Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss, 12. Dez. 2017 - 20 CS 17.2000

bei uns veröffentlicht am12.12.2017
vorgehend
Verwaltungsgericht München, M 18 S 17.2269, 31.08.2017

Gericht

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof

Tenor

I. Der Beschluss des Verwaltungsgerichts München vom 31. August 2017 wird geändert. Die aufschiebende Wirkung der Klage der Antragstellerin gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 3. Mai 2017 wird wiederhergestellt.

II. Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.

III. Der Streitwert wird unter Änderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts für beide Rechtszüge auf 2.500,- Euro festgesetzt.

Gründe

Die zulässige Beschwerde der Antragstellerin (§ 146 Abs. 4 Satz 1 – 3, § 147 Abs. 1 VwGO) hat in der Sache Erfolg und führt zur Änderung der erstinstanzlichen Entscheidung sowie zur Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage der Antragstellerin gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 3. Mai 2017.

Bei der im einstweiligen Rechtschutzverfahren nur möglichen summarischen Prüfung der Erfolgsaussichten der von der Antragstellerin erhobenen Anfechtungsklage gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 3. Mai 2017, in dem der Antragsgegner die Antragstellerin im Wesentlichen verpflichtete, die von ihrer Lizenznehmerin vertriebenen Gehhilfen zurückzurufen, spricht Überwiegendes dafür, dass der streitgegenständliche Bescheid rechtswidrig ist und die Antragstellerin in ihren Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO), weil die Antragstellerin nicht Verantwortliche im Sinne des § 5 Medizinproduktegesetz (MPG) ist.

Rechtsgrundlage der vom Antragsgegner getroffenen Rückrufanordnung ist § 28 Abs. 2 Satz 2, Abs. 1 MPG. Danach kann die zuständige Behörde u.a. den Rückruf des Medizinprodukts anordnen, soweit dies zum Schutze der Gesundheit und Sicherheit der Patienten, Anwender und Dritten erforderlich ist. Diese Voraussetzung ist zwischen den Beteiligten unstrittig und wird deshalb vom Senat nicht in Zweifel gezogen. Nach § 15 der Verordnung über die Erfassung, Bewertung und Abwehr von Risiken bei Medizinprodukten (MPSV) ist der Rückruf als Maßnahme gegen den nach § 5 MPG Verantwortlichen zu richten, soweit dieser die erforderlichen Maßnahmen nicht selbst trifft oder diese nicht ausreichen. Verantwortlicher für das erstmalige Inverkehrbringen von Medizinprodukten ist nach § 5 Satz 1 MPG der Hersteller oder sein Bevollmächtigter. Hersteller ist nach § 3 Nr. 15 MPG die natürliche oder juristische Person, die für die Auslegung, Herstellung, Verpackung und Kennzeichnung eines Medizinproduktes im Hinblick auf das erstmalige Inverkehrbringen im eigenen Namen verantwortlich ist, unabhängig davon, ob diese Tätigkeiten von dieser Person oder stellvertretend für diese von einer dritten Person ausgeführt werden.

Inverkehrbringen ist jede entgeltliche oder unentgeltliche Abgabe von Medizinprodukten an andere. Erstmaliges Inverkehrbringen ist die erste Abgabe von neuen oder als neu aufbereiteten Medizinprodukten an andere im Europäischen Wirtschaftsraum. Als Inverkehrbringen nach diesem Gesetz gilt nach § 3 Nr. 11 MPG nicht die Abgabe von Medizinprodukten zum Zwecke der klinischen Prüfung (a), die Abgabe von In-vitro-Diagnostika für Leistungsbewertungsprüfungen (b), die erneute Abgabe eines Medizinproduktes nach seiner Inbetriebnahme an andere, es sei denn, dass es als neu aufbereitet oder wesentlich verändert worden ist (c). Zwar ist diese Vorschrift auf den vorliegenden Fall nicht direkt anwendbar, weil sie die erneute Abgabe eines Medizinprodukts nach seiner Inbetriebnahme voraussetzt. Die Interessenlage ist jedoch mit der Interessenlage vergleichbar, in der ein Lizenznehmer ein bereits auf dem Markt befindliches Medizinprodukt bei der Linzenzfertigung derart verändert, dass es den Spezifikationen des lizensierten Medizinproduktes nicht mehr entspricht. Im Falle des § 3 Nr. 11 Buchst. c) MPG führt nämlich eine wesentliche Veränderung des bereits in Betrieb genommenen Produktes dazu, dass ein erstmaliges Inverkehrbringen vorliegt und der verändernde Verkäufer als verantwortlicher Hersteller gilt, mit der Folge, dass er für die Erfüllung der Konformitätsbewertungsverfahren und die CE-Kennzeichnung des (neuen) Medizinproduktes in Anspruch genommen werden kann (vgl. Lücker in: Spickhoff, Medizinrecht, 2.A. 2014, § 3 MPG Rn. 15, 16; OLG Frankfurt, U.v. 24.3.2000 – 6 U 8/00 – juris). Entsprechend ist die Interessenlage im hier zu entscheidenden Fall. Das Verwaltungsgericht und selbst der Beklagte in der Begründung der angefochtenen Verfügung gehen übereinstimmend davon aus, dass die ausschließliche Lizenznehmerin der Klägerin die Gehhilfen vom 1. April 2014 bis zum 28. April 2015 gefertigt und vertrieben hat. Während dieses Zeitraums seien abweichend von den grundlegenden Anforderungen Gehhilfen gefertigt und vertrieben worden, die durch ein verändertes Produktionswerkzeug, durch die Verwendung von nicht zertifizierten Rohren und durch Änderung der Kunststoffmischung nicht spezifikationsgerecht gewesen seien, was zu einer erhöhten Bruchgefahr geführt habe. Damit hat jedoch die Lizenznehmerin das Medizinprodukt in so veränderter Beschaffenheit in den Verkehr gebracht, dass sie von der ursprünglichen CE-Kennzeichnung nicht mehr erfasst wurden. Soweit im einstweiligen Rechtsschutzverfahren ersichtlich, hat die Lizenznehmerin im betreffenden Zeitraum das Medizinprodukt auch im eigenen Namen in Verkehr gebracht. Entscheidend hierbei ist allein die Kennzeichnung mit ihrem Namen und der willentlichen Position, als Hersteller nach außen in Erscheinung zu treten (Lücker in: Spickhoff, Medizinrecht, § 3 MPG Rn 20). Laut den sich in den Akten befindlichen Rechnungen wurden die Gehhilfen zwar als Ganymed bezeichnet. Die Rechnungsstellung erfolgte aber auf eigenem Namen der ausschließlichen Lizenznehmerin. Diese ist gegenüber dem Verbraucher als Hersteller aufgetreten. Dieser Umstand wird auch dadurch unterstrichen, dass ausweislich der Präambel des Lizenzvertrags die Lizenznehmerin beabsichtigt habe, das Vertragsprodukt herzustellen und zu vertreiben, so dass viel dafür spricht, dass die Lizenznehmerin gegenüber dem Verbraucher als Herstellerin aufgetreten ist. Damit ging die Verantwortlichkeit für das nunmehr erstmalige Inverkehrbringen dieses Produktes nach § 5 MPG auf die ausschließliche Lizenznehmerin über.

Dass die Antragstellerin möglicherweise ihrer Anzeigepflicht nach § 25 Abs. 4 MPG nicht nachgekommen ist, ändert an ihrer fehlenden Verantwortlichkeit nach § 5 Satz 1 MPG nichts. Dafür, dass bei einer Verletzung der Anzeigepflicht nach § 25 MPG bis zum Eingang der Änderungsanzeige die Herstellereigenschaft der Antragstellerin fortbestehen könnte, bietet das Gesetz keine Anhaltspunkte. Verstöße gegen diese Anzeigepflichten stellen gemäß § 42 Abs. 2 Nr. 11 eine Ordnungswidrigkeit dar, welche gemäß § 42 Abs. 3 mit einer Geldbuße und bis zu 25.000 € geahndet werden kann.

Nachdem sich bei summarischer Prüfung die Rechtswidrigkeit des Bescheids des Antragsgegners ergibt, muss die im einstweiligen Rechtsschutzverfahren gebotene Interessenabwägung trotz der vom Antragsgegner angeführten Verbraucherschutzinteressen zugunsten der Antragstellerin ausfallen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, die Streitwertfestsetzung folgt aus § 52 Abs. 2, § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 47 Abs. 1 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

ra.de-Urteilsbesprechung zu Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss, 12. Dez. 2017 - 20 CS 17.2000

Urteilsbesprechung schreiben

0 Urteilsbesprechungen zu Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss, 12. Dez. 2017 - 20 CS 17.2000

Referenzen - Gesetze

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss, 12. Dez. 2017 - 20 CS 17.2000 zitiert 10 §§.

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 113


(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag au

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 52 Verfahren vor Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit


(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 47 Rechtsmittelverfahren


(1) Im Rechtsmittelverfahren bestimmt sich der Streitwert nach den Anträgen des Rechtsmittelführers. Endet das Verfahren, ohne dass solche Anträge eingereicht werden, oder werden, wenn eine Frist für die Rechtsmittelbegründung vorgeschrieben ist, inn

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 152


(1) Entscheidungen des Oberverwaltungsgerichts können vorbehaltlich des § 99 Abs. 2 und des § 133 Abs. 1 dieses Gesetzes sowie des § 17a Abs. 4 Satz 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes nicht mit der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht angefochte

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 53 Einstweiliger Rechtsschutz und Verfahren nach § 148 Absatz 1 und 2 des Aktiengesetzes


(1) In folgenden Verfahren bestimmt sich der Wert nach § 3 der Zivilprozessordnung: 1. über die Anordnung eines Arrests, zur Erwirkung eines Europäischen Beschlusses zur vorläufigen Kontenpfändung, wenn keine Festgebühren bestimmt sind, und auf Erlas

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 147


(1) Die Beschwerde ist bei dem Gericht, dessen Entscheidung angefochten wird, schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe der Entscheidung einzulegen. § 67 Abs. 4 bleibt unberührt.

Gesetz über Medizinprodukte


Medizinproduktegesetz - MPG

Medizinprodukte-Sicherheitsplanverordnung - MPSV | § 15 Maßnahmen der zuständigen Behörden


Soweit ein Verantwortlicher nach § 5 des Medizinproduktegesetzes die erforderlichen korrektiven Maßnahmen nicht eigenverantwortlich trifft oder die getroffenen Maßnahmen nicht ausreichen, trifft die zuständige Behörde die notwendigen Maßnahmen gegen

Referenzen - Urteile

Urteil einreichen

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss, 12. Dez. 2017 - 20 CS 17.2000 zitiert oder wird zitiert von 1 Urteil(en).

1 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss, 12. Dez. 2017 - 20 CS 17.2000.

Verwaltungsgericht München Urteil, 20. März 2019 - M 18 K 17.2194

bei uns veröffentlicht am 20.03.2019

Tenor I. Der Bescheid des Beklagten vom *. Mai 2017 wird aufgehoben. II. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens. III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch S

Referenzen

(1) Die Beschwerde ist bei dem Gericht, dessen Entscheidung angefochten wird, schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe der Entscheidung einzulegen. § 67 Abs. 4 bleibt unberührt.

(2) Die Beschwerdefrist ist auch gewahrt, wenn die Beschwerde innerhalb der Frist bei dem Beschwerdegericht eingeht.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

Soweit ein Verantwortlicher nach § 5 des Medizinproduktegesetzes die erforderlichen korrektiven Maßnahmen nicht eigenverantwortlich trifft oder die getroffenen Maßnahmen nicht ausreichen, trifft die zuständige Behörde die notwendigen Maßnahmen gegen den Verantwortlichen nach § 5 des Medizinproduktegesetzes oder den in Deutschland ansässigen Vertreiber. Dies gilt für den Sponsor oder die die klinischen Prüfung oder die Leistungsbewertungsprüfung durchführenden Personen entsprechend.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

(2) Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5 000 Euro anzunehmen.

(3) Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend. Hat der Antrag des Klägers offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte, ist die Höhe des sich aus Satz 1 ergebenden Streitwerts um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für den Kläger anzuheben, wobei die Summe das Dreifache des Werts nach Satz 1 nicht übersteigen darf. In Verfahren in Kindergeldangelegenheiten vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit ist § 42 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 entsprechend anzuwenden; an die Stelle des dreifachen Jahresbetrags tritt der einfache Jahresbetrag.

(4) In Verfahren

1.
vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit, mit Ausnahme der Verfahren nach § 155 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung und der Verfahren in Kindergeldangelegenheiten, darf der Streitwert nicht unter 1 500 Euro,
2.
vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und bei Rechtsstreitigkeiten nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht über 2 500 000 Euro,
3.
vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit über Ansprüche nach dem Vermögensgesetz nicht über 500 000 Euro und
4.
bei Rechtsstreitigkeiten nach § 36 Absatz 6 Satz 1 des Pflegeberufegesetzes nicht über 1 500 000 Euro
angenommen werden.

(5) Solange in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit der Wert nicht festgesetzt ist und sich der nach den Absätzen 3 und 4 Nummer 1 maßgebende Wert auch nicht unmittelbar aus den gerichtlichen Verfahrensakten ergibt, sind die Gebühren vorläufig nach dem in Absatz 4 Nummer 1 bestimmten Mindestwert zu bemessen.

(6) In Verfahren, die die Begründung, die Umwandlung, das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Beendigung eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses betreffen, ist Streitwert

1.
die Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen, wenn Gegenstand des Verfahrens ein Dienst- oder Amtsverhältnis auf Lebenszeit ist,
2.
im Übrigen die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen.
Maßgebend für die Berechnung ist das laufende Kalenderjahr. Bezügebestandteile, die vom Familienstand oder von Unterhaltsverpflichtungen abhängig sind, bleiben außer Betracht. Betrifft das Verfahren die Verleihung eines anderen Amts oder den Zeitpunkt einer Versetzung in den Ruhestand, ist Streitwert die Hälfte des sich nach den Sätzen 1 bis 3 ergebenden Betrags.

(7) Ist mit einem in Verfahren nach Absatz 6 verfolgten Klagebegehren ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Klagebegehren, und zwar das wertmäßig höhere, maßgebend.

(8) Dem Kläger steht gleich, wer sonst das Verfahren des ersten Rechtszugs beantragt hat.

(1) In folgenden Verfahren bestimmt sich der Wert nach § 3 der Zivilprozessordnung:

1.
über die Anordnung eines Arrests, zur Erwirkung eines Europäischen Beschlusses zur vorläufigen Kontenpfändung, wenn keine Festgebühren bestimmt sind, und auf Erlass einer einstweiligen Verfügung sowie im Verfahren über die Aufhebung, den Widerruf oder die Abänderung der genannten Entscheidungen,
2.
über den Antrag auf Zulassung der Vollziehung einer vorläufigen oder sichernden Maßnahme des Schiedsgerichts,
3.
auf Aufhebung oder Abänderung einer Entscheidung auf Zulassung der Vollziehung (§ 1041 der Zivilprozessordnung),
4.
nach § 47 Absatz 5 des Energiewirtschaftsgesetzes über gerügte Rechtsverletzungen, der Wert beträgt höchstens 100 000 Euro, und
5.
nach § 148 Absatz 1 und 2 des Aktiengesetzes; er darf jedoch ein Zehntel des Grundkapitals oder Stammkapitals des übertragenden oder formwechselnden Rechtsträgers oder, falls der übertragende oder formwechselnde Rechtsträger ein Grundkapital oder Stammkapital nicht hat, ein Zehntel des Vermögens dieses Rechtsträgers, höchstens jedoch 500 000 Euro, nur insoweit übersteigen, als die Bedeutung der Sache für die Parteien höher zu bewerten ist.

(2) In folgenden Verfahren bestimmt sich der Wert nach § 52 Absatz 1 und 2:

1.
über einen Antrag auf Erlass, Abänderung oder Aufhebung einer einstweiligen Anordnung nach § 123 der Verwaltungsgerichtsordnung oder § 114 der Finanzgerichtsordnung,
2.
nach § 47 Absatz 6, § 80 Absatz 5 bis 8, § 80a Absatz 3 oder § 80b Absatz 2 und 3 der Verwaltungsgerichtsordnung,
3.
nach § 69 Absatz 3, 5 der Finanzgerichtsordnung,
4.
nach § 86b des Sozialgerichtsgesetzes und
5.
nach § 50 Absatz 3 bis 5 des Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetzes.

(1) Im Rechtsmittelverfahren bestimmt sich der Streitwert nach den Anträgen des Rechtsmittelführers. Endet das Verfahren, ohne dass solche Anträge eingereicht werden, oder werden, wenn eine Frist für die Rechtsmittelbegründung vorgeschrieben ist, innerhalb dieser Frist Rechtsmittelanträge nicht eingereicht, ist die Beschwer maßgebend.

(2) Der Streitwert ist durch den Wert des Streitgegenstands des ersten Rechtszugs begrenzt. Das gilt nicht, soweit der Streitgegenstand erweitert wird.

(3) Im Verfahren über den Antrag auf Zulassung des Rechtsmittels und im Verfahren über die Beschwerde gegen die Nichtzulassung des Rechtsmittels ist Streitwert der für das Rechtsmittelverfahren maßgebende Wert.

(1) Entscheidungen des Oberverwaltungsgerichts können vorbehaltlich des § 99 Abs. 2 und des § 133 Abs. 1 dieses Gesetzes sowie des § 17a Abs. 4 Satz 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes nicht mit der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht angefochten werden.

(2) Im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gilt für Entscheidungen des beauftragten oder ersuchten Richters oder des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle § 151 entsprechend.