Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss, 01. Juli 2015 - 13 A 14.1109

bei uns veröffentlicht am01.07.2015

Gericht

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof

Tenor

Das Ablehnungsgesuch gegen den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgerichtshof Dr. Mayr, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Grote und den Beisitzer Leitender Baudirektor Dipl.-Ing. ... wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Der Kläger ist Teilnehmer des mit Beschluss vom 3. Mai 1982 angeordneten Flurbereinigungsverfahrens S. 3. Am 4. März 2002 stellte der Vorstand der Beklagten die Wertermittlungsergebnisse fest. Hiergegen erhob der Kläger Widerspruch und am 29. Juni 2008 Klage. Mit Urteil vom 22. Oktober 2014 wurde die Feststellung der Ergebnisse der Wertermittlung geändert. Der Kläger beantragte mit Schreiben vom 17. und 18. Januar 2015, den Tatbestand des Urteils zu berichtigen und es nachträglich zu ergänzen. Diese Anträge wurden mit Beschlüssen vom 18. März 2015 abgelehnt.

Weiter erhob der Kläger mit Schreiben vom 3. und 4. April 2015 eine Anhörungsrüge und hat unter Bezugnahme auf die „Kollegialentscheidung“ vorliegenden Befangenheitsantrag gegen „alle Richter“ gestellt. Das Gericht habe zwei Mal parteiisch entschieden und werde es auch weiter tun. Der Antrag sei deshalb im Hinblick auf die Anträge nach § 152a VwGO gestellt worden. Des Weiteren fehlten bei den Gerichtsbeschlüssen die richterlichen Unterschriften. Somit habe der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte zu Recht Verstöße gegen Art. 6 und 13 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) festgestellt.

Die abgelehnten Richter haben sich zum Ablehnungsgesuch dienstlich geäußert. Mit Schreiben vom 15. April 2015 sind die Äußerungen dem Kläger mit der Gelegenheit zur Stellungnahme übersandt worden.

Mit Schreiben vom 9. und 18. Juni 2015 hat der Kläger unter Verweis auf höchstrichterliche Entscheidungen Fragen zum Unterschriftserfordernis sowie zur Richtereigenschaft der als befangen abgelehnten Richter und zu deren Legitimation aufgeworfen. Erst danach werde eine Stellungnahme zur dienstlichen Äußerung abgegeben. Zudem seien sämtliche seit dem Jahr 1990 ergangenen Entscheidungen mangels richterlicher Unterschrift rechtsungültig. Die Floskel „Im Namen des Volkes“ müsse interpretiert werden, weil die „BRD“ kein Staat sei und kein Staatsvolk habe. Systemkritische Richter müssten mit Disziplinarmaßnahmen rechnen. Der Verwaltungsgerichtshof habe seine „Objektivität“ dadurch bewiesen, dass er beim Abfindungsflurstück 2308 für die große Fläche eine Generalisierung vorgenommen habe, für die kleine Fläche aber nicht. Er, der Kläger, sei somit um 362 „DWZ“ (gemeint wohl: Wertverhältniszahlen) durch Rechtsbeugung betrogen worden.

II.

Das Ablehnungsgesuch bleibt ohne Erfolg.

Das Verfahren 13 A 14.1109 ist rechtskräftig durch Urteil vom 22. Oktober 2014 abgeschlossen. Nach Beendigung der Instanz kann ein Richter grundsätzlich nicht mehr wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden (BVerwG, B. v. 6.10.1989 - 4 CB 23.89 - NVwZ 1990, 460). Ob im Hinblick auf die noch erhobene Anhörungsrüge etwas anderes gilt, bedarf keiner Entscheidung, denn das Ablehnungsgesuch bleibt schon aus anderen Gründen ohne Erfolg.

Der Kläger hat unter Bezugnahme auf die Kollegialentscheidung alle Richter abgelehnt. Die Ablehnung aller Richter eines Senats kann grundsätzlich in Betracht kommen, wenn individuell auf die Person der einzelnen Richter bezogene Befangenheitsgründe vorliegen oder eine Kollegialentscheidung den Grund für die Ablehnung darstellt und die Befangenheit aus konkreten, in der Kollegialentscheidung enthaltenen Anhaltspunkten hergeleitet wird (BVerwG, U. v. 5.12.1975 - VI C 129.74 - BVerwGE 50, 36 = BayVBl 1976, 346). Daran fehlt es hier. Der Kläger begründet sein Gesuch nicht mit individuellen, die Richter betreffenden Tatsachen, die zur Besorgnis führen könnten, sie würden nicht unparteiisch, unvoreingenommen oder unbefangen entscheiden oder hätten sich in der Sache bereits festgelegt (siehe hierzu BVerfG vom 5.4.1990 BVerfGE 82, 30). Dass sich hierfür aus einer Kollegialentscheidung Anhaltspunkte ergeben würden, trägt er ebenfalls nicht vor. Damit kann auch dahingestellt bleiben, ob sich der Kläger mit der von ihm genannten „Kollegialentscheidung“ auf das Urteil vom 22. Oktober 2014 oder die Beschlüsse vom 18. März 2015 bezieht.

Soweit er rügt, die „Gerichtsbeschlüsse“ seien wegen fehlender Unterschriften unrechtmäßig, lässt sich hieraus weder eine etwaige Voreingenommenheit entnehmen noch ist das zutreffend. Wie in den dienstlichen Stellungnahmen ausgeführt und aus der Gerichtsakte ersichtlich, sind sowohl das Original des Urteils vom 22. Oktober 2014 als auch der Beschlüsse vom 18. März 2015 betreffend den Antrag auf Ergänzung des Urteils und auf Berichtigung des Tatbestands von den mitwirkenden Richtern unterschrieben worden. Das Erfordernis persönlicher Unterzeichnung gilt für die den Beteiligten zuzustellenden Ausfertigungen nicht (BVerwG, B. v. 7.8.1998 - 6 B 69/98 - juris).

Aus dem vom Kläger genannten Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (U. v. 8.6.2006 - 75529/01 - RIS Bundeskanzleramt Österreich) betreffend das Recht auf angemessene Verfahrensdauer und eine entsprechende Beschwerdemöglichkeit ergibt sich nichts anderes.

Auch das Vorbringen zur generalisierenden Betrachtung des Gerichts bei Abfindungsflurstück 2308 lässt eine Befangenheit nicht erkennen. Die Frage, wie der Wert eines Grundstücks zu bestimmen ist, bemisst sich nach §§ 27 ff. FlurbG und betrifft damit eine rechtliche Qualifizierung der vom Kläger zur Entscheidung gestellten Sachverhalte. Das führt nicht zu Befangenheit. Aus der rechtlichen Beurteilung eines Begehrens lassen sich keine Anhaltspunkte für eine etwaige Voreingenommenheit entnehmen. Ein von der Prozessordnung gedecktes Verhalten des Richters, das der sachgemäßen Behandlung des anhängigen Rechtsstreits dient, kann ein Ablehnungsgesuch nicht begründen, selbst wenn die zugrundeliegende Rechtsansicht falsch wäre (siehe hierzu Schmidt in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 54 Rn. 12; Kopp/Schenke, VwGO, 19. Aufl. 2013, § 54 Rn. 11b jeweils m. w. N.).

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 138 Abs. 1 Satz 2 FlurbG, § 146 Abs. 2 VwGO).

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(1) Auf die Rüge eines durch eine gerichtliche Entscheidung beschwerten Beteiligten ist das Verfahren fortzuführen, wenn

1.
ein Rechtsmittel oder ein anderer Rechtsbehelf gegen die Entscheidung nicht gegeben ist und
2.
das Gericht den Anspruch dieses Beteiligten auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt hat.
Gegen eine der Endentscheidung vorausgehende Entscheidung findet die Rüge nicht statt.

(2) Die Rüge ist innerhalb von zwei Wochen nach Kenntnis von der Verletzung des rechtlichen Gehörs zu erheben; der Zeitpunkt der Kenntniserlangung ist glaubhaft zu machen. Nach Ablauf eines Jahres seit Bekanntgabe der angegriffenen Entscheidung kann die Rüge nicht mehr erhoben werden. Formlos mitgeteilte Entscheidungen gelten mit dem dritten Tage nach Aufgabe zur Post als bekannt gegeben. Die Rüge ist schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle bei dem Gericht zu erheben, dessen Entscheidung angegriffen wird. § 67 Abs. 4 bleibt unberührt. Die Rüge muss die angegriffene Entscheidung bezeichnen und das Vorliegen der in Absatz 1 Satz 1 Nr. 2 genannten Voraussetzungen darlegen.

(3) Den übrigen Beteiligten ist, soweit erforderlich, Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben.

(4) Ist die Rüge nicht statthaft oder nicht in der gesetzlichen Form oder Frist erhoben, so ist sie als unzulässig zu verwerfen. Ist die Rüge unbegründet, weist das Gericht sie zurück. Die Entscheidung ergeht durch unanfechtbaren Beschluss. Der Beschluss soll kurz begründet werden.

(5) Ist die Rüge begründet, so hilft ihr das Gericht ab, indem es das Verfahren fortführt, soweit dies aufgrund der Rüge geboten ist. Das Verfahren wird in die Lage zurückversetzt, in der es sich vor dem Schluss der mündlichen Verhandlung befand. In schriftlichen Verfahren tritt an die Stelle des Schlusses der mündlichen Verhandlung der Zeitpunkt, bis zu dem Schriftsätze eingereicht werden können. Für den Ausspruch des Gerichts ist § 343 der Zivilprozessordnung entsprechend anzuwenden.

(6) § 149 Abs. 1 Satz 2 ist entsprechend anzuwenden.

(1) In jedem Land ist bei dem obersten Verwaltungsgericht ein Senat für Flurbereinigung (Flurbereinigungsgericht) einzurichten. Für die Gerichtsverfassung und das Verfahren gelten die Vorschriften über die Verwaltungsgerichtsbarkeit, soweit in den §§ 139 bis 148 nichts Abweichendes bestimmt ist.

(2) Mehrere Länder können durch Staatsvertrag ein gemeinschaftliches Flurbereinigungsgericht einrichten. In den Ländern Bremen und Hamburg können die Aufgaben des Flurbereinigungsgerichts auf ein anderes Gericht übertragen werden.

(1) Gegen die Entscheidungen des Verwaltungsgerichts, des Vorsitzenden oder des Berichterstatters, die nicht Urteile oder Gerichtsbescheide sind, steht den Beteiligten und den sonst von der Entscheidung Betroffenen die Beschwerde an das Oberverwaltungsgericht zu, soweit nicht in diesem Gesetz etwas anderes bestimmt ist.

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(3) Außerdem ist vorbehaltlich einer gesetzlich vorgesehenen Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision die Beschwerde nicht gegeben in Streitigkeiten über Kosten, Gebühren und Auslagen, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands zweihundert Euro nicht übersteigt.

(4) Die Beschwerde gegen Beschlüsse des Verwaltungsgerichts in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes (§§ 80, 80a und 123) ist innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe der Entscheidung zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht bereits mit der Beschwerde vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Sie muss einen bestimmten Antrag enthalten, die Gründe darlegen, aus denen die Entscheidung abzuändern oder aufzuheben ist, und sich mit der angefochtenen Entscheidung auseinander setzen. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, ist die Beschwerde als unzulässig zu verwerfen. Das Verwaltungsgericht legt die Beschwerde unverzüglich vor; § 148 Abs. 1 findet keine Anwendung. Das Oberverwaltungsgericht prüft nur die dargelegten Gründe.

(5) u. (6) (weggefallen)