Bayerisches Landessozialgericht Urteil, 19. Mai 2015 - L 7 R 43/15

bei uns veröffentlicht am19.05.2015

Gericht

Bayerisches Landessozialgericht

Gründe

Rechtskräftig: unbekannt

Spruchkörper: Senat

Hauptschlagwort: Beiladung, Eilverfahren, Klagerücknahmefiktion, rechtliches Gehör bei Gerichtsbescheid, Zurückverweisung

Titel:

Normenkette:

Leitsatz:

in dem Rechtsstreit

A., A-Straße, A-Stadt

- Klägerin und Berufungsklägerin -

Proz.-Bev.: B., B-Straße, B-Stadt

gegen

Deutsche Rentenversicherung ...,

vertreten durch das Direktorium, R-straße ..., B.,

- Beklagte und Berufungsbeklagte -

Der 7. Senat des Bayer. Landessozialgerichts hat auf die mündliche Verhandlung in München am 19. Mai 2015 durch den Vorsitzenden Richter am Bayer. Landessozialgericht Dr. Mayer, den Richter am Bayer. Landessozialgericht Thanner und die Richterin am Bayer. Landessozialgericht Herz sowie die ehrenamtlichen Richter Grundler und Treffler für Recht erkannt:

I.

Auf die Berufung der Klägerin wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Bayreuth vom 18. Dezember 2014 aufgehoben.

II.

Der Rechtsstreit wird an das Sozialgericht Bayreuth zurückverwiesen.

III.

Die Revision wird nicht zugelassen.

IV.

Der Streitwert für dieses Berufungsverfahren wird auf 35.527,85 € festgesetzt.

Tatbestand:

Die Klägerin wendet sich gegen die Nachforderung von Versicherungsbeiträgen samt Säumniszuschlägen durch die Beklagte.

Mit Bescheid vom 08.12.2011 forderte die Beklagte von der Klägerin für die Zeit vom 01.01.2007 bis 31.05.2008 Sozialversicherungsbeiträge, Umlagen und darauf entfallende Säumniszuschläge in Höhe von insgesamt 51.801,21 EUR nach. Im Rahmen des Widerspruchsverfahrens erließ die Beklagte einen Bescheid mit Datum vom 22.08.2013, worin die Gesamthöhe der Nachforderung auf 35.527,85 EUR reduziert wurde. Mit Widerspruchsbescheid vom 03.02.2014 wurde der Widerspruch im Übrigen als unbegründet zurückgewiesen.

Hiergegen erhob die Klägerin am 05.03.2014 Klage zum Sozialgericht Bayreuth. Die Klägerin begründete mit Schreiben vom 02.05.2014 ihre Klage in der Hauptsache und stellte gleichzeitig Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage.

Im Rahmen des Klageverfahrens setzte der Vorsitzende der Kammer der Klägerin mit Schreiben vom 02.06.2014 Frist, sich zur Klageerwiderung der Beklagten vom 28.05.2014 zu äußern, was auch nach wiederholter Aufforderung nicht geschah. Die notwendigen Beiladungen nahm das Sozialgericht nicht vor.

Mit Beschluss vom 06.06.2014 lehnte das Sozialgericht Bayreuth den Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz als unbegründet ab. An der Rechtmäßigkeit der Bescheide bestehe nach summarischer Prüfung keine ernsthaften Zweifel. Hiergegen legte die Klägerin Beschwerde zum Bay. Landessozialgericht ein.

Mit gerichtlichem Schreiben vom 18.08.2014, der Klägerin per Fax am 18.08.2014 zugegangen, mahnte der Vorsitzende der Kammer Erledigung des gerichtlichen Schreibens vom 02.06.2014 bis 14.09.2014 an. Gleichzeitig wurde die Klägerin im Hinblick auf das gerichtliche Schreiben vom 02.06.2014 darauf hingewiesen, dass die Klage gemäß § 102 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) als zurückgenommen gelte, wenn das Verfahren trotz Aufforderung des Gerichts länger als drei Monate nicht betrieben würde. Des Weiteren wurde die Klägerin auf die Kostenfolgen hingewiesen.

Mit Beschluss vom 12.09.2014 wies das Bayer. Landessozialgericht unter Az.: L 16 R 632/14 B ER die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts vom 06.06.2014 zurück. Zutreffend habe das SG festgestellt, dass keine ernsthaften Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Bescheide bestünden.

Mit Schreiben vom 24.11.2014 teilte das Sozialgericht Bayreuth den Beteiligten mit, dass die Klage als zurückgenommen gelte gemäß § 102 Abs. 2 SGG; die Klägerin habe das Verfahren trotz gerichtlicher Aufforderung länger als drei Monate nicht betrieben. Mit Beschluss vom 24.11.2014 setzte das Sozialgericht den Streitwert auf 35.527,28 EUR fest ohne die Beteiligten hierzu vorher anzuhören.

Mit Schreiben vom 25.11.2014 erhob die Klägerin Anhörungsrüge gemäß § 178a SGG gegen den Beschluss des Sozialgerichts, über die, soweit aus den Akten ersichtlich, nicht entschieden wurde. Gleichzeitig beantragte die Klägerin Feststellung, dass der Rechtsstreit durch die fiktive Klagerücknahme nicht beendet wurde, da die Voraussetzungen für die Annahme einer fiktiven Klagerücknahme nicht vorgelegen hätten.

Mit gerichtlichem Schreiben vom 03.12.2014 teilte das Sozialgericht den Beteiligten mit, dass das Verfahren fortgesetzt werde. Es sei beabsichtigt, durch Gerichtsbescheid ohne mündliche Verhandlung zu entscheiden. Hierzu bestünde Gelegenheit zur Äußerung bis zum 17.12.2012.

Mit Schreiben vom 08.12.2014 äußerte sich die Beklagte dahingehend, dass gegen eine Entscheidung durch Gerichtsbescheid keine Bedenken bestünden. Gleichzeitig wies die Beklagte darauf hin, dass die Beitragsnachforderung 35.527,85 und nicht - wie im Streitwertbeschluss festgesetzt - 35.527,28 EUR betrage; der Beschluss vom 24.11.2014 sei insoweit zu korrigieren. Der Vorsitzende der Kammer vermerkte auf dem Schreiben der Beklagten „I. Kenntnis genommen und II. Wiedervorlage 17.12.“, ohne das Schreiben des Beklagten an die Klägerseite weiterzuleiten.

Mit Schreiben vom 17.12.2014, eingegangen beim Sozialgericht Bayreuth am 17.12.2014, teilte die Klägerseite dem Gericht mit, dass einer Entscheidung durch Gerichtsbescheid nicht zugestimmt werde, da große Teile der Forderung bezahlt seien. Dieses Schreiben wurde der Beklagten nicht zur Kenntnis gegeben.

Mit Gerichtsbescheid vom 18.12.2014 stellte das Sozialgericht Bayreuth fest, dass der Rechtsstreit durch Rücknahme der Klage erledigt sei. Das Schreiben der Klägerin vom 17.12.2014 wurde weder im Tatbestand noch in den Entscheidungsgründen erwähnt. Gleichzeitig wurde der Streitwert im Urteil korrigiert, ohne dass der Beschluss vom 24.11.2014 insoweit im Gerichtsbescheid erwähnt wurde.

In den Entscheidungsgründen legte das Sozialgericht dar, dass eine Entscheidung durch Gerichtsbescheid möglich sei, weil die Sache keine besonderen Schwierigkeiten rechtlicher Art aufweise, der Sachverhalt geklärt sei, die Beteiligten vorher gehört worden seien und die Beklagte mit Schreiben vom 08.12.2014 auch zugestimmt habe. In der Sache selbst sei festzustellen, dass die Fiktion der Klagerücknahme eingetreten sei. Die Klägerin habe sich trotz mehrmaliger richterlicher Aufforderung nicht geäußert. Nach Fristsetzung und Hinweis auf § 102 Abs. 2 SGG habe sich die Klägerseite länger als drei Monate nicht geäußert.

Hiergegen hat die Klägerin Berufung zum Bayer. Landessozialgericht eingelegt. Der Gerichtsbescheid verletze ihr rechtliches Gehör. Darüber hinaus hätten die Voraussetzungen für die Annahme einer Fiktion der Klagerücknahme nicht vorgelegen. Daher sei der Rechtsstreit an das Sozialgericht zurückzuverweisen.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

die Bescheide der Beklagten vom 08.12.2011 und 22.08.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03.02.2014 sowie den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Bayreuth vom 18. Dezember 2014 aufzuheben,

hilfsweise die Rechtssache an das Sozialgericht Bayreuth unter Aufhebung des Gerichtsbescheids zurückzuverweisen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen,

hilfsweise die Rechtssache an das Sozialgericht Bayreuth unter Aufhebung des Gerichtsbescheids zurückzuverweisen.

Unabhängig vom Zustandekommen des Gerichtsbescheides und dem Vorliegen der Voraussetzungen für die Annahme einer fiktiven Klagerücknahme könne die Berufung in der Sache selbst keinen Erfolg haben.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig, §§ 143, 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG).

Die Berufung ist auch begründet im Sinne einer Aufhebung der angefochtenen Entscheidung des Sozialgerichts und Zurückverweisung der Sache an das Sozialgericht gemäß § 159 Abs. 1 Nr. 1 SGG.

Nach § 159 Abs. 1 SGG kann das Landessozialgericht durch Urteil die angefochtene Entscheidung aufheben und die Sache nach eigenem Ermessen an das Sozialgericht zurückverweisen, wenn das Sozialgericht die Klage abgewiesen hat, ohne in der Sache selbst zu entschieden (159 Abs. 1 Nr. 1 SGG, vgl. dazu unten unter 1.) oder das Verfahren an einem wesentlichen Mangel leidet, der eine umfangreiche und aufwändige Beweisaufnahme erfordert (159 Abs. 1 Nr. 2 SGG, vgl. dazu unten unter 2.).

1. Es liegt ein Zurückverweisungsgrund nach §159 Abs. 1 Nr. 1 SGG vor, da das Sozialgericht die Klage abgewiesen hat, ohne in der Sache selbst zu entscheiden.

Das Sozialgericht hat angenommen, dass die Voraussetzungen für eine fiktive Klagerücknahme nach § 102 Abs. 2 Satz 1 SGG vorgelegen hätten, obwohl dies nicht der Fall war.

Die Fiktion der Klagerücknahme nach § 102 Abs. 2 Satz 1 SGG tritt grundsätzlich ein, wenn der Kläger das Verfahren trotz Aufforderung des Gerichts länger als drei Monate nicht betreibt. Dabei ist aus verfassungsrechtlichen Gründen allerdings zu beachten (Bundesverfassungsgericht NVwZ 1994, S. 62), dass die Rücknahmefiktion nur in eng begrenzten Ausnahmefällen in Betracht kommt, insbesondere wenn sachlich begründete Anhaltspunkte für einen Wegfall des Rechtsschutzinteresses des Klägers vorliegen. Unter welchen Umständen ein solcher Wegfall angenommen werden kann, hängt vom Einzelfall ab (Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG 11. Auflage 2014 § 102 Rz. 8a). Allein mangelndes Interesse, das etwa durch unzureichende Mitwirkung oder Fernbleiben bei Terminen reicht noch nicht aus; vielmehr ist eine Gesamtwürdigung von Betreibensaufforderung und Verhalten des Klägers notwendig (Leitherer a. a. O.).

Der Gerichtsbescheid lässt nicht erkennen, dass das Sozialgericht derartig weitgehende Überlegungen angestellt hat; es hat lediglich auf seine Betreibensaufforderung abgestellt, die allerdings auch für sich alleine genommen nicht den Voraussetzungen des § 102 SGG entspricht.

Die Fristsetzung ist unklar. Durch die doppelte Fristsetzung - zum einen eine erneute Äußerungsfrist zum Schreiben vom 02.06.2014 bis zum 14.09.2014, zum anderen eine Drei-Monatsfrist, deren Beginn schon im Hinblick auf den Zugang des Schreibens vom 18.08.2014 bei der Klägerin nicht hinreichend definiert ist - wurde den Anforderungen des § 102 SGG an eine präzise Fristsetzung nicht Genüge getan.

Zudem hat die Klägerin das Verfahren während der gesetzten Frist betrieben. Die Klägerin hat das Verfahren nach dem 18.08.2014 schon allein dadurch betrieben, dass zur Hauptsache noch eine Beschwerde im Rahmen des Eilantrags der Klägerseite beim Landessozialgericht bis zur Zustellung des Beschlusses des LSG vom 12.09.2014 anhängig war. Solange ein Kläger noch ein Eilverfahren zur Hauptsache betreibt, verbietet es sich, ein mangelndes Rechtsschutzinteresse der Klägerseite anzunehmen und die Frist des § 102 Abs. 2 Satz 1 SGG in Bezug auf die Hauptsache überhaupt in Gang zu setzen.

2. Soweit darüber hinaus wesentliche Verfahrensmängel i. S. von § 159 Abs. 1 Nr. 2 SGG vorliegen, kommt es hierauf nicht weiter an, da bereits - wie unter 1. dargelegt - § 159 Abs. 1 Nr. 1 SGG die Zurückverweisung ermöglicht.

Anzumerken ist insoweit jedoch, dass der Kammervorsitzende vom Schreiben der Beklagten vom 08.12.2014, mit der diese ihre Stellungnahme zur Entscheidung durch Gerichtsentscheid abgab und darüber hinaus die Fehlerhaftigkeit des Streitwertbeschlusses rügte, lediglich Kenntnis genommen und dieses Schreiben nicht der Klägerin übermittelt hat. Damit hat die Klägerin nicht Kenntnis vom Vortrag der Gegenseite erhalten hat, was notwendig gewesen wäre (vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Auflage 2014 § 105 Rz. 13).

Des Weiteren hat der Kammervorsitzende den Schriftsatz der Klägerin, der fristgemäß am 17.12.2014 eingegangen ist, der Beklagten nicht zugeleitet. Zudem hat der Kammervorsitzende dieses Scheiben im Gerichtsbescheid vom 18.12.2014 nicht einmal erwähnt.

Auch hat der Kammervorsitzende den Streitwertbeschluss vom 24.11.2014 im Gerichtsbescheid einfach geändert, ohne hierzu die Beteiligten vorher nochmals zu hören. Die Änderung des Streitwertbeschlusses vom 24.11.2014 wurde im Gerichtsbescheid vorgenommen, ohne den Streitwertbeschluss vom 24.11.2014 im Gerichtsbescheid zu erwähnen bzw. aufzuheben bzw. abzuändern.

Das Sozialgericht hat es darüber hinaus unterlassen, die betroffenen Sozialversicherungsträger notwendig beizuladen, § 75 Abs. 2 SGG (vgl. BayLSG Urteil vom 07.10.2014, L 5 571/14 R).

3. Der Senat macht von dem ihm in § 159 Abs. 1 SGG eröffneten Ermessen, die Sache zurückzuverweisen, Gebrauch, weil von Seiten des Sozialgerichts aufgrund der Annahme des Vorliegens der Voraussetzungen von § 102 SGG auf eine inhaltliche Auseinandersetzung mit dem Klägerbegehren verzichtet wurde (vgl. BayLSG Urteil vom 05.02.2014, L 2 U 406/13 Rz. 26). Im Ergebnis würde dies bedeuten, dass im Berufungsverfahren erstmals inhaltliche Überlegungen und gegebenenfalls Ermittlungen zum Sachverhalt vorgenommen würden, zumindest aber erstmals die notwendig Beizuladenden sich äußern könnten. Darin liegt eine erhebliche faktische Verkürzung des Rechtsschutzes zulasten der Klägerin und auch der Beigeladenen, dem durch die Zurückverweisung begegnet werden kann.

Das die Sache zurückverweisende Urteil enthält keine Kostenentscheidung, da diese Entscheidung dem Sozialgericht vorbehalten bleibt, BayLSG Urteil vom 05.04.2014, L 2 U 406/13 Rz. 27.

Auch wenn bei der Zurückverweisung keine Kostenentscheidung erfolgt, ist doch für das Berufungsverfahren bezüglich der Zurückverweisung ein Streitwert festzusetzen (vgl. BSG Urteil vom 02.09.2014, B 1 KR 30/13 R). Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 197a SGG in Verbindung mit Gerichtskostengesetz, wobei der Streitwert sich aus der Höhe der verbliebenen Gesamtforderung der Beklagten ergibt, die 35.527,85 EUR beträgt.

Gründe, die Revision zuzulassen, sind nicht ersichtlich.

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Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 197a


(1) Gehört in einem Rechtszug weder der Kläger noch der Beklagte zu den in § 183 genannten Personen oder handelt es sich um ein Verfahren wegen eines überlangen Gerichtsverfahrens (§ 202 Satz 2), werden Kosten nach den Vorschriften des Gerichtskosten

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 75


(1) Das Gericht kann von Amts wegen oder auf Antrag andere, deren berechtigte Interessen durch die Entscheidung berührt werden, beiladen. In Angelegenheiten des sozialen Entschädigungsrechts ist die Bundesrepublik Deutschland auf Antrag beizuladen.

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 178a


(1) Auf die Rüge eines durch eine gerichtliche Entscheidung beschwerten Beteiligten ist das Verfahren fortzuführen, wenn 1. ein Rechtsmittel oder ein anderer Rechtsbehelf gegen die Entscheidung nicht gegeben ist und2. das Gericht den Anspruch dieses

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 159


(1) Das Landessozialgericht kann durch Urteil die angefochtene Entscheidung aufheben und die Sache an das Sozialgericht zurückverweisen, wenn 1. dieses die Klage abgewiesen hat, ohne in der Sache selbst zu entscheiden,2. das Verfahren an einem wesent

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 102


(1) Der Kläger kann die Klage bis zur Rechtskraft des Urteils zurücknehmen. Die Klagerücknahme erledigt den Rechtsstreit in der Hauptsache. (2) Die Klage gilt als zurückgenommen, wenn der Kläger das Verfahren trotz Aufforderung des Gerichts länge

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Bundessozialgericht Urteil, 02. Sept. 2014 - B 1 KR 30/13 R

bei uns veröffentlicht am 02.09.2014

Tenor Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 2. Oktober 2013 aufgehoben. Der Rechtsstreit wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das

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(1) Der Kläger kann die Klage bis zur Rechtskraft des Urteils zurücknehmen. Die Klagerücknahme erledigt den Rechtsstreit in der Hauptsache.

(2) Die Klage gilt als zurückgenommen, wenn der Kläger das Verfahren trotz Aufforderung des Gerichts länger als drei Monate nicht betreibt. Absatz 1 gilt entsprechend. Der Kläger ist in der Aufforderung auf die sich aus Satz 1 und gegebenenfalls aus § 197a Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit § 155 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung ergebenden Rechtsfolgen hinzuweisen.

(3) Ist die Klage zurückgenommen oder gilt sie als zurückgenommen, so stellt das Gericht das Verfahren auf Antrag durch Beschluss ein und entscheidet über Kosten, soweit diese entstanden sind. Der Beschluss ist unanfechtbar.

(1) Auf die Rüge eines durch eine gerichtliche Entscheidung beschwerten Beteiligten ist das Verfahren fortzuführen, wenn

1.
ein Rechtsmittel oder ein anderer Rechtsbehelf gegen die Entscheidung nicht gegeben ist und
2.
das Gericht den Anspruch dieses Beteiligten auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt hat.
Gegen eine der Endentscheidung vorausgehende Entscheidung findet die Rüge nicht statt.

(2) Die Rüge ist innerhalb von zwei Wochen nach Kenntnis von der Verletzung des rechtlichen Gehörs zu erheben; der Zeitpunkt der Kenntniserlangung ist glaubhaft zu machen. Nach Ablauf eines Jahres seit Bekanntgabe der angegriffenen Entscheidung kann die Rüge nicht mehr erhoben werden. Formlos mitgeteilte Entscheidungen gelten mit dem dritten Tage nach Aufgabe zur Post als bekannt gegeben. Die Rüge ist schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle bei dem Gericht zu erheben, dessen Entscheidung angegriffen wird. Die Rüge muss die angegriffene Entscheidung bezeichnen und das Vorliegen der in Absatz 1 Satz 1 Nr. 2 genannten Voraussetzungen darlegen.

(3) Den übrigen Beteiligten ist, soweit erforderlich, Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben.

(4) Ist die Rüge nicht statthaft oder nicht in der gesetzlichen Form oder Frist erhoben, so ist sie als unzulässig zu verwerfen. Ist die Rüge unbegründet, weist das Gericht sie zurück. Die Entscheidung ergeht durch unanfechtbaren Beschluss. Der Beschluss soll kurz begründet werden.

(5) Ist die Rüge begründet, so hilft ihr das Gericht ab, indem es das Verfahren fortführt, soweit dies aufgrund der Rüge geboten ist. Das Verfahren wird in die Lage zurückversetzt, in der es sich vor dem Schluss der mündlichen Verhandlung befand. In schriftlichen Verfahren tritt an die Stelle des Schlusses der mündlichen Verhandlung der Zeitpunkt, bis zu dem Schriftsätze eingereicht werden können. Für den Ausspruch des Gerichts ist § 343 der Zivilprozessordnung entsprechend anzuwenden.

(6) § 175 Satz 3 ist entsprechend anzuwenden.

(1) Der Kläger kann die Klage bis zur Rechtskraft des Urteils zurücknehmen. Die Klagerücknahme erledigt den Rechtsstreit in der Hauptsache.

(2) Die Klage gilt als zurückgenommen, wenn der Kläger das Verfahren trotz Aufforderung des Gerichts länger als drei Monate nicht betreibt. Absatz 1 gilt entsprechend. Der Kläger ist in der Aufforderung auf die sich aus Satz 1 und gegebenenfalls aus § 197a Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit § 155 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung ergebenden Rechtsfolgen hinzuweisen.

(3) Ist die Klage zurückgenommen oder gilt sie als zurückgenommen, so stellt das Gericht das Verfahren auf Antrag durch Beschluss ein und entscheidet über Kosten, soweit diese entstanden sind. Der Beschluss ist unanfechtbar.

(1) Das Landessozialgericht kann durch Urteil die angefochtene Entscheidung aufheben und die Sache an das Sozialgericht zurückverweisen, wenn

1.
dieses die Klage abgewiesen hat, ohne in der Sache selbst zu entscheiden,
2.
das Verfahren an einem wesentlichen Mangel leidet und auf Grund dieses Mangels eine umfangreiche und aufwändige Beweisaufnahme notwendig ist.

(2) Das Sozialgericht hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung zugrunde gelegt ist, seiner Entscheidung zugrunde zu legen.

(1) Der Kläger kann die Klage bis zur Rechtskraft des Urteils zurücknehmen. Die Klagerücknahme erledigt den Rechtsstreit in der Hauptsache.

(2) Die Klage gilt als zurückgenommen, wenn der Kläger das Verfahren trotz Aufforderung des Gerichts länger als drei Monate nicht betreibt. Absatz 1 gilt entsprechend. Der Kläger ist in der Aufforderung auf die sich aus Satz 1 und gegebenenfalls aus § 197a Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit § 155 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung ergebenden Rechtsfolgen hinzuweisen.

(3) Ist die Klage zurückgenommen oder gilt sie als zurückgenommen, so stellt das Gericht das Verfahren auf Antrag durch Beschluss ein und entscheidet über Kosten, soweit diese entstanden sind. Der Beschluss ist unanfechtbar.

(1) Das Landessozialgericht kann durch Urteil die angefochtene Entscheidung aufheben und die Sache an das Sozialgericht zurückverweisen, wenn

1.
dieses die Klage abgewiesen hat, ohne in der Sache selbst zu entscheiden,
2.
das Verfahren an einem wesentlichen Mangel leidet und auf Grund dieses Mangels eine umfangreiche und aufwändige Beweisaufnahme notwendig ist.

(2) Das Sozialgericht hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung zugrunde gelegt ist, seiner Entscheidung zugrunde zu legen.

(1) Das Gericht kann von Amts wegen oder auf Antrag andere, deren berechtigte Interessen durch die Entscheidung berührt werden, beiladen. In Angelegenheiten des sozialen Entschädigungsrechts ist die Bundesrepublik Deutschland auf Antrag beizuladen.

(2) Sind an dem streitigen Rechtsverhältnis Dritte derart beteiligt, daß die Entscheidung auch ihnen gegenüber nur einheitlich ergehen kann oder ergibt sich im Verfahren, daß bei der Ablehnung des Anspruchs ein anderer Versicherungsträger, ein Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende, ein Träger der Sozialhilfe einschließlich der Leistungen nach Teil 2 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch, ein Träger der Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz oder in Angelegenheiten des sozialen Entschädigungsrechts ein Land als leistungspflichtig in Betracht kommt, so sind sie beizuladen.

(2a) Kommt nach Absatz 2 erste Alternative die Beiladung von mehr als 20 Personen in Betracht, kann das Gericht durch Beschluss anordnen, dass nur solche Personen beigeladen werden, die dies innerhalb einer bestimmten Frist beantragen. Der Beschluss ist unanfechtbar. Er ist im Bundesanzeiger bekannt zu machen. Er muss außerdem in im gesamten Bundesgebiet verbreiteten Tageszeitungen veröffentlicht werden. Die Bekanntmachung kann zusätzlich in einem von dem Gericht für Bekanntmachungen bestimmten Informations- und Kommunikationssystem erfolgen. Die Frist muss mindestens drei Monate seit der Bekanntgabe betragen. Es ist jeweils anzugeben, an welchem Tag die Antragsfrist abläuft. Für die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Fristversäumnis gilt § 67 entsprechend. Das Gericht soll Personen, die von der Entscheidung erkennbar in besonderem Maße betroffen werden, auch ohne Antrag beiladen.

(2b) In Verfahren gegen Entscheidungen nach § 7a Absatz 1 Satz 3, § 28h Absatz 2 und § 28p Absatz 1 Satz 5 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch sind andere Versicherungsträger abweichend von Absatz 2 nur auf deren Antrag beizuladen. Das Gericht benachrichtigt die anderen Versicherungsträger über die Erhebung einer entsprechenden Klage und über die Möglichkeit der Beiladung auf Antrag. Das Gericht setzt den anderen Versicherungsträgern für die Antragstellung eine angemessene Frist. Für die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Fristversäumnis gilt § 67 entsprechend. Das Gericht kann Versicherungsträger auch von Amts wegen beiladen.

(3) Der Beiladungsbeschluß ist allen Beteiligten zuzustellen. Dabei sollen der Stand der Sache und der Grund der Beiladung angegeben werden. Der Beschluß, den Dritten beizuladen, ist unanfechtbar.

(4) Der Beigeladene kann innerhalb der Anträge der anderen Beteiligten selbständig Angriffs- und Verteidigungsmittel geltend machen und alle Verfahrenshandlungen wirksam vornehmen. Abweichende Sachanträge kann er nur dann stellen, wenn eine Beiladung nach Absatz 2 vorliegt.

(5) Ein Versicherungsträger, ein Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende, ein Träger der Sozialhilfe einschließlich der Leistungen nach Teil 2 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch, ein Träger der Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz oder in Angelegenheiten des sozialen Entschädigungsrechts ein Land kann nach Beiladung verurteilt werden.

(1) Das Landessozialgericht kann durch Urteil die angefochtene Entscheidung aufheben und die Sache an das Sozialgericht zurückverweisen, wenn

1.
dieses die Klage abgewiesen hat, ohne in der Sache selbst zu entscheiden,
2.
das Verfahren an einem wesentlichen Mangel leidet und auf Grund dieses Mangels eine umfangreiche und aufwändige Beweisaufnahme notwendig ist.

(2) Das Sozialgericht hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung zugrunde gelegt ist, seiner Entscheidung zugrunde zu legen.

(1) Der Kläger kann die Klage bis zur Rechtskraft des Urteils zurücknehmen. Die Klagerücknahme erledigt den Rechtsstreit in der Hauptsache.

(2) Die Klage gilt als zurückgenommen, wenn der Kläger das Verfahren trotz Aufforderung des Gerichts länger als drei Monate nicht betreibt. Absatz 1 gilt entsprechend. Der Kläger ist in der Aufforderung auf die sich aus Satz 1 und gegebenenfalls aus § 197a Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit § 155 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung ergebenden Rechtsfolgen hinzuweisen.

(3) Ist die Klage zurückgenommen oder gilt sie als zurückgenommen, so stellt das Gericht das Verfahren auf Antrag durch Beschluss ein und entscheidet über Kosten, soweit diese entstanden sind. Der Beschluss ist unanfechtbar.

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 2. Oktober 2013 aufgehoben. Der Rechtsstreit wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

Der Streitwert für das Revisionsverfahren wird auf 593,92 Euro festgesetzt.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über die teilweise Erstattung der Kosten einer Badekur.

2

Der klagende Träger der Kriegsopferversorgung bewilligte der bei der beklagten Krankenkasse (KK) versicherten U (im Folgenden: Versicherte) antragsgemäß eine Badekur für die Dauer von 29 Tagen in Bad Pyrmont, um ihre Fähigkeit zu erhalten, als Ehefrau ihren Ehemann zu pflegen, einen Empfänger einer Pflegezulage (§ 35 Abs 1 Bundesversorgungsgesetz; Bescheid vom 11.4.2008). Der Kläger trug für die vom 2.5. bis 30.5.2008 erfolgte Badekur insgesamt 2346,40 Euro Kosten (28 Tage à 83,80 Euro Tagespauschale - darin enthalten 1479,24 Euro für Unterbringung und Verpflegung -, 346,40 Euro Kurmittel, 109,23 Euro ärztliches Honorar). Die auf Erstattung in Anspruch genommene Beklagte äußerte, für eine lediglich indizierte ambulante Vorsorge am Kurort (§ 23 Abs 2 SGB V)hätte sie 593,92 Euro aufgewendet (269,87 Euro Kurmittel, 273 Euro Unterkunft und Verpflegung, 51,05 Euro Arztkostenpauschale). Sie lehnte aber eine Erstattung ab, da die Kur bloß zur Erhaltung der Fähigkeit zur Pflege des Beschädigten erforderlich gewesen sei (Schreiben vom 27.3.2009). Das SG hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt, 593,92 Euro zu erstatten (Urteil vom 29.6.2010). Das LSG hat die Klage abgewiesen: Die Voraussetzungen eines Forderungsausschlusses wegen Abwicklung der Beklagten seien zwar nicht erfüllt (vgl § 155 Abs 2 S 3 SGB V). Gleichwohl scheide eine Erstattungspflicht aus, da die Beklagte einem Antrag auf stationäre Maßnahmen nicht teilweise unter Bewilligung einer ambulanten Maßnahme hätte stattgeben können. Ob eine ambulante Vorsorgemaßnahme (§ 23 Abs 2 SGB V) indiziert gewesen sei, könne offenbleiben (Urteil vom 2.10.2013).

3

Der Kläger rügt mit seiner Revision die Verletzung des § 18c Abs 5 S 2 BVG, da Zweckidentität zwischen der geleisteten stationären und der von der Beklagten zu bewilligenden ambulanten Maßnahme gegeben sei.

4

Der Kläger beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 2. Oktober 2013 aufzuheben und die Berufung der Beklagten zurückzuweisen,
hilfsweise,
das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 2. Oktober 2013 aufzuheben und die Sache an das Landessozialgericht zurückzuverweisen.

5

Die Beklagte hat schriftlich beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

6

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Entscheidungsgründe

7

Die zulässige Revision des Klägers ist im Sinne der Zurückverweisung der Sache an das LSG zur erneuten Verhandlung und Entscheidung begründet (§ 170 Abs 2 S 2 SGG). Das angefochtene LSG-Urteil ist aufzuheben, weil es auf der Verletzung materiellen Rechts beruht und sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig erweist. Der erkennende Senat kann wegen fehlender Tatsachenfeststellungen des LSG nicht in der Sache abschließend über den Anspruch des Klägers entscheiden.

8

Streitgegenstand ist lediglich die Verurteilung der Beklagten, 593,92 Euro Kosten zu erstatten, die sie für eine ambulante Vorsorge der Versicherten am Kurort ohne die gewährte Badekur aufgewendet hätte. Die vom Kläger im Gleichordnungsverhältnis erhobene echte Leistungsklage ist zulässig (§ 54 Abs 5 SGG; vgl zB BSGE 12, 65, 68 = SozR Nr 1 zu § 1739 RVO; BSGE 17, 157, 158 = SozR Nr 2 zu § 1509 RVO; BSG SozR 3100 § 16 Nr 4). Ein Erstattungsanspruch des Klägers ist nicht von vornherein wegen Schließung der Beklagten ausgeschlossen, da sie den Kläger als ihr bekannten Gläubiger nach den bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) nicht anlässlich der Bekanntmachung ihrer Schließung zur Anmeldung seiner Forderung aufforderte (§ 155 Abs 2 S 3 SGB V). Für einen Erstattungsanspruch nach § 18c Abs 5 S 2 BVG(dazu 1.) steht nicht fest, dass und inwieweit die Beklagte ihrerseits Leistungen gegenüber der Versicherten zu erbringen gehabt hätte, die einen solchen Anspruch begründen (dazu 2.). Das hindert den Senat auch daran, über andere in Betracht kommende Erstattungsansprüche abschließend zu entscheiden (dazu 3.).

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1. Eine der in Betracht kommenden Rechtsgrundlagen des Erstattungsanspruchs des Klägers ist § 18c Abs 5 S 2 BVG(idF durch Art 37 Nr 11 Buchst c Gesetz zur Strukturreform im Gesundheitswesen vom 20.12.1988, BGBl I 2477). Die Rechtsnorm lautet: "Erbringt ein anderer öffentlich-rechtlicher Leistungsträger eine Sachleistung, eine Zuschuss- oder sonstige Geldleistung oder eine mit einer Zuschussleistung für den gleichen Leistungszweck verbundene Sachleistung nicht, weil bereits auf Grund dieses Gesetzes eine Sachleistung gewährt wird, ist er erstattungspflichtig, soweit er sonst Leistungen gewährt hätte." Der Erstattungsanspruch nach § 18c Abs 5 S 2 BVG setzt voraus, dass die beteiligten Leistungsträger derselben Person gegenüber zur Erbringung zeitlich und sachlich kongruenter Leistungen verpflichtet sind(vgl BSG Urteil vom 20.4.1988 - 3/8 RK 14/86 - USK 8884; BSG SozR 3-3100 § 18c Nr 3 S 10 f)und sachliche Kongruenz besteht zwischen den tatsächlich erbrachten Leistungen (hier des Klägers) und den Leistungen, die ohne diese Leistungserbringung von einem anderen Träger (hier der Beklagten) erbracht worden wären (vgl zum Ganzen BSG SozR 4-3100 § 18c Nr 2 RdNr 15).

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2. Das LSG hat - von seinem Rechtsstandpunkt aus konsequent - weder hinreichende Feststellungen zur Rechtmäßigkeit der gewährten Badekur (dazu a) noch zum Anspruch auf Vorsorgeleistungen getroffen (dazu b). Entgegen seiner Auffassung ist die Teilbarkeit der geleisteten Naturalleistung ohne Belang (dazu c).

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a) Das LSG hat schon keine vollständigen Feststellungen dazu getroffen, dass die Versicherte Anspruch auf die vom Kläger bewilligte und geleistete Badekur hatte. Eine Badekur kann nach § 12 Abs 3 S 1 BVG ua Ehegatten von Pflegezulageempfängern gewährt werden, wenn sie den Beschädigten mindestens seit zwei Jahren dauernd pflegen und die Badekur zur Erhaltung der Pflegefähigkeit erforderlich ist. § 10 Abs 7 und § 11 Abs 2 S 2 und 3 BVG gelten entsprechend(vgl § 12 Abs 3 S 4 BVG). § 10 Abs 7 BVG regelt Ausschlussgründe. Nach § 11 Abs 2 S 2 BVG wird die Leistung abweichend von § 10 Abs 7 Buchst d BVG nicht dadurch ausgeschlossen, dass eine KK zu einer entsprechenden Leistung verpflichtet ist. Die Leistungen nach den §§ 10 bis 24a BVG werden auf Antrag gewährt; sie können auch von Amts wegen gewährt werden (§ 18a Abs 1 S 1 BVG). Die in beiden Sozialleistungssystemen leistungsberechtigte Versicherte konnte dementsprechend bei einer Badekur wählen, welchen der für die Kostenübernahme für eine Behandlung in Betracht kommenden Leistungsträger sie in Anspruch nehmen wollte (vgl in diesem Sinne BSG SozR 4-3100 § 18c Nr 2 RdNr 35). Eine Badekur soll nicht vor Ablauf von drei Jahren nach Durchführung einer solchen Maßnahme oder einer Kurmaßnahme, deren Kosten auf Grund öffentlich-rechtlicher Vorschriften getragen oder bezuschusst worden sind, gewährt werden, es sei denn, dass eine vorzeitige Gewährung aus dringenden gesundheitlichen Gründen erforderlich ist.

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Nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats kann die zu den Erstattungsansprüchen nach §§ 102 ff SGB X ergangene Rechtsprechung des BSG zur nur beschränkten Befugnis des auf Erstattung in Anspruch genommenen Leistungsträgers, eigenständig die Voraussetzungen des Leistungsanspruchs zu prüfen, wegen dessen Erstattung begehrt wird, nicht erweiternd auf § 18c Abs 5 S 2 BVG übertragen werden. Das Gesetz steckt die Systemgrenzen der einzelnen Sozialleistungsbereiche des SGB - vorbehaltlich abweichender Spezialregelungen - regelmäßig nach objektiv zu ermittelnden Kriterien ab und nicht schon danach, was zB ein anderer Leistungsträger insoweit für zutreffend oder vertretbar erachtet hat; dies gilt im Kern in gleicher Weise für die sich dann ergebenden Konsequenzen in Gestalt von Erstattungsansprüchen (vgl bereits BSG Urteil vom 16.11.1984 - 8 RK 33/84 - USK 84213). Anhaltspunkte, die es rechtfertigen, in Fällen der vorliegenden Art ausnahmsweise von der Maßgeblichkeit objektiver Kriterien abzuweichen, liegen nicht vor (vgl zum Ganzen BSG SozR 4-3100 § 18c Nr 2 RdNr 31 mwN). Bezogen auf den zu entscheidenden Fall bedeutet dies, dass die Beklagte nur eine objektiv rechtmäßige Leistungsentscheidung des Klägers hinzunehmen hat. Das LSG wird die hierzu erforderlichen Feststellungen nachzuholen haben.

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b) Das LSG hat - von seinem Rechtsstandpunkt aus konsequent - auch keine Feststellungen dazu getroffen, dass und inwieweit die Versicherte gegen die Beklagte Anspruch auf eine ambulante Vorsorgemaßnahme gehabt hätte (§ 23 Abs 2 S 1 SGB V). Versicherte haben nach § 23 Abs 1 SGB V Anspruch auf ärztliche Behandlung und Versorgung mit Arznei-, Verband-, Heil- und Hilfsmitteln, wenn diese ua notwendig sind, eine Schwächung der Gesundheit, die in absehbarer Zeit voraussichtlich zu einer Krankheit führen würde, zu beseitigen (Nr 1), oder Krankheiten zu verhüten oder deren Verschlimmerung zu vermeiden (Nr 3). Reichen bei Versicherten die Leistungen nach § 23 Abs 1 SGB V nicht aus, kann die KK aus medizinischen Gründen erforderliche ambulante Vorsorgeleistungen in anerkannten Kurorten erbringen(§ 23 Abs 2 S 1 SGB V). Das LSG wird die hierzu erforderlichen Feststellungen ebenfalls nachzuholen haben.

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c) Sollten die hiernach zu treffenden Feststellungen des LSG ergeben, dass die Versicherte Anspruch auf die geleistete Badekur hatte und die Beklagte ihr auf Antrag - sich ggf zeitlich überschneidend - ambulante Vorsorgeleistungen in anerkannten Kurorten hätte erbringen müssen, wäre von sachlicher Kongruenz dieser Leistungen auszugehen (dazu aa). Die gedankliche Teilbarkeit der geleisteten Naturalleistung (Badekur) entsprechend dem Rechtsgedanken der sachleistungsersetzenden Kostenerstattung ist entgegen der Auffassung des LSG hierfür ohne Belang (dazu bb).

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aa) Nach der Rechtsprechung des BSG kommt es für die sachliche Kongruenz von Leistungen auf deren Zweck an. Maßgebend ist insoweit nicht die versicherungs- oder versorgungsspezifische Zielsetzung, sondern ob sich die beiden Zielsetzungen auf einer allgemeineren Ebene überschneiden. Die Rechtsprechung des BSG hat eine solche Überschneidung für das spezifisch versorgungsrechtliche Ziel der Erhaltung der Pflegefähigkeit sowohl im Verhältnis zum spezifisch krankenversicherungsrechtlichen Ziel der Erhaltung der Arbeitsfähigkeit als auch im Verhältnis zum spezifisch rentenversicherungsrechtlichen Ziel der Erhaltung der Erwerbsfähigkeit für den Fall bejaht, dass die jeweiligen Leistungsvoraussetzungen vorliegen (BSG USK 8884; BSG SozR 3100 § 18c Nr 9). In diesem Sinne hat der erkennende Senat eine Übereinstimmung des Zwecks einer stationären Behandlung in einer Rehabilitationseinrichtung (§ 40 Abs 2 SGB V)mit einer Badekur darin gesehen, dass der Zweck der Rehabilitationsmaßnahme, eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern den engeren Zweck einer Badekur umfasst. Die Überschneidung liegt in der Vorbeugung vor einer in absehbarer Zeit zu erwartenden Verschlechterung des Gesundheitszustands (vgl BSG SozR 3-3100 § 18c Nr 3 S 11). Gleiches gilt für den dargelegten Zweck einer ambulanten Vorsorgemaßnahme, eine Schwächung der Gesundheit, die in absehbarer Zeit voraussichtlich zu einer Krankheit führen würde, zu beseitigen, oder Krankheiten zu verhüten oder deren Verschlimmerung zu vermeiden, gegenüber dem aufgezeigten Zweck einer Badekur nach § 12 Abs 3 BVG(vgl auch Fehl in Wilke, Soziales Entschädigungsrecht, 7. Aufl 1992, § 18c BVG RdNr 18 und 25 zur vergleichbaren ambulanten Vorsorgekur gemäß § 23 Abs 2 SGB V in der bis zum 31.12.1999 geltenden Fassung). Badekuren auf der Grundlage des § 12 Abs 3 S 1 BVG tragen den psychischen und physischen Belastungen der Pflegepersonen Rechnung, ohne dass deren Gesundheitszustand bereits konkrete Beeinträchtigungen aufweisen müsste(Fehl in Wilke, Soziales Entschädigungsrecht, 7. Aufl 1992, § 12 BVG RdNr 10; Vogl in Knickrehm, Gesamtes soziales Entschädigungsrecht, 2012, § 12 BVG RdNr 18).

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Im Übrigen entspricht es der Rechtsprechung des erkennenden Senats, dass der Typ der vorrangigen Leistung (beispielsweise ambulant oder stationär), die Form der Leistungserbringung (Sach-, Zuschuss- oder reine Geldleistung) oder die Möglichkeit einer ablehnenden Ermessensentscheidung durch den vorrangig zuständigen Träger für den Erstattungsanspruch unerheblich sind (BSG SozR 3-3100 § 18c Nr 3 S 9 f; BSG SozR 4-3100 § 18c Nr 2 mwN). § 18c Abs 5 S 2 BVG will verhindern, dass andere Rechtsträger sich aufgrund von Leistungen des Kriegsopferversorgungsträgers auf Kosten des Bundes entlasten(vgl bereits Begründung zum damaligen Entwurf des § 18c Abs 6 S 2 des Gesetzentwurfs der Bundesregierung eines Dritten Gesetzes über die Anpassung der Leistungen des Bundesversorgungsgesetzes - 3. AnpG-KOV - BT-Drucks 6/2649, S 8).

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bb) Die Rechtsauffassung des LSG, es komme darauf an, ob die Beklagte einem Antrag der Versicherten auf stationäre Maßnahmen teilweise unter Bewilligung einer ambulanten Maßnahme hätte stattgeben dürfen oder mangels Teilbarkeit der Leistung nicht, findet im Gesetz keine Stütze. Wie dargelegt ist hiernach ein Leistungsträger nur erstattungspflichtig, "soweit er sonst Leistungen gewährt hätte". Die Höhe des Erstattungsanspruchs ist dementsprechend begrenzt auf das, was der erstattungspflichtige Träger jeweils selbst hätte erbringen müssen, wenn man einen entsprechenden Antrag unterstellt. Er hat dabei grundsätzlich nicht mehr zu erstatten, als er unmittelbar dem Berechtigten gegenüber zu leisten gehabt hätte (vgl zB BSG SozR 1300 § 103 Nr 4 S 20 mwN). In diesem Sinne beschränkt § 18c Abs 5 S 2 BVG die Erstattungspflicht einer KK auf dasjenige, was sie ohne Leistung des Kriegsopferversorgungsträgers "gewährt hätte"(vgl BSG SozR 4-3100 § 18c Nr 2 RdNr 45).

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Gedankliche Anleihen beim Anspruch auf sachleistungsersetzende Kostenerstattung (vgl § 13 Abs 3 S 1 SGB V) zu machen, wie es dem LSG vorzuschweben scheint, liegt insoweit fern. Der Zweck der Regelung des § 13 Abs 3 S 1 SGB V besteht darin, in Fällen eines Systemversagens eine Lücke in dem durch das Naturalleistungssystem der gesetzlichen Krankenversicherung garantierten Versicherungsschutz zu schließen(stRspr, vgl zB BSGE 96, 161 = SozR 4-2500 § 13 Nr 8, RdNr 21 mwN). Er betrifft ohne Ausnahme nur das rechtswidrige Vorenthalten von Leistungen gegenüber Versicherten (vgl Hauck in Peters, Handbuch der Krankenversicherung, Bd 1, 19. Aufl, Stand 1.1.2013, § 13 SGB V RdNr 232 f). Darum geht es vorliegend gerade nicht.

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3. Die Entscheidung des LSG erweist sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig. Allerdings steht § 18c Abs 5 S 2 BVG nach der Rechtsprechung des Senats(vgl BSG SozR 4-3100 § 18c Nr 2 RdNr 14) als Anspruchsgrundlage gleichberechtigt neben den allgemeinen Erstattungsansprüchen der §§ 102 ff SGB X. Von diesen kommt § 102 SGB X von vornherein nicht in Betracht, weil der Kläger nicht im Rechtssinne aufgrund gesetzlicher Vorschriften vorläufig Sozialleistungen erbracht hat. Nach den aufgezeigten Grundsätzen ist es indes ausgeschlossen, aus den §§ 103 ff SGB X einen weitergehenden Anspruch des Klägers abzuleiten. Auch insoweit fehlt es an Feststellungen dazu, dass und inwieweit die Versicherte gegen die Beklagte Anspruch auf eine ambulante Vorsorgemaßnahme gehabt hätte (§ 23 Abs 2 S 1 SGB V).

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4. Die Kostenentscheidung bleibt dem LSG vorbehalten. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 197a Abs 1 S 1 Teils 1 SGG iVm § 63 Abs 2, § 52 Abs 1 und 3 sowie § 47 Abs 1 GKG.

(1) Gehört in einem Rechtszug weder der Kläger noch der Beklagte zu den in § 183 genannten Personen oder handelt es sich um ein Verfahren wegen eines überlangen Gerichtsverfahrens (§ 202 Satz 2), werden Kosten nach den Vorschriften des Gerichtskostengesetzes erhoben; die §§ 184 bis 195 finden keine Anwendung; die §§ 154 bis 162 der Verwaltungsgerichtsordnung sind entsprechend anzuwenden. Wird die Klage zurückgenommen, findet § 161 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung keine Anwendung.

(2) Dem Beigeladenen werden die Kosten außer in den Fällen des § 154 Abs. 3 der Verwaltungsgerichtsordnung auch auferlegt, soweit er verurteilt wird (§ 75 Abs. 5). Ist eine der in § 183 genannten Personen beigeladen, können dieser Kosten nur unter den Voraussetzungen von § 192 auferlegt werden. Aufwendungen des Beigeladenen werden unter den Voraussetzungen des § 191 vergütet; sie gehören nicht zu den Gerichtskosten.

(3) Die Absätze 1 und 2 gelten auch für Träger der Sozialhilfe einschließlich der Leistungen nach Teil 2 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch, soweit sie an Erstattungsstreitigkeiten mit anderen Trägern beteiligt sind.