 2012 ausgesprochene Drohung des Hussein Kulanic gegen das Leben des Klägers zu 1) und seiner Familie tatsächlich ernst gemeint gewesen wäre, so wäre es den Islamisten im langen Zeitraum bis zur Ausreise der Kläger im Oktober 2013 unschwer möglich gewesen, diese Absicht auch in die Tat umzusetzen oder dies wenigstens zu versuchen. Derartiges hat aber nicht stattgefunden. Auch der von den Klägern zu 1) und 2) geschilderte Vorfall im August 2013, bei dem unbekannte Dritte, nach Vermutung des Klägers zu 1) Islamisten, an der Haustür der Kläger zwei Handgranaten angebracht hatten, handelt es sich bei Gesamtwürdigung aller Umstände nicht um einen ernsthaften Tötungsversuch. Andernfalls wäre die vom Kläger zu 1) geschilderte Reaktion der alarmierten Polizisten, welche die Angelegenheit nicht als ernstes Vorkommnis einstuften und den Kläger zu 1) die Handgranaten selbst abnehmen ließen, nicht erklärbar. Dem Gericht erscheint es auch unter Berücksichtigung der sich aus den Erkenntnismitteln ergebenden Mängel des Polizeiwesens in Bosnien und Herzegowina ausgeschlossen, dass die Polizei in Bosnien und Herzegowina einem tatsächlichen Mordanschlag auf einen Polizisten und dessen Familie vollkommen gleichgültig gegenüberstehen würde. Ferner muss bei einer Gesamtwürdigung aller Umstände davon ausgegangen werden, dass auch der Kläger zu 1) selbst nicht davon ausging, es habe sich um einen ernsthaften Tötungsversuch gehandelt und er und seine Familie schwebten in unmittelbarer Lebensgefahr: Dagegen spricht schon als Indiz, dass der Kläger zu 1) trotz mehrmaliger Nachfragen des Gerichts in der mündlichen Verhandlung am 16. Juni 2015 keine konkreten Angaben zum Datum dieses Ereignisses machen konnte. Wäre der Kläger zu 1) bei diesem Vorkommnis tatsächlich nur knapp dem Tode entronnen, läge es nahe, dass er auch heute noch konkretere Angaben zum Datum dieses lebensprägenden Ereignisses machen könnte. Vor allem zeigt das Verhalten des Klägers zu 1) in der Zeit nach dem Vorfall im August 2013, dass er sich und seine Familie nicht in Todesgefahr wähnte: Andernfalls wären die Kläger sicherlich sofort aus ihrem Heimatort abgereist und wären nicht bis Ende Oktober 2013 dort geblieben, wobei der Kläger zu 1) sogar weiterhin seinen Polizeidienst verrichtete. Die Erklärungen der Kläger für dieses Abwarten überzeugen nicht: Sie haben diesbezüglich zunächst vorgetragen, man habe noch auf die Reisepässe der Kläger zu 2) bis 4) warten müssen. Auch habe der Kläger zu 1) überlegt, ob er irgendwo anders in Bosnien Polizeidienst leisten könne. In der mündlichen Verhandlung nannte der Kläger zu 1) dann als Erklärung, dass er die Polizei nicht verraten habe wollen und nicht als Feigling dastehen habe wollen. Er habe sich mit seinem Vater und seinem Chef bei der Polizei über das weitere Vorgehen beraten. Er habe Zeit gebraucht, um alles abzuwickeln, da sie in Bosnien ein Haus und einen Tennisplatz gehabt hätten sowie einen Friseursalon vermietet hätten. Wer knapp dem Tode entronnen ist und sich und seine Familie hinsichtlich Leben, Gesundheit und Freiheit in konkreter Gefahr wähnt, der wartet mit seiner Flucht nicht mehrere Wochen, um Reisepässe zu besorgen, sich mit seinem Vater und seinem Chef über das weitere Vorgehen zu beraten und um seine Vermögensangelegenheiten zu regeln. Bei einer Gesamtwürdigung aller Umstände ist deshalb davon auszugehen, dass Grund der Ausreise der Kläger aus Bosnien und Herzegowina nicht eine objektiv bestehende Gefahr für Leben, Gesundheit oder Freiheit der Kläger durch Islamisten war. Anlass hierfür war vielmehr offenbar der sehr schlechte Gesundheitszustand der Klägerin zu 2), die aufgrund ihrer traumatisierenden Vorbelastung durch die Ereignisse retraumatisiert wurde. Darauf deutet auch das Vorbringen der Kläger hin, wonach die Klägerin zu 2) in der Zeit nach August 2013 gesagt habe, sie könne die bedrohliche Situation nicht mehr aushalten, ferner der Hinweis des Klägers zu 1) in der mündlichen Verhandlung am 16. Juni 2015, seiner Frau sei es nach dem Vorfall im August 2013 psychisch sehr schlecht gegangen.

Bestand mithin schon zum Zeitpunkt der Ausreise der Kläger aus Bosnien und Herzegowina objektiv keine erhebliche Gefahr für Leben, Gesundheit und Freiheit der Kläger durch Islamisten, kann schon aus diesem Grund nicht davon ausgegangen werden, die Kläger wären in asylerheblicher Weise durch Islamisten gefährdet, wenn sie jetzt in ihr früheres Dorf in Bosnien und Herzegowina zurückkehren würden. Hinzu kommt dann noch, dass der Kläger zu 1) aufgrund seiner Entlassung nunmehr kein Polizist mehr ist und seine Teilnahme an den polizeilichen Aktionen im Februar 2010 und Januar 2012 mittlerweile mehrere Jahre zurückliegt. Dies streitet zusätzlich gegen das Bestehen einer objektiven Gefahr für Leben, Gesundheit und Freiheit durch Islamisten, sollten die Kläger nunmehr in ihr früheres Dorf zurückkehren. Selbst eine Wiederholung der früheren Belästigungen und Einschüchterungsversuche wäre unwahrscheinlich.

Hinzu kommt dann noch, dass den Klägern jedenfalls eine inländische Fluchtalternative zur Verfügung steht. Sie können nach Sarajevo oder in eine andere Großstadt Bosnien und Herzegowinas ziehen, wo sie die Islamisten nicht auffinden können. Gemessen an den vorliegenden Erkenntnismitteln kann entgegen der vorgetragenen Befürchtung der Kläger nicht davon ausgegangen werden, die Islamisten seien in Bosnien und Herzegowina derart mächtig, dass sie die Kläger auch in einer Großstadt ausfindig machen könnten, wenn sie dies wollten. Zudem ist bei Berücksichtigung aller Umstände gar nicht zu erwarten, dass die Islamisten heutzutage überhaupt noch ein Interesse hätten, die Kläger ausfindig zu machen: Der Kläger zu 1) hatte nur eine untergeordnete Stellung in der Polizei inne, mittlerweile ist er gar kein Polizist mehr. Er hatte jeweils mit vielen anderen Polizisten an zwei konkreten polizeilichen Aktionen im Februar 2010 und Januar 2012 teilgenommen, diese liegen mittlerweile längere Zeit zurück. Schließlich stellt sich bei einem Umzug in eine Großstadt auch nicht die von den Klägern hervorgehobene Problematik, dass in ihrem früheren Dorf und dessen Umgebung besonders viele islamistische Familien leben sollen.

b) Daran gemessen liegt keine asylerhebliche Bedrohung, Verfolgung oder Gefährdung im Sinne des Art. 16 a Abs. 1 GG sowie der §§ 3 ff. AsylVfG, § 4 AsylVfG und § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG vor. Im Einzelnen:

Eine vom Staat ausgehende politische Verfolgung im Sinne des Art. 16 a Abs. 1 GG liegt offensichtlich nicht vor. Ohnehin können die Kläger gemäß Art. 16 a Abs. 2 GG i. V. m. § 26 a Abs. 1 AsylVfG schon deshalb nicht als Asylberechtigte anerkannt werden, weil sie nach eigenem Vortrag auf dem Landweg und damit zweifellos über einen sicheren Drittstaat im Sinne des Art. 16 a Abs. 2 GG i. V. m. § 26 a Abs. 2 AsylVfG nach Deutschland gelangt ist.

Hinsichtlich der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (§§ 3 ff. AsylVfG) fehlt es bereits an einer Verfolgungshandlung (§ 3 a AsylVfG), da keine asylrechtlich hinreichende Gefahr für Leben, Gesundheit und Freiheit der Kläger durch eine Handlung von Islamisten besteht. Jedenfalls handelte es sich nicht um eine Verfolgung, die an einen der in § 3 Abs. 1 Nr. 1, § 3 b AsylVfG genannten Verfolgungsgründe anknüpfte. Außerdem bestünde für die Kläger eine inländische Fluchtalternative (§ 3 e AsylVfG).

Auch die Voraussetzungen für Zuerkennung subsidiären Schutzes (§ 4 AsylVfG) liegen nicht vor: Es ist kein ernsthafter Schaden zu erwarten, insbesondere keine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung (§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylVfG). Außerdem besteht eine inländische Fluchtalternative (§ 4 Abs. 3, § 3 e AsylVfG).

Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 AufenthG bestehen nicht. In Betracht kommt allenfalls eine Verletzung des Art. 3 EMRK im Hinblick auf eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung. In Bezug auf Gefahren einer Verletzung des Art. 3 EMRK, die individuell durch einen konkret handelnden Täter drohen, ist jedoch keine andere Bewertung als bei der Prüfung des subsidiären Schutzes denkbar (vgl. dazu den Bescheid vom ... September 2014, § 77 Abs. 2 AsylVfG). Wie eben dargelegt liegen die Voraussetzungen für die Zuerkennung subsidiären Schutzes nicht vor.

Schließlich besteht für die Kläger im Zusammenhang mit einer Bedrohung durch Islamisten auch keine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG. Es besteht im Falle einer Rückkehr nach Bosnien und Herzegowina objektiv keine erhebliche Gefahr für Leben, Gesundheit und Freiheit der Kläger durch Handlungen von Islamisten. Außerdem ist auch in diesem Zusammenhang das Bestehen einer inländischen Fluchtalternative zu berücksichtigen, die Kläger könnten sich einer etwaigen Gefahr durch ein Ausweichen nach Sarajevo oder eine andere Großstadt Bosnien Herzegowinas entziehen (vgl. dazu OVG NW, U. v. 27.1.2015 - 13 A 1201/12.A - juris Rn. 25 f. m. w. N.).

c) Bei diesem Ergebnis kommt es nicht mehr darauf an, ob der bosnische Staat ausreichend in der Lage und willens ist, die Kläger vor weiteren Übergriffen von Islamisten zu schützen. Diese Frage ist nicht mehr entscheidungserheblich. Dem Hilfsbeweisantrag war schon aus diesem Grunde nicht zu entsprechen.

Nach alldem war der Klage der Klägerin zu 2) hinsichtlich eines (krankheitsbedingten) Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG stattzugeben und die Klage im Übrigen abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO und § 83 b AsylVfG. Im Hinblick darauf, dass unterschiedliches Obsiegen/Unterliegen der Kläger zu 1) bis 4) vorliegt, war bei der einheitlich zu treffenden Kostenentscheidung die allgemein anerkannte Baumbach’sche Formel anzuwenden. Dabei ist das Gericht davon ausgegangen, dass im Verhältnis zwischen Klägerin zu 2) und Beklagter die Klägerin zu 2) zu 1/4 obsiegt hat.

Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 Abs. 2 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Tenor

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 9. Mai 2012 - A 7 K 3900/11 - wird abgelehnt.

Der Kläger trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens.

Gründe

 
Der Antrag bleibt ohne Erfolg. Die in Anspruch genommenen Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylVfG), der entscheidungserheblichen Divergenz von obergerichtlichen bzw. höchstrichterlichen Entscheidungen (§ 78 Abs. 3 Nr. 2 AsylVfG) sowie der Versagung rechtlichen Gehörs (§ 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylVfG in Verbindung mit § 138 Nr. 3 VwGO) rechtfertigen aus den mit dem Antrag angeführten Gründen die Zulassung der Berufung nicht.
1. Grundsätzliche Bedeutung kommt einer Rechtssache zu, wenn es für ihre Entscheidung maßgebend auf eine konkrete, über den Einzelfall hinausgehende Rechts- oder Tatsachenfrage ankommt, deren Klärung im Interesse der Einheit oder der Fortbildung des Rechts geboten erscheint (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 24.01.2007 - 1 BvR 382/05 -, NVwZ 2007, 805 f.). Die nach § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylVfG gebotene Darlegung dieser Voraussetzungen (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 16.05.2007 - 2 BvR 1782/04 -, Juris Rn. 13) verlangt, dass unter Durchdringung des Streitstoffes eine - gegebenenfalls erneut oder ergänzend - klärungsbedürftige konkrete Rechts- oder Tatsachenfrage aufgezeigt wird, die für die Entscheidung des Verwaltungsgerichts von Bedeutung war und die auch für die Entscheidung im Berufungsverfahren erheblich sein wird, und dass ein Hinweis auf den Grund gegeben wird, der ihre Anerkennung als grundsätzlich bedeutsam rechtfertigen soll (vgl. BVerwG, Beschluss vom 10.11.2011 - 5 B 29/11 -, Juris; Senatsbeschluss vom 18.06.2012 - A 9 S 792/12 -).
Diesen Anforderungen genügt der Antrag nicht. Das Verwaltungsgericht hat das Vorliegen eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG im Hinblick auf die in dem ärztlichen Attest vom 27.03.2012 enthaltenen Diagnosen „schweres gehemmt-depressives Syndrom bei chronifizierender depressiver Störung“ und „Migräne“ mit der Begründung verneint, der Kläger könne diese Erkrankungen auch nach seiner Rückkehr in Nigeria behandeln lassen. In den Großstädten Nigerias gebe es eine medizinische Grundversorgung, allerdings in der Regel weit unter europäischem Standard. Es gebe auch die Möglichkeit einer psychiatrischen Behandlung. So verfüge Nigeria ausweislich der Auskunft der Schweizerischen Flüchtlingshilfe „Nigeria: Behandlung von PTSD“ vom 09.11.2009 über 35 psychiatrische Kliniken und psychiatrische Abteilungen, in denen unter anderem klinische Depressionen, suizidale Tendenzen und posttraumatische Belastungsstörungen behandelt würden, wobei die Behandlung in einigen Kliniken kostenlos sei, die Medikamente aber immer selbst bezahlt werden müssten. Mangels gegenteiliger Anhaltspunkte sei auch davon auszugehen, dass der Kläger im Stande sei, eine medizinische Behandlung zu finanzieren. Der Kläger sei vor seiner Ausreise Inhaber eines Handelsgeschäfts mit eigenem Laden gewesen. Dies spreche dafür, dass er über gewisse finanzielle Rücklagen verfüge, die für eine gegebenenfalls erforderliche ärztliche Behandlung eingesetzt werden könnten.
Der Kläger macht nun geltend, das angefochtene Urteil beruhe auf der Frage, „ob Personen aus Nigeria, die unter einem schweren gehemmt-depressiven Syndrom bei chronifizierender depressiver Störung und unter Migräne leiden, ein Abschiebungsverbot gemäß § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG hinsichtlich Nigeria vorliegt“. Diese Frage habe grundsätzliche Bedeutung. Das Verwaltungsgericht Karlsruhe habe ein Abschiebungsverbot hinsichtlich Nigeria bei einer psychischen Erkrankung mit Urteil vom 31.05.2012 - A 9 K 2882/11 - bejaht. Aus dem Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 03.05.2011 - A 1 K 523/10 - ergebe sich, dass Krankheiten wie „Spastische Bronchitis, bronchiales Asthma sowie Diabetes mellitus“ in Nigeria nicht behandelt werden könnten. Diese Krankheiten hätten ein ähnliches Gewicht wie die Erkrankung des Klägers.
Mit diesem Vortrag ist eine grundsätzlich bedeutsame Frage, die einer vom Einzelfall losgelösten Klärung zugänglich ist, nicht dargelegt. Dies gilt zunächst, soweit der Kläger auf das Urteil der 9. Kammer des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 31.05.2012 verweist. Der dortige Fall ist mit dem vorliegenden in tatsächlicher Hinsicht nicht vergleichbar. Beim dortigen Kläger lag - anders als hier - eine posttraumatische Belastungsstörung vor; er war offenbar in Deutschland schon einmal stationär behandelt worden und bedurfte weiterer intensiver ärztlicher bzw. psychotherapeutischer Behandlung. Der Kläger wird dagegen laut seinem Vorbringen im Zulassungsantrag derzeit nur medikamentös behandelt. Auch das genannte Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 03.05.2011 ist nicht geeignet, eine grundsätzliche Bedeutung des vorliegenden Falles aufzuzeigen. Es stellt maßgeblich auf andere Erkrankungen ab.
Zudem hängt die Entscheidung darüber, ob einem nigerianischen Staatsangehörigen bei der Rückkehr in seinen Heimatstaat aus gesundheitlichen Gründen eine Gefahr im Sinne von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG droht, auch von der jeweils im Einzelfall zu entscheidenden Frage ab, ob der Betreffende über finanzielle Mittel verfügt, um sich u.a. eine medikamentöse Behandlung dort leisten zu können. Bezüglich des Klägers hat das Verwaltungsgericht angenommen, dass er wegen seiner beruflichen Tätigkeit vor der Ausreise über gewisse finanzielle Rücklagen verfüge und er sich deshalb eine medikamentöse Behandlung leisten könne. Diese tatsächliche Annahme ist mit zulässigen Rügen nicht angegriffen worden.
2. Nach § 78 Abs. 3 Nr. 2 AsylVfG ist die Berufung insbesondere zuzulassen, wenn das angegriffene Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht. Sowohl die Abweichung als auch das „Beruhen“ der Entscheidung hierauf sind gemäß § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylVfG „darzulegen“. Zur Darlegung der Rechtssatzdivergenz ist erforderlich, dass ein die angefochtene Entscheidung tragender abstrakter Rechtssatz aufgezeigt wird, der mit einem ebensolchen Rechtssatz in der Entscheidung des höheren Gerichts im Widerspruch steht. Eine Divergenz begründende Abweichung liegt nicht vor, wenn das Vordergericht einen Rechtssatz eines der in § 78 Abs. 3 Nr. 2 AsylVfG genannten höheren Gerichte übersehen oder - ob zu Recht oder nicht - als nicht anwendbar eingestuft hat (vgl. Senatsbeschluss vom 30.04.2012 - A 9 S 886/12 -; VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 17.03.1997 - 8 S 664/97 -, DVBl. 1997, 1326).
Diesen Maßstäben genügt das Vorbringen des Klägers nicht. Dies gilt zunächst, soweit der Kläger meint, es liege eine Abweichung vom Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 10.07.2003 (11 S 2622/02) vor. Aus diesem Beschluss ergäben sich Mindestanforderungen für die Glaubhaftmachung eines inlandsbezogenen Abschiebungshindernisses durch ein sog. „Privatgutachten“. Die von ihm vorgelegten Unterlagen genügten diesen Anforderungen. Dieser Vortrag reicht nicht aus. Der Kläger zeigt nicht konkret auf, mit welchem tragenden Rechtssatz das Verwaltungsgericht von einem tragenden Rechtssatz der genannten obergerichtlichen Entscheidung abweicht. Die (angeblich) divergierenden Rechtsätze hätten einander gegenüber gestellt werden müssen. Zugleich hätte dargelegt werden müssen, worin die Abweichung besteht. Dies gilt unter anderem vor dem Hintergrund, dass die vom Verwaltungsgericht herangezogene Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 11.09.2007 - 10 C 8/07 -, BVerwGE 129, 251) von der genannten Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs vergleichend zitiert wird. Abgesehen davon ist nicht ersichtlich, dass die behauptete Abweichung tragend ist. Denn der Kläger bezieht die Abweichung nicht auf die Diagnose der posttraumatischen Belastungsstörung, sondern auf die übrigen im Attest vom 27.03.2012 diagnostizierten Erkrankungen. Insoweit hat das Verwaltungsgericht das Zutreffen der Diagnose jedoch unterstellt, so dass es nach seiner Rechtsauffassung nicht auf die von ihm genannten Anforderungen an ein fachärztliches Attest ankam.
Aber auch soweit der Kläger meint, es liege eine Abweichung vom Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 06.02.2008 (11 S 2439/07) vor, greift die Divergenzrüge nicht durch. Der Kläger meint, aus diesem Beschluss ergebe sich, dass die Ausländerbehörde fachärztliche Gutachten einholen müsse, wenn ein ärztliches Attest vorliege, das zwar nicht den Anforderungen für den Vollbeweis der Suizidgefahr genüge, aber ein Indiz für das Vorliegen einer Suizidgefahr darstelle. Das Verwaltungsgericht hätte daher aufgrund der verschiedenen Beweisanträge ein Sachverständigengutachten einholen müssen. Auch dieser Vortrag zeigt keine Divergenz auf. Der Kläger hat keine tragenden abstrakten Rechtsätze konkret gegenüber gestellt, die voneinander abweichen. Die Rüge des Klägers betrifft vielmehr nur die Rechtsanwendung im Einzelfall, die mit der Divergenzrüge nicht angegriffen werden kann.
10 
3. Der in Art. 103 Abs. 1 GG gewährleistete Anspruch auf rechtliches Gehör verbürgt, dass ein Beteiligter vor einer Gerichtsentscheidung, die seine Rechte betrifft, zu Wort kommen und als Subjekt Einfluss auf das Verfahren nehmen kann. Als „prozessuales Urrecht“ sichert das rechtliche Gehör den Betroffenen insbesondere, dass sie mit Ausführungen und Anträgen gehört werden (vgl. BVerfG, Plenumsbeschluss vom 30.04.2003 - 1 PBvU 1/02 -, BVerfGE 107, 395, 408 f.; Senatsbeschluss vom 09.01.2012 - A 9 S 3429/11 -). Im Falle des Stellens eines Beweisantrages wird das rechtliche Gehör im Sinne des § 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylVfG in Verbindung mit § 138 Nr. 3 VwGO dann verletzt, wenn dessen Ablehnung im Prozessrecht keine Stütze findet (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 22.09.2009 - 1 BvR 3501/08 -, Juris Rn. 13, und Beschluss des Ersten Senats vom 08.11.1978 - 1 BvR 158/78 -, BVerfGE 50, 32, 36; Senatsbeschluss vom 05.12.2011 - A 9 S 2939/11 -, VBlBW 2012, 196).
11 
Diese Voraussetzungen sind mit dem Antrag nicht dargetan.
12 
a) Dies gilt zunächst für den in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht gestellten Antrag des Klägers, die ihn behandelnde Psychiaterin, die das mit der Klage vorgelegte ärztliche Attest vom 27.03.2012 erstellt hat, als sachverständige Zeugin „zum Gesundheitszustand und zur medizinischen Behandlung des Klägers“ zu hören. Dieser Beweisantrag wurde vom Verwaltungsgericht mit der Begründung abgelehnt, es fehle bereits an der Benennung einer beweiserheblichen Tatsache.
13 
Der Kläger hat mit seinem Zulassungsantrag nicht dargetan, dass die Ablehnung dieses Beweisantrags im Prozessrecht keine Stütze findet. Die Pflicht zur Substantiierung eines Zeugenbeweisantrags nach § 98 VwGO in Verbindung mit §§ 373 und 414 ZPO bezieht sich zum einen auf das Beweisthema, also auf die Bestimmtheit der Beweistatsachen und deren Wahrheit, und zum anderen darauf, welche einzelnen Wahrnehmungen der angebotene Zeuge in Bezug auf die Beweistatsachen (oder auf die zu deren Ermittlung dienenden Hilfs- oder Indiztatsachen) selbst gemacht haben soll (vgl. BVerwG, Beschluss vom 29.06.2001 - 1 B 131/00 -, NVwZ-RR 2002, 311). Der Beweisantrag muss außerdem eine für die Entscheidung des Falles erhebliche Tatsache betreffen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 22.10.2009 - 10 B 20/09 -, Juris Rn. 5).
14 
Hinsichtlich der im ärztlichen Attest vom 27.03.2012 angegebenen posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) konnte der Beweisantrag vom Verwaltungsgericht zu Recht abgelehnt werden, weil es an der erforderlichen Substantiierung der Beweistatsachen fehlte. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts gehört zur Substantiierung eines Sachverständigenbeweisantrags, der das Vorliegen einer behandlungsbedürftigen PTBS zum Gegenstand hat, angesichts der Unschärfen des Krankheitsbildes sowie seiner vielfältigen Symptome regelmäßig die Vorlage eines gewissen Mindestanforderungen genügenden fachärztlichen Attests. Aus diesem muss sich nachvollziehbar ergeben, auf welcher Grundlage der Facharzt seine Diagnose gestellt hat und wie sich die Krankheit im konkreten Fall darstellt. Dazu gehören etwa Angaben darüber, seit wann und wie häufig sich der Patient in ärztlicher Behandlung befunden hat und ob die von ihm geschilderten Beschwerden durch die erhobenen Befunde bestätigt werden. Des Weiteren sollte das Attest Aufschluss über die Schwere der Krankheit, deren Behandlungsbedürftigkeit sowie den bisherigen Behandlungsverlauf (Medikation und Therapie) geben. Wird das Vorliegen einer PTBS auf traumatisierende Erlebnisse im Heimatland gestützt und werden die Symptome erst längere Zeit nach der Ausreise aus dem Heimatland vorgetragen, so ist in der Regel auch eine Begründung dafür erforderlich, warum die Erkrankung nicht früher geltend gemacht worden ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 11.09.2007 - 10 C 8/07 -, BVerwGE 129, 251, 255 - Rn. 15 -). Da sich diese Anforderungen an die Substantiierung aus der allgemeinen Pflicht des Beteiligten ergeben, an der Erforschung des Sachverhalts mitzuwirken (§ 86 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 VwGO), die in besonderem Maße für Umstände gilt, die in die eigene Sphäre des Beteiligten fallen, sind diese Grundsätze auf die Beweiserhebung zum Thema PTBS durch Vernehmung des behandelnden Arztes als sachverständigen Zeugen zu übertragen.
15 
Das vom Kläger vorgelegte ärztliche Attest vom 27.03.2012 genügt - wie der Kläger nun im Zulassungsantrag (vgl. dort S. 3) selbst zugesteht - diesen Mindestanforderungen nicht. Dies gilt insbesondere deshalb, weil das in dem Attest vorausgesetzte traumatisierende Ereignis nach den - nicht angegriffenen - Feststellungen des Verwaltungsgerichts nicht stattgefunden hat.
16 
Auch hinsichtlich der im Übrigen von der behandelnden Ärztin in dem Attest diagnostizierten Erkrankungen („schweres gehemmt-depressives Syndrom bei chronifizierender depressiver Störung“ sowie „Migräne“) konnte der Beweisantrag zu Recht abgelehnt werden. Denn die Frage, ob diese Krankheiten tatsächlich vorliegen, war nicht entscheidungserheblich. Das Verwaltungsgericht hat ihr Vorliegen unterstellt, jedoch angenommen, dass der Kläger für diese Erkrankungen in Nigeria eine Behandlung finden kann.
17 
b) Auch die Anträge auf Einholung von Sachverständigengutachten wurden vom Verwaltungsgericht zu Recht abgelehnt.
18 
aa) Dies gilt zunächst hinsichtlich des begehrten Sachverständigengutachtens zum Beweis der Tatsache, „dass sich der Gesundheitszustand des Klägers bei einem Abbruch der medizinischen Behandlung derart verschlimmern würde, dass eine konkrete erhebliche Gefahr für Leib und Leben bestehe“. Das Verwaltungsgericht hat diesen Antrag mit der Begründung abgelehnt, er sei möglicherweise unsubstantiiert, jedenfalls betreffe er eine unerhebliche Tatsache. Denn der Kläger leide - wie festgestellt - an keiner posttraumatischen Belastungsstörung. Daher bestehe im Falle seiner Rückkehr auch nicht, wie in der ärztlichen Bescheinigung vom 27.03.2012 angegeben, die Gefahr einer „Retraumatisierung“ sowie des Suizids.
19 
Diese Begründung des Verwaltungsgerichts ist im Ergebnis nicht zu beanstanden. Da das Vorliegen einer posttraumatischen Belastungsstörung entsprechend der oben dargestellten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nicht hinreichend substantiiert vorgetragen worden war, musste auch nicht zu den Folgen eines Behandlungsabbruchs einer posttraumatischen Belastungsstörung Beweis erhoben werden. Eine Beweiserhebung über die Folgen eines Abbruchs der Behandlung der übrigen Erkrankungen war mangels Erheblichkeit entbehrlich, weil das Gericht davon ausging, dass diese Krankheiten auch bei einer Rückkehr des Klägers behandelt werden können.
20 
bb) Schließlich hat das Verwaltungsgericht auch den Antrag des Klägers, ein Sachverständigengutachten zum Beweis der Tatsache einzuholen, dass „in Nigeria für seine Erkrankungen keine Behandlungsmöglichkeiten zur Verfügung stehen und auch tatsächlich nicht erreichbar sind“, zu Recht abgelehnt. Insoweit kann hinsichtlich des behaupteten Vorliegens einer PTBS auf die vorstehenden Ausführungen verwiesen werden. Bezüglich der Behandelbarkeit des „schweren gehemmt-depressiven Syndroms bei chronifizierender depressiver Störung“ sowie „Migräne“ fehlt es deshalb an der Entscheidungserheblichkeit, weil das Verwaltungsgericht darauf abgestellt hat, dass der Kläger über genug finanzielle Mittel verfüge, um sich die nötigen Medikamente in Nigeria leisten zu können. Es ist nicht ersichtlich, dass sich das Sachverständigengutachten auch auf die persönlichen finanziellen Mittel der Klägers erstrecken sollte. Der Beweisantrag ist daher auch zu unsubstantiiert, weil er sich nicht konkret auf die Behandelbarkeit dieser weiteren Krankheiten und die finanzielle Situation des Klägers als Beweistatsache bezieht.
21 
4. Die Kostenentscheidung für das gemäß § 83b AsylVfG gerichtskostenfreie Verfahren beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Der Gegenstandswert bestimmt sich nach § 30 RVG.
22 
Der Beschluss ist unanfechtbar.

(1) Die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Prozesskostenhilfe sowie § 569 Abs. 3 Nr. 2 der Zivilprozessordnung gelten entsprechend. Einem Beteiligten, dem Prozesskostenhilfe bewilligt worden ist, kann auch ein Steuerberater, Steuerbevollmächtigter, Wirtschaftsprüfer oder vereidigter Buchprüfer beigeordnet werden. Die Vergütung richtet sich nach den für den beigeordneten Rechtsanwalt geltenden Vorschriften des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes.

(2) Die Prüfung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nach den §§ 114 bis 116 der Zivilprozessordnung einschließlich der in § 118 Absatz 2 der Zivilprozessordnung bezeichneten Maßnahmen, der Beurkundung von Vergleichen nach § 118 Absatz 1 Satz 3 der Zivilprozessordnung und der Entscheidungen nach § 118 Absatz 2 Satz 4 der Zivilprozessordnung obliegt dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle des jeweiligen Rechtszugs, wenn der Vorsitzende ihm das Verfahren insoweit überträgt. Liegen die Voraussetzungen für die Bewilligung der Prozesskostenhilfe hiernach nicht vor, erlässt der Urkundsbeamte die den Antrag ablehnende Entscheidung; anderenfalls vermerkt der Urkundsbeamte in den Prozessakten, dass dem Antragsteller nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen Prozesskostenhilfe gewährt werden kann und in welcher Höhe gegebenenfalls Monatsraten oder Beträge aus dem Vermögen zu zahlen sind.

(3) Dem Urkundsbeamten obliegen im Verfahren über die Prozesskostenhilfe ferner die Bestimmung des Zeitpunkts für die Einstellung und eine Wiederaufnahme der Zahlungen nach § 120 Absatz 3 der Zivilprozessordnung sowie die Änderung und die Aufhebung der Bewilligung der Prozesskostenhilfe nach den §§ 120a und 124 Absatz 1 Nummer 2 bis 5 der Zivilprozessordnung.

(4) Der Vorsitzende kann Aufgaben nach den Absätzen 2 und 3 zu jedem Zeitpunkt an sich ziehen. § 5 Absatz 1 Nummer 1, die §§ 6, 7, 8 Absatz 1 bis 4 und § 9 des Rechtspflegergesetzes gelten entsprechend mit der Maßgabe, dass an die Stelle des Rechtspflegers der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle tritt.

(5) § 87a Absatz 3 gilt entsprechend.

(6) Gegen Entscheidungen des Urkundsbeamten nach den Absätzen 2 und 3 kann innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe die Entscheidung des Gerichts beantragt werden.

(7) Durch Landesgesetz kann bestimmt werden, dass die Absätze 2 bis 6 für die Gerichte des jeweiligen Landes nicht anzuwenden sind.

Entscheidungen in Rechtsstreitigkeiten nach diesem Gesetz können vorbehaltlich des § 133 Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung nicht mit der Beschwerde angefochten werden.

(1) Entscheidungen des Oberverwaltungsgerichts können vorbehaltlich des § 99 Abs. 2 und des § 133 Abs. 1 dieses Gesetzes sowie des § 17a Abs. 4 Satz 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes nicht mit der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht angefochten werden.

(2) Im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gilt für Entscheidungen des beauftragten oder ersuchten Richters oder des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle § 151 entsprechend.