Bayerisches Landessozialgericht Urteil, 15. Nov. 2017 - L 19 R 119/15

bei uns veröffentlicht am15.11.2017

Tenor

I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 15.01.2015 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Klägerin einen Anspruch auf Witwenrente hat.

Die 1961 geborene Klägerin ist die Witwe des 1959 geborenen und am 19.02.2014 verstorbenen Versicherten C. M..

Am 14.03.2014 beantragte die Klägerin bei der Beklagten eine Hinterbliebenenrente in Form einer großen Witwenrente.

Sie gab hierbei an, am 18.12.2013 mit dem Versicherten die Ehe eingegangen zu sein und diese habe bis zum Tod des Versicherten bestanden. Die Klägerin antwortete auf die Formblattfragen,

– ob der Versicherte plötzlich und unvermutet gestorben sei,

– ob die Heirat zur Pflege des ständig auf Pflege angewiesenen Ehegatten erfolgt sei und der Tod des Ehegatten bei Eheschließung auf absehbare Zeit nicht zu erwarten gewesen sei und

– ob die tödlichen Folgen einer Krankheit bei Eheschließung nach ärztlicher Auffassung nicht zu erwarten gewesen seien, jeweils mit „nein“. Angegeben wurde weiter, dass die Klägerin und der Versicherte bereits seit 2007 zusammengelebt hätten und schon seit 2005 eine Partnerschaft bestanden habe. Bereits ab 2012 sei die Eheschließung angedacht gewesen.

Die Klägerin gab weiter an, dass sie als Kaufmännische Angestellte in einem Beschäftigungsverhältnis stehe. Beigefügt waren eine standesamtliche Urkunde des Standesamts D-Stadt über die Eheschließung vom 18.12.2013 sowie die Sterbeurkunde vom 19.02.2014.

Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 18.03.2014 die beantragte Witwenrente ab, da eine sogenannte Versorgungsehe vorgelegen habe.

Gegen den ablehnenden Bescheid vom 18.03.2014 legte die Klägerin mit Schreiben vom 11.04.2014 am 14.04.2014 Widerspruch ein und trug vor, dass es nicht der alleinige oder überwiegende Zweck der Eheschließung gewesen sei, einen Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung zu begründen. Es hätten von finanziellen Erwägungen unabhängige Gründe vorgelegen, die aus der langjährigen inneren Verbundenheit resultiert hätten und von dem Wunsch nach Beistand und Unterstützung des Ehemanns in dessen schwieriger Lebenslage getragen gewesen seien. Dies könne die Tochter der Klägerin bezeugen. Auch könne die Rechtsvermutung einer Versorgungsehe durch Vorlage von Nachweisen über das Einkommen des Verstorbenen und der Witwe widerlegt werden.

Die Beklagte wies mit Widerspruchsbescheid vom 08.07.2014 den Widerspruch zurück. Die gesetzliche Vermutung, dass bei einer Ehe mit einer Ehedauer von weniger als einem Jahr, bei Eheschließung eine Versorgungsabsicht vorgelegen habe (§ 46 Abs. 2a Sechstes Buch Sozialgesetzbuch - SGB VI), könne zwar widerlegt werden. Es müsse sich aber um besondere, objektiv feststellbare Umstände handeln; Erklärungen der Ehegatten über den Zweck der Ehe würden nicht ausreichen. Zudem müssten die Gründe, die gegen eine Versorgungsehe sprechen sollten, umso gewichtiger sein, je offenkundiger und lebensbedrohlicher die Krankheit des Versicherten zum Zeitpunkt der Eheschließung gewesen sei. In der Gesamtschau der Angaben sei davon auszugehen, dass der Versicherte nach kurzer Krankheitsdauer verstorben sei. Beim Versicherten sei zum Zeitpunkt der Heirat sein Versterben absehbar gewesen.

Hiergegen hat die Klägerin mit Schreiben vom 21.07.2014 am 22.07.2014 Klage zum Sozialgericht Würzburg erhoben. Sie hat zunächst ihre Gründe aus dem Widerspruchsverfahren wiederholt. In einem Erörterungstermin vom 22.10.2014 hat die Klägerin geschildert, dass sie mit ihrem verstorbenen Ehemann vor der Eheschließung schon ca. 10 Jahre zusammen gewesen sei und seit 2007 einen gemeinsamen Haushalt geführt habe. Sie habe immer nicht so richtig heiraten wollen, ihr Mann dagegen schon; die Heirat sei dann immer wieder verschoben worden. Im Dezember 2013 sei dann sehr schnell und unerwartet ein Lungenkarzinom diagnostiziert worden. Ab diesem Zeitpunkt sei es der größte Wunsch ihres Mannes gewesen, zu heiraten. Die Ärzte hätten ihrem Mann eine Prognose von ca. 1 bis 1 1/2 Jahre gegeben. Mit dem dann doch sehr schnellen Ableben hätte niemand gerechnet.

Die Klägerseite hat mehrere ärztliche Unterlagen vorgelegt: Bei einer Erstbehandlung beim Lungenfacharzt Dr. E. am 04.12.2013 ist die Überweisung in das Universitätsklinikum B-Stadt für den gleichen Tag zur weiteren diagnostischen Abklärung erfolgt (Arztbrief vom 06.12.2013). Das Universitätsklinikum B-Stadt hat nach stationärer Diagnostik den dringenden Verdacht auf ein Lungenkarzinom rechts zentral mit hämatogener Metastasierung und peritonealer/mesenterialer Metastasierung geäußert (Aufenthalt dort vom 04.12.2013 bis 11.12.2013, Entlassungsbericht vom 11.12.2013). Neuer Termin war für den 19.12.2013 in der pulmologischen Schwerpunktambulanz vorgesehen. Am 27.12.2013 ist die medizinische Situation folgendermaßen beschrieben worden, dass der Versicherte vor zwei Wochen die Erstdiagnose eines weit fortgeschrittenen Bronchialkarzinoms erhalten habe und eine Radiochemotherapie geplant sei. Die Chemotherapie ist ab 30.12.2013 eingeleitet worden, wobei es sich um eine palliative Therapie gehandelt hatte; die Strahlentherapie ist vom 08.01.2014 bis zum 21.01.2014 durchgeführt worden. Am 21.02.2014 hat das Universitätsklinikum B-Stadt über die stationäre Behandlung des Versicherten vom 18.02.2014 bis zu seinem Tod berichtet: Der Versicherte sei mit Atemnot in die Notaufnahme gekommen und es sei eine Punktion durchgeführt worden. In der weiteren Folge sei eine Kreislaufinsuffizienz eingetreten, die sich trotz Intensivbehandlung weiter verschlechtert habe. Noch vor der Verlegung auf die Palliativstation sei der Tod eingetreten.

Zu diesen ärztlichen Unterlagen hat am 06.11.2014 der Prüfarzt Dr. S. vom Ärztlichen Dienst der Beklagten Stellung genommen: Aus dem Entlassungsbericht vom 11.12.2013 sei zu entnehmen, dass ein fortgeschrittenes Karzinomleiden mit Lungen-, Hirn-, Leber-, Knochen-, Milz und Nebennierenbefall vorgelegen habe und kurative Therapieoptionen nicht bestanden haben. Die Prognose sei als sehr ungünstig anzusehen gewesen, so dass eine Überlebenszeit von einem Jahr aus medizinischer Sicht unwahrscheinlich gewesen sei.

Das Sozialgericht hat mit Urteil vom 15.01.2015 die Klage abgewiesen. Die gesetzliche Vermutung des § 46 Abs. 2a SGB VI sei nicht widerlegt worden. Das Gericht gehe von den Angaben der Klägerin aus, so dass eine Zeugeneinvernahme nicht erforderlich sei. Der Tod des Versicherten sei nicht unvermittelt eingetreten. Dem Versicherten und der Klägerin sei zum Zeitpunkt der Eheschließung bekannt gewesen, dass der Versicherte an einer lebensbedrohlichen Krankheit leide, die ein erhebliches Risiko für ein baldiges Ableben in sich führe. Unbeachtlich sei, dass die Klägerin und der Versicherte auf eine Lebensdauer von mehr als einem Jahr gehofft haben mögen und dies auch von den behandelnden Ärzten so geäußert worden sein mag. Die Eheschließung am 18.12.2013 sei maßgeblich von der Kenntnis um die schwere Erkrankung und die Befürchtung des baldigen Ablebens des Versicherten bestimmt gewesen. Die Klägerin habe selbst vorgetragen, dass ab dem Zeitpunkt der Erkrankung der größte Wunsch des Versicherten die Heirat gewesen sei. Vor Bekanntwerden der lebensbedrohlichen Erkrankung hätten konkrete Hochzeitspläne gerade nicht bestanden, auch wenn der verstorbene Ehemann schon länger habe heiraten wollen. Langjährige Heiratsabsichten könnten nur dann die Vermutung der Versorgungsehe widerlegen, wenn sie hinreichend konkret gewesen seien und die Eheschließung sich als konsequente Verwirklichung einer schon vor Bekanntwerden der Erkrankung gefassten Heiratsabsicht darstelle.

Hiergegen hat die Klägerin mit Telefax-Schreiben am 16.02.2015 Berufung zum Bayer. Landessozialgericht eingelegt.

Zur Begründung ist vorgetragen worden, dass die Klägerin über ein eigenes hohes Bruttoeinkommen verfüge, so dass von finanziellen Erwägungen unabhängige Gründe vorgelegen haben müssten. So habe bereits vor der Heirat eine langjährige innere Verbundenheit zwischen den Eheleuten vorgelegen. Dies könne die Tochter der Klägerin bezeugen. Es sei auch schon bereits mehrfach mit dem späteren Ehemann die Eheschließung in Erwägung gezogen worden, jedoch nicht realisiert worden, weil an verschiedenen Terminen Unklarheiten vorgelegen hätten. Trotzdem sei entscheidend, dass geheiratet habe werden sollen, was schon im Jahr 2010 erstmals in Erwägung gezogen worden sei. Es seien auch Planungen bezüglich des Hochzeitskleides vorgenommen worden und es sei überlegt worden, wo die Hochzeitsfeierlichkeiten stattfinden sollten. Im Nachgang zu der mündlichen Verhandlung am Sozialgericht habe eine Freundin der Klägerin dieser erklärt, sie könne aus ihrem Tagebuch heraus bestätigen, dass sie sich am 24.10.2013 mit der Klägerin getroffen habe und hier über konkrete Heiratsabsichten gesprochen worden sei. Dabei sei beispielsweise die Farbe des Hochzeitskleides überlegt worden und es seien Überlegungen zur Durchführung der Hochzeitsfeierlichkeiten angestellt worden.

Auch sei nicht belegt, dass die Lebenswahrscheinlichkeit des Versicherten zum Zeitpunkt der Heirat unterhalb eines Jahres gelegen hätte. Unwiderlegbar sei gegenüber der Klägerin und deren Ehemann ärztlicherseits von ca. 1 bis 1 1/2 Jahren noch vorhandener Lebenserwartung ausgegangen worden. Dies könne die Tochter der Klägerin bezeugen.

Wie das Ersturteil festgestellt habe, sei der Klägerin erst kurze Zeit nach der Eheschließung bekannt geworden, dass der Versicherte an einer lebensbedrohlichen Krankheit leide. Damit räume das Urteil selbst ein, dass zum Zeitpunkt der Eheschließung eine derartige Kenntnis noch nicht vorgelegen habe. Richtig sei, dass der Heiratswunsch des verstorbenen Ehemanns der Klägerin noch weiter gestiegen sei, als er davon ausging, noch 1 bis 1 1/2 Jahre leben zu dürfen.

Der Senat hat die Akten des Standesamtes D-Stadt über die Eheschließung der Klägerin beigezogen. Danach ist die Anmeldung zur Eheschließung am 17.12.2013 für einen Termin am 18.12.2013 erfolgt. Ersichtlich ist auch, dass ein gemeinsamer Ehename nicht vereinbart worden ist.

Der Senat hat Unterlagen des behandelnden Lungenarztes Dr. E. beigezogen. Danach hat sich der Versicherte bei ihm am 04.12.2013 in Behandlung befunden und ist zur weiteren Behandlung in das Universitätsklinikum B-Stadt überwiesen worden. Nach Angaben des behandelnden Allgemeinmediziners J. E., die auf Anfrage des Senats gemacht worden waren, war der Versicherte bis Oktober 2013 ausschließlich wegen einer vorbekannten Colitis ulcerosa behandelt worden. Am 15.10.2013 sei eine Vorstellung wegen Husten mit Auswurf und Atemnot bei Nikotinabusus erfolgt. Am 29.11.2013 sei wegen anhaltender Beschwerdesymptomatik die Überweisung zum Pulmologen ausgestellt worden. Die Arbeitsunfähigkeit sei vom 15.10.2013 bis 25.10.2013 und ab 11.12.2013 durchgehend festgestellt worden. Laut der Krankenhausbefunde sei der Tod binnen eines Jahres absehbar gewesen. Die Befundbesprechung bei ihm sei am 12.12.2013 erfolgt. Der Versicherte sei im Krankenhaus und nach der Krankenhausentlassung von ihm über die Schwere der Erkrankung aufgeklärt worden und darüber, dass nur noch palliative Behandlungsmöglichkeiten bestehen würden.

Die Beklagte hat auf die Ausführungen des behandelnden Hausarztes verwiesen und dargelegt, dass es sich medizinisch um eine klar infauste Prognose gehandelt habe, was auch von der Prüfärztin Dr. B. so bestätigt worden sei.

Die Klägerseite hat vorgetragen, dass die Verehelichung bereits vorbereitet gewesen, als am 17.12.2013 die ärztliche Besprechung stattgefunden habe. Dass eine schwere Erkrankung bestanden habe und eine palliative Situation vorgelegen sei, bedeute noch nicht, innerhalb eines Jahres versterben zu müssen. Auch könne eine weitere Zeugin benannt werden, mit der bereits schon mehr als ein Jahr vor der Diagnostizierung des Lungenkarzinoms über eine mögliche Verehelichung gesprochen worden sei. Ebenso könnten die ernsthaften Heiratsabsichten durch zwei weitere Zeuginnen bestätigen werden. So sei bereits im Jahr 2010 vorgeschlagen worden, die notwendigen Papiere in einen Urlaub mitzunehmen und im Urlaub zu heiraten, was die Klägerin und ihr zukünftiger Ehemann wegen der Eltern jedoch nicht gewollt hätten.

In der mündlichen Verhandlung des Senats vom 15.11.2017 hat die Klägerin auf Nachfrage noch einmal angegeben, dass sie und der Versicherte seit Mitte 2004 ein Paar gewesen seien. Nach einem Umbau im Jahr 2007 sei der Versicherte in ihre Wohnung mit eingezogen, wobei die Ummeldung möglicherweise auch erst etwas später erfolgt sein könne. Die Klägerseite hat darauf hingewiesen, dass als gewichtiger Umstand, der gegen eine Versorgungsehe spreche, das Einkommen der Klägerin zum damaligen Zeitpunkt in Höhe von 2.900,00 Euro brutto monatlich in Betracht zu ziehen sei. Die Klägerin habe bei der Eheschließung auch nicht an eine Versorgung gedacht.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 15.01.2015 und den Bescheid der Beklagten vom 18.03.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.07.2014 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin auf ihren Antrag vom 11.03.2014 hin große Witwenrente aus der Versicherung des C. M. zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 15.01.2015 zurückzuweisen.

Zur Ergänzung wird auf den Inhalt der Gerichtsakten beider Instanzen und der beigezogenen Akten der Beklagten und des Standesamtes D-Stadt Bezug genommen.

Gründe

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung (§§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG) ist zulässig, jedoch nicht begründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die beantragte Witwenrente.

§ 46 Abs. 2 Satz 1 SGB VI bestimmt, dass eine Witwe, die nicht wieder geheiratet hat, nach dem Tod des versicherten Ehegatten Anspruch auf eine große Witwenrente hat, wenn die Witwe das 47. Lebensjahr vollendet hat und der versicherte Ehegatte die allgemeine Wartezeit erfüllt hat. Die Klägerin ist die Witwe des am 19.02.2014 verstorbenen Versicherten C. M., der die allgemeine Wartezeit gemäß § 50 Abs. 1 Nr. 3 SGB VI erfüllt hatte. Sie hat nach dessen Tod auch nicht wieder geheiratet und war bei Antragstellung 52 Jahre alt. Damit besteht gemäß § 46 Abs. 2 S. 1 SGB VI grundsätzlich ein Anspruch auf eine große Witwenrente.

Gemäß § 46 Abs. 2a SGB VI haben Hinterbliebene jedoch keinen Anspruch auf Hinterbliebenenrente, wenn die Ehe nicht mindestens ein Jahr gedauert hat, es sei denn, dass nach den besonderen Umständen des Falles die Annahme nicht gerechtfertigt ist, dass es der alleinige oder überwiegende Zweck der Heirat war, einen Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung zu begründen. Als besondere Umstände im Sinne des § 46 Abs. 2a SGB VI sind alle äußeren und inneren Umstände des Einzelfalles anzusehen, die auf von der Versorgungsabsicht verschiedene Beweggründe für die Heirat schließen lassen (BSG Urteil vom 05.05.2009 - B 13 R 55/08 R m.w.N. - nach juris).

Im Fall der Klägerin hat die Ehe nicht mindestens ein Jahr gedauert, da die Ehe am 18.12.2013 geschlossen wurde und der Versicherte am 19.02.2014 verstorben ist. Damit hat die Klägerin nach § 46 Abs. 2a SGB VI grundsätzlich keinen Anspruch auf Witwenrente. Es gilt die gesetzliche Vermutung, dass es der alleinige oder überwiegende Zweck der Heirat gewesen sei, einen Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung zu begründen.

Die Annahme eines anspruchsausschließenden Vorliegens einer Versorgungsehe bei einer Ehedauer von nicht mindestens einem Jahr ist nur dann nicht gerechtfertigt, wenn die Gesamtbetrachtung und Abwägung der Beweggründe beider Ehegatten für die Heirat ergibt, dass die von der Versorgungsabsicht verschiedenen Beweggründe insgesamt gesehen den Versorgungszweck überwiegen oder zumindest gleichwertig sind. Dabei sind alle äußeren und inneren Umstände des Einzelfalles zu prüfen, die auf von der Versorgungsabsicht verschiedene Beweggründe für die Heirat schließen lassen. Die vom hinterbliebenen Ehegatten behaupteten inneren Umstände für die Heirat sind nicht nur für sich isoliert zu betrachten, sondern vor dem Hintergrund der zum Zeitpunkt der jeweiligen Eheschließung bestehenden äußeren Umstände in eine Gesamtwürdigung einzustellen und unter Berücksichtigung aller sonstigen Umstände des Einzelfalles zu bewerten (BSG Urteil vom 06.05.2010 - B 13 R 134/08 R; BSG Urteil vom 05.05.2009 a.a.O., jew. nach juris).

Die Umstände sind nachzuweisen; die Beweislast trägt, wer die Hinterbliebenenrente beantragt - hier also die Klägerin (Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/ Schmidt, Kommentar zum SGG, 12. Aufl. 2017, § 118 Rn. 6).

Aus dem Vorhandensein eigener Einkünfte des hinterbliebenen Ehegatten lässt sich kein Beleg für das Vorhandensein von Beweggründen, die von einer Versorgungsabsicht verschieden sind, herleiten. Dem Gesetz ist nicht zu entnehmen, dass die Rechtsvermutung nur bei Witwen bzw. Witwern gelten soll, die ihrerseits keine oder nur eine nicht genügende Versorgung haben. Allenfalls kann das Vorhandensein eigener Einkünfte der Klägerin ein möglicher Hinweis darauf sein, dass der eventuellen Absicht des Versicherten, die Versorgung der Klägerin nach dem eigenen Tod sicherzustellen, kein größeres Gewicht zukommt. Dies rechtfertigt aber nicht schon die Annahme eines von der Versorgungsabsicht verschiedenen Beweggrundes für die Heirat.

Im Rahmen der Gewichtung der anderen Beweggründe im Verhältnis zu der vom Gesetz unterstellten Versorgungsabsicht ist bei Heirat eines zum Zeitpunkt der Eheschließung offenkundig bereits an einer lebensbedrohlichen Krankheit leidenden Versicherten in der Regel der Ausnahmetatbestand des § 46 Abs. 2a Halbs. 2 SGB VI nicht erfüllt. Doch ist auch bei einer nach objektiven Maßstäben schweren Erkrankung mit einer ungünstigen Verlaufsprognose und entsprechender Kenntnis der Ehegatten der Nachweis nicht ausgeschlossen, dass dessen ungeachtet - überwiegend oder zumindest gleichwertig - aus anderen als Versorgungsgründen geheiratet wurde. Allerdings müssen dann bei abschließender Gesamtbewertung diejenigen besonderen - inneren und äußeren - Umstände, die gegen eine Versorgungsehe sprechen, umso gewichtiger sein, je offenkundiger und je lebensbedrohlicher die Krankheit eines Versicherten im Zeitpunkt der Eheschließung gewesen ist. Demgemäß steigt mit dem Grad der Lebensbedrohlichkeit einer Krankheit und dem Grad der Offenkundigkeit zugleich der Grad des Zweifels an dem Vorliegen solcher vom hinterbliebenen Ehegatten zu beweisenden besonderen Umstände, die von diesem für die Widerlegung der gesetzlichen Annahme (Vermutung) einer Versorgungsehe bei einem Versterben des versicherten Ehegatten innerhalb eines Jahres nach Eheschließung angeführt werden (BSG vom 05.05.2009 und vom 06.05.2010 a.a.O.).

Der Klägerin und dem Versicherten ist nach der Schilderung der Klägerin bereits beim Verlassen der Klinik und nach dem Akteninhalt spätestens am 12.12.2013 nach der Besprechung beim Allgemeinarzt J. E. klar gewesen, dass für die Krankheit des Versicherten keine Heilungsaussicht mehr bestand und die Krankheit in absehbarer Zeit zum Tode führen werde. Die Behauptung einer Überlebensprognose von mehr als einem Jahr ist kein Umstand, der allgemein im Rahmen des § 46 Abs. 2a SGB VI als entgegenstehender Faktor zu berücksichtigen wäre. Beim Vorliegen einer lebensbedrohlichen Erkrankung zum Zeitpunkt der Eheschließung ist regelhaft vom Vorliegen des Ausschlussgrundes nach § 46 Abs. 2a SGB VI auszugehen. Eine relativ längerfristige Überlebensprognose wäre lediglich für die Bestimmung des Steigerungsgrades der besonderen im Einzelfall entgegenstehenden Gründe von Bedeutung. Die Klägerin konnte ihre Behauptung einer längeren Überlebensprognose für den Versicherten nicht belegen; eine solche war objektiv nicht gegeben und auch die Angaben des Hausarztes bestätigten dies nicht.

Die im Verlauf des Verfahrens vorgebrachte Behauptung, dass die Eheleute zum Zeitpunkt der Anmeldung zur Eheschließung keine Kenntnis vom Vorliegen der lebensbedrohlichen Erkrankung hatten, hat sich nicht bestätigen lassen. Vielmehr sprechen die Angaben der Klägerin und der behandelnden Ärzte zum Geschehensablauf und die Angaben des Standesamtes, wonach die Anmeldung zur Eheschließung am Vortag des Heiratstermins erfolgt sei, dagegen. Die Kenntnis des Versicherten vom Vorliegen einer zum Tode führenden Erkrankung wird von seinem Hausarzt bestätigt; dies sei von der Klinik, aber auch von ihm selbst Mitte Dezember 2013 so vermittelt worden. Dass auch die Klägerin darum wusste, ergibt sich schon aus ihren eigenen Angaben im Rentenantragsverfahren, was sich auch mit den tatsächlichen Geschehensabläufen deckt: Nachdem die Klägerin zuvor immer zögerlich auf Heiratspläne des Versicherten reagiert hatte, hat sie nun absolut kurzfristig in die Eheschließung eingewilligt.

Die Lebensbedrohlichkeit der Erkrankung und die begrenzte Lebenserwartung des Versicherten waren für die Eheleute also klar gewesen. In einem solchen Fall ist es - wie oben angesprochen - nicht entscheidungserheblich, ob von den Ärzten prognostisch noch eine Überlebensdauer von einem Jahr für möglich angesehen wird oder nicht. Der Senat konnte sich unter Abwägung aller ärztlichen Ausführungen nicht davon überzeugen, dass die Eheleute mit Sicherheit davon ausgehen durften, dass der Versicherte trotz seiner Erkrankung länger als ein Jahr leben würde. Die lebensbedrohliche Erkrankung mit einer Überlebensperspektive von weniger als einem Jahr war als bedeutsames Faktum zu berücksichtigen.

Der im Verlauf des Verfahrens getätigte Vortrag der Klägerin, dass der Entschluss zur Eheschließung bereits deutlich vor dem tatsächlichen Heiratstermin erfolgt gewesen sei und deshalb auf diesen früheren Zeitpunkt und nicht auf das Datum der Eheschließung für die Beurteilung der gesundheitlichen Situation des Versicherten und der Kenntnis der späteren Eheleute vom Schweregrad der Erkrankung abzustellen sei, hat sich ebenfalls nicht bestätigen lassen. Es hat sich gezeigt, dass zwar eine langjährige Beziehung bestanden hatte, die jedoch ohne Verehelichung geführt worden war; die Dauer und Intensität der Beziehung belegen dabei gerade, dass eine langjährige erfüllte Beziehung auch ohne Eheschließung möglich gewesen war. Auch die vom verstorbenen Versicherten wohl schon seit längerer Zeit geäußerten Heiratswünsche haben nach dem aus der Akte ersichtlichen Sachverhalt keine hinreichend konkrete Hochzeitsvorbereitung ausgelöst gehabt. Zwar waren möglicherweise Personaldokumente in verschiedene Urlaube mitgenommen worden; es handelte sich aber nur um vorsorgliche Maßnahmen, um ggf. kurzfristig heiraten zu können, wozu es aber nicht gekommen ist. Die von der Klägerseite mit angebotenem Zeugenbeweis vorgebrachten Sachverhalte bzgl. Hochzeitsvorüberlegungen können sämtlich zu Gunsten der Klägerin als zutreffend unterstellt werden. Weder Gespräche über eine mögliche Hochzeitsvorbereitung noch Abwägungen zur Auswahl eines Brautkleides stellen eine nach außen belegte unmittelbare Hochzeitsvorbereitung von einem so ausreichenden Konkretisierungsgrad dar, dass anstatt auf das Datum der Eheschließung auf das frühere Datum der Hochzeitsfestlegung abzustellen wäre. Der Gedanke einer möglichen Heirat mag also zwar schon über einen längeren Zeitraum bei dem Versicherten und auch der Klägerin eine Rolle gespielt haben; er ist jedoch eben gerade immer wieder nicht verwirklicht und auch nicht konkret in Angriff genommen worden. Dabei handelt es sich noch nicht einmal um ein Verschieben von einem angedachten Termin zum anderen, sondern nur um jeweils ziemlich vage Vorüberlegungen. Der tatsächliche Ablauf der Hochzeit war dann auch ein völlig anderer als in den Vorüberlegungen angenommen. Insofern ist für die Beurteilung der gesundheitlichen Verhältnisse und der Kenntnis der Eheleute über den Schweregrad der Erkrankung zutreffend auf das Datum der Eheschließung bzw. das Datum der Anmeldung beim Standesamt am Vortag abzustellen gewesen.

Auch das Vorliegen einer Liebesbeziehung reicht allein nicht aus, die Vermutung über das Vorliegen einer Versorgungsehe zu erschüttern, wenn die vorliegende schwere und akut lebensbedrohliche Erkrankung den Nachweis besonderer Gründe erforderlich macht (vgl. BayLSG Urteil vom 20.04.2011 - L 20 R 20/09 - nach juris). Eine Liebesbeziehung ist ein üblicherweise mit einer Eheschließung verbundener Grund und kann nicht den hier geforderten besonderen Grund darstellen.

Von der Versorgungsabsicht unterschiedene, zumindest gleichwertige andere Gründe für die Eheschließung hat die Klägerin zur Überzeugung des Senats nicht nachgewiesen. Besondere Gründe - über die von der Klägerin angeführten Gründe hinaus - sind nicht geltend gemacht worden und nicht ersichtlich.

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 28.04.2015 ist somit unbegründet; die Entscheidung des Gerichts sowie die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind nicht zu beanstanden. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die beantragte Witwenrente.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Gründe, die Revision gemäß § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG zuzulassen, liegen nicht vor.

ra.de-Urteilsbesprechung zu Bayerisches Landessozialgericht Urteil, 15. Nov. 2017 - L 19 R 119/15

Urteilsbesprechung schreiben

0 Urteilsbesprechungen zu Bayerisches Landessozialgericht Urteil, 15. Nov. 2017 - L 19 R 119/15

Referenzen - Gesetze

Bayerisches Landessozialgericht Urteil, 15. Nov. 2017 - L 19 R 119/15 zitiert 5 §§.

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 193


(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen ha

Sozialgesetzbuch (SGB) Sechstes Buch (VI) - Gesetzliche Rentenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 18. Dezember 1989, BGBl. I S. 2261, 1990 I S. 1337) - SGB 6 | § 46 Witwenrente und Witwerrente


(1) Witwen oder Witwer, die nicht wieder geheiratet haben, haben nach dem Tod des versicherten Ehegatten Anspruch auf kleine Witwenrente oder kleine Witwerrente, wenn der versicherte Ehegatte die allgemeine Wartezeit erfüllt hat. Der Anspruch besteht

Sozialgesetzbuch (SGB) Sechstes Buch (VI) - Gesetzliche Rentenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 18. Dezember 1989, BGBl. I S. 2261, 1990 I S. 1337) - SGB 6 | § 50 Wartezeiten


(1) Die Erfüllung der allgemeinen Wartezeit von fünf Jahren ist Voraussetzung für einen Anspruch auf 1. Regelaltersrente,2. Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit und3. Rente wegen Todes.Die allgemeine Wartezeit gilt als erfüllt für einen Anspruch

Referenzen - Urteile

Urteil einreichen

Bayerisches Landessozialgericht Urteil, 15. Nov. 2017 - L 19 R 119/15 zitiert oder wird zitiert von 1 Urteil(en).

Bayerisches Landessozialgericht Urteil, 15. Nov. 2017 - L 19 R 119/15 zitiert 1 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundessozialgericht Urteil, 06. Mai 2010 - B 13 R 134/08 R

bei uns veröffentlicht am 06.05.2010

Tenor Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 31. Januar 2007 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Ger

Referenzen

(1) Witwen oder Witwer, die nicht wieder geheiratet haben, haben nach dem Tod des versicherten Ehegatten Anspruch auf kleine Witwenrente oder kleine Witwerrente, wenn der versicherte Ehegatte die allgemeine Wartezeit erfüllt hat. Der Anspruch besteht längstens für 24 Kalendermonate nach Ablauf des Monats, in dem der Versicherte verstorben ist.

(2) Witwen oder Witwer, die nicht wieder geheiratet haben, haben nach dem Tod des versicherten Ehegatten, der die allgemeine Wartezeit erfüllt hat, Anspruch auf große Witwenrente oder große Witwerrente, wenn sie

1.
ein eigenes Kind oder ein Kind des versicherten Ehegatten, das das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, erziehen,
2.
das 47. Lebensjahr vollendet haben oder
3.
erwerbsgemindert sind.
Als Kinder werden auch berücksichtigt:
1.
Stiefkinder und Pflegekinder (§ 56 Abs. 2 Nr. 1 und 2 Erstes Buch), die in den Haushalt der Witwe oder des Witwers aufgenommen sind,
2.
Enkel und Geschwister, die in den Haushalt der Witwe oder des Witwers aufgenommen sind oder von diesen überwiegend unterhalten werden.
Der Erziehung steht die in häuslicher Gemeinschaft ausgeübte Sorge für ein eigenes Kind oder ein Kind des versicherten Ehegatten, das wegen körperlicher, geistiger oder seelischer Behinderung außerstande ist, sich selbst zu unterhalten, auch nach dessen vollendetem 18. Lebensjahr gleich.

(2a) Witwen oder Witwer haben keinen Anspruch auf Witwenrente oder Witwerrente, wenn die Ehe nicht mindestens ein Jahr gedauert hat, es sei denn, dass nach den besonderen Umständen des Falles die Annahme nicht gerechtfertigt ist, dass es der alleinige oder überwiegende Zweck der Heirat war, einen Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung zu begründen.

(2b) Ein Anspruch auf Witwenrente oder Witwerrente besteht auch nicht von dem Kalendermonat an, zu dessen Beginn das Rentensplitting durchgeführt ist. Der Rentenbescheid über die Bewilligung der Witwenrente oder Witwerrente ist mit Wirkung von diesem Zeitpunkt an aufzuheben; die §§ 24 und 48 des Zehnten Buches sind nicht anzuwenden.

(3) Überlebende Ehegatten, die wieder geheiratet haben, haben unter den sonstigen Voraussetzungen der Absätze 1 bis 2b Anspruch auf kleine oder große Witwenrente oder Witwerrente, wenn die erneute Ehe aufgelöst oder für nichtig erklärt ist (Witwenrente oder Witwerrente nach dem vorletzten Ehegatten).

(4) Für einen Anspruch auf Witwenrente oder Witwerrente gelten als Heirat auch die Begründung einer Lebenspartnerschaft, als Ehe auch eine Lebenspartnerschaft, als Witwe und Witwer auch ein überlebender Lebenspartner und als Ehegatte auch ein Lebenspartner. Der Auflösung oder Nichtigkeit einer erneuten Ehe entspricht die Aufhebung oder Auflösung einer erneuten Lebenspartnerschaft.

(1) Die Erfüllung der allgemeinen Wartezeit von fünf Jahren ist Voraussetzung für einen Anspruch auf

1.
Regelaltersrente,
2.
Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit und
3.
Rente wegen Todes.
Die allgemeine Wartezeit gilt als erfüllt für einen Anspruch auf
1.
Regelaltersrente, wenn der Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit oder eine Erziehungsrente bezogen hat,
2.
Hinterbliebenenrente, wenn der verstorbene Versicherte bis zum Tod eine Rente bezogen hat.

(2) Die Erfüllung der Wartezeit von 20 Jahren ist Voraussetzung für einen Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung an Versicherte, die die allgemeine Wartezeit vor Eintritt der vollen Erwerbsminderung nicht erfüllt haben.

(3) Die Erfüllung der Wartezeit von 25 Jahren ist Voraussetzung für einen Anspruch auf

1.
Altersrente für langjährig unter Tage beschäftigte Bergleute und
2.
Rente für Bergleute vom 50. Lebensjahr an.

(4) Die Erfüllung der Wartezeit von 35 Jahren ist Voraussetzung für einen Anspruch auf

1.
Altersrente für langjährig Versicherte und
2.
Altersrente für schwerbehinderte Menschen.

(5) Die Erfüllung der Wartezeit von 45 Jahren ist Voraussetzung für einen Anspruch auf Altersrente für besonders langjährig Versicherte.

(1) Witwen oder Witwer, die nicht wieder geheiratet haben, haben nach dem Tod des versicherten Ehegatten Anspruch auf kleine Witwenrente oder kleine Witwerrente, wenn der versicherte Ehegatte die allgemeine Wartezeit erfüllt hat. Der Anspruch besteht längstens für 24 Kalendermonate nach Ablauf des Monats, in dem der Versicherte verstorben ist.

(2) Witwen oder Witwer, die nicht wieder geheiratet haben, haben nach dem Tod des versicherten Ehegatten, der die allgemeine Wartezeit erfüllt hat, Anspruch auf große Witwenrente oder große Witwerrente, wenn sie

1.
ein eigenes Kind oder ein Kind des versicherten Ehegatten, das das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, erziehen,
2.
das 47. Lebensjahr vollendet haben oder
3.
erwerbsgemindert sind.
Als Kinder werden auch berücksichtigt:
1.
Stiefkinder und Pflegekinder (§ 56 Abs. 2 Nr. 1 und 2 Erstes Buch), die in den Haushalt der Witwe oder des Witwers aufgenommen sind,
2.
Enkel und Geschwister, die in den Haushalt der Witwe oder des Witwers aufgenommen sind oder von diesen überwiegend unterhalten werden.
Der Erziehung steht die in häuslicher Gemeinschaft ausgeübte Sorge für ein eigenes Kind oder ein Kind des versicherten Ehegatten, das wegen körperlicher, geistiger oder seelischer Behinderung außerstande ist, sich selbst zu unterhalten, auch nach dessen vollendetem 18. Lebensjahr gleich.

(2a) Witwen oder Witwer haben keinen Anspruch auf Witwenrente oder Witwerrente, wenn die Ehe nicht mindestens ein Jahr gedauert hat, es sei denn, dass nach den besonderen Umständen des Falles die Annahme nicht gerechtfertigt ist, dass es der alleinige oder überwiegende Zweck der Heirat war, einen Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung zu begründen.

(2b) Ein Anspruch auf Witwenrente oder Witwerrente besteht auch nicht von dem Kalendermonat an, zu dessen Beginn das Rentensplitting durchgeführt ist. Der Rentenbescheid über die Bewilligung der Witwenrente oder Witwerrente ist mit Wirkung von diesem Zeitpunkt an aufzuheben; die §§ 24 und 48 des Zehnten Buches sind nicht anzuwenden.

(3) Überlebende Ehegatten, die wieder geheiratet haben, haben unter den sonstigen Voraussetzungen der Absätze 1 bis 2b Anspruch auf kleine oder große Witwenrente oder Witwerrente, wenn die erneute Ehe aufgelöst oder für nichtig erklärt ist (Witwenrente oder Witwerrente nach dem vorletzten Ehegatten).

(4) Für einen Anspruch auf Witwenrente oder Witwerrente gelten als Heirat auch die Begründung einer Lebenspartnerschaft, als Ehe auch eine Lebenspartnerschaft, als Witwe und Witwer auch ein überlebender Lebenspartner und als Ehegatte auch ein Lebenspartner. Der Auflösung oder Nichtigkeit einer erneuten Ehe entspricht die Aufhebung oder Auflösung einer erneuten Lebenspartnerschaft.

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 31. Januar 2007 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über die Gewährung einer großen Witwenrente.

2

Die 1950 geborene Klägerin lebte seit 1978 mit dem 1946 geborenen und am 27.7.2004 verstorbenen Versicherten in einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft. Sie heirateten am 2.7.2004. Aus der ersten Ehe der Klägerin waren ein Sohn und eine Tochter hervorgegangen, aus der ersten Ehe des Versicherten eine Tochter. Die Klägerin hatte in den Jahren 2003 und 2004 ein monatliches Bruttoeinkommen von ca 2.400 Euro aus ihrer Beschäftigung als Apothekenhelferin.

3

Im Oktober 2002 erkrankte der Versicherte an einem Blasenkarzinom, das operativ entfernt wurde. Im Februar 2004 wurde eine fortschreitende Metastasierung diagnostiziert. Die ab 1.6.2004 durchgeführte Chemotherapie diente lediglich palliativen Zwecken. Der Versicherte wurde in den Zeiträumen vom 24.5. bis 3.6.2004 und vom 8.6. bis 10.6.2004 stationär behandelt, danach aufgrund einer deutlichen Verschlechterung erneut vom 14.6. bis 10.7.2004, wobei die Chemotherapie abgebrochen und die Behandlung mit Morphin fortgesetzt wurde. Unter dieser Medikation war der Versicherte mit Hilfe eines Stützrollators zeitweise gehfähig. Die Eheschließung erfolgte am 2.7.2004 auf der Krankenstation. Zur Entlassung des Versicherten wurde eine sog Homecare-Betreuung eingerichtet. Am 27.7.2004 wurde der Versicherte notfallmäßig erneut stationär aufgenommen; er verstarb noch am selben Tag.

4

Den Antrag der Klägerin auf Gewährung von Witwenrente lehnte die Beklagte ab, da sie von einer sog Versorgungsehe gemäß § 46 Abs 2a SGB VI ausging(Bescheid vom 13.6.2005, Widerspruchsbescheid vom 28.10.2005).

5

Das SG Berlin hat - nach Vernehmung der Schwester, des Sohnes und der Tochter der Klägerin sowie nach deren persönlicher Anhörung - die Beklagte unter Aufhebung des angefochtenen Bescheids verurteilt, der Klägerin ab 27.7.2004 Witwenrente aus der Versicherung des Verstorbenen zu gewähren. Dem Anspruch stehe der Ausschlussgrund gemäß § 46 Abs 2a SGB VI nicht entgegen.

6

Das LSG Berlin-Brandenburg hat mit Urteil vom 31.1.2007 die Berufung der Beklagten nach persönlicher Anhörung der Klägerin zurückgewiesen unter Neufassung des Tenors, dass der Klägerin ab 27.7.2004 große Witwenrente zu gewähren sei. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Die gesetzliche Vermutung des § 46 Abs 2a SGB VI sei nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens widerlegt, weil zur Überzeugung des Senats trotz der sehr kurzen Ehedauer die Annahme nicht gerechtfertigt sei, dass die Versorgung der Klägerin der alleinige oder überwiegende Zweck der Eheschließung gewesen sei. Hierbei stütze sich der Senat auf die glaubhaften Einlassungen der Klägerin in ihren vorbereitenden Schriftsätzen, im Termin zur mündlichen Verhandlung und auf die Aussagen ihrer vom SG als Zeugen vernommenen Kinder. Danach stehe fest, dass - neben Versorgungserwägungen - zumindest gleichgewichtiger Zweck der Eheschließung gewesen sei, der beiderseitigen Liebesbeziehung nach langjährigem Zusammenleben durch den Akt der Eheschließung den - nach Wortwahl der Klägerin - "offiziellen Segen" zu geben und so eine Rechtsposition zu erlangen. Die Klägerin habe überzeugend ausgeführt, dass der Heiratswunsch schon viele Jahre vor der Krebserkrankung bestanden habe, jedoch aus finanziellen Gründen und familiären Erwägungen nicht eher realisiert habe werden können. Die mit dem Versicherten im Familienverbund lebenden Kinder der Klägerin, die ihn als "Vater" angesehen hätten, hätten die langjährige Heiratsabsicht ebenfalls bestätigt.

7

Der Umstand der seit 1978 gelebten langjährigen Liebesbeziehung stehe einem überwiegenden Versorgungsgedanken entgegen. Die Liebesbeziehung sei ohnehin nicht auf gegenseitige Versorgungsansprüche ausgerichtet gewesen, weil die Klägerin einer vollschichtigen Berufstätigkeit nachgegangen sei, mit der sie ohne Weiteres ihren eigenen Lebensunterhalt habe sichern können. Dies habe die Klägerin vor dem Senat eindrucksvoll dargelegt.

8

Ebenso wenig spreche der Krankheitsverlauf des Versicherten gegen diese Einschätzung. Die Klägerin habe glaubhaft ausgeführt, dass sie trotz palliativer Behandlung des Versicherten nicht davon ausgegangen sei, dass "mein Mann so bald würde sterben müssen". Doch auch wenn die Klägerin im Zeitpunkt der Eheschließung gewusst haben sollte, dass der Tod des Versicherten in naher Zukunft bevorstehe, verbliebe es bei dem vorrangigen Motiv der Eheschließung, der beiderseitigen Liebesbeziehung den "offiziellen Segen" zu geben. Daher habe für den Senat keine Veranlassung bestanden, den von der Beklagten hilfsweise gestellten Beweisanträgen zu folgen. Selbst wenn eine Nottrauung gemäß § 7 Personenstandsgesetz (PStG) vorgelegen hätte, änderte dies nichts an der zur Überzeugung des Senats feststehenden Motivationslage für die Heirat.

9

Mit ihrer vom BSG zugelassenen Revision rügt die Beklagte die Verletzung von § 46 Abs 2a SGB VI und von §§ 103, 128 SGG. Die Klägerin habe den Nachweis des Vorliegens "besonderer Umstände", die die Rechtsvermutung des § 46 Abs 2a SGB VI widerlegen könnten, nicht erbracht. Die Verrechtlichung einer Liebesbeziehung durch Eheschließung sei kein von der Versorgungsabsicht verschiedener Beweggrund. Die zuvor seit 26 Jahren geführte eheähnliche Lebensgemeinschaft unterstreiche den Versorgungscharakter der Ehe. Im Fall der lebensbedrohlichen Erkrankung eines Partners sei die wirtschaftliche Absicherung des Überlebenden das maßgebliche Motiv für die Heirat. Konkrete Heiratspläne seien erst nach Bekanntwerden der weit fortgeschrittenen Krebserkrankung gefasst und realisiert worden. Die Hoffnung oder Erwartung, eine lebensbedrohliche Erkrankung zu überleben, könne kein besonderer Umstand im Sinne der Norm sein. Das LSG hätte sich zudem gedrängt fühlen müssen, dem hilfsweise gestellten Beweisantrag, den Standesbeamten zu den Umständen der Eheschließung bei der Nottrauung zu befragen, nachzukommen.

10

Die Beklagte beantragt,
die Urteile des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 31. Januar 2007 sowie des Sozialgerichts Berlin vom 6. März 2006 aufzuheben und die Klage abzuweisen, hilfsweise, das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 31. Januar 2007 aufzuheben und den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückzuverweisen.

11

Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

12

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Entscheidungsgründe

13

Die zulässige Revision der Beklagten ist im Sinne der Zurückverweisung begründet (§ 170 Abs 2 Satz 2 SGG). Das angefochtene Urteil beruht - wie die Beklagte zutreffend rügt - auf einer Verletzung der Pflicht des Berufungsgerichts zur Sachaufklärung (§ 103 SGG). Auf der Grundlage der bisherigen tatsächlichen Feststellungen des LSG kann der Senat nicht entscheiden, ob die Beklagte den Anspruch der Klägerin auf große Witwenrente zu Recht abgelehnt hat.

14

1. Gemäß § 46 Abs 2 Satz 1 SGB VI haben Witwen, die nicht wieder geheiratet haben, nach dem Tod des versicherten Ehegatten, der die allgemeine Wartezeit erfüllt hat, ua dann Anspruch auf große Witwenrente, wenn sie das 45. Lebensjahr vollendet haben. Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt. Die Klägerin ist die Witwe des am 27.7.2004 verstorbenen Versicherten, der die allgemeine Wartezeit von fünf Jahren gemäß § 50 Abs 1 SGB VI erfüllt hatte. Zum Zeitpunkt des Todes des Versicherten hatte sie auch das 45. Lebensjahr vollendet.

15

Nach § 46 Abs 2a SGB VI, der mit Wirkung vom 1.1.2002 durch das Altersvermögensergänzungsgesetz (vom 21.3.2001, BGBl I 403) eingeführt worden ist und für alle seit dem 1.1.2002 geschlossenen Ehen gilt (vgl § 242a Abs 3 SGB VI), ist der Anspruch auf Witwenrente ausgeschlossen, wenn die Ehe nicht mindestens ein Jahr gedauert hat, es sei denn, dass nach den besonderen Umständen des Falles die Annahme nicht gerechtfertigt ist, dass es der alleinige oder überwiegende Zweck der Heirat war, einen Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung zu begründen. Die Ehe zwischen der Klägerin und dem Versicherten hat weniger als ein Jahr gedauert (vom 2.7. bis 27.7.2004); damit ist der Tatbestand des § 46 Abs 2a Halbs 1 SGB VI erfüllt. Ob jedoch "besondere Umstände" iS von § 46 Abs 2a Halbs 2 SGB VI vorliegen, die den Eintritt der entsprechenden Rechtsfolge - Ausschluss des Anspruchs auf Witwenrente - hindern, kann der Senat auf der Grundlage der Feststellungen des LSG nicht abschließend entscheiden.

16

2. Entgegen dem Vorbringen der Revision ist der vom Berufungsgericht als maßgeblich zugrunde gelegte Beweggrund der Klägerin für die Eheschließung, nämlich der Wunsch, nach langjährigem eheähnlichem Zusammenleben mit dem Versicherten der beiderseitigen Liebesbeziehung den "offiziellen Segen" zu geben und sie damit auch formal und rechtlich zu manifestieren, nicht von vornherein - losgelöst von den Umständen des konkreten Einzelfalls - ungeeignet, einen besonderen Umstand iS von § 46 Abs 2a Halbs 2 SGB VI zu begründen.

17

Der Senat hat im Urteil vom 5.5.2009 (B 13 R 55/08 R - BSGE 103, 99 = SozR 4-2600 § 46 Nr 6 mwN)zur Auslegung und Anwendung des Ausnahmetatbestands des § 46 Abs 2a Halbs 2 SGB VI bereits entschieden, dass eine abschließende Typisierung und Bewertung einzelner von den Tatsacheninstanzen festgestellter Ehemotive durch das Revisionsgericht nicht möglich ist. Daran hält er in Kenntnis hiergegen vorgebrachter Bedenken (vgl Pötter, RVaktuell 2010, 15, 21) nach erneuter Prüfung fest. Wie in dem genannten Urteil näher dargelegt ist, sind nach Wortlaut und Entstehungsgeschichte des § 46 Abs 2a Halbs 2 SGB VI als "besondere Umstände des Falles" alle äußeren und inneren Umstände des Einzelfalls zu prüfen, die auf einen von der Versorgungsabsicht verschiedenen Beweggrund für die Heirat schließen lassen. Die vom Gesetzgeber selbst intendierte Einzelfallprüfung lässt eine abschließende abstrakt-generelle (normgleiche) Einordnung einzelner denkbarer Ehemotive durch das Revisionsgericht nicht zu. Vielmehr kommt es nach dem Gesetz auf die - gegebenenfalls auch voneinander abweichenden - Beweggründe beider Ehegatten im konkreten Einzelfall an (Senatsurteil aaO, RdNr 20). Dabei sind die vom hinterbliebenen Ehegatten behaupteten inneren Umstände für die Heirat nicht nur für sich isoliert zu betrachten, sondern vor dem Hintergrund der im Zeitpunkt der jeweiligen Eheschließung bestehenden äußeren Umstände in eine Gesamtwürdigung einzustellen und unter Berücksichtigung aller sonstigen Umstände des Falls zu bewerten (aaO RdNr 24). Diese Notwendigkeit einer einzelfallbezogenen Würdigung nach Maßgabe des § 46 Abs 2a SGB VI wird nicht dadurch entbehrlich, dass die damit verbundenen Anforderungen den Wunsch der Verwaltung nach "überprüfbaren … objektiven Kriterien"(vgl Pötter, aaO) nicht erfüllen können.

18

In diesem Zusammenhang kann es zwar nicht als Verletzung von Bundesrecht angesehen werden, wenn die Tatsacheninstanz annimmt, dass bei Heirat eines zum Zeitpunkt der Eheschließung offenkundig bereits an einer lebensbedrohlichen Krankheit leidenden Versicherten in der Regel der Ausnahmetatbestand des § 46 Abs 2a Halbs 2 SGB VI nicht erfüllt sein wird. Gleichwohl darf dabei nicht von vornherein der Nachweis ausgeschlossen werden, dass dessen ungeachtet (überwiegend oder zumindest gleichwertig) aus anderen als aus Versorgungsgesichtspunkten geheiratet wurde. Bei der abschließenden Gesamtbewertung darf wiederum gefordert werden, dass diejenigen besonderen (inneren und äußeren) Umstände, die gegen eine Versorgungsehe sprechen, umso gewichtiger sind, je offenkundiger und je lebensbedrohlicher die Krankheit des Versicherten zum Zeitpunkt der Eheschließung gewesen ist (BSGE 103, 99 = SozR 4-2600 § 46 Nr 6, RdNr 27).

19

Der Frage, ob besondere Umstände iS des Ausnahmetatbestands vorliegen, die gegen die Annahme einer Versorgungsehe sprechen, ist vorrangig anhand aller vorhandenen objektiven Ermittlungsmöglichkeiten (§ 103 SGG) nachzugehen (aaO RdNr 29 mwN). Sie ist in erster Linie auf tatsächlicher Ebene zu beantworten (BSG vom 15.9.2009 - B 5 R 282/09 B - BeckRS 2009, 72520 RdNr 7). Somit obliegt es zuvörderst den Tatsacheninstanzen, sich nach Ausschöpfung aller Erkenntnisquellen und unter Würdigung aller Indizien eine Überzeugung davon zu verschaffen, ob im Einzelfall die Annahme nicht gerechtfertigt ist, dass die Erlangung eines Anspruchs auf Hinterbliebenenversorgung der alleinige oder überwiegende Zweck der Heirat war (vgl auch BSG vom 27.8.2009 - B 13 R 101/08 R - Juris RdNr 14 f). Ein Rentenversicherungsträger, der vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit seine Annahme, dass eine Versorgungsehe vorliege, verteidigen will, kann deshalb durch das Stellen von Beweisanträgen darauf hinwirken, dass alle Umstände - auch die für eine Versorgungsehe sprechenden Indizien - in die Beweiswürdigung des Gerichts einbezogen werden.

20

3. Vorliegend hat die Beklagte in der mündlichen Verhandlung vor dem LSG einen solchen Beweisantrag zur Entscheidung des Gerichts gestellt; sie hat verlangt, den zuständigen Standesbeamten zu den Umständen der Eheschließung zu vernehmen. Diesem Beweisantrag hätte das LSG nachkommen müssen; seine Ablehnung unter Berufung darauf, dass unabhängig von den konkreten Umständen der Trauung die volle Überzeugung des Senats zur Motivationslage für die Heirat bereits feststehe, verletzt Bundesrecht (§ 103 SGG).

21

Einer der Ausnahmefälle, der es erlaubt hätte, auf die Vernehmung des von der Beklagten mit der Bezeichnung "den zuständigen Standesbeamten" hinreichend konkret benannten Zeugen zu verzichten, ist nicht gegeben. Solche Ausnahmefälle sind dann anzunehmen, wenn es auf die unter Beweis gestellten Tatsachen nicht ankommt, diese bereits erwiesen sind oder das Beweismittel ungeeignet oder unerreichbar ist (vgl Senatsurteil vom 23.8.2001 - B 13 RJ 59/00 R - SozR 3-2200 § 1248 Nr 17 S 72 f; BSG vom 16.5.2007 - B 11b AS 37/06 B - Juris RdNr 10; BSG vom 28.5.2008 - B 12 KR 2/07 B - Juris RdNr 11; s auch BVerwG vom 12.3.2010 - 8 B 90/09 - Juris RdNr 25 f). Diese Voraussetzungen lagen hier nicht vor.

22

Auf die von der Beklagten unter Beweis gestellten tatsächlichen Umstände der Eheschließung kommt es schon deshalb entscheidungserheblich an, weil das LSG alle Umstände des Einzelfalls, die für oder gegen eine Versorgungsabsicht sprechen könnten, aufzuklären und in einer abschließenden Gesamtbewertung zu würdigen hat. Zur Klärung dieser tatsächlichen Voraussetzungen war der benannte Zeuge auch ein geeignetes und erreichbares Beweismittel. Als Standesbeamter, der die Eheschließung auf der Station im Krankenhaus vollzogen hat, hätte er zu den näheren Umständen der Heirat, wie etwa ihm gegenüber geäußerte Eheschließungsmotive der Eheleute, Zeugnis geben können. Bislang sind im gerichtlichen Verfahren nur Personen vernommen worden, die (als Kinder und Schwester) der Sphäre der Klägerin zugehörig sind. Nicht zuletzt beruht die Beweiswürdigung des LSG im Wesentlichen auf den Angaben der Klägerin zu ihren eigenen Beweggründen. Die Zeugenaussage des Standesbeamten könnte aber nicht nur Anhaltspunkte zur Beurteilung der Glaubhaftigkeit der Angaben der Klägerin ergeben, sondern darüber hinaus weitere Erkenntnisse zu den inneren Motiven beider Eheleute für die Heirat erbringen. Solche Ermittlungen waren auch deshalb angezeigt, weil sich die Klägerin zum Beweis des Vorliegens der besonderen Umstände iS von § 46 Abs 2a Halbs 2 SGB VI gerade auf ihre innere Motivation für die Heirat berufen und hierzu vor dem SG und dem LSG bereitwillig Auskunft gegeben hat. Eine unzulässige Ausforschung im Bereich der privaten Lebensführung (vgl dazu Senatsurteil vom 5.5.2009 - BSGE 103, 99 = SozR 4-2600 § 46 Nr 6, RdNr 22, 29 mwN) stand daher nicht zu befürchten.

23

Das LSG hätte sich somit - ausgehend von seiner materiellen Rechtsansicht - zur Zeugenvernehmung des Standesbeamten zu den näheren Umständen der Trauung gedrängt fühlen müssen. Wenn es anstelle dessen ausgeführt hat, dass selbst im Fall einer sog Nottrauung aus Anlass einer lebensbedrohlichen Erkrankung (§ 7 PStG idF des bis zum 31.12.2008 gültigen Gesetzes vom 4.5.1998, BGBl I 833) "dies nichts an der dargelegten, zur vollen Überzeugung des Senats feststehenden Motivationslage für die Heirat" ändere, so handelt es sich um eine unzulässige vorweggenommene Beweiswürdigung. Einer der besonders gelagerten Ausnahmefälle, für die diskutiert wird, ob ein Beweisantrag auf Zeugenvernehmung dann abgelehnt werden darf, wenn aufgrund der Fülle und Güte bereits erhobener Beweise die entscheidungserheblichen Tatsachen mit einer solchen Gewissheit feststehen, dass die Überzeugung des Gerichts durch die beantragte weitere Beweiserhebung - ihr Erfolg unterstellt - nicht mehr erschüttert werden kann (vgl BVerwG vom 11.4.1991 - 3 C 73.89 - Buchholz 310 § 86 Abs 1 Nr 229 S 55 f mwN; BVerwG vom 12.3.2010 - 8 B 90/09 - Juris RdNr 25 f mwN; s auch BSG vom 31.8.1987 - 4a BJ 117/87 - Juris RdNr 5 - zu den beim Zeugenbeweis im Vergleich zum Sachverständigenbeweis strengeren Anforderungen), liegt hier nicht vor. Insbesondere zeigt das Urteil des LSG plausible Gründe für das Bestehen einer für jedermann nachvollziehbaren, unerschütterlichen Überzeugung des Berufungsgerichts nicht auf. Eine solche Überzeugung ist auch kaum denkbar, solange ausschließlich Personen aus dem Umfeld der Klägerin gehört und darauf verzichtet wurde, auch andere in Frage kommende Auskunftspersonen (vgl zB SG Düsseldorf vom 14.12.2009 - S 52 (10) R 22/09 - Juris) zu den Beweggründen der Nottrauung im Krankenhaus zu befragen.

24

Auf diesem Verstoß gegen § 103 SGG beruht die Entscheidung des LSG. Es ist nicht auszuschließen, dass das Berufungsgericht nach den beantragten weiteren Ermittlungen zu einem für die Beklagte günstigen Ergebnis gekommen wäre.

25

Das LSG wird die unterlassene Beweisaufnahme zu den näheren Umständen der Trauung nachzuholen und auf dieser Grundlage eine neue Gesamtwürdigung aller Umstände vorzunehmen haben. Es wird auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.

(1) Witwen oder Witwer, die nicht wieder geheiratet haben, haben nach dem Tod des versicherten Ehegatten Anspruch auf kleine Witwenrente oder kleine Witwerrente, wenn der versicherte Ehegatte die allgemeine Wartezeit erfüllt hat. Der Anspruch besteht längstens für 24 Kalendermonate nach Ablauf des Monats, in dem der Versicherte verstorben ist.

(2) Witwen oder Witwer, die nicht wieder geheiratet haben, haben nach dem Tod des versicherten Ehegatten, der die allgemeine Wartezeit erfüllt hat, Anspruch auf große Witwenrente oder große Witwerrente, wenn sie

1.
ein eigenes Kind oder ein Kind des versicherten Ehegatten, das das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, erziehen,
2.
das 47. Lebensjahr vollendet haben oder
3.
erwerbsgemindert sind.
Als Kinder werden auch berücksichtigt:
1.
Stiefkinder und Pflegekinder (§ 56 Abs. 2 Nr. 1 und 2 Erstes Buch), die in den Haushalt der Witwe oder des Witwers aufgenommen sind,
2.
Enkel und Geschwister, die in den Haushalt der Witwe oder des Witwers aufgenommen sind oder von diesen überwiegend unterhalten werden.
Der Erziehung steht die in häuslicher Gemeinschaft ausgeübte Sorge für ein eigenes Kind oder ein Kind des versicherten Ehegatten, das wegen körperlicher, geistiger oder seelischer Behinderung außerstande ist, sich selbst zu unterhalten, auch nach dessen vollendetem 18. Lebensjahr gleich.

(2a) Witwen oder Witwer haben keinen Anspruch auf Witwenrente oder Witwerrente, wenn die Ehe nicht mindestens ein Jahr gedauert hat, es sei denn, dass nach den besonderen Umständen des Falles die Annahme nicht gerechtfertigt ist, dass es der alleinige oder überwiegende Zweck der Heirat war, einen Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung zu begründen.

(2b) Ein Anspruch auf Witwenrente oder Witwerrente besteht auch nicht von dem Kalendermonat an, zu dessen Beginn das Rentensplitting durchgeführt ist. Der Rentenbescheid über die Bewilligung der Witwenrente oder Witwerrente ist mit Wirkung von diesem Zeitpunkt an aufzuheben; die §§ 24 und 48 des Zehnten Buches sind nicht anzuwenden.

(3) Überlebende Ehegatten, die wieder geheiratet haben, haben unter den sonstigen Voraussetzungen der Absätze 1 bis 2b Anspruch auf kleine oder große Witwenrente oder Witwerrente, wenn die erneute Ehe aufgelöst oder für nichtig erklärt ist (Witwenrente oder Witwerrente nach dem vorletzten Ehegatten).

(4) Für einen Anspruch auf Witwenrente oder Witwerrente gelten als Heirat auch die Begründung einer Lebenspartnerschaft, als Ehe auch eine Lebenspartnerschaft, als Witwe und Witwer auch ein überlebender Lebenspartner und als Ehegatte auch ein Lebenspartner. Der Auflösung oder Nichtigkeit einer erneuten Ehe entspricht die Aufhebung oder Auflösung einer erneuten Lebenspartnerschaft.

(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.

(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.

(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.

(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.