vorgehend
Verwaltungsgericht Augsburg, 1 K 14.1457, 01.12.2014

Gericht

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof

Tenor

I.

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

II.

Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Gründe

Mit der Beschwerde verfolgt der Kläger, ein irakischer Staatsangehöriger, seinen in erster Instanz erfolglosen Antrag weiter, ihm für seine gegen den Bescheid der Beklagten vom 17. September 2014 gerichtete Klage Prozesskostenhilfe unter Beiordnung seines Prozessbevollmächtigten zu bewilligen. Mit diesem Bescheid hat die Beklagte den Kläger aus der Bundesrepublik Deutschland ausgewiesen, die Wirkungen der Ausweisung auf fünf Jahre ab der Ausreise aus dem Bundesgebiet befristet, den Antrag des Klägers vom 6. April 2005 auf Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis abgelehnt und die Abschiebung des Klägers in den Irak angedroht.

Die zulässige Beschwerde ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Klageverfahren zu Recht abgelehnt, weil die Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe nach § 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO in Verbindung mit § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO nicht vorliegen. Denn die beabsichtigte Rechtsverfolgung bot weder zum grundsätzlich maßgeblichen Zeitpunkt der Bewilligungs- oder Entscheidungsreife des Prozesskostenhilfeantrags (st. Rspr.; vgl. z. B. BayVGH, B. v. 24.3.2015 - 10 C 13.878 - juris Rn. 2) hinreichende Aussicht auf Erfolg, noch hat sich nach dem Eintritt der Bewilligungsreife die Sach- und Rechtslage entscheidend zugunsten des Klägers geändert. Die auf Aufhebung der Ausweisungsverfügung der Beklagten (1.), hilfsweise Verkürzung der Sperrfrist (2.), Verpflichtung der Beklagten zur beantragten Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis (3.) sowie Aufhebung der Ausreiseaufforderung und Abschiebungsandrohung (4.) gerichtete Klage des Klägers ist voraussichtlich unbegründet.

1. Das Verwaltungsgericht ist ohne Rechtsfehler davon ausgegangen, dass der Kläger mit seiner rechtskräftigen Verurteilung durch das Landgericht A. vom 24. Februar 2010 wegen gemeinschaftlichen unerlaubten Handeltreibens von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubtem Besitz von Betäubungsmitteln zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren sechs Monaten den Tatbestand einer zwingenden Ausweisung (nach § 53 Nr. 1 und 2 AufenthG) erfüllt hat, keinen besonderen Ausweisungsschutz nach § 56 AufenthG genießt und sich die Ausweisungsverfügung der Beklagten unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls auch gemessen an den Vorgaben des Art. 8 EMRK als verhältnismäßig erweist.

Besondere oder außergewöhnliche Umstände und individuelle Belange des Klägers, die bei der gebotenen Abwägung ausnahmsweise das hohe sowohl spezial- als auch generalpräventive Aufenthaltsbeendigungsinteresse aufgrund der vom Kläger begangenen zahlreichen Straftaten, darunter vor allem mehrere (zum Teil gravierende) Körperverletzungsdelikte und das Handeltreiben mit Heroin (Anlasstat), letztlich überwiegen würden, hat das Verwaltungsgericht zu Recht verneint. Dass insbesondere die Gefahren, die vom illegalen Handel mit Betäubungsmitteln und insbesondere dem vom Kläger gehandelten besonders gefährlichen Heroin ausgehen, besonders schwerwiegend sind und ein Grundinteresse der Gesellschaft berühren, ist in der Rechtsprechung geklärt (vgl. z. B. BayVGH, U. v. 27.5.2014 - 10 B 12.1700 - juris Rn. 31 m. w. Rspr-nachweisen). Zwar ist insoweit zugunsten des Klägers zu berücksichtigen, dass der Kläger den bei ihm durch das Strafgericht festgestellten Hang zum Betäubungsmittelmissbrauch (Kokain), eine Ursache seiner Betäubungsmittelstraftaten, in dem vom Strafgericht angeordneten Maßregelvollzug (Unterbringung in einer Entziehungsanstalt) bis jetzt erfolgreich bekämpft hat. Denn der Kläger wurde am 7. Mai 2013 regulär aus dem Maßregelvollzug im Bezirkskrankenhaus K. entlassen und hat ausweislich der vorgelegten Bestätigung des Bezirkskrankenhauses vom 8. Dezember 2014 die Termine der ambulanten Nachsorge wahrgenommen, wobei alle durchgeführten Drogenscreenings negativ waren. Das in § 53 AufenthG (auch) zum Ausdruck kommende spezialpräventive Ausweisungsinteresse kommt deshalb zwar nicht mehr uneingeschränkt zum Tragen, von einem Wegfall dieses Aufenthaltsbeendigungsinteresses kann angesichts der bisherigen Bewährungszeit des Klägers nach dem Ende seines Maßregelvollzugs und mit Blick auf die besonders schwerwiegenden Gefahren und verheerenden Auswirkungen von Drogen wie Heroin nach Auffassung des Senats gleichwohl nicht ausgegangen werden. Das bei einer so gravierenden Betäubungsmittelstraftat gemäß § 53 AufenthG daneben grundsätzlich gegebene erhebliche generalpräventive Ausweisungsinteresse besteht vorliegend ohnehin (noch) ungemindert.

Das Verbleibeinteresse des Klägers hat das Verwaltungsgericht trotz der bisherigen Aufenthaltsdauer und der wieder aufgenommenen (regelmäßigen) Erwerbstätigkeit zutreffend als nicht besonders gewichtig angesehen, weil die Anbindung des Klägers an die Bundesrepublik Deutschland insbesondere in familiärer Hinsicht nicht eng ist (der Kläger hat keine hier lebenden Familienangehörigen), der Kläger zudem bisher keine erheblichen Integrationsleistungen vorzuweisen und andererseits über 20 Jahre seines Lebens im Irak verbracht hat, wo offensichtlich auch noch Angehörige leben.

Schließlich hat das Verwaltungsgericht in nicht zu beanstandender Weise darauf verwiesen, dass der Kläger, der beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge inzwischen einen Asylfolgeantrag gestellt hat, daraus derzeit noch nichts zu seinen Gunsten herleiten kann.

2. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Festsetzung einer kürzeren als die im Bescheid der Beklagten vom 17. September 2014 bestimmte Sperrfrist von fünf Jahren. Unter Zugrundelegung der gesetzlichen Maßstäbe des § 11 Abs. 1 Satz 4 AufenthG und Berücksichtigung der dazu in der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze (vgl. z. B. BVerwG, U. v. 13.12.2012 - 1 C 14.12 - juris) kommt auch nach Auffassung des Senats die Festsetzung einer kürzeren Sperrfrist derzeit nicht in Betracht. Maßgeblich zu berücksichtigen sind dabei das besondere Gewicht des Ausweisungsgrundes und die demgegenüber nicht besonders gewichtigen persönlichen Bindungen des Klägers im Bundesgebiet.

3. Dem Kläger steht auch der geltend gemachte Anspruch auf Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis nicht zu (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Auf die Begründung des Verwaltungsgerichts, die wiederum auf den diesbezüglich im Eilverfahren des Klägers (Au 1 S 14.1486) ergangenen Beschluss vom 30. Oktober 2014 verweist, wird insoweit gemäß § 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO Bezug genommen.

4. Nach alledem ist auch die nach § 59 Abs. 1 Satz 1 AufenthG ergangene Abschiebungsandrohung rechtlich nicht zu beanstanden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.

Einer Streitwertfestsetzung bedarf es nicht, weil die nach Nr. 5502 des Kostenverzeichnisses zum Gerichtskostengesetz (Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG) anfallende Gebühr streitwertunabhängig ist.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

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(1) Die Gebühren richten sich nach dem Wert des Streitgegenstands (Streitwert), soweit nichts anderes bestimmt ist. (2) Kosten werden nach dem Kostenverzeichnis der Anlage 1 zu diesem Gesetz erhoben.

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(1) Die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Prozesskostenhilfe sowie § 569 Abs. 3 Nr. 2 der Zivilprozessordnung gelten entsprechend. Einem Beteiligten, dem Prozesskostenhilfe bewilligt worden ist, kann auch ein Steuerberater, Steuerbevollmächtigter, Wirtschaftsprüfer oder vereidigter Buchprüfer beigeordnet werden. Die Vergütung richtet sich nach den für den beigeordneten Rechtsanwalt geltenden Vorschriften des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes.

(2) Die Prüfung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nach den §§ 114 bis 116 der Zivilprozessordnung einschließlich der in § 118 Absatz 2 der Zivilprozessordnung bezeichneten Maßnahmen, der Beurkundung von Vergleichen nach § 118 Absatz 1 Satz 3 der Zivilprozessordnung und der Entscheidungen nach § 118 Absatz 2 Satz 4 der Zivilprozessordnung obliegt dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle des jeweiligen Rechtszugs, wenn der Vorsitzende ihm das Verfahren insoweit überträgt. Liegen die Voraussetzungen für die Bewilligung der Prozesskostenhilfe hiernach nicht vor, erlässt der Urkundsbeamte die den Antrag ablehnende Entscheidung; anderenfalls vermerkt der Urkundsbeamte in den Prozessakten, dass dem Antragsteller nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen Prozesskostenhilfe gewährt werden kann und in welcher Höhe gegebenenfalls Monatsraten oder Beträge aus dem Vermögen zu zahlen sind.

(3) Dem Urkundsbeamten obliegen im Verfahren über die Prozesskostenhilfe ferner die Bestimmung des Zeitpunkts für die Einstellung und eine Wiederaufnahme der Zahlungen nach § 120 Absatz 3 der Zivilprozessordnung sowie die Änderung und die Aufhebung der Bewilligung der Prozesskostenhilfe nach den §§ 120a und 124 Absatz 1 Nummer 2 bis 5 der Zivilprozessordnung.

(4) Der Vorsitzende kann Aufgaben nach den Absätzen 2 und 3 zu jedem Zeitpunkt an sich ziehen. § 5 Absatz 1 Nummer 1, die §§ 6, 7, 8 Absatz 1 bis 4 und § 9 des Rechtspflegergesetzes gelten entsprechend mit der Maßgabe, dass an die Stelle des Rechtspflegers der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle tritt.

(5) § 87a Absatz 3 gilt entsprechend.

(6) Gegen Entscheidungen des Urkundsbeamten nach den Absätzen 2 und 3 kann innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe die Entscheidung des Gerichts beantragt werden.

(7) Durch Landesgesetz kann bestimmt werden, dass die Absätze 2 bis 6 für die Gerichte des jeweiligen Landes nicht anzuwenden sind.

(1) Eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, erhält auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Für die grenzüberschreitende Prozesskostenhilfe innerhalb der Europäischen Union gelten ergänzend die §§ 1076 bis 1078.

(2) Mutwillig ist die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung, wenn eine Partei, die keine Prozesskostenhilfe beansprucht, bei verständiger Würdigung aller Umstände von der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung absehen würde, obwohl eine hinreichende Aussicht auf Erfolg besteht.

Tenor

Unter Abänderung des Beschlusses des Bayerischen Verwaltungsgerichts Augsburg vom 21. März 2013 wird der Klägerin Prozesskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwalt ..., ..., unter den Bedingungen eines im Bezirk des Bayerischen Verwaltungsgerichts Augsburg niedergelassenen Rechtsanwalts beigeordnet.

Gründe

Die zulässige Beschwerde ist begründet. Der Klägerin ist nach § 166 VwGO i. V. mit § 114 Satz 1 ZPO in der bis zum 31. Dezember 2013 geltenden Fassung (a. F.; vgl. § 40 EGZPO in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des Prozesskostenhilfe- und Beratungshilferechts v. 31.8.2013 [BGBl I S. 3533]) zu bewilligen und der sie vertretende Rechtsanwalt unter den Bedingungen eines im Bezirk des Bayerischen Verwaltungsgerichts Augsburg niedergelassenen Rechtsanwalts beizuordnen.

Die Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe nach § 166 VwGO i. V. mit § 114 Satz 1 ZPO a. F. liegen vor. Nach dieser Regelung erhält ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht aufbringen kann, Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Danach ist der Klägerin, die nach den vorgelegten Erklärungen über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse die Kosten der Prozessführung nicht aufbringen kann, Prozesskostenhilfe zu bewilligen. Denn die beabsichtigte Rechtsverfolgung bot zu dem für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage maßgeblichen Zeitpunkt hinreichende Aussicht auf Erfolg und war nicht mutwillig.

Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Frage, ob die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet, ist grundsätzlich der Zeitpunkt der Bewilligungsreife (vgl. BayVGH, B. v. 10.4.2013 - 10 C 12.1757 - juris Rn. 25). Die Entscheidungsreife tritt regelmäßig nach Vorlage der vollständigen Prozesskostenhilfeunterlagen sowie nach einer Anhörung der Gegenseite mit angemessener Frist zur Stellungnahme ein (vgl. BVerwG, B. v. 12.9.2007 - 10 C 39.07 u. a. - juris Rn. 1). Diese Voraussetzungen lagen im vorliegenden Fall am 22. Februar 2013 vor, nachdem die Klägerin nach Antragstellung eine Erklärung über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse an das Gericht übersandt hatte und die Frist für eine Stellungnahme der Beklagten am 22. Februar 2013 abgelaufen war. Dass die Stellungnahme der Beklagten erst (verspätet) am 9. März 2013 beim Verwaltungsgericht eingegangen ist, spielt demgegenüber keine Rolle. Damit war der Antrag der Klägerin auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe am 22. Februar 2013 entscheidungsreif.

Zu diesem Zeitpunkt war die Klage entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts zulässig und bot hinreichende Aussicht auf Erfolg, denn die Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis lagen objektiv vor.

Die auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis gerichtete Klage der Klägerin ist gemäß § 75 Satz 1 VwGO abweichend von § 68 VwGO zulässig, wenn über ihren Antrag ohne zureichenden Grund innerhalb angemessener Frist sachlich nicht entschieden worden ist. Nach § 75 Satz 2 VwGO kann dabei die Klage nicht vor Ablauf von drei Monaten seit dem Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis erhoben werden, außer wenn wegen der besonderen Umstände des Falles eine kürzere Frist geboten ist. Jedoch ist eine nach Ablauf von drei Monaten nach der Antragstellung erhobene Klage unabhängig davon zulässig, ob ohne zureichenden Grund über den Antrag nicht entschieden worden ist oder ob es triftige Gründe für das Unterbleiben der Entscheidung gab (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 20. Auflage 2014, Rn. 9 zu § 75). Denn auch wenn bei Klageerhebung nach Ablauf der Dreimonatsfrist über den Antrag aus zureichenden Gründen noch nicht entschieden ist - dies dürfte hier der Fall sein -rechtfertigt dies nicht die Abweisung der Klage als unzulässig. Vielmehr hat dann das Gericht nach § 75 Satz 3 VwGO das Verfahren bis zum Ablauf einer von ihm bestimmten Frist auszusetzen und nach erfolglosem Ablauf dieser Frist über das Klagebegehren zu entscheiden (vgl. BVerwG, B. v. 26.4.1991 - 1 B 149.90 - juris Rn. 11). Nach diesen Maßstäben war die von der Klägerin erhobene Untätigkeitsklage aber zulässig. Denn der Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis der Klägerin ist bei der Beklagten bereits am 13. September 2012 eingegangen. Klage wurde erst am 24. Januar 2013, also mehr als vier Monate nach Antragstellung, erhoben.

Zum maßgeblichen Zeitpunkt der Bewilligungsreife war die Klage auch nicht deshalb unzulässig, weil der Klägerin bereits zuvor eine Aufenthaltserlaubnis ausgestellt worden wäre. Zwar ist bei der Beklagten bereits am 6. Februar 2013 die von ihr angeforderte Stellungnahme des Bayerischen Landesamts für Verfassungsschutz zu den Versagungsgründen gemäß § 5 Abs. 4 AufenthG eingegangen und sie hat daraufhin eine Aufenthaltskarte mit dem Datum 12. Februar 2013 ausgestellt. Jedoch ergibt sich aus den Akten nicht, dass die Klägerin von der Übersendung der Stellungnahme des Landesamtes und der Ausstellung der Aufenthaltskarte vor dem 22. Februar 2013 informiert war. Vielmehr bestätigt auch die Beklagte, dass die Klägerin erst seit dem 28. Februar 2013 im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis gemäß § 25 Abs. 3 AufenthG ist (vgl. Schriftsatz der Beklagten vom 7.3.2013, Bl. 14 der VG-Akte). Zum maßgeblichen Zeitpunkt am 22. Februar 2013 besaß sie also noch keine Aufenthaltserlaubnis.

Auch die Erfolgsaussichten der Klage waren zum maßgeblichen Zeitpunkt am 22. Februar 2013 objektiv gegeben, weil das Landesamt für Verfassungsschutz bereits am 25. Januar 2013 festgestellt hatte, dass bei der Klägerin Versagungsgründe gemäß § 5 Abs. 4 AufenthG nicht ersichtlich sind (vgl. Bl. 88 der Akten der Beklagten).

Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts scheitert die Bewilligung von Prozesskostenhilfe auch nicht deshalb, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung mutwillig wäre. Von Mutwilligkeit ist dann auszugehen, wenn eine Partei, die keine Prozesskostenhilfe beansprucht, bei verständiger Würdigung aller Umstände von der Rechtsverfolgung absehen würde, obwohl eine hinreichende Aussicht auf Erfolg besteht (vgl. auch BVerfG, B. v. 18.11.2009 - 1 BvR 2455/08 - juris Rn. 9 f. sowie nunmehr § 114 Abs. 2 ZPO).

Zutreffend ist, dass die Beklagte auf Nachfrage des Klägerbevollmächtigten mit Schreiben vom 7. Januar 2013 mitgeteilt hat, dass nach positiver Überprüfung der Klägerin durch das Bayerische Landesamt für Verfassungsschutz eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werde, und der Klägerbevollmächtigte am 24. Januar 2013 nochmals telefonisch darüber informiert worden ist, dass eine Auskunft des Landesamtes immer noch ausstehe. Daraus ergibt sich aber nach Auffassung des Senats keine Verpflichtung der Klägerin, mit der Klageerhebung weiter zuzuwarten. Immerhin hatte sie bereits im September 2012 den Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis gestellt. Die Anfrage an das Landesamt rührt bereits vom Oktober 2012 her. Angesichts der langen Zeitdauer, die seitdem vergangen ist, konnte ihr nicht verwehrt werden, eine (zulässige, vgl. oben) Untätigkeitsklage zu erheben, um dem Verfahren seinen Fortgang zu geben. Zwar hatte die Beklagte wohl nicht ohne zureichenden Grund über den Antrag der Klägerin auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis noch nicht entschieden, da hierfür zwingend eine Überprüfung der Voraussetzungen des § 5 Abs. 4 AufenthG erforderlich war. Diese konnte wiederum wegen der besonderen Sachkenntnis nur über das Landesamt für Verfassungsschutz erfolgen. Die Verzögerung bei der erforderlichen Feststellung des Landesamts musste sich allerdings die Beklagte zurechnen lassen. Die Klägerin besaß demgegenüber keine Kenntnis von den behördeninternen Vorgängen, insbesondere nicht von den Verzögerungen beim Landesamt. Sie musste vielmehr davon ausgehen, dass sich das Verfahren, noch dazu mit offenem Ausgang, noch länger hinziehen würde. Eine Mutwilligkeit könnte daher nur angenommen werden, wenn der Klägerin entweder bekannt gewesen wäre, dass eine Bearbeitung beim Landesamt grundsätzlich einen längeren Zeitraum beansprucht oder wenn sie aufgrund von entsprechenden Äußerungen der Beklagten oder anderweitiger Erkenntnisse mit einer behördlichen Entscheidung in nächster Zeit rechnen konnte. Dies war aber aus ihrer Sicht nicht der Fall.

Das Schreiben der Beklagten vom 7. Januar 2013 beinhaltet auch keine Zusage in dem Sinne, dass die Rechtsverfolgung deshalb mutwillig wäre, weil der Klägerin eine Aufenthaltserlaubnis bereits zugesagt war. Denn eine solche wollte die Beklagte gerade nicht erteilen, weil das Landesamt bislang weder Versagungsgründe nach § 5 Abs. 4 AufenthG noch sonstige Sicherheitsbedenken ausgeschlossen hatte.

Lagen danach die Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe vor, ist der Klägerin auch nach § 166 VwGO i. V. mit § 121 Abs. 2 ZPO ihr Rechtsanwalt beizuordnen. Allerdings erfolgt die Beiordnung unter den Bedingungen eines am Bezirk des Verwaltungsgerichts niedergelassenen Rechtsanwalts (vgl. § 166 VwGO i. V. m. § 121 Abs. 3 ZPO a. F.; BayVGH, B. v. 5.3.2010 - 19 C 10.236 - juris Rn. 7).

Einer Kostenentscheidung bedarf es nicht. Weder fallen Gerichtskosten an, noch können Kosten erstattet werden.

Da Gerichtskosten nicht erhoben werden können, ist eine Streitwertfestsetzung entbehrlich.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

(1) Ein Ausländer, dessen Aufenthalt die öffentliche Sicherheit und Ordnung, die freiheitliche demokratische Grundordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland gefährdet, wird ausgewiesen, wenn die unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles vorzunehmende Abwägung der Interessen an der Ausreise mit den Interessen an einem weiteren Verbleib des Ausländers im Bundesgebiet ergibt, dass das öffentliche Interesse an der Ausreise überwiegt.

(2) Bei der Abwägung nach Absatz 1 sind nach den Umständen des Einzelfalles insbesondere die Dauer seines Aufenthalts, seine persönlichen, wirtschaftlichen und sonstigen Bindungen im Bundesgebiet und im Herkunftsstaat oder in einem anderen zur Aufnahme bereiten Staat, die Folgen der Ausweisung für Familienangehörige und Lebenspartner sowie die Tatsache, ob sich der Ausländer rechtstreu verhalten hat, zu berücksichtigen.

(3) Ein Ausländer, dem nach dem Assoziationsabkommen EWG/Türkei ein Aufenthaltsrecht zusteht oder der eine Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU besitzt, darf nur ausgewiesen werden, wenn das persönliche Verhalten des Betroffenen gegenwärtig eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt und die Ausweisung für die Wahrung dieses Interesses unerlässlich ist.

(3a) Ein Ausländer, der als Asylberechtigter anerkannt ist, der im Bundesgebiet die Rechtsstellung eines ausländischen Flüchtlings im Sinne des § 3 Absatz 1 des Asylgesetzes oder eines subsidiär Schutzberechtigten im Sinne des § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes genießt oder der einen von einer Behörde der Bundesrepublik Deutschland ausgestellten Reiseausweis nach dem Abkommen vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) besitzt, darf nur bei Vorliegen zwingender Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung ausgewiesen werden.

(4) Ein Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, kann nur unter der Bedingung ausgewiesen werden, dass das Asylverfahren unanfechtbar ohne Anerkennung als Asylberechtigter oder ohne die Zuerkennung internationalen Schutzes (§ 1 Absatz 1 Nummer 2 des Asylgesetzes) abgeschlossen wird. Von der Bedingung wird abgesehen, wenn

1.
ein Sachverhalt vorliegt, der nach Absatz 3a eine Ausweisung rechtfertigt oder
2.
eine nach den Vorschriften des Asylgesetzes erlassene Abschiebungsandrohung vollziehbar geworden ist.

(1) Ein Ausländer, gegen den eine Ausweisungsverfügung auf Grund eines Ausweisungsinteresses nach § 54 Absatz 1 Nummer 2 bis 5 oder eine Abschiebungsanordnung nach § 58a besteht, unterliegt der Verpflichtung, sich mindestens einmal wöchentlich bei der für seinen Aufenthaltsort zuständigen polizeilichen Dienststelle zu melden, soweit die Ausländerbehörde nichts anderes bestimmt. Eine dem Satz 1 entsprechende Meldepflicht kann angeordnet werden, wenn der Ausländer

1.
vollziehbar ausreisepflichtig ist und ein in Satz 1 genanntes Ausweisungsinteresse besteht oder
2.
auf Grund anderer als der in Satz 1 genannten Ausweisungsinteressen vollziehbar ausreisepflichtig ist und die Anordnung der Meldepflicht zur Abwehr einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung erforderlich ist.

(2) Sein Aufenthalt ist auf den Bezirk der Ausländerbehörde beschränkt, soweit die Ausländerbehörde keine abweichenden Festlegungen trifft.

(3) Er kann verpflichtet werden, in einem anderen Wohnort oder in bestimmten Unterkünften auch außerhalb des Bezirks der Ausländerbehörde zu wohnen, wenn dies geboten erscheint, um

1.
die Fortführung von Bestrebungen, die zur Ausweisung geführt haben, zu erschweren oder zu unterbinden und die Einhaltung vereinsrechtlicher oder sonstiger gesetzlicher Auflagen und Verpflichtungen besser überwachen zu können oder
2.
die wiederholte Begehung erheblicher Straftaten, die zu einer Ausweisung nach § 54 Absatz 1 Nummer 1 geführt haben, zu unterbinden.

(4) Um die Fortführung von Bestrebungen, die zur Ausweisung nach § 54 Absatz 1 Nummer 2 bis 5, zu einer Anordnung nach Absatz 1 Satz 2 Nummer 1 oder zu einer Abschiebungsanordnung nach § 58a geführt haben, zu erschweren oder zu unterbinden, kann der Ausländer auch verpflichtet werden, zu bestimmten Personen oder Personen einer bestimmten Gruppe keinen Kontakt aufzunehmen, mit ihnen nicht zu verkehren, sie nicht zu beschäftigen, auszubilden oder zu beherbergen und bestimmte Kommunikationsmittel oder Dienste nicht zu nutzen, soweit ihm Kommunikationsmittel verbleiben und die Beschränkungen notwendig sind, um eine erhebliche Gefahr für die innere Sicherheit oder für Leib und Leben Dritter abzuwehren. Um die wiederholte Begehung erheblicher Straftaten, die zu einer Ausweisung nach § 54 Absatz 1 Nummer 1 geführt haben, zu unterbinden, können Beschränkungen nach Satz 1 angeordnet werden, soweit diese notwendig sind, um eine erhebliche Gefahr für die innere Sicherheit oder für Leib und Leben Dritter abzuwenden.

(5) Die Verpflichtungen nach den Absätzen 1 bis 4 ruhen, wenn sich der Ausländer in Haft befindet. Eine Anordnung nach den Absätzen 3 und 4 ist sofort vollziehbar.

Tenor

I.

In Abänderung der Nr. I. des Urteils des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 9. Februar 2012 wird die Klage abgewiesen.

II.

In Abänderung der Nr. II. des Urteils des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 9. Februar 2012 trägt der Kläger die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.

III.

Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

IV.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Gegenstand des Berufungsverfahrens ist die Klage des Klägers gegen den Bescheid der Beklagten vom 18. Januar 2011, mit dem er aus der Bundesrepublik Deutschland ausgewiesen und ihm (zunächst) unter bestimmten Voraussetzungen die Befristung des Wiedereinreiseverbots auf sieben Jahre (beginnend mit der Ausreise) zugesagt wurde.

Der am 9. August 1981 in München geborene Kläger ist türkischer Staatsangehöriger und hat sich seit seiner Geburt in Deutschland aufgehalten. Zum Zeitpunkt seiner Geburt und in den darauf folgenden Jahren stand seine damals ebenfalls in München wohnende Mutter nach dem vorliegenden Rentenversicherungsverlauf durchgehend in einem Arbeitsverhältnis. Am 5. August 1997 erhielt der Kläger eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis, die als Niederlassungserlaubnis fortgilt. Der Kläger hat nach dem Besuch der 9. Jahrgangsstufe der Hauptschule seine Schulausbildung beendet, weitergehende Schulabschlüsse hat er nicht erlangt. Begonnene Ausbildungsverhältnisse zum Kfz-Techniker und IT-Systemelektroniker hat er vorzeitig abgebrochen. Eine Ausbildung zum Drucker und Mediendesigner hat der Kläger nach eigenen Angaben in der JVA Niederschönenfeld erfolgreich beendet.

Der Kläger ist Vater einer von seiner früheren Lebensgefährtin, Frau F., am 1. Januar 2002 geborenen Tochter Y., die wie ihre Mutter die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt. Y. ist seit dem 1. Oktober 2007 in einem Kinderheim untergebracht. Aufgrund der Drogenabhängigkeit beider Elternteile beschränkte das Amtsgericht München - Abteilung Familiensachen - mit Beschluss vom 27. Februar 2009 das Sorgerecht der Mutter und bestellte für das Kind eine Ergänzungspflegerin. Beide Elternteile nahmen die ihnen eingeräumten begrenzten Besuchskontakte zu ihrer Tochter - soweit haftbedingt möglich - zuverlässig wahr. Zwischen dem Kläger und seiner Tochter Y. bestehen regelmäßige briefliche Kontakte und Besuchskontakte.

Der Kläger trat mehrfach und insbesondere mit den nachfolgend aufgeführten Delikten strafrechtlich in Erscheinung:

Urteil des Amtsgerichts München vom 8.2.2001 wegen gemeinschaftlichen Diebstahls, gemeinschaftlichen Wohnungseinbruchsdiebstahls und unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln - 4 Wochen Jugendarrest

Urteil des Amtsgerichts München vom 17.6.2003 wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in besonders schwerem Fall in 274 Fällen in Tatmehrheit mit unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in 15 Fällen - ein Jahr Jugendstrafe zur Bewährung, Strafaussetzung widerrufen

Urteil des Amtsgerichts München vom 20.12.2004 wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln - 9 Monate Freiheitsstrafe zur Bewährung, Strafaussetzung widerrufen

Urteil des Amtsgerichts München vom 20.10.2005 wegen gemeinschaftlich begangenen Raubs in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung - 2 Jahre Freiheitsstrafe, Strafrest zur Bewährung ausgesetzt bis 28.3.2012 bzw. 28.9.2012

Urteil des Amtsgerichts München vom 20.6.2008 wegen Diebstahls - 50 Tagessätze zu je 10 €

Urteil des Landgerichts München I vom 3.5.2010 wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in 4 sachlich zusammentreffenden Fällen jeweils in Tateinheit mit unerlaubtem Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge - Gesamtfreiheitsstrafe von 4 Jahren 3 Monaten, Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt

Zuletzt wurde der Kläger durch Urteil des Landgerichts München I vom 10. Juli 2013 (inzwischen rechtskräftig geworden) wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (erneut) zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt. Ausweislich der Feststellungen des Strafgerichts hatte der zum Tatzeitpunkt gemäß § 64 StGB im Isar-Amper-Klinikum untergebrachte Kläger 500 Gramm Heroin zum Zweck des gewinnbringenden Weiterverkaufs erworben.

Mit Bescheid vom 18. Januar 2011 wies die Beklagte den Kläger nach erfolgter Anhörung aus der Bundesrepublik Deutschland aus (Nr. 1.), sicherte ihm unter bestimmten Bedingungen zu, das Wiedereinreiseverbot auf sieben Jahre, beginnend mit der Ausreise, zu befristen (Nr. 2.) und drohte ihm die Abschiebung in die Türkei an (Nr. 3.). Durch die rechtskräftige Verurteilung aufgrund von Betäubungsmittelstraftaten zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und drei Monaten seien grundsätzlich die zwingenden Ausweisungstatbestände des § 53 Nr. 1 und Nr. 2 AufenthG erfüllt. Aufgrund des durchgehenden Arbeitsverhältnisses seiner Mutter zum Zeitpunkt seiner Geburt habe der Kläger einen Anspruch nach Art. 7 ARB 1/80 erworben. Demgemäß dürfe er nur aus spezialpräventiven Gründen im Wege einer Ermessensausweisung nach § 55 AufenthG i. V. m. Art. 14 ARB 1/80 ausgewiesen werden. Die danach gegebenen Anforderungen für eine Aufenthaltsbeendigung lägen in seinem Fall vor. Der Kläger habe wiederholt gegen die öffentliche Ordnung der Bundesrepublik verstoßen. Es bestehe auch die konkrete Gefahr weiterer schwerwiegender Straftaten. Der Kläger sei immer wieder wegen Straftaten wie Diebstahl, Körperverletzung, Erwerb/Besitz von Betäubungsmitteln, gemeinschaftlicher Wohnungseinbruchsdiebstahl, Hausfriedensbruch, Bedrohung, gemeinschaftlicher Raub, gefährliche Körperverletzung sowie unerlaubtes Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge verurteilt worden. Begonnene Drogentherapien habe er immer wieder abgebrochen. Eine Integration in die deutschen Lebensverhältnisse habe zu keinem Zeitpunkt stattgefunden. Vielmehr sei der Kläger seit seinem 13. Lebensjahr Drogenkonsument und habe zuletzt gemeinsam mit seiner Lebensgefährtin regelmäßig Heroin und Kokain konsumiert. Auch das Zusammenleben mit seiner Lebensgefährtin und der gemeinsamen Tochter habe auf den Kläger nicht stabilisierend gewirkt. Der Kläger habe zuletzt lediglich 14-tägig begleitete Besuchskontakte zu seiner Tochter gehabt. Sowohl nach Art und Umfang der abgeurteilten Straftaten als auch unter Berücksichtigung seiner Gesamtpersönlichkeit bestehe beim Kläger eine erhöhte Wiederholungsgefahr und daher die ernsthafte Gefahr weiterer besonders schwerwiegender Störungen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung. Die Ausweisung entspreche pflichtgemäßer Ermessensausübung. Insbesondere stünden die nach § 55 Abs. 3 AufenthG zu berücksichtigenden persönlichen Interessen und Umstände der Verfügung nicht entgegen. Die Ausweisung erweise sich auch im Hinblick auf den Schutz von Art. 6 GG und Art. 8 EMRK als verhältnismäßig.

Auf die Klage des Klägers vom 16. Februar 2011 hin hat das Bayerische Verwaltungsgericht München den angefochtenen Bescheid der Beklagten vom 18. Januar 2011 mit Urteil vom 9. Februar 2012 aufgehoben. Die Ausweisung sei auch unter Berücksichtigung der von der Beklagten vorgesehenen Befristung des Wiedereinreiseverbots unverhältnismäßig. Es sei zwar davon auszugehen, dass vom Kläger angesichts seiner letzten strafrechtlich abgeurteilten Delikte trotz seiner Therapiefortschritte noch eine gegenwärtige und konkrete Gefahr für ein Grundinteresse der Gesellschaft ausgehe, diese Gefahr aber im Zuge der begonnenen Therapie weniger groß sei als noch im Zeitpunkt des Bescheiderlasses. Angesichts der Aussage der sachverständigen Zeugin in der mündlichen Verhandlung zur gegenwärtigen Gefährlichkeit des Klägers und seines bisherigen Therapieverlaufs sei von einem inzwischen verminderten Maß an Gefährlichkeit auszugehen. Die vom Kläger gezeigte positive Entwicklung im Rahmen seiner Therapie führe zwar nicht dazu, dass eine Ausweisung im Rahmen des Art. 14 ARB 1/80 wegen fehlender hinreichender Schwere der Gefahr von vornherein ausgeschlossen wäre. Jedoch müsse die zu verzeichnende positive Entwicklung bei der Prüfung der Verhältnismäßigkeit Berücksichtigung finden. Zugunsten des Klägers sprächen der bislang positive Verlauf seiner Therapie, seine eindeutige Verwurzelung in der Bundesrepublik Deutschland und seine familiäre Bindung zur heute zehnjährigen Tochter Y., zu der er regelmäßigen Kontakt habe und für deren Kindeswohl sich ein Abbruch der Beziehungen negativ auswirken würde. Bei der gebotenen Gesamtwürdigung aller relevanten Aspekte würden im maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts die für einen Verbleib des Klägers im Bundesgebiet sprechenden Umstände überwiegen. Daran ändere auch die in Nr. 2 des streitgegenständlichen Bescheids vorgesehene Befristung des Wiedereinreiseverbots nichts. Aufgrund der Rechtswidrigkeit der Ausweisung sei auch die mit ihr verbundene Abschiebungsandrohung rechtswidrig.

Zur Begründung ihrer vom Senat mit Beschluss vom 30. Juli 2012 zugelassenen Berufung trägt die Beklagte im Wesentlichen vor, die vom Verwaltungsgericht angestellte Prognose hinsichtlich einer Wiederholungsgefahr beim Kläger habe sich als falsch erwiesen. Aufgrund eines Suchtmittelrückfalls beim Kläger nur wenige Tage nach der mündlichen Verhandlung beim Verwaltungsgericht habe das den Kläger behandelnde Klinikum nunmehr empfohlen, die Therapiemaßnahme wegen Aussichtslosigkeit zu beenden, weil aus ärztlich-therapeutischer Sicht trotz intensiver Bemühungen beim Kläger die mit der Unterbringung in der Maßregel verbundenen Zielsetzungen nicht (mehr) erreicht werden könnten. Neben diesem Rückfall seien beim Kläger auch weitere Regelverstöße wie ein nicht erlaubtes Handy, das Erzeugen eines Klimas der Angst und der Verkauf von Drogen auf dem Krankenhausgelände bekannt geworden. Zudem sei er mit Strafurteil des Landgerichts München I vom 10. Juli 2013 wegen einer Betäubungsmittelstraftat zu einer weiteren Freiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt worden. Damit bestätigte der Kläger nicht nur die Richtigkeit der von der Beklagten angestellten Gefahrenprognose. Vielmehr sei zum heutigen Zeitpunkt die konkrete Gefahr für ein Grundinteresse der Gesellschaft noch höher zu bewerten als zum Zeitpunkt des Bescheiderlasses. Von einer nur ansatzweise positiven Entwicklung des Klägers könne nicht mehr ausgegangen werden. Damit überwiege im Ergebnis das öffentliche Interesse an einer Aufenthaltsbeendigung gegenüber dem persönlichen Interesse des Klägers an einem weiteren Verbleib im Bundesgebiet. Der Kläger habe durch seinen erneuten Drogenkonsum den bestehenden persönlichen und guten Kontakt zu seiner Tochter abgebrochen und werde nach Abbruch des Maßregelvollzugs eine langjährige Haftstrafe verbüßen müssen. Hier werde der Kontakt - wenn überhaupt - nur auf wenige Besuche begrenzt sein und sich mehr auf Brief- und Telefonkontakte verlagern. Solche Kontakte seien dem Kläger auch von seinem Heimatland aus möglich.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 9. Februar 2012 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der am Verfahren beteiligte Vertreter des öffentlichen Interesses hat keinen Antrag gestellt.

In der mündlichen Verhandlung am 14. Oktober 2013 wurde mit den Beteiligten die Sach- und Rechtslage eingehend erörtert. Von der Beklagten wurde dabei ein Schriftsatz vom 14. Oktober 2013 mit einer Ergänzung ihrer Ermessenserwägungen sowie einer Änderung der Nr. 2. des streitbefangenen Bescheids vom 18. Januar 2011 wie folgt übergeben: „2. Die Wiedereinreise ist für sieben Jahre untersagt. Die Frist beginnt mit der Ausreise.“

Im Hinblick auf das zu diesem Zeitpunkt noch nicht rechtskräftige Strafurteil des Landgerichts München I vom 10. Juli 2013, mit dem der Kläger wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln (Heroin) in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt worden ist, hat der Senat auf Antrag der Parteien mit Beschluss vom 14. Oktober 2013 das Ruhen des Verfahrens angeordnet.

Nachdem das Strafurteil des Landgerichts München I vom 10. Juli 2013 hinsichtlich des Klägers am 28. Januar 2014 rechtskräftig geworden ist, hat der Verwaltungsgerichtshof das Verfahren auf Antrag der Beklagten fortgesetzt.

Mit Schriftsatz vom 22. April 2014 hat der Bevollmächtigte des Klägers zu dessen Beziehung zur Tochter Y. Stellung genommen und dazu Stellungnahmen des Kinderheims, in dem Y. untergebracht ist, vom 28. März 2014 sowie des zuständigen Sozialbürgerhauses der Beklagten vom 25. März 2014 vorgelegt.

Auf gerichtliche Anforderung hat die Justizvollzugsanstalt Straubing einen aktuellen Führungsbericht zum Kläger vom 24. April 2014 übersandt.

Mit Schreiben vom 16. Mai 2014 hat die Beklagte ihre der Ausweisungsentscheidung zugrunde liegenden Ermessenserwägungen gemäß § 114 Satz 2 VwGO aktualisiert bzw. ergänzt.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten beider Instanzen, die Behördenakte sowie die beigezogenen Strafakten verwiesen.

Gründe

Die zulässige Berufung der Beklagten hat in der Sache Erfolg. Die Klage des Klägers auf Aufhebung des Bescheids der Beklagten vom 18. Januar 2011 in der in der mündlichen Verhandlung vom 14. Oktober 2013 und 26. Mai 2014 geänderten Form ist ebenso unbegründet wie das in seinem Anfechtungsbegehren enthaltene Hilfsbegehren auf Festsetzung einer kürzeren als der von der Beklagten bestimmten Frist nach § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG. Die im streitbefangenen Bescheid verfügte Ausweisung des Klägers ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO; nachfolgend 1.). Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Festsetzung einer kürzeren Sperrfrist; die von der Beklagten in Abänderung der ursprünglichen (bloßen) Zusicherung mit Änderungsbescheid vom 14. Oktober 2013 festgesetzte Frist nach § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG von sieben Jahren ist verhältnismäßig und verletzt den Kläger ebenfalls nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO; nachfolgend 2.). Auch die Abschiebungsandrohung ist rechtmäßig.

Maßgeblich für die rechtliche Beurteilung der Ausweisung, der noch nicht vollzogenen Abschiebungsandrohung und der vom Kläger hilfsweise begehrten Festsetzung einer kürzeren Sperrfrist ist grundsätzlich die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung oder der Entscheidung des Berufungsgerichts (st. Rspr. des BVerwG; vgl. U.v. 10.7.2012 - 1 C 19.11 - Rn. 12 m. w. N.).

1. Die Ausweisung des Klägers ist rechtmäßig. Rechtsgrundlage für diese Verfügung der Beklagten ist § 55 Abs. 1, § 56 Abs. 1 Satz 2 AufenthG i. V. m. Art. 14 Abs. 1 des Beschlusses Nr. 1/80 des Assoziationsrates EWG/Türkei über die Entwicklung der Assoziation (ARB 1/80).

Der in Deutschland geborene Kläger, der als Familienangehöriger seiner dem regulären Arbeitsmarkt in Deutschland angehörenden türkischen Mutter unstreitig ein assoziationsrechtliches Aufenthaltsrecht nach Art. 7 Satz 1 ARB 1/80 erworben hat, kann deshalb nach Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80 nur im Ermessenswege ausgewiesen werden, wenn sein persönliches Verhalten gegenwärtig eine tatsächliche und hinreichend schwere Gefahr für ein Grundinteresse der Gesellschaft der Bundesrepublik Deutschland darstellt und die Maßnahme für die Wahrung dieses Interesses unerlässlich ist (st. Rspr.; z. B. BVerwG, U.v. 15.1.2013 - 1 C 10.12 - juris Rn. 13, U.v. 4.10.2012 - 1 C 13.11 - juris Rn. 17, U.v. 10.7.2012 - 1 C 19.11 - Rn. 14 jeweils unter Verweis auf EuGH, U.v. 8.12.2011 - Rs. C-371/08, Ziebell - NVwZ 2012, 422). Diese Voraussetzungen sind in seinem Fall gegeben. Damit liegen auch schwerwiegende Gründe der öffentlichen Sicherheit und Ordnung im Sinne des § 56 Abs. 1 Satz 2 AufenthG vor (BVerwG, U.v. 14.5.2013 - 1 C 13.12 - juris Rn. 11).

Der seit vielen Jahren drogenabhängige Kläger ist nach einer Reihe früherer Drogenstraftaten mit Urteil des Landgerichts München I vom 3. Mai 2010 wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in vier sachlich zusammentreffenden Fällen jeweils in Tateinheit mit unerlaubtem Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (Heroin) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren drei Monaten verurteilt worden. Mit am 28. Januar 2014 rechtskräftig gewordenen Strafurteil des Landgerichts München I vom 10. Juli 2013 wurde er erneut wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (Heroin) zu einer weiteren Freiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt. Nach den Feststellungen des Landgerichts München I hatte der zum Tatzeitpunkt noch gemäß § 64 StGB im Isar-Amper-Klinikum zur Entziehung untergebrachte Kläger 500 g Heroin zum Zweck des gewinnbringenden Weiterverkaufs erworben. Dass die Gefahren, die vom illegalen Handel mit Betäubungsmitteln und insbesondere dem vom Kläger gehandelten besonders gefährlichen Heroin ausgehen, besonders schwerwiegend sind und ein Grundinteresse der Gesellschaft berühren, ist in der Rechtsprechung geklärt (vgl. z. B. BVerwG, U.v. 14.5.2013 - 1 C 13.12 - juris Rn. 12 mit Nachweisen der einschlägigen Rspr des EuGH und des EGMR; BayVGH, B.v. 4.7.2013 - 10 ZB 13.949 u. a. - Rn. 4 m. w. N.). Auch stellt das persönliche Verhalten des Klägers gegenwärtig eine tatsächliche und hinreichend schwere Gefahr für dieses Grundinteresse der Gesellschaft im Sinne des Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80 dar. Der Kläger hat seine langjährige Drogenabhängigkeit trotz gerichtlich 2010 angeordneter und im Zeitraum Juni 2010 bis Februar 2012 im Isar-Amper-Klinikum durchgeführter Entzugstherapie nicht überwunden. Er hat ausweislich der Feststellungen des Landgerichts München I in dessen Strafurteil vom 10. Juli 2013 noch während seines Maßregelvollzugs nach § 64 StGB planvoll und mit hoher krimineller Energie 500 g Heroin zum Zweck des Weiterverkaufs erworben und dazu einen noch innerhalb des gemeinsamen Maßregelvollzugs hergestellten Kontakt zu einer ebenfalls dort (zeitweilig) untergebrachten Person genutzt, um dieses grenzübergreifende Heroingeschäft durchzuführen (vgl. S. 79 ff. des Strafurteils vom 10.7.2013). Gerade der strafbare Handel mit Betäubungsmitteln und insbesondere Heroin, gegebenenfalls auch zur Finanzierung der eigenen Sucht, der die Abhängigkeit anderer Drogenkonsumenten aufrecht erhält oder verstärkt und auf eine Erweiterung des Kundenkreises angelegt ist, führt zu erheblichen Gefahren für die Gesellschaft, deren Abwehr im Interesse des Schutzes der öffentlichen Ordnung besondere Maßnahmen gegenüber Ausländern rechtfertigt. Die Verhinderung von weiteren erheblichen Straftaten des Klägers im Bereich der Betäubungsmittelkriminalität stellt deshalb ein überragend wichtiges Interesse der Gesellschaft dar (st. Rspr.; vgl. z. B. BayVGH, U.v. 27.9.2012 - 10 B 10.1084 - juris Rn. 50).

Vom Kläger geht im maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Senats eine ganz erhebliche Gefahr der Wiederholung schwerwiegender Straftaten gerade auch im Bereich der Betäubungsmittelkriminalität aus. Die Beklagte hat im Rahmen der von ihr mit Schriftsatz vom 16. Mai 2014 aktualisierten Ermessenserwägungen zu Recht darauf verwiesen, dass der Kläger seit 1997 immer wieder und mit steigender Intensität strafrechtlich in Erscheinung getreten ist und sich weder durch Bewährungs- noch verbüßte Haftstrafen oder zuletzt durch Unterbringung im Maßregelvollzug von der Begehung weiterer schwerwiegender Delikte abhalten ließ. Insbesondere mit der mit Strafurteil vom 10. Juli 2013 abgeurteilten Straftat während seines Maßregelvollzugs nach § 64 StGB hat der Kläger gezeigt, dass er trotz eines intensivtherapeutischen Umfelds nicht in der Lage oder nicht willens ist, sein bis dahin gezeigtes (strafrechtliches) Verhalten grundlegend zu ändern, seine langjährige Drogenabhängigkeit in den Griff zu bekommen und künftig ein straffreies Leben zu führen. Dass der Kläger nach dem aktuellen Führungsbericht der Justizvollzugsanstalt S. vom 24. April 2014 dort disziplinarisch bisher noch nicht in Erscheinung getreten ist und nach dem Vortrag seines Bevollmächtigten Anträge auf Durchführung einer Ausbildung und einer Drogenberatung gestellt hat, fällt demgegenüber für die anzustellende tatrichterliche Prognose nicht ins Gewicht.

Die Ausweisung des Klägers erweist sich als zur Wahrung des oben dargelegten Grundinteresses der Gesellschaft der Bundesrepublik Deutschland unerlässlich im Sinne der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (U.v. 8.12.2011 a. a. O. Rn. 86). Bei dieser Prüfung müssen die Behörden sowohl die Grundrechte des Betroffenen, vor allem das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens (Art. 8 EMRK), als auch den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wahren und dabei die Dauer des Aufenthalts der betreffenden Person im Hoheitsgebiet dieses Staates, ihr Alter, die Folgen einer Ausweisung für die betreffende Person und ihre Familienangehörigen sowie ihre Bindungen zum Aufenthaltsstaat oder fehlende Bindungen zum Herkunftsstaat berücksichtigen (EuGH, U.v. 8.12.2011 a. a. O. Rn. 80 und 82).

Gemessen an diesen Grundsätzen stellt die angefochtene Ausweisung des Klägers bei einer Gesamtwürdigung aller Umstände weder einen unverhältnismäßigen Eingriff in sein Recht auf Achtung des Familien- und Privatlebens (Art. 8 EMRK) noch in sein Grundrecht aus Art. 6 Abs. 1 und 2 GG dar. Die Beklagte, die ihrer im materiellen Recht wurzelnden Verpflichtung zur Aktualisierung ihrer (Ausweisungs-) Ermessenserwägungen entsprechend mit Schriftsätzen vom 14. Oktober 2013 und zuletzt 16. Mai 2014 in verfahrensrechtlich zulässiger Weise gemäß § 114 Satz 2 VwGO die die Ausweisungsverfügung tragenden Ermessenserwägungen aktualisiert und ergänzt hat (vgl. BVerwG, U.v. 13.12.2011 - 1 C 14.10 - juris Rn. 8 ff., 17), hat die schützenswerten Belange des Klägers in rechtlich nicht zu beanstandender Weise gewürdigt und abgewogen. Sie hat dabei insbesondere berücksichtigt, dass der seit seiner Geburt im Bundesgebiet lebende Kläger als faktischer Inländer anzusehen ist, für den es trotz seiner türkischen Sprachkenntnisse relativ schwierig sein wird, sich ein Leben in der Türkei aufzubauen und sich dort zurechtzufinden. Die Beklagte hat weiter in den Blick genommen, dass der Kläger vor allem eine besonders schützenswerte familiäre Bindung an seine inzwischen 12jährige Tochter mit deutscher Staatsangehörigkeit hat, die allerdings bereits seit 2007 in einem Kinderheim untergebracht ist. Zu dieser für seine Tochter Y. wichtigen Vater-Tochter-Beziehung hat die Beklagte aber auch zu Recht festgestellt, dass der Kläger als Vater für sein Kind aufgrund Haft oder Unterbringung schon in der Vergangenheit überwiegend nicht greifbar gewesen sei und Besuchskontakte in einem Umfang, wie sie die Vater-Tochter-Beziehung bisher im Wesentlichen prägten, auch in Zukunft über regelmäßige Besuche beim Kläger in der Justizvollzugsanstalt möglich seien. Aufgrund der erneuten Verurteilung zu einer langjährigen Freiheitsstrafe werde Y. bei der geplanten Haftentlassung des Klägers im Jahr 2020 bereits volljährig sein. Demgemäß werde der Kläger seiner Tochter während ihrer wesentlichen Entwicklungsphasen bis zum Eintritt der Volljährigkeit im Bundesgebiet - wie bisher - als Bezugsperson zur Verfügung stehen. Die durch die Beklagte unter Abwägung der öffentlichen und privaten Belange im Hinblick auf die schweren Betäubungsmittelstraftaten des Klägers, seine langjährige nicht überwundene Betäubungsmittelsucht sowie die erhebliche Wiederholungsgefahr weiterer schwerer Straftaten im Bereich der Betäubungsmittelkriminalität getroffene Bewertung, dass die Aufenthaltsbeendigung und Ausreise in die Türkei dem Kläger gleichwohl zumutbar sei, ist gemessen am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht zu beanstanden und auch sonst ermessensfehlerfrei im Sinne von § 114 Satz 1 VwGO.

2. Der Kläger, der den streitbefangenen Bescheid der Beklagten auch insoweit beanstandet, hat keinen Anspruch auf Festsetzung einer kürzeren Sperrfrist als die von der Beklagten in Abänderung der Nr. 2. des angefochtenen Bescheids vom 18. Januar 2011, die nur die Zusicherung einer Befristung unter bestimmten Bedingungen enthielt, nachträglich verfügte Frist nach § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG von sieben Jahren. Die während des Berufungsverfahrens mit Schriftsatz vom 14. Oktober 2013 erfolgte Änderung des Bescheids vom 18. Januar 2011, mit der die Beklagte gemäß § 11 Abs. 1 Satz 4 bis 6 AufenthG die Sperrfrist für die Wiedereinreise in das Bundesgebiet auf sieben Jahre, beginnend mit der Ausreise, festgesetzt hat, ist rechtlich nicht zu beanstanden, weil die Festsetzung einer kürzeren Sperrfrist unter Zugrundelegung der gesetzlichen Maßstäbe des § 11 Abs. 1 Satz 4 AufenthG und der dazu in der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze im maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Senats nicht in Betracht kommt. Dabei ist vor allem das besondere Gewicht des Ausweisungsgrundes beim Kläger zu berücksichtigen. Seine Ausweisung dient - wie oben ausgeführt - der Abwehr schwerwiegender Gefahren für die Gesellschaft insbesondere durch den wiederholten Handel mit Heroin in größeren Mengen durch den selbst langjährig drogenabhängigen Kläger. Auch die bereits dargelegte hohe Rückfallgefahr, wie sie insbesondere in der beim Kläger zuletzt abgeurteilten Straftat noch während seines Maßregelvollzugs zum Ausdruck kommt, ist hier von entscheidendem Gewicht. Die danach von der Beklagten im Hinblick auf die Gefahr für die öffentliche Ordnung festzusetzende Frist ist zwar mit Blick auf die verfassungsrechtlichen Wertentscheidungen (Art. 2 Abs. 1, Art. 6 GG) sowie die Vorgaben aus Art. 7 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union und Art. 8 EMRK in einem zweiten Schritt zu relativieren, um die fortwirkenden einschneidenden Folgen des Einreise- und Aufenthaltsverbots für die persönliche Lebensführung des Betroffenen sowie seiner engeren Familienangehörigen zu begrenzen (BVerwG, U.v. 14.5.2013 a. a. O. Rn. 33 m. w. N.). Auch unter Berücksichtigung der familiären und persönlichen Bindungen des Klägers, insbesondere seiner Beziehung zur Tochter Y., die seit Jahren in einem Heim untergebracht ist und zu der der Kläger aufgrund der langen Resthaftzeit voraussichtlich bis zu deren Volljährigkeit wie bisher regelmäßige Besuchskontakte aufrecht erhalten können wird, kommt zum jetzt maßgeblichen Zeitpunkt nach Auffassung des Senats eine kürzere als die von der Beklagten festgesetzte Sperrfrist nicht in Betracht.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit stützt sich auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 ff. ZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.

(1) Ein Ausländer, dessen Aufenthalt die öffentliche Sicherheit und Ordnung, die freiheitliche demokratische Grundordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland gefährdet, wird ausgewiesen, wenn die unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles vorzunehmende Abwägung der Interessen an der Ausreise mit den Interessen an einem weiteren Verbleib des Ausländers im Bundesgebiet ergibt, dass das öffentliche Interesse an der Ausreise überwiegt.

(2) Bei der Abwägung nach Absatz 1 sind nach den Umständen des Einzelfalles insbesondere die Dauer seines Aufenthalts, seine persönlichen, wirtschaftlichen und sonstigen Bindungen im Bundesgebiet und im Herkunftsstaat oder in einem anderen zur Aufnahme bereiten Staat, die Folgen der Ausweisung für Familienangehörige und Lebenspartner sowie die Tatsache, ob sich der Ausländer rechtstreu verhalten hat, zu berücksichtigen.

(3) Ein Ausländer, dem nach dem Assoziationsabkommen EWG/Türkei ein Aufenthaltsrecht zusteht oder der eine Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU besitzt, darf nur ausgewiesen werden, wenn das persönliche Verhalten des Betroffenen gegenwärtig eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt und die Ausweisung für die Wahrung dieses Interesses unerlässlich ist.

(3a) Ein Ausländer, der als Asylberechtigter anerkannt ist, der im Bundesgebiet die Rechtsstellung eines ausländischen Flüchtlings im Sinne des § 3 Absatz 1 des Asylgesetzes oder eines subsidiär Schutzberechtigten im Sinne des § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes genießt oder der einen von einer Behörde der Bundesrepublik Deutschland ausgestellten Reiseausweis nach dem Abkommen vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) besitzt, darf nur bei Vorliegen zwingender Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung ausgewiesen werden.

(4) Ein Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, kann nur unter der Bedingung ausgewiesen werden, dass das Asylverfahren unanfechtbar ohne Anerkennung als Asylberechtigter oder ohne die Zuerkennung internationalen Schutzes (§ 1 Absatz 1 Nummer 2 des Asylgesetzes) abgeschlossen wird. Von der Bedingung wird abgesehen, wenn

1.
ein Sachverhalt vorliegt, der nach Absatz 3a eine Ausweisung rechtfertigt oder
2.
eine nach den Vorschriften des Asylgesetzes erlassene Abschiebungsandrohung vollziehbar geworden ist.

(1) Gegen einen Ausländer, der ausgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben worden ist, ist ein Einreise- und Aufenthaltsverbot zu erlassen. Infolge des Einreise- und Aufenthaltsverbots darf der Ausländer weder erneut in das Bundesgebiet einreisen noch sich darin aufhalten noch darf ihm, selbst im Falle eines Anspruchs nach diesem Gesetz, ein Aufenthaltstitel erteilt werden.

(2) Im Falle der Ausweisung ist das Einreise- und Aufenthaltsverbot gemeinsam mit der Ausweisungsverfügung zu erlassen. Ansonsten soll das Einreise- und Aufenthaltsverbot mit der Abschiebungsandrohung oder Abschiebungsanordnung nach § 58a unter der aufschiebenden Bedingung der Ab- oder Zurückschiebung und spätestens mit der Ab- oder Zurückschiebung erlassen werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist bei seinem Erlass von Amts wegen zu befristen. Die Frist beginnt mit der Ausreise. Die Befristung kann zur Abwehr einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung mit einer Bedingung versehen werden, insbesondere einer nachweislichen Straf- oder Drogenfreiheit. Tritt die Bedingung bis zum Ablauf der Frist nicht ein, gilt eine von Amts wegen zusammen mit der Befristung nach Satz 5 angeordnete längere Befristung.

(3) Über die Länge der Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots wird nach Ermessen entschieden. Sie darf außer in den Fällen der Absätze 5 bis 5b fünf Jahre nicht überschreiten.

(4) Das Einreise- und Aufenthaltsverbot kann zur Wahrung schutzwürdiger Belange des Ausländers oder, soweit es der Zweck des Einreise- und Aufenthaltsverbots nicht mehr erfordert, aufgehoben oder die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots verkürzt werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot soll aufgehoben werden, wenn die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Kapitel 2 Abschnitt 5 vorliegen. Bei der Entscheidung über die Verkürzung der Frist oder die Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots, das zusammen mit einer Ausweisung erlassen wurde, ist zu berücksichtigen, ob der Ausländer seiner Ausreisepflicht innerhalb der ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, es sei denn, der Ausländer war unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist war nicht erheblich. Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung verlängert werden. Absatz 3 gilt entsprechend.

(5) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll zehn Jahre nicht überschreiten, wenn der Ausländer auf Grund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist oder wenn von ihm eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgeht. Absatz 4 gilt in diesen Fällen entsprechend.

(5a) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll 20 Jahre betragen, wenn der Ausländer wegen eines Verbrechens gegen den Frieden, eines Kriegsverbrechens oder eines Verbrechens gegen die Menschlichkeit oder zur Abwehr einer Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder einer terroristischen Gefahr ausgewiesen wurde. Absatz 4 Satz 4 und 5 gilt in diesen Fällen entsprechend. Eine Verkürzung der Frist oder Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots ist grundsätzlich ausgeschlossen. Die oberste Landesbehörde kann im Einzelfall Ausnahmen hiervon zulassen.

(5b) Wird der Ausländer auf Grund einer Abschiebungsanordnung nach § 58a aus dem Bundesgebiet abgeschoben, soll ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. In den Fällen des Absatzes 5a oder wenn der Ausländer wegen eines in § 54 Absatz 1 Nummer 1 genannten Ausweisungsinteresses ausgewiesen worden ist, kann im Einzelfall ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. Absatz 5a Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(5c) Die Behörde, die die Ausweisung, die Abschiebungsandrohung oder die Abschiebungsanordnung nach § 58a erlässt, ist auch für den Erlass und die erstmalige Befristung des damit zusammenhängenden Einreise- und Aufenthaltsverbots zuständig.

(6) Gegen einen Ausländer, der seiner Ausreisepflicht nicht innerhalb einer ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, kann ein Einreise- und Aufenthaltsverbot angeordnet werden, es sei denn, der Ausländer ist unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist ist nicht erheblich. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Ein Einreise- und Aufenthaltsverbot wird nicht angeordnet, wenn Gründe für eine vorübergehende Aussetzung der Abschiebung nach § 60a vorliegen, die der Ausländer nicht verschuldet hat.

(7) Gegen einen Ausländer,

1.
dessen Asylantrag nach § 29a Absatz 1 des Asylgesetzes als offensichtlich unbegründet abgelehnt wurde, dem kein subsidiärer Schutz zuerkannt wurde, das Vorliegen der Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Absatz 5 oder 7 nicht festgestellt wurde und der keinen Aufenthaltstitel besitzt oder
2.
dessen Antrag nach § 71 oder § 71a des Asylgesetzes wiederholt nicht zur Durchführung eines weiteren Asylverfahrens geführt hat,
kann das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ein Einreise- und Aufenthaltsverbot anordnen. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot wird mit Bestandskraft der Entscheidung über den Asylantrag wirksam. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Über die Aufhebung, Verlängerung oder Verkürzung entscheidet die zuständige Ausländerbehörde.

(8) Vor Ablauf des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann dem Ausländer ausnahmsweise erlaubt werden, das Bundesgebiet kurzfristig zu betreten, wenn zwingende Gründe seine Anwesenheit erfordern oder die Versagung der Erlaubnis eine unbillige Härte bedeuten würde. Im Falle der Absätze 5a und 5b ist für die Entscheidung die oberste Landesbehörde zuständig.

(9) Reist ein Ausländer entgegen einem Einreise- und Aufenthaltsverbot in das Bundesgebiet ein, wird der Ablauf einer festgesetzten Frist für die Dauer des Aufenthalts im Bundesgebiet gehemmt. Die Frist kann in diesem Fall verlängert werden, längstens jedoch um die Dauer der ursprünglichen Befristung. Der Ausländer ist auf diese Möglichkeit bei der erstmaligen Befristung hinzuweisen. Für eine nach Satz 2 verlängerte Frist gelten die Absätze 3 und 4 Satz 1 entsprechend.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) §§ 88, 108 Abs. 1 Satz 1, §§ 118, 119 und 120 gelten entsprechend für Beschlüsse.

(2) Beschlüsse sind zu begründen, wenn sie durch Rechtsmittel angefochten werden können oder über einen Rechtsbehelf entscheiden. Beschlüsse über die Aussetzung der Vollziehung (§§ 80, 80a) und über einstweilige Anordnungen (§ 123) sowie Beschlüsse nach Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache (§ 161 Abs. 2) sind stets zu begründen. Beschlüsse, die über ein Rechtsmittel entscheiden, bedürfen keiner weiteren Begründung, soweit das Gericht das Rechtsmittel aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung als unbegründet zurückweist.

(1) Die Abschiebung ist unter Bestimmung einer angemessenen Frist zwischen sieben und 30 Tagen für die freiwillige Ausreise anzudrohen. Ausnahmsweise kann eine kürzere Frist gesetzt oder von einer Fristsetzung abgesehen werden, wenn dies im Einzelfall zur Wahrung überwiegender öffentlicher Belange zwingend erforderlich ist, insbesondere wenn

1.
der begründete Verdacht besteht, dass der Ausländer sich der Abschiebung entziehen will, oder
2.
von dem Ausländer eine erhebliche Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung ausgeht.
Unter den in Satz 2 genannten Voraussetzungen kann darüber hinaus auch von einer Abschiebungsandrohung abgesehen werden, wenn
1.
der Aufenthaltstitel nach § 51 Absatz 1 Nummer 3 bis 5 erloschen ist oder
2.
der Ausländer bereits unter Wahrung der Erfordernisse des § 77 auf das Bestehen seiner Ausreisepflicht hingewiesen worden ist.
Die Ausreisefrist kann unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalls angemessen verlängert oder für einen längeren Zeitraum festgesetzt werden. § 60a Absatz 2 bleibt unberührt. Wenn die Vollziehbarkeit der Ausreisepflicht oder der Abschiebungsandrohung entfällt, wird die Ausreisefrist unterbrochen und beginnt nach Wiedereintritt der Vollziehbarkeit erneut zu laufen. Einer erneuten Fristsetzung bedarf es nicht. Nach Ablauf der Frist zur freiwilligen Ausreise darf der Termin der Abschiebung dem Ausländer nicht angekündigt werden.

(2) In der Androhung soll der Staat bezeichnet werden, in den der Ausländer abgeschoben werden soll, und der Ausländer darauf hingewiesen werden, dass er auch in einen anderen Staat abgeschoben werden kann, in den er einreisen darf oder der zu seiner Übernahme verpflichtet ist. Gebietskörperschaften im Sinne der Anhänge I und II der Verordnung (EU) 2018/1806 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. November 2018 zur Aufstellung der Liste der Drittländer, deren Staatsangehörige beim Überschreiten der Außengrenzen im Besitz eines Visums sein müssen, sowie der Liste der Drittländer, deren Staatsangehörige von dieser Visumpflicht befreit sind (ABl. L 303 vom 28.11.2018, S. 39), sind Staaten gleichgestellt.

(3) Dem Erlass der Androhung steht das Vorliegen von Abschiebungsverboten und Gründen für die vorübergehende Aussetzung der Abschiebung nicht entgegen. In der Androhung ist der Staat zu bezeichnen, in den der Ausländer nicht abgeschoben werden darf. Stellt das Verwaltungsgericht das Vorliegen eines Abschiebungsverbots fest, so bleibt die Rechtmäßigkeit der Androhung im Übrigen unberührt.

(4) Nach dem Eintritt der Unanfechtbarkeit der Abschiebungsandrohung bleiben für weitere Entscheidungen der Ausländerbehörde über die Abschiebung oder die Aussetzung der Abschiebung Umstände unberücksichtigt, die einer Abschiebung in den in der Abschiebungsandrohung bezeichneten Staat entgegenstehen und die vor dem Eintritt der Unanfechtbarkeit der Abschiebungsandrohung eingetreten sind; sonstige von dem Ausländer geltend gemachte Umstände, die der Abschiebung oder der Abschiebung in diesen Staat entgegenstehen, können unberücksichtigt bleiben. Die Vorschriften, nach denen der Ausländer die im Satz 1 bezeichneten Umstände gerichtlich im Wege der Klage oder im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nach der Verwaltungsgerichtsordnung geltend machen kann, bleiben unberührt.

(5) In den Fällen des § 58 Abs. 3 Nr. 1 bedarf es keiner Fristsetzung; der Ausländer wird aus der Haft oder dem öffentlichen Gewahrsam abgeschoben. Die Abschiebung soll mindestens eine Woche vorher angekündigt werden.

(6) Über die Fristgewährung nach Absatz 1 wird dem Ausländer eine Bescheinigung ausgestellt.

(7) Liegen der Ausländerbehörde konkrete Anhaltspunkte dafür vor, dass der Ausländer Opfer einer in § 25 Absatz 4a Satz 1 oder in § 25 Absatz 4b Satz 1 genannten Straftat wurde, setzt sie abweichend von Absatz 1 Satz 1 eine Ausreisefrist, die so zu bemessen ist, dass er eine Entscheidung über seine Aussagebereitschaft nach § 25 Absatz 4a Satz 2 Nummer 3 oder nach § 25 Absatz 4b Satz 2 Nummer 2 treffen kann. Die Ausreisefrist beträgt mindestens drei Monate. Die Ausländerbehörde kann von der Festsetzung einer Ausreisefrist nach Satz 1 absehen, diese aufheben oder verkürzen, wenn

1.
der Aufenthalt des Ausländers die öffentliche Sicherheit und Ordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland beeinträchtigt oder
2.
der Ausländer freiwillig nach der Unterrichtung nach Satz 4 wieder Verbindung zu den Personen nach § 25 Absatz 4a Satz 2 Nummer 2 aufgenommen hat.
Die Ausländerbehörde oder eine durch sie beauftragte Stelle unterrichtet den Ausländer über die geltenden Regelungen, Programme und Maßnahmen für Opfer von in § 25 Absatz 4a Satz 1 genannten Straftaten.

(8) Ausländer, die ohne die nach § 4a Absatz 5 erforderliche Berechtigung zur Erwerbstätigkeit beschäftigt waren, sind vor der Abschiebung über die Rechte nach Artikel 6 Absatz 2 und Artikel 13 der Richtlinie 2009/52/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. Juni 2009 über Mindeststandards für Sanktionen und Maßnahmen gegen Arbeitgeber, die Drittstaatsangehörige ohne rechtmäßigen Aufenthalt beschäftigen (ABl. L 168 vom 30.6.2009, S. 24), zu unterrichten.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Die Gebühren richten sich nach dem Wert des Streitgegenstands (Streitwert), soweit nichts anderes bestimmt ist.

(2) Kosten werden nach dem Kostenverzeichnis der Anlage 1 zu diesem Gesetz erhoben.

(1) Entscheidungen des Oberverwaltungsgerichts können vorbehaltlich des § 99 Abs. 2 und des § 133 Abs. 1 dieses Gesetzes sowie des § 17a Abs. 4 Satz 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes nicht mit der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht angefochten werden.

(2) Im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gilt für Entscheidungen des beauftragten oder ersuchten Richters oder des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle § 151 entsprechend.