Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss, 23. Mai 2014 - 16b DC 13.621

published on 23/05/2014 00:00
Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss, 23. Mai 2014 - 16b DC 13.621
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Tenor

Der Beschluss des Verwaltungsgerichts Ansbach wird in Ziffer 1 dahingehend abgeändert, dass die Durchsuchung Geschäftsunterlagen ab dem Zeitraum vom 1. April 2010 betrifft.

Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

Gründe

I.

Die Antragstellerin stellte mit Schreiben vom 10. Januar 2013 (erneut) Antrag auf Anordnung von Durchsuchungs- und Beschlagnahmemaßnahmen am Firmensitz und früheren privaten Wohnsitz sowie am neuen Wohnsitz des Antragsgegners. Zur Begründung wurde geltend gemacht, dass der Antragsgegner seine nicht genehmigte Nebentätigkeit trotz des seit 11. Juni 2009 eingeleiteten Disziplinarverfahrens fortgesetzt habe und sich hierfür Beweise in den Wohn- und Geschäftsräumen des Antragsgegners finden ließen. Bereits mit Beschluss vom 19. Oktober 2009 (Az. 16b DC 09.2188) hatte der Verwaltungsgerichtshof einen Durchsuchungs- und Beschlagnahmebeschluss erlassen, aufgrund dessen eine Wohnungsdurchsuchung und eine Beschlagnahme von Beweismitteln am 27. November 2009 stattfand.

Mit Beschluss vom 21. Januar 2013 ordnete das Verwaltungsgericht die Durchsuchung der Räumlichkeiten des Firmensitzes und des früheren privaten Wohnsitzes sowie des neuen privaten Wohnsitzes des Antragsgegners sowie die Beschlagnahme von bei der Durchsuchung aufgefundenen Beweismitteln gemäß § 27 BDG im Zeitraum ab Juli 2004, insbesondere aber nach dem 1. April 2010 bis zum Zeitpunkt der Untersuchung an.

Der Beschluss wurde am 5. März 2013 vollzogen.

Gegen den Beschluss vom 21. Januar 2013 legte der Antragsgegner am 19. März 2013 Beschwerde ein mit dem Antrag,

den Beschluss des Verwaltungsgerichts Ansbach vom 21. Januar 2013 aufzuheben.

In dem Beschluss sei die Durchsuchung und Beschlagnahme von Geschäftsunterlagen im Zeitraum ab Juli 2004 angeordnet worden. Eine derartige Untersuchung und Beschlagnahmeanordnung sei jedoch bereits 2009 erfolgt. Es seien weder Gründe vorgetragen noch ersichtlich, warum eine diesbezügliche Durchsuchungs- und Beschlagnahmeanordnung erneut erforderlich gewesen sei. Des Weiteren ergebe sich aus den Recherchen der Antragstellerin gerade nichts dafür, dass der Antragsgegner eine Nebentätigkeit nach Ablehnung seiner diesbezüglich beantragten Nebentätigkeitsgenehmigung mit Bescheid vom 1. April 2010 bis heute fortsetze, er u. a. im Jahr 2010 den sog. F.-marathon organisiert habe. Es fehle hier an einer substantiierten und plausiblen Darlegung, aus der sich die offenkundige Organisation des F...-Radmarathons durch den Antragsgegner ergebe. Im Hinblick auf den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz könnten die vorgetragenen vagen Vermutungen nicht bereits eine erneute Durchsuchungsanordnung rechtfertigen. Schließlich sei auch zu berücksichtigen, dass die Antragstellerin erst neun Monate nach den entsprechenden Hinweisen im Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 11. April 2012 (Az. 16b DC 11.985) einen entsprechenden Antrag auf Durchsuchung und Beschlagnahme gestellt habe.

Die Antragstellerin beantragte,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Der Grund für die erneute Beschlagnahmeanordnung für den Zeitraum Juli 2004 trotz der bereits erfolgten Durchsuchung am 27. November 2009 sei dem Antragsgegner sehr wohl bekannt. Bei der damaligen Untersuchung sei aus Gründen der Verhältnismäßigkeit auf die Beschlagnahme der diversen Firmenrechner und Festplatten verzichtet worden, da der Antragsgegner den beteiligten Beamten versichert habe, dass sämtliche Geschäftsunterlagen auf dem Firmenlaptop vorhanden wären. Dies habe nicht der Wahrheit entsprochen, wie sich nach der Auswertung des Laptops herausgestellt habe. Den endgültigen Beweis habe jedoch die Auswertung der bei der zweiten Durchsuchung beschlagnahmten 15 Rechner und 15 zusätzlichen Speichermedien erbracht. Wäre die Organisation des F.-marathons bereits aufgrund des Beweismaterials der ersten Durchsuchung offenkundig gewesen, hätte der Verwaltungsgerichtshof bei seiner Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Suspendierung und Bezügekürzung die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis als überwiegend wahrscheinlich angesehen. Dass auch Unterlagen mit entsprechender Beweiskraft über die zukünftige Organisation des jährlich stattfindenden Sportereignisses für die Jahre 2010, 2011 und 2012 im Jahre 2009 noch nicht in ausreichender Menge aufzufinden gewesen seien, liege in der Natur der zeitlichen Reihenfolge. Die Zeitspanne vom Zugang des Beschlusses des Verwaltungsgerichtshofs am 19. April 2012 bis zur Antragstellung erkläre sich u. a. mit einem Vorschlag des Antragsgegners für eine gütliche Einigung und weiteren Prüfungen.

Zur Ergänzung wird auf die Gerichts- und Behördenakten verwiesen.

II.

Die zulässige Beschwerde ist insoweit begründet, als eine entsprechende Durchsuchung der Geschäftsunterlagen nicht auf den Zeitraum ab 1. Oktober 2010, sondern bereits auf den Zeitraum ab Juli 2004 bezogen wurde. Im Übrigen ist sie unbegründet.

Der Zulässigkeit steht nicht entgegen, dass die verwaltungsgerichtliche Entscheidung bereits vor Einlegung der Beschwerde vollzogen worden ist. Denn die angefochtene Entscheidung kann noch Wirkung auf das weitere Verfahren entfalten (BVerwG, B. v. 7.8.2012 - 2 WBD 1/12 - juris Rn. 23). Die aufgrund der Durchsuchung beschlagnahmten Gegenstände und die daraus gewonnenen Erkenntnisse können im weiteren Verlauf gegen den Antragsgegner verwendet werden. Durchsuchung und Beschlagnahme haben sich daher nicht erledigt (vgl. hierzu auch BVerfG, B. v. 30.4.1997 - 2 BvR 817/90 - BverfGE 96, 27 - juris Rn. 48 f.).

Es lagen die Voraussetzungen für den Erlass einer Durchsuchungs- und Beschlagnahmeanordnung vor (§ 27 Abs. 1 BDG).

Der Antragsgegner (Beamte) ist der Begehung eines schwerwiegenden Dienstvergehens dringend verdächtig. Es besteht der dringende Tatverdacht, dass der Beamte auch nach Ablehnung der Nebentätigkeitsgenehmigung am 1. Oktober 2010 den F...-Radmarathon als Hauptorganisator weiterhin organisiert hat. Der Antragsgegner ist diesbezüglich auch alleiniger Rechteinhaber des F...-Radmarathons, die Organisation läuft komplett über die Firma F... media, wobei der Antragsgegner als Hauptverantwortlicher zeichnet. Über ihn wurde auch auf einschlägigen Internetplattformen als Organisator für 2011 und 2012 berichtet. Demnach bestand im Zeitpunkt des Erlasses der Durchsuchungsanordnung ein dringender Tatverdacht, dass der Antragsgegner auch nach Versagung der Nebentätigkeitsgenehmigung seine Nebentätigkeit weiter ausgeübt hat. Dies rechtfertigt eine entsprechende Durchsuchung der Geschäftsunterlagen bezogen ab dem Zeitraum vom 1. Oktober 2010 (vergl. zur zeitlichen Einschränkung BVerfG, B. v. 20.4.2008 - 2 BvR 1231/04 - juris Rn. 16, 17). Soweit im angefochtenen Beschluss der Zeitraum ab Juli 2004 ebenfalls genannt ist, steht dem entgegen, dass dieser Zeitraum bereits durch die durch Beschluss des Verwaltungsgerichthofs vom 19. Oktober 2009 genehmigte Wohnungs- und Beschlagnahmeanordnung abgedeckt ist. Um eine nochmalige Durchsuchung für den Zeitraum zu rechtfertigen, hätte es einer detaillierten Begründung bedurft. Insoweit kann sich die Antragstellerin auch nicht auf den Vortrag im Beschwerdeverfahren berufen, dass bei der am 27. November 2009 erfolgten Durchsuchung aus Gründen der Verhältnismäßigkeit auf die Beschlagnahme der diversen Firmenrechner und Festplatten verzichtet worden sei, da der Antragsgegner dem beteiligten Beamten versichert habe, dass sämtliche Geschäftsunterlagen auf dem Firmenlaptop vorhanden wären. Eine nachträgliche Rechtfertigung führt, wenn die Durchsuchung - wie hier - bereits stattgefunden hat, im Beschwerdevefahren nicht zu einer Heilung (BVerfG, B. v. 5.3.2012 - 2 BvR 1345/08 - juris Rn. 18). Darüber hinaus umfasst der Antrag der Antragstellerin vom 10. Januar 2013 auch lediglich den Zeitraum ab 1. April 2010 (vgl. Schriftsatz d. Antragstellers v. 10.1.2013 auf S. 6 unter V.). Bereits der Antrag steht einer weiteren Ausdehnung des Zeitraums entgegen.

Unerheblich ist, dass die Antragstellerin erst neun Monate nach dem Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs vom 11. April 2012 einen weiteren Antrag auf Durchsuchung und Beschlagnahme gestellt hat. Ein nachvollziehbarer Grund hierfür waren weitere Prüfungen der Antragstellerin von frei zugänglichen Beweismaterial sowie ein Vorschlag des Antragsgegners zur gütlichen Einigung. Außerdem war dem Antragsgegner klar, dass sich der Tatvorwurf weiter auf die ungenehmigte Nebentätigkeit bezog.

Die Kostenentscheidung bleibt, weil es sich um eine unselbstständige Nebenentscheidung handelt, dem Hauptsacheverfahren vorbehalten (BayVGH, B. v. 19.10.2009 - 16b DC 09.2188 - juris Rn. 30; zum Bayerischen Disziplinarrecht BayVGH, B. v. 7.3.2007 - 16a CD 07.1 - juris Rn. 36).

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 3 BDG i. V. m. § 152 VwGO).

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(1) Entscheidungen des Oberverwaltungsgerichts können vorbehaltlich des § 99 Abs. 2 und des § 133 Abs. 1 dieses Gesetzes sowie des § 17a Abs. 4 Satz 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes nicht mit der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht angefochte

Zur Ergänzung dieses Gesetzes sind die Bestimmungen des Verwaltungsverfahrensgesetzes und der Verwaltungsgerichtsordnung entsprechend anzuwenden, soweit sie nicht zu den Bestimmungen dieses Gesetzes in Widerspruch stehen oder soweit nicht in diesem G

(1) Das Gericht kann auf Antrag durch Beschluss Beschlagnahmen und Durchsuchungen anordnen; § 25 Abs. 3 gilt entsprechend. Die Anordnung darf nur getroffen werden, wenn der Beamte des ihm zur Last gelegten Dienstvergehens dringend verdächtig ist und
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published on 05/03/2012 00:00

Tenor Der Beschluss des Amtsgerichts Langenfeld vom 19. November 2007 - 40 Gs 71/07 -, soweit er die Durchsuchung der Geschäftsräume der Beschwerdeführerin angeordnet hat, und der Beschluss de
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Annotations

(1) Das Gericht kann auf Antrag durch Beschluss Beschlagnahmen und Durchsuchungen anordnen; § 25 Abs. 3 gilt entsprechend. Die Anordnung darf nur getroffen werden, wenn der Beamte des ihm zur Last gelegten Dienstvergehens dringend verdächtig ist und die Maßnahme zu der Bedeutung der Sache und der zu erwartenden Disziplinarmaßnahme nicht außer Verhältnis steht. Die Bestimmungen der Strafprozessordnung über Beschlagnahmen und Durchsuchungen gelten entsprechend, soweit nicht in diesem Gesetz etwas anderes bestimmt ist.

(2) Die Maßnahmen nach Absatz 1 dürfen nur durch die nach der Strafprozessordnung dazu berufenen Behörden durchgeführt werden.

(3) Durch Absatz 1 wird das Grundrecht der Unverletzlichkeit der Wohnung (Artikel 13 Abs. 1 des Grundgesetzes) eingeschränkt.

Zur Ergänzung dieses Gesetzes sind die Bestimmungen des Verwaltungsverfahrensgesetzes und der Verwaltungsgerichtsordnung entsprechend anzuwenden, soweit sie nicht zu den Bestimmungen dieses Gesetzes in Widerspruch stehen oder soweit nicht in diesem Gesetz etwas anderes bestimmt ist.

(1) Entscheidungen des Oberverwaltungsgerichts können vorbehaltlich des § 99 Abs. 2 und des § 133 Abs. 1 dieses Gesetzes sowie des § 17a Abs. 4 Satz 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes nicht mit der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht angefochten werden.

(2) Im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gilt für Entscheidungen des beauftragten oder ersuchten Richters oder des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle § 151 entsprechend.