Bayerisches Landessozialgericht Urteil, 26. Okt. 2015 - L 13 R 923/13

bei uns veröffentlicht am26.10.2015
vorgehend
Sozialgericht Regensburg, S 3 R 391/11, 29.08.2013

Gericht

Bayerisches Landessozialgericht

Tenor

I.

Der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Regensburg vom 29. August 2013 wird aufgehoben.

II.

Die Klage gegen den Bescheid vom 02. September 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. April 2011 wird abgewiesen.

III.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

IV.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Gewährung von Rente wegen voller bzw. teilweiser Erwerbsminderung (§ 43 Abs. 2, 1 SGB VI).

Die im September 1960 geborene Klägerin hat von September 1977 bis Juli 1979 eine Ausbildung zur Hotelfachfrau absolviert. Im Anschluss daran war sie bis Dezember 1979 im erlernten Beruf tätig. Von Januar 1980 bis August 1982 war sie als Fachverkäuferin, von Februar 1984 bis November 1989 als Personalsachbearbeiterin, von Januar bis März 1990 als Schreinereigehilfin und von Juni 1997 bis März 2001 als Montiererin versicherungspflichtig beschäftigt. In den Jahren 1999 bis 2001 absolvierte die Klägerin diverse REFA-Seminare, von April 2001 bis Juli 2001 eine Schulung im EDV-Bereich, vom 7. Oktober 2002 bis 17. Juli 2003 eine Fortbildungsmaßnahme zur technischen Führungskraft/Qualitätsmanagement (Lehrgangsdauer: 900 Unterrichtsstunden zzgl. Betriebspraktikum vom 28. April bis 17. Juli 2003). Zuletzt war sie von Dezember 2004 bis Februar 2008 als Sachbearbeiterin Qualitätswesen im Wareneingang versicherungspflichtig beschäftigt. Seit Dezember 2008 ist sie im Wellnessbereich selbstständig 8 bis 10 Stunden wöchentlich tätig.

Mit Antrag vom 5. Juli 2010 begehrte die Klägerin Rente wegen Erwerbsminderung von der Beklagten. Sie sei seit 26. Januar 2007 erwerbsgemindert. An diesem Tag erlitt die Klägerin einen Arbeitsunfall, bei dem sie nach dem Aussteigen aus dem Auto beim Gang in Richtung Stempeluhr auf glattem, ungestreutem Boden ausgerutscht, gestürzt und mit dem Steißbein gegen die Bordsteinkante gefallen war. Sie fügte sich dabei eine Steißbein- sowie eine BWS-/LWS-Prellung und eine leichte HWS-Distorsion zu.

Die Beklagte zog diverse Befundberichte sowie einen Entlassungsbericht der T. Tagesklinik A-Stadt vom 31. März 2008 über Maßnahmen der ambulanten Rehabilitation vom 27. Februar 2008 bis 18. März 2008 bei. Hierin wurden eine schmerzhafte Funktionseinschränkung der Halswirbelsäule bei Zustand nach BSV C6/C7 links, ein Zustand nach erweiterter intralaminärer Fensterung C6/C7 links nach Fryckholm, Sequestrektomie am 13. November 2007 und ein Verdacht auf Karpaltunnel-Syndrom links festgestellt. Die Klägerin sei auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt noch 6 Stunden und mehr täglich leistungsfähig, als Kontrolleurin mit Heben und Tragen nur noch 3 bis unter 6 Stunden.

Beigezogen wurde ferner ein chirurgisches Gutachten zur Zusammenhangsfrage von Dr. G. für die BG der Feinmechanik und Elektrotechnik BV J-Stadt vom 19. Juni 2008, wonach eine Minderung der Erwerbsfähigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt durch die Folgen des Unfalls vom 26. Januar 2007 derzeit nicht mehr hervorgerufen werde. Aktenkundig wurde auch ein Zusatzgutachten zur Zusammenhangsfrage auf neurologischem Fachgebiet von Dr. K. vom 3. Juni 2008, wonach auch auf neurologischem Fachgebiet keine unfallbedingte MdE gegeben sei.

Die Beklagte holte darauf ein neurologisch-psychiatrisches Gutachten von Dr. R. vom 16. August 2010 ein. Der Sachverständige diagnostizierte bei der Klägerin einen Zustand nach cervikaler Bandscheibenoperation mit C7-Wurzelirritation links (November 2007) und bescheinigte ihr noch ein Leistungsvermögen von 6 Stunden und mehr für leichte bis mittelschwere Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt. Als Arbeiterin im Wareneingang sei sie nur noch unter 3 Stunden täglich leistungsfähig. Der Antrag wurde daraufhin mit angefochtenem Bescheid vom 2. September 2010 abgelehnt. Die Klägerin sei auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt, auf den sie verwiesen werden könne, noch 6 Stunden und mehr täglich einsetzbar.

Zur Begründung des hiergegen erhobenen Widerspruchs legte die Klägerin u. a. einen Bericht des Medizinischen Versorgungszentrums für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie vom 23. Dezember 2010 vor, aus dem eine Höherdosierung der bisherigen Schmerzmedikamente hervorgeht. Die Beklagte holte daraufhin ein weiteres neurologisch-psychiatrisches Gutachten von Dr. Z. vom 25. März 2011 ein. Dr. Z. stellte bei der Klägerin eine Schmerzsymptomatik bei Zustand nach Bandscheiben-Operation C6/7 im November 2007 ohne Nachweis eines Rezidivs sowie eine allenfalls leichte Anpassungsstörung an die schwierige soziale Situation, aktuell ohne relevante depressive Verstimmung, fest und bescheinigte der Klägerin ebenfalls noch ein Leistungsvermögen von 6 Stunden und mehr täglich für leichte bis mittelschwere Arbeiten des allgemeinen Arbeitsmarkts. Als Arbeiterin im Wareneingang sei sie nur noch 3 bis unter 6 Stunden leistungsfähig. Der Widerspruch wurde daraufhin mit Widerspruchsbescheid vom 20. April 2011 zurückgewiesen.

Hiergegen hat die Klägerin Klage zum Sozialgericht Bayreuth (SG) erhoben und zur Begründung auf die bei ihr vorliegenden Gesundheitsstörungen an Hals- und Lendenwirbelsäule verwiesen. Das SG hat diverse Befundberichte sowie die Schwerbehindertenakten beim Versorgungsamt Bayreuth (GdB 40) beigezogen und Beweis erhoben durch Einholung eines orthopädischen Gutachtens von Dr. A. und eines neurochirurgischen/psychosomatischen Gutachtens von Dr. P ...

Dr. A. hat in seinem Gutachten vom 7. Mai 2012 bei der Klägerin muskuläre Verspannungen im Nacken nach Bandscheibenoperation mit einer chronischen C7-Schädigung links, eine leichte Funktionseinschränkungen der Lendenwirbelsäule bei Verschleiß ohne aktuellen Anhalt für eine Nervenwurzelirritation sowie ein Engesyndrom der linken Schulter ohne Funktionseinschränkung und ohne Hinweis auf eine Läsion oder Ruptur der Rotatorenmanschette festgestellt. Die Klägerin sei noch in der Lage, auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt leichte bis mittelschwere körperliche Tätigkeiten in wechselnder Körperhaltung mindestens 6 Stunden arbeitstäglich mit den arbeitsüblichen Unterbrechungen zu verrichten. Zu vermeiden seien länger anhaltende statische Wirbelsäulenzwangshaltungen, längere Arbeiten in gebückter oder gehockter Stellung, häufige Überkopfarbeiten, besondere Anforderungen an die Fein- und Grobmotorik der linken Hand sowie Kälte, Nässe und Zugluft ohne entsprechenden Bekleidungsschutz. Die Wegefähigkeit sei nicht eingeschränkt.

Dr. P. hat in seinem Gutachten vom 18. Februar 2013 folgende Diagnosen gestellt: 1. Anhaltende chronische Schmerzstörung mit rezidivierender depressiver Komponente 2. Sensomotorisches C7-Syndrom linksseitig bei Zustand nach HWS-OP nach Frykholm (2007)

3. Rezidivierende, wechselnde Lumboischialgien bei Osteochondrose der LWS auf Höhe LW 5/SW 1.

Die Klägerin sei nur noch in der Lage, mindestens 3 Stunden, aber weniger als 6 Stunden täglich mittelschwere und leichtere Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu verrichten. Zu vermeiden seien Zwangshaltungen, Dauerbelastungen der Arme, spezielle monotone Bewegungsmuster, Akkordarbeit, Arbeiten in ungeschützter Umgebung, Kälte und Nässe, stärkere psychische Belastungen, insbesondere hohe Arbeitstaktung, rasch wechselnde Arbeitsanforderungen und hochfrequente Klientenkontakte. Eine mindestens 6 Stunden tägliche Arbeitszeit sei dann machbar, wenn nach eineinhalb- bis zweistündiger Tätigkeit eine ebenso lange Regenerationsphase eingeschoben werden könne. Einschränkungen bezüglich des Anmarschwegs zur Arbeitsstätte bestünden nicht. Eine Besserung des körperlichen Schadens sei nicht zu erwarten. Bezüglich der psychosomatischen Erkrankung sei eine stationäre psychosomatische Behandlung möglicherweise in der Lage, die Voraussetzungen für eine adäquatere Auseinandersetzung mit dem erlebten Krankheitsbild zu initiieren, welche dann in ambulanter psychotherapeutischer Form weitergeführt und entwickelt werden könnte.

Nachdem sich die Beklagte der Leistungsbeurteilung durch Dr. P. ausweislich ihrer Stellungnahme vom 2. April 2013 nicht angeschlossen hatte, hat das SG eine ergänzende Stellungnahme von Dr. P. eingeholt, die unter dem 10. Juli 2013 erstellt worden ist. Hierin hält Dr. P. an seiner Auffassung fest.

Mit Gerichtsbescheid vom 29. August 2013 hat das SG den Bescheid der Beklagten vom 2. September 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20. April 2011 aufgehoben und die Beklagte verurteilt, der Klägerin ab 1. Februar 2011 Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Zeit bis längstens 31. Juli 2016 zu gewähren und der Klägerin die außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits zu erstatten. Zur Begründung wurde im Wesentlichen auf das Gutachten von Dr. P. verwiesen.

Hiergegen hat die Beklagte Berufung eingelegt und zunächst bemängelt, dass der Klägerin Rente wegen voller Erwerbsminderung bis 31. Juli 2016 bewilligt worden ist. Eine sogenannte Arbeitsmarktrente könne höchstens befristet drei Jahre auf Zeit gewährt werden, also bis maximal Januar 2014. Auch sei die Klägerin noch selbstständig tätig, so dass maximal ein Anspruch auf teilweise Erwerbsminderungsrente bestehe. Darüber hinaus werde das angenommene Leistungsvermögen von 3 bis unter 6 Stunden bezweifelt. Dr. P. sei zu seiner Leistungsbeurteilung im Wesentlichen mittels umfangreicher Fragebögen gekommen, die die Selbsteinschätzung der Klägerin wiedergäben. Dies sei keine hinreichende Grundlage für eine Leistungsbeurteilung. Eine Auseinandersetzung mit den abweichenden Einschätzungen der Vorgutachter sowie der Stellungnahme der Beklagten zum Gutachten Dr. P. habe nicht stattgefunden. Von einem relevanten Berufsschutz gehe die Beklagte nicht aus.

Die Klägerin hat entgegnet, eine teilweise Erwerbsminderungsrente sehe das Gesetz bei einer befristeten Rente auf drei Jahre nicht vor. Auch könne sie nicht mehr in ihrem erlernten Beruf tätig sein. Sie habe überwiegend in Berufen gearbeitet, die mit hoher körperlicher Anspannung verbunden seien. Es sei daher nicht nachvollziehbar, dass die Beklagte von keinem relevanten Berufsschutz ausgehe. Ohne fundierte Ausbildung zur REFA-Angestellten hätte die Klägerin die von ihr verrichtete Tätigkeit nicht ausüben können. Zeugnisse über in den Jahren 1990 bis 2001 abgeschlossene REFA-Seminare sowie die Fortbildungsmaßnahme zur technischen Führungskraft/Qualitätsmanagement vom 7. Oktober 2002 bis 25. April 2003 sind vorgelegt worden.

Mit Bescheid vom 7. Mai 2014 hat die Beklagte einen neuerlichen Antrag der Klägerin auf Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung abgelehnt, weil die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nicht erfüllt seien. Sie hat diesen Bescheid zum Gegenstand des anhängigen sozialgerichtlichen Verfahrens erklärt.

Der Senat hat diverse Befundberichte sowie Arbeitgeberauskünfte der Firma H. (Beschäftigung vom 9. Mai 2005 bis 31. August 2007) sowie der Firma P. (Transfermaßnahme vom 1. September 2007 bis 29. Februar 2008) eingeholt. Er hat von Amts wegen Beweis erhoben durch Einholung eines neurologisch-psychiatrischen Gutachtens von Dr. I. und eines orthopädischen Gutachtens von Dr. J ...

Dr. I. hat in ihrem Gutachten vom 5. Februar 2015 bei der Klägerin folgende Gesundheitsstörungen festgestellt: 1. Zustand nach Operation eines Bandscheibenvorfalls zwischen HWK 6 und 7 links im Jahr 2007 mit Reizung der Wurzel C 7 ohne neurologische Ausfallserscheinungen 2. Chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren 3. Angst und depressive Störung gemischt 4. Leichte Funktionseinschränkung der Lendenwirbelsäule bei Verschleiß ohne aktuellen Anhalt für eine Nervenwurzelirritation 5. Engesyndrom der linken Schulter ohne Funktionseinschränkung und ohne Hinweis auf eine Läsion oder Ruptur der Rotatorenmanschette.

Die Klägerin sei noch in der Lage, leichte bis zeitweise mittelschwere Tätigkeiten überwiegend im Sitzen und im Wechselrhythmus in geschlossenen Räumen 6 bis unter 8 Stunden täglich mit den arbeitsüblichen Unterbrechungen zu verrichten. Nicht mehr zumutbar seien das Heben und Tragen von Lasten, Zwangshaltungen, häufige Überkopfarbeiten, häufiges Bücken, Arbeiten unter Zeitdruck, Nachtschichttätigkeiten sowie Arbeiten, die ein überdurchschnittliches Konzentrationsvermögen erfordern. Das Restleistungsvermögen der Klägerin erlaube noch die Verrichtung von Tätigkeiten, die üblicherweise in ungelernten Tätigkeiten gefordert zu werden pflegen, soweit es sich um leichte bis mittelschwere Arbeiten handele, z. B. Kleben, Sortieren und Verpacken sowie Zusammensetzen von Teilen. Beschränkungen hinsichtlich des Arbeitswegs zur Arbeitsstätte bestünden nicht. Die Umstellungsfähigkeit der Klägerin auf andere Tätigkeiten sei nicht eingeschränkt.

Dr. J. hat in seinem Gutachten vom 10. April 2015 bei der Klägerin einen operierten Bandscheibenvorfall im Segment C6/C7 links, Restbeschwerden am linken Arm ohne konkrete neurologische Ausfälle, eine Osteochondrose der Lendenwirbelsäule ohne konkretes Funktionsdefizit sowie einen unkomplizierten Spreizfuß festgestellt. Die Klägerin könne noch mittelschwere Tätigkeiten im Wechselrhythmus, vorzugsweise in geschlossenen Räumen, mit angemessener Kleidung auch im Freien vollschichtig und mehr als 6 Stunden mit den arbeitsüblichen Unterbrechungen ausüben. Nicht mehr zumutbar seien ständige Überkopfarbeiten, häufiges Heben und Tragen schwerer Lasten sowie Arbeiten in gebückter oder vorgeneigter Körperzwangshaltung. Das Restleistungsvermögen der Klägerin erlaube noch die Verrichtung von Tätigkeiten, die üblicherweise in ungelernten Tätigkeiten gefordert zu werden pflegen. Die Wegefähigkeit der Klägerin sei nicht beeinträchtigt.

Nachdem die Klägerin Dr. J. eine CD mit Röntgenaufnahmen nachgereicht hatte, hat dieser mit ergänzender Stellungnahme vom 5. Mai 2015 ausgeführt, hieraus ergebe sich keine Änderung seiner gutachterlichen Bewertung.

Hierzu hat die Klägerin vorgetragen, die Annahme von Dr. J., bei der Klägerin liege keine Verkalkung der Schultergelenkweichteile vor, sei falsch. Insofern sei der behandelnde Orthopäde Dr. D. konsultiert worden. Dieser habe ausweislich seines beigefügten Befundberichts vom 19. Mai 2015 diese Diagnose bestätigt. Insoweit sei eine Corticoid-Stoßtherapie begonnen worden. Es seien auch Veränderungen im Vorfuß hinzugekommen (Hallux valgus mit Großzehengrundgelenksarthrose und zystischen Veränderungen der Gelenkpartner mit Verdacht auf Sesambeinarthrose). Es ergebe sich ein weiterer GdB von mindestens 20, welcher erstinstanzlich noch nicht erfasst worden, aber nun für die Gesamtbildanalyse zu berücksichtigen sei. Auch leide die Klägerin nunmehr unter einem Schmerzsyndrom in der rechten Schulter. Das SG habe zutreffend erkannt, dass die Klägerin „im Längs- und Querschnitt“ zu erfassen und das Zusammenspiel mit der psychosomatischen Erkrankung zu berücksichtigen sei. Auch sei bislang noch keine Arbeitsprobe durchgeführt worden. Ein weiteres Attest des behandelnden Allgemeinmediziners Dr. C., wonach die Klägerin nicht aggraviere und es absolut glaubhaft sei, dass sie nicht ganztägig arbeiten könne, ist mitübersandt worden.

Dr. J. hat in seiner weiteren ergänzenden Stellungnahme hierzu vom 30. Juni 2015 ausgeführt, dass die Klägerin trotz ihrer Beschwerden vollschichtig einer Erwerbstätigkeit nachkommen könne.

Hierzu hat die Klägerin erneut vorgetragen, sowohl das linke als auch das rechte Schultergelenk sei dauerhaft geschädigt. Auch werde übersehen, dass sie unter einer erheblichen psychischen Erkrankung leide. Ein weiteres Attest des Dr. C., wonach die Klägerin nicht arbeitsfähig sei, ist vorgelegt worden.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Bayreuth vom 29. August 2013 aufzuheben und die Klage gegen den Bescheid vom 2. September 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20. April 2011 abzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, der beigezogenen Akten des SG und der Beklagten verwiesen, die sämtlich Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.

Gründe

Die zulässige Berufung ist begründet. Das SG hat zu Unrecht den angefochtenen Bescheid vom 2. September 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20. April 2011 aufgehoben und der Klägerin ab 1. Februar 2011 Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Zeit bis längstens 31. Juli 2016 zugesprochen. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme vor dem Bayerischen Landessozialgericht steht für den Senat fest, dass die Klägerin keinen Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung (§ 43 Abs. 2 SGB VI) bzw. teilweiser Erwerbsminderung (§ 43 Abs. 1 SGB VI) hat. Ein Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit (§§ 240 Abs. 1, 2; 43 Abs. 1 SGB VI) wird von der Klägerin nicht mehr geltend gemacht (vgl. Niederschrift über die öffentliche Sitzung am 23. Oktober 2015).

Streitgegenstand ist allein der Bescheid vom 2. September 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20. April 2011. Der Bescheid vom 7. Mai 2014 wurde nicht Gegenstand des Verfahrens gemäß § 96 SGG. Nach Klageerhebung wird gemäß § 96 Abs. 1 SGG ein neuer Verwaltungsakt nur dann Gegenstand des Klageverfahrens, wenn er nach Erlass des Widerspruchsbescheids ergangen ist und den angefochtenen Verwaltungsakt abgeändert und ersetzt. Eine Änderung liegt vor, wenn ein Verwaltungsakt teilweise aufgehoben und durch eine neue Regelung ersetzt wird, eine Ersetzung, wenn ein neuer Verwaltungsakt ganz an die Stelle des alten tritt (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, § 96 Rn. 4 m. w. N.). Eine Abänderung oder Ersetzung liegt dabei grundsätzlich nur dann vor, wenn die Beschwer des Betroffenen gemindert oder vermehrt wird. Mit dem Bescheid vom 7. Mai 2014 hat die Beklagte einen erneuten Rentenantrag abgelehnt. Dadurch wurde die auf den früheren Rentenantrag bezogene ablehnende Entscheidung vom 2. September 2010 weder ganz noch teilweise aufgehoben und durch eine neue Regelung ersetzt, sondern vielmehr - bezogen auf einen späteren Zeitpunkt - bestätigt. Eine Minderung oder Vermehrung der Beschwer des ersten Ablehnungsbescheids durch den zweiten Ablehnungsbescheid liegt nicht vor. Eine analoge Anwendung der Bestimmung ist seit deren Neufassung zum 1. Januar 2008, wonach eine Einbeziehung nur in Fällen der Änderung und Ersetzung möglich ist, nicht mehr zulässig. Die Notwendigkeit einer Einbeziehung ergibt sich auch nicht aus der Gefahr einer doppelten gerichtlichen Prüfung mit eventuell widersprüchlichen Entscheidungen. Denn aus Sicht des Senats ist der neuerliche Rentenantrag der Klägerin mangels Rechtsschutzbedürfnis unzulässig, da auch über einen Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung für die Zeiten ab der erneuten Antragstellung vom Senat zu entscheiden ist.

Gem. § 43 Abs. 1, 2 SGB VI haben Versicherte Anspruch auf Rente wegen teilweiser bzw. voller Erwerbsminderung, wenn sie 1. teilweise bzw. voll erwerbsgemindert sind, 2. in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und 3. vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben.

Teilweise bzw. voll erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs bzw. drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Erwerbsgemindert ist gem. § 43 Abs. 3 SGB VI nicht, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.

Nach den überzeugenden Feststellungen der erfahrenen Gerichtssachverständigen Dr. I. und Dr. J. ist die Klägerin noch in der Lage, auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt 6 Stunden und mehr täglich leichte bis zumindest gelegentlich mittelschwere Arbeiten zu verrichten. Der insoweit abweichenden Leistungsbeurteilung durch Dr. P. vermag der Senat nicht zu folgen.

Bei der Untersuchung der Klägerin durch Dr. I. war die kräftig wirkende Klägerin im guten Allgemeinzustand. Beim Auskleiden demonstrierte sie flüssige Bewegungen mit seitengleichem Einsatz der Arme. Neurologisch zeigten sich keinerlei Auffälligkeiten der Hirnnerven. Bei der Prüfung der Motilität fanden sich weder Tonussteigerungen noch Muskelathropien an Armen und Beinen oder Lähmungserscheinungen. Sensibilitätsstörungen zeigten sich abgesehen von einer Hypästhesie und Hypalgesie an der Außenseite der linken Schulter und des linken Oberarms nicht. Vibrationsempfinden, Reflexe und Koordination waren regelgerecht. Die Zielbewegungen der Hände waren sicher, die Feinbeweglichkeit seitengleich unauffällig. Engpass-Syndrome an den Armen der Klägerin waren nicht festzustellen.

In psychischer Hinsicht war die Klägerin nach den Ausführungen von Dr. I. bewusstseinsklar und hinsichtlich aller Qualitäten vollständig orientiert. Sie war kontaktbereit und freundlich zugewandt bei indifferenter Stimmung, die als keinesfalls tiefgreifend depressiv zu beschreiben war. Die Klägerin war ablenkbar bei völlig unauffälligem Antrieb und in keiner Weise reduzierter affektiver Mitschwingungsfähigkeit. Zwar erreichte die Klägerin im Beck‘schen Depressionsinventar einen Wert, der auf eine erhebliche depressive Verstimmung in der Selbsteinschätzung hindeutet. Nach den Ausführungen von Dr. I. ist dies aber mit dem klinischen Befund nicht vereinbar und daher wohl als Folge einer negativen Antwortverzerrung zu bewerten.

Die von der Klägerin geklagten Panikattacken mit autonomen Symptomen, leichteren soziophobischen sowie klaustrophobischen Ängsten haben noch nicht zu einem erheblichen Vermeidungsverhalten geführt.

Konzentration, Aufmerksamkeit und Auffassungsfähigkeit waren ungestört bei geordnetem Gedankengang. Formale oder inhaltliche Denkstörungen konnte Dr. I. nicht beobachten. Die intellektuelle Ausstattung war mindestens durchschnittlich ohne Hinweise auf Kurzzeitgedächtnis- oder Merkfähigkeitsstörungen.

In Bezug auf die von der Klägerin in den Vordergrund gerückte Schmerzsymptomatik im Halswirbelsäulenbereich hat Dr. I. darauf hingewiesen, dass neurologischerseits insoweit allenfalls Hinweise auf eine gewisse Wurzelreizung C7 mit intermittierenden Sensibilitätsstörungen der Finger II und III, allerdings ohne dauerhafte sensomotorische Ausfälle, festzustellen waren. Die geklagten Schmerzen sind daher nicht ausschließlich Ausdruck einer radikulären Symptomatik. Damit ist von einem Schmerzsyndrom mit somatischen und psychischen Faktoren auszugehen. Auffallend war allerdings eine Diskrepanz zwischen angegebenen Beschwerden und körperlichen Befunden im Hinblick auf das Verhalten während der Untersuchung. Die Klägerin wirkte auf Dr. I. in keiner Weise schmerzgeplagt. Sie konnte mindestens eine Stunde ohne Haltungswechsel im Sitzen verbringen. Ein erheblicher Leidensdruck der Klägerin vermittelte sich der erfahrenen Sachverständigen nicht. In diesem Zusammenhang ist auch das durchaus erhebliche Aktivitätsspektrum der Klägerin im Alltag zu berücksichtigen. Die Klägerin versorgt ihren Haushalt (Kochen, Putzen, Einkäufe, Wäsche), wobei ihr nur bei schwereren Tätigkeiten (Fensterputzen, Tragen schwerer Einkäufe) Hilfe Dritter zuteil wird. Sie ist nach wie vor 8-10 Stunden in einem Hotel in S. selbstständig tätig. Hier verabreicht sie Rückenmassagen, nach eigenen Angaben allerdings ohne Kraftanwendung. Zudem ist sie im Kosmetikbereich eingesetzt. Die Klägerin hat noch zahlreiche soziale Kontakte. So fährt sie gelegentlich zu ihrer Mutter in Ostdeutschland, unternimmt Ausflüge mit Freundinnen und hat eine sehr gute Beziehung zu ihren Kindern, die sie am Wochenende besuchen.

Gegen eine tiefergehende depressive Erkrankung bzw. eine stärker ausgeprägte Schmerzerkrankung spricht auch, dass die Klägerin sich insoweit keiner adäquaten Therapie unterzieht. Eine psychiatrische Behandlung findet nicht statt.

Der abweichenden Einschätzung von Dr. P. hat Dr. I. überzeugend widersprochen. Dr. P. hat der Klägerin ebenfalls einen guten Allgemein- und Ernährungszustand bescheinigt. Er hat keinen wesentlichen anderen neurologischen Befund erhoben als Dr I ... Die Halswirbelsäulenbeweglichkeit der Klägerin war bei seiner Untersuchung nur diskret eingeschränkt, die Motorik der oberen Extremitäten ebenfalls unauffällig ohne sichere Paresen. Die Reflexe waren seitengleich mittellebhaft bei nur diskreter Abschwächung des Triceps brachii-Reflexes. Die unteren Extremitäten waren unauffällig ohne sichere Lumboischialgie und ohne Radikulopathie. In psychopathologischer Hinsicht hat er die Klägerin als zur Person, Zeit und Ort orientiert, sowie insgesamt gut gepflegt beschrieben. Von der Stimmung her wirkte die Klägerin ausgeglichen, affektive Schwingungsfähigkeit und Mimik waren situationsadäquat, der Antrieb ungestört. Die Klägerin gab zwar zum Teil etwas zögerlich Antworten, war aber im Kontakt freundlich und kooperativ. Formal und inhaltlich fanden sich keine Denkstörungen, Gedächtnis und Merkfähigkeit wirkten unbeeinträchtigt. Das Ausdrucksverhalten war der Situation angepasst und nicht gestört sowie ohne asoziale Charakterzüge. Auch auf Dr. P. machte die Klägerin einen nicht wirklich schmerzgeplagten oder massiv durch Schmerz beeinträchtigten sowie einen aktuell nur wenig depressiven Eindruck. Seine Einschätzung eines quantitativ reduzierten Leistungsvermögens hat Dr. P. im Wesentlichen damit begründet, dass ein hoher Somatisierungsfaktor bestehe, der in Kombination mit Depressivität und Ängstlichkeit für eine starke psychosomatische Überlagerung und Erkrankung spreche. Insoweit hat er auf die Ergebnisse der von ihm umfangreich durchgeführten testpsychologischen Untersuchungen hingewiesen.

Problematisch ist hier die hohe Bedeutung, die Dr. P. bei nicht gravierend auffälligem Befund den Ergebnissen der der Klägerin vorgelegten Selbstbeurteilungsbögen (z. B. deutscher Schmerzfragebogen) beimisst. Derartigen Selbstbeurteilungsbögen, die für die Behandlung von Schmerzerkrankungen bzw. psychischen Erkrankungen entwickelt worden sind, kann im Rentenverfahren nur eine untergeordnete Bedeutung zukommen. Denn anders als bei dem Einsatz dieser Instrumente im Rahmen einer (Schmerz)Therapie besteht für einen Probanden mit Rentenwunsch kein Anreiz, die dort gestellten Fragen zutreffend zu beantworten. Vielmehr ist hier die Auswahl einer Antwortmöglichkeit, die auf eine besonders schwerwiegende Beeinträchtigung hindeutet, besonders attraktiv, um damit eine Einschränkung des quantitativen Leistungsvermögens zu belegen. Die bloße Behauptung einer schwerwiegenden Beeinträchtigung - unabhängig davon, ob diese im Rahmen eines Testverfahrens oder eines Klageschriftsatzes erfolgt - genügt aber nicht, um eine solche zu beweisen. Die Antworten in diesen Testbatterien sind daher nur ein Mosaikstein, stellen aber keinen Beleg für eine schwere, zu einer Einschränkung der quantitativen Leistungsfähigkeit führende depressive Erkrankung oder Schmerzkrankheit dar.

Dementsprechend hat auch Dr. I. klar herausgestellt, dass eine schlüssige Begründung von Dr. P. für eine quantitativ eingeschränkte Leistungsfähigkeit der Klägerin fehlt. Somatoforme Symptombildungen, so Dr. I., rechtfertigten für sich genommen grundsätzlich nicht die Annahme eines quantitativ beeinträchtigten Leistungsvermögens. Von entscheidender Bedeutung seien zusätzliche affektive Symptome, die erheblich sein müssten, sowie die Ausschöpfung der zur Verfügung stehenden Behandlungsmöglichkeiten des psychiatrischen Fachgebiets. Beide Voraussetzungen sind bei der Klägerin deutlich nicht erfüllt. Hinzu kommt, dass die Klägerin auch noch eine Tätigkeit ausführt (Massagen, Kosmetik), die für die Halswirbelsäule eine zusätzliche Belastung aufgrund von Zwangshaltungen und Bewegungsmonotonie darstellt. Dies spricht ebenfalls gegen die Annahme, die Schmerzen der Klägerin seien so gravierend, dass selbst leichte Arbeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ausgeschlossen seien.

Ein anderes Ergebnis ergibt sich auch nicht bei Mitberücksichtigung der Gesundheitsstörungen auf orthopädischem Fachgebiet. Diese wurden von Dr. I. durchaus mit berücksichtigt, sind aber weder allein noch im Zusammenspiel mit den Gesundheitsstörungen der Klägerin auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet so gravierend, dass sich hieraus eine quantitative Leistungsminderung ergeben würde.

Dies hat auch Dr. J. in seinem Gutachten klar herausgearbeitet. Er hat festgestellt, dass die Beweglichkeit der Halswirbelsäule der Klägerin frei war. Die Nackenmuskulatur war ebenso wie die Trapezii weich. Auch die Beweglichkeit von Brust- und Lendenwirbelsäule war uneingeschränkt erhalten. Das Wiederaufrichten aus der Vorneige gelang der Klägerin flüssig aus rückeneigener Kraft. Der Schultergürtel war symmetrisch, die gelenkumgreifende Muskulatur der Schultergelenke sowie die Armmuskulatur waren seitengleich entwickelt. Beide Hände waren gleichmäßig beschwielt mit Arbeitsspuren. Die Beweglichkeit der Schultergelenke war frei. Der Schürzengriff war der Klägerin beidseits zügig möglich, der Nackengriff jedenfalls „in der Untersuchungssituation Halswirbelsäule“ ebenfalls. Einen typischen schmerzhaften Bogen konnte Dr. J. nicht feststellen. Im Übrigen fanden sich an den unteren Extremitäten (Ellenbogen-, Hand- und Fingergelenke) keinerlei Auffälligkeiten. Dies gilt ebenfalls für die unteren Extremitäten, wenn man von einem Spreizfuß mit Hallux valgus und Hammerzehe absieht. Die Fußsohlenbeschwielung der Klägerin war seitengleich sehr kräftig. Das Gangbild der Klägerin war zügig und raumgreifend. Die neurologische Untersuchung durch Dr. J. erbrachte keine Auffälligkeiten, insbesondere war das Zeichen nach Laségue beidseits negativ.

Hieraus hat Dr. J. für den Senat überzeugend abgeleitet, dass aus orthopädischer Sicht keine sehr ausgeprägten Gesundheitsstörungen bei der Klägerin vorliegen. Ein chronisches Schmerzsyndrom von sozialmedizinischer Relevanz besteht auch nach seinen Feststellungen nicht. Zwar hat die Klägerin sicherlich Beschwerden. Diese sind aber nicht so ausgeprägt, dass eine untervollschichtige Leistungsfähigkeit anzunehmen ist. Die Klägerin ist körperlich agil, mobil und belastbar. Sie ist viel zu Fuß unterwegs, geht mindestens 30 Minuten täglich spazieren. Eine schmerzbedingte Distanzierung von den angenehmen Dingen des Lebens besteht nicht. Sie ist daher durchaus in der Lage, vollschichtig einer zustandsangemessenen Tätigkeit nachzugehen.

Nach alledem ist der Senat davon überzeugt, dass die Klägerin noch mindestens 6 Stunden täglich leichte, gelegentlich sogar mittelschwere Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarkts verrichten kann.

Trotz dieses festgestellten Leistungsvermögens der Klägerin von 6 Stunden und mehr für leichte Arbeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt wäre ein Anspruch der Klägerin auf Rente wegen voller Erwerbsminderung jedoch dann gegeben, wenn bei ihr eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen bzw. eine schwere spezifische Leistungsbehinderung vorliegen würde und der Klägerin keine Tätigkeit benannt werden könnte, die sie trotz ihrer qualitativen Leistungseinschränkungen noch mindestens 6 Stunden täglich verrichten kann.

Eine schwere spezifische Leistungsbehinderung meint die Fälle, in denen bereits eine einzige schwerwiegende Behinderung ein weites Feld von Verweisungsmöglichkeiten versperrt (BSG, Urteil vom 10. Dezember 2003 - B5 RJ 64/02 R). Als Beispiel hierfür ist etwa die Einarmigkeit eines Versicherten zu nennen. Das Merkmal „Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen“ trägt hingegen dem Umstand Rechnung, dass auch eine Vielzahl von Einschränkungen, die jeweils nur einzelne Verrichtungen oder Arbeitsbedingungen betreffen, zusammengenommen das noch mögliche Arbeitsfeld in erheblichem Umfang zusätzlich einengen können. In diesen Fällen besteht die Verpflichtung, ausnahmsweise eine konkrete Tätigkeit zu benennen, weil der Arbeitsmarkt möglicherweise für diese überdurchschnittlich leistungsgeminderten Versicherten keine Arbeitsstelle bereithält oder nicht davon ausgegangen werden kann, dass es für diese Versicherten eine ausreichende Anzahl von Arbeitsplätzen gibt oder ernste Zweifel daran aufkommen, ob der Versicherte in einem Betrieb einsetzbar ist (BSG Urteil vom 10. Dezember 2003, B 5 RJ 64/02 R, in juris).

Eine schwere spezifische Leistungsbehinderung liegt bei der Klägerin jedoch ebenso wenig vor wie eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen. Bei ihr besteht weder ein besonderer Pausenbedarf noch ist die Beweglichkeit der oberen Extremitäten relevant eingeschränkt. Auch ist die Wegefähigkeit der Klägerin erhalten. Die von Dr. I. und Dr. M. genannten qualitativen Leistungseinschränkungen, die oben im Tatbestand wiedergegeben sind und von denen der Senat ausgeht, sind darüber hinaus weder zahlreich noch schränken sie den möglichen Einsatzbereich der Klägerin auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt erheblich ein. Dr. M. und Dr. I. haben darüber hinaus ausdrücklich bestätigt, dass die Klägerin noch in der Lage sei, die Tätigkeiten zu verrichten, die üblicherweise in ungelernten Tätigkeiten verrichtet zu werden pflegen (z. B. Zureichen, Abnehmen usw.). Damit ist der allgemeine Arbeitsmarkt für die Klägerin sicher nicht verschlossen.

Auf die Berufung der Beklagten hin war daher der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Bayreuth aufzuheben und die Klage vollumfänglich abzuweisen.

Die Kostenentscheidung (§ 193 SGG) berücksichtigt den Umstand, dass die Klägerin erfolglos geblieben ist.

Gründe, die Revision zuzulassen (§ 160 Abs. 2 SGG), liegen nicht vor.

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Bayerisches Landessozialgericht Urteil, 26. Okt. 2015 - L 13 R 923/13 zitiert 6 §§.

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 193


(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen ha

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 160


(1) Gegen das Urteil eines Landessozialgerichts und gegen den Beschluss nach § 55a Absatz 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundessozialgericht nur zu, wenn sie in der Entscheidung des Landessozialgerichts oder in dem Beschluß des Bu

Sozialgesetzbuch (SGB) Sechstes Buch (VI) - Gesetzliche Rentenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 18. Dezember 1989, BGBl. I S. 2261, 1990 I S. 1337) - SGB 6 | § 43 Rente wegen Erwerbsminderung


(1) Versicherte haben bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, wenn sie 1. teilweise erwerbsgemindert sind,2. in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 96


(1) Nach Klageerhebung wird ein neuer Verwaltungsakt nur dann Gegenstand des Klageverfahrens, wenn er nach Erlass des Widerspruchsbescheides ergangen ist und den angefochtenen Verwaltungsakt abändert oder ersetzt. (2) Eine Abschrift des neuen Ver

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Bayerisches Landessozialgericht Urteil, 26. Okt. 2015 - L 13 R 923/13 zitiert oder wird zitiert von 1 Urteil(en).

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Landessozialgericht Sachsen-Anhalt Urteil, 28. Jan. 2016 - L 3 R 218/13

bei uns veröffentlicht am 28.01.2016

Tenor Die Berufung wird zurückgewiesen. Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen. Tatbestand 1 Zwischen den Beteiligten ist die Bewilligung von Rente wegen Erwerbsminderung na

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(1) Versicherte haben bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, wenn sie

1.
teilweise erwerbsgemindert sind,
2.
in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und
3.
vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben.
Teilweise erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein.

(2) Versicherte haben bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung, wenn sie

1.
voll erwerbsgemindert sind,
2.
in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und
3.
vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben.
Voll erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Voll erwerbsgemindert sind auch
1.
Versicherte nach § 1 Satz 1 Nr. 2, die wegen Art oder Schwere der Behinderung nicht auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tätig sein können, und
2.
Versicherte, die bereits vor Erfüllung der allgemeinen Wartezeit voll erwerbsgemindert waren, in der Zeit einer nicht erfolgreichen Eingliederung in den allgemeinen Arbeitsmarkt.

(3) Erwerbsgemindert ist nicht, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.

(4) Der Zeitraum von fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung verlängert sich um folgende Zeiten, die nicht mit Pflichtbeiträgen für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit belegt sind:

1.
Anrechnungszeiten und Zeiten des Bezugs einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit,
2.
Berücksichtigungszeiten,
3.
Zeiten, die nur deshalb keine Anrechnungszeiten sind, weil durch sie eine versicherte Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit nicht unterbrochen ist, wenn in den letzten sechs Kalendermonaten vor Beginn dieser Zeiten wenigstens ein Pflichtbeitrag für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit oder eine Zeit nach Nummer 1 oder 2 liegt,
4.
Zeiten einer schulischen Ausbildung nach Vollendung des 17. Lebensjahres bis zu sieben Jahren, gemindert um Anrechnungszeiten wegen schulischer Ausbildung.

(5) Eine Pflichtbeitragszeit von drei Jahren für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit ist nicht erforderlich, wenn die Erwerbsminderung aufgrund eines Tatbestandes eingetreten ist, durch den die allgemeine Wartezeit vorzeitig erfüllt ist.

(6) Versicherte, die bereits vor Erfüllung der allgemeinen Wartezeit voll erwerbsgemindert waren und seitdem ununterbrochen voll erwerbsgemindert sind, haben Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung, wenn sie die Wartezeit von 20 Jahren erfüllt haben.

(1) Nach Klageerhebung wird ein neuer Verwaltungsakt nur dann Gegenstand des Klageverfahrens, wenn er nach Erlass des Widerspruchsbescheides ergangen ist und den angefochtenen Verwaltungsakt abändert oder ersetzt.

(2) Eine Abschrift des neuen Verwaltungsakts ist dem Gericht mitzuteilen, bei dem das Verfahren anhängig ist.

(1) Versicherte haben bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, wenn sie

1.
teilweise erwerbsgemindert sind,
2.
in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und
3.
vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben.
Teilweise erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein.

(2) Versicherte haben bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung, wenn sie

1.
voll erwerbsgemindert sind,
2.
in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und
3.
vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben.
Voll erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Voll erwerbsgemindert sind auch
1.
Versicherte nach § 1 Satz 1 Nr. 2, die wegen Art oder Schwere der Behinderung nicht auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tätig sein können, und
2.
Versicherte, die bereits vor Erfüllung der allgemeinen Wartezeit voll erwerbsgemindert waren, in der Zeit einer nicht erfolgreichen Eingliederung in den allgemeinen Arbeitsmarkt.

(3) Erwerbsgemindert ist nicht, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.

(4) Der Zeitraum von fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung verlängert sich um folgende Zeiten, die nicht mit Pflichtbeiträgen für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit belegt sind:

1.
Anrechnungszeiten und Zeiten des Bezugs einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit,
2.
Berücksichtigungszeiten,
3.
Zeiten, die nur deshalb keine Anrechnungszeiten sind, weil durch sie eine versicherte Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit nicht unterbrochen ist, wenn in den letzten sechs Kalendermonaten vor Beginn dieser Zeiten wenigstens ein Pflichtbeitrag für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit oder eine Zeit nach Nummer 1 oder 2 liegt,
4.
Zeiten einer schulischen Ausbildung nach Vollendung des 17. Lebensjahres bis zu sieben Jahren, gemindert um Anrechnungszeiten wegen schulischer Ausbildung.

(5) Eine Pflichtbeitragszeit von drei Jahren für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit ist nicht erforderlich, wenn die Erwerbsminderung aufgrund eines Tatbestandes eingetreten ist, durch den die allgemeine Wartezeit vorzeitig erfüllt ist.

(6) Versicherte, die bereits vor Erfüllung der allgemeinen Wartezeit voll erwerbsgemindert waren und seitdem ununterbrochen voll erwerbsgemindert sind, haben Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung, wenn sie die Wartezeit von 20 Jahren erfüllt haben.

(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.

(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.

(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.

(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.

(1) Gegen das Urteil eines Landessozialgerichts und gegen den Beschluss nach § 55a Absatz 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundessozialgericht nur zu, wenn sie in der Entscheidung des Landessozialgerichts oder in dem Beschluß des Bundessozialgerichts nach § 160a Abs. 4 Satz 1 zugelassen worden ist.

(2) Sie ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs. 1 Satz 1 und auf eine Verletzung des § 103 nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das Landessozialgericht ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.

(3) Das Bundessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.