Bayerisches Landessozialgericht Urteil, 21. Okt. 2015 - L 12 KA 108/14

bei uns veröffentlicht am21.10.2015
vorgehend
Sozialgericht München, S 49 KA 352/13, 28.03.2014

Gericht

Bayerisches Landessozialgericht

Tenor

I.

Die Berufung wird zurückgewiesen.

II.

Der Kläger trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens, einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 1).

III.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Streitig ist die Drittanfechtung der Verlängerung einer Dialysezweigpraxisgenehmigung. Beim Kläger handelt es sich um eine ärztliche Berufsausübungsgemeinschaft, die in I-Stadt ein Dialysezentrum betreibt und außerdem in O-Stadt über eine Zweigpraxisgenehmigung zum Erbringen fachärztlich-nephrologischer Sprechstunden auf Überweisung von Haus- und Fachärzten ohne Dialyse verfügt. Bereits mit Schreiben vom 10.6.2011 hatte er für den Standort in O-Stadt die Erteilung einer Genehmigung zum Erbringen von Dialyseleistungen beantragt.

Die Beigeladene zu 1), ebenfalls eine Berufsausübungsgemeinschaft, betreibt in C-Stadt eine Dialysepraxis. Bereits vor Inkrafttreten der Anlage 9.1 BMV-Ä/EKV im Jahr 2002 erbrachte die Beigeladene zu 1) in einer Zweigpraxis in O-Stadt mit Zustimmung der Beklagten Leistungen der zentralisierten Heimdialyse. Mit Bescheid vom 5.12.2002 erhielt die Beigeladene zu 1) die Genehmigung zur Durchführung des Versorgungsauftrages mit Dialyse in der Zweigpraxis in O-Stadt auf Grundlage des Abs. 3 2. Unterabsatz Satz 1 des Anhangs 9.1.5 der Anlage 9.1 BMV-Ä/EKV. Diese Genehmigung war mit der in der genannten Vorschrift vorgesehenen Befristung auf 10 Jahre erteilt worden, die Befristung endete am 8.5.2013.

Mit Schreiben vom 12.7.2010 beantragte die Beigeladene zu 1) die Verlängerung der bestehenden Filialgenehmigung für die Zweigpraxis über den 8.5.2013 hinaus um weitere zehn Jahre.

Die Beklagte informierte die Arbeitsgemeinschaft der Krankenkassenverbände in Bayern über den Antrag der Beigeladenen zu 1) und bat um Stellungnahme. Mit Schreiben vom 10.8.2012 teilte die Beigeladene zu 2), auch im Namen der übrigen Primärkassen, mit, dass sie dem Antrag zustimme. Am 7.9.2012 erteilte auch der Beigeladene zu 6) seine Zustimmung.

Daraufhin verlängerte die Beklagte mit Bescheid vom 14.9.2012 die bis zum 8.5.2013 befristete Genehmigung am Standort O-Stadt für die Dres. B., S., wiederum befristet bis zum 8.5.2023. Laut der Genehmigung darf am Standort der Zweigpraxis in O-Stadt die Hämodialyse als „Zentrumsdialyse“ und „Zentralisierte Heimdialyse“ angeboten werden. Zur Begründung wurde in dem Bescheid im Wesentlichen ausgeführt, die Zweigpraxis in O-Stadt liege nicht im 30km-Radius des Versorgungsgebiets der Vertragsarztpraxis in C-Stadt. Die Genehmigung sei gemäß Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 3 des Anhangs 9.1.5 zur Anlage 9.1 BMV-Ä/EKV ergangen. Diese Regelung stelle eine Bestandsschutzregelung dar, die, wenn die dortigen Voraussetzungen erfüllt seien, einen Anspruch auf Verlängerung einer bereits bestehenden Zweigpraxisgenehmigung begründe. Die beigeladene Gemeinschaftspraxis gewährleiste mit ihrer Tätigkeit in der Zweigpraxis am Standort in O-Stadt die wohnortnahe Versorgung unter Berücksichtigung der einzelnen Dialyseformen und -verfahren. Die Ärzte versorgten Patienten mit den Wohnorten O-Stadt, F-Stadt, B-Stadt, S-Stadt, B-Stadt und I-Stadt. Die Genehmigung sei insgesamt (Hauptpraxis mit den jeweiligen Zweigpraxen) auf die Behandlung von 200 Patienten pro Jahr kontinuierlich in der vertragsärztlichen Versorgung beschränkt.

Dagegen legte der Kläger mit Schreiben vom 26.9.2012 Drittwiderspruch ein.

Mit Bescheid vom 10.4.2013 wurde der Widerspruch als zulässig, jedoch unbegründet zurückgewiesen. Es fehle bereits an einer Anfechtungsberechtigung des Klägers, die vom Bundessozialgericht aufgestellten Voraussetzungen für eine sogenannte defensive Konkurrentenklage lägen nicht vor. Die Beigeladene zu 1) wolle mit der Genehmigung in einer bereits in der Vergangenheit genehmigten Zweigpraxis Dialyseleistungen erbringen, so dass kein neuer vertragsarztrechtlicher Status geschaffen werden solle, es gehe um die Möglichkeit, die Dialyseleistungen in der bisherigen Form in O-Stadt fortzuführen. Es bestehe auch kein Vorrang-Nachrang-Verhältnis zwischen dem Kläger und der Beigeladenen zu 1). Beide Parteien nähmen gleichrangig als zugelassene Vertragsärzte an der vertragsärztlichen Versorgung teil, außerdem hänge die Genehmigung der Zweigpraxis der Beigeladenen zu 1) nicht vom Vorliegen eines Versorgungsbedarfs ab. Nach Anhang 9.1.5 Abs. 3 S. 4 der Anlage 9.1 BMV-Ä/EKV habe die Beigeladene zu 1) einen Anspruch auf Verlängerung der Zweigpraxisgenehmigung, wenn die dort beschriebenen Voraussetzungen erfüllt seien. Da in der Zweigpraxis der Beigeladenen zu 1) Patienten aus den im Bescheid aufgezählten Orten aus der unmittelbaren Umgebung von O-Stadt versorgt würden, reiche diese Tatsache aus, um die wohnortnahe Versorgung der Dialysepatienten zu begründen. Eine Bedarfsprüfung nach Auslastungsgrad finde nicht statt. Die wohnortnahe Versorgung sei von der wohnortfernen Versorgung abzugrenzen. Eine wohnortferne Versorgung läge dann vor, wenn in der betreffenden Dialyse-Praxis ausschließlich Feriendialyse stattfinden würde.

Der Kläger erhob am 12.4.2013 Klage. Wenn Voraussetzung für eine Genehmigung wie hier die Durchführung einer Bedarfsprüfung sei, vermittle diese Drittschutz für diejenigen, die bei der Ermittlung des Bedarfs zu berücksichtigen seien. Die der Beigeladenen zu 1) erteilte Verlängerung könne gemäß Anhang 9.1.5 zur Anlage 9.1 BMV-Ä/EKV nur zur Gewährleistung der wohnortnahen Versorgung erfolgen, deshalb sei eine Bedarfsprüfung anhand der Erreichbarkeit, des Auslastungsgrades und der Versorgungssituation der bereits bestehenden Dialysepraxen, in deren Region die Zweigpraxis liegt, vorzunehmen. Bei dieser Bedarfsprüfung sei die Dialysepraxis des Klägers zu berücksichtigen, so dass dieser auch anfechtungsberechtigt sei. Dies ergebe sich auch aus einem Vergleich mit der aktuellen Rechtsprechung des BSG zur Drittanfechtungsberechtigung bei Dialyseermächtigungen. Aus dem systematischen Vergleich der Verlängerungsregelungen für ermächtigte Einrichtungen nach § 10 Abs. 1a Anlage 9.1 BMV-Ä/EKV, wonach eine Verlängerung lediglich an eine Antragstellung geknüpft sei, und der hier einschlägigen Regelung für Dialysezweigpraxen werde deutlich, dass bei der Frage der Verlängerung einer Dialysezweigpraxisgenehmigung eine Bedarfsprüfung vorgesehen sei. Auch der Vergleich mit der Rechtsprechung des BSG zur Anfechtungsbefugnis gegen Zweigpraxisgenehmigungen ohne Dialyse stütze dies. Danach bewirke eine Zweigpraxisgenehmigung ohne Dialyse keine rechtliche Erweiterung des Kreises der für eine Behandlung in Frage kommenden Versicherten, sondern allein eine faktische Verbesserung des Marktzugangs. Nach Ansicht der Klägerseite sei dies aber bei der Dialysezweigpraxisgenehmigung außerhalb der eigenen Versorgungsregion der Hauptpraxis wie hier anders. Die Dialysezweigpraxisgenehmigung bewirke eine rechtliche Erweiterung des Kreises der für eine Behandlung in Frage kommenden Versicherten für die Beigeladene zu 1), da diese Patienten ohne eine solche Dialysezweigpraxis schon aufgrund ihrer Multimorbidität keine Fahrstrecke von über 80 km dreimal die Woche auf sich nehmen könnten, die sie sich außerdem auch finanziell gar nicht leisten könnten, da die Krankenkassen die Fahrtkosten gemäß der Fahrtkosten-Richtlinie nur zur nächstgelegenen geeigneten Behandlungsmöglichkeit erstatteten. Des Weiteren verwies die Klägerseite auf Urteile des LSG Baden-Württemberg (L 5 KA 2164/08) sowie des LSG Nordrhein-Westfalen (L 11 KA 96/10 B), wonach die Genehmigung einer Dialysezweigpraxis in einer fremden Versorgungsregion bei dem durch die Bestimmungen der Anlage 9.1 beziehungsweise des zugehörigen Anhangs 9.1.5 besonders stark regulierten Marktes für Dialyseleistungen angesichts ihres engen Zusammenhangs mit staatlicher Planung und der Verteilung staatlicher Mittel eine Wettbewerbsveränderung durch Einzelakt bewirke, die erhebliche Konkurrenznachteile für die vorhandenen Leistungserbringer habe. Der Genehmigung einer Dialysezweigpraxis komme namentlich unter grundrechtlichem Blickwinkel eine andere Qualität zu als der bloßen Genehmigung eines weiteren Leistungsbereichs. Insbesondere handle es sich bei dem hier maßgeblichen Abs. 3 Unterabsatz 2 des Anhangs 9.1.5 nicht um eine Bestandsschutzregelung. Auch dies ergebe sich einerseits aus dem Wortlaut der Vorschrift, in der an keiner Stelle von Bestandsschutz die Rede sei, als auch aus der Systematik der einschlägigen Regelungen. Auch ein diesbezüglicher Hinweis der Vertragspartner der Bundesmantelverträge auf Bestandsschutz liege nicht vor. Zudem können sich die Beigeladenen zu 1) auch nicht auf Bestandsschutz berufen, da die „Altpartner“ entweder ausgeschieden oder nie in O-Stadt tätig gewesen seien und Herr Dr. I. erst seit kurzem in der Berufsausübungsgemeinschaft tätig sei. Aus der Rechtsprechung des BSG ergebe sich auch, dass eine Drittanfechtung auch bei einer Verlängerung einer auslaufenden Genehmigung möglich sei, es sei nicht notwendig, dass es sich um einen völligen „Neuling“ handle, der neu in den Markt eindringe. Schließlich sei auch die dritte Voraussetzung, die Nachrangigkeit der Verlängerung der Dialysezweigpraxis der Beigeladenen zu 1) gegeben. Die vom Kläger betriebene Dialysepraxis in I-Stadt sowie die von ihm beantragte Dialysezweigpraxis in O-Stadt hätten beide Vorrang vor der Dialysezweigpraxis der Beigeladenen zu 1), weil O-Stadt in der Dialyseversorgungsregion von I-Stadt liege und mehr als 60 km, also quasi mehr als zwei Dialyseversorgungsregionen von dem Hauptstandort der Beigeladenen zu 1) in K-Stadt entfernt liege. Aus diesem Grunde sei die Genehmigung in der Vergangenheit nach den einschlägigen Vorschriften bis zum 8.5.2013 befristet gewesen. Da die Zweigpraxis der Beigeladenen zu 1) in den Versorgungsregionen von zwei anderen Praxen, nämlich der Praxis des Klägers im I-Stadt und der KfH-Dialyse in F-Stadt liege, könne die Genehmigung nur dann um weitere 10 Jahre verlängert werden, wenn die Praxis die wohnortnahe Versorgung unter Berücksichtigung der einzelnen Dialyseformen und -verfahren gewährleiste. Deshalb habe eine Bedarfsprüfung stattzufinden. Außerdem habe die Einführung der Dialyseversorgungsregionen nach ständiger Rechtsprechung des BSG den Schutz der dort ansässigen Dialysepraxen vor Konkurrenten bezweckt, um vor dem Hintergrund der enormen Investitionen, mit denen die Einrichtung und der Betrieb einer Dialysepraxis verbunden sei, eine flächendeckende Dialyseversorgung zu gewährleisten. Die fortlaufende Verlängerung von Dialysezweigpraxisgenehmigungen, die sich außerhalb der eigenen Versorgungsregion befinden, würde diesem Zweck zuwiderlaufen. Aufgrund der im vorigen Jahr erfolgten massiven Absenkung der Dialysesachkostenerstattung werde die Konkurrenzsituation außerdem verstärkt. Weiter wurde noch auf eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 14.01.2004 (Az: 1 BvR 506/03) verwiesen, in dem die zuständige Behörde die Anträge zweier um die Aufnahme in den Krankenhausplan konkurrierender Krankenhäuser nicht gleichzeitig, sondern nacheinander vorgelegt hatte. Das Bundesverfassungsgericht habe entschieden, dass über beide Anträge gleichzeitig hätte entschieden werden müssen. Das Bundesverfassungsgericht habe in diesem Fall zur Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes eine Konkurrentenklage auch ungeachtet der vom BSG aufgestellten Kriterien zur Anfechtungsbefugnis bei Drittanfechtungen zugelassen. Es sei weiter zu berücksichtigen, dass die Versorgungsregionen auch Qualitätsaspekten dienten. Liege eine Dialysezweigpraxis mehr als 60 km Luftlinie vom Hauptstandort entfernt, scheide die ärztliche Präsenz in Notfällen von vornherein aus, so dass immer ein Nephrologe in der Dialysezweigpraxis rund um die Uhr vor Ort sein müsse. Dies wiederum führe hier zu einem Unterlaufen der Bedarfsplanung. Denn die Vertragsärzte der Beigeladenen zu 1) befänden sich in K-Stadt und damit einem anderen KV-Planungsbereich als O-Stadt, wo die Zweigpraxis sei. Insofern sei auch nicht auf die aktuelle Rechtslage abzustellen, sondern auf den Zeitpunkt ein Jahr vor Auslaufen der Genehmigung. Die Verlängerung der Dialysezweigpraxisgenehmigung der Beigeladenen zu 1) sei schließlich auch fehlerhaft erfolgt, Verfahrensfehler lägen in zweierlei Hinsicht vor. Zum einen seien nicht die zuständigen Stellen der Krankenkassen informiert worden, zum anderen sei die Information nicht vollständig erfolgt, so dass die Krankenkassen nicht auf vollständiger Tatsachengrundlage entschieden hätten. Das erteilte Einvernehmen sei somit unwirksam.

Die Beklagte vertrat die Ansicht, es liege auf Klägerseite schon gar keine Anfechtungsbefugnis vor. Die der Beigeladenen zu 1) mit der streitgegenständlichen Genehmigung eingeräumte Rechtsposition sei gegenüber derjenigen des Klägers nicht nachrangig. Die Verlängerung der Genehmigung setze weder die Erfüllung der Anforderungen an eine wirtschaftliche Versorgungsstruktur noch einen Sicherstellungsbedarf voraus. Bereits aus dem Wortlaut des Anhangs 9.1.5 Abs. 3 Unterabsatz 2 Satz 2 und dessen systematischem Bezug zu Anhang 9.1.5 Abs. 1 b) ergebe sich, dass diese Regelung keinen Drittschutz vermittle. Die Zweigpraxis müsse die wohnortnahe Versorgung nur gewährleisten. Hätten die Vertragspartner der Bundesmantelverträge gewollt, dass in den Fällen der bestandsgeschützten Zweigpraxen eine Verlängerung der bisherigen Genehmigung nur dann möglich sein solle, wenn ein entsprechender Bedarf gegeben sei, hätten sie sich an der in Abs. 1 b) enthaltenen Formulierung „aus Gründen der Sicherstellung der Dialyseversorgung notwendig“ orientiert oder auf diese Regelung verwiesen. Das bereits in der vorhergehenden Befristungsregelung zum Ausdruck kommende vorrangige Bestandsschutzinteresse hätten die Partner der Bundesmantelverträge auch für die zweite Verlängerung in den Vordergrund gerückt, da in der insoweit maßgeblichen Regelung weder eine mit Abs. 1 b) vergleichbare Regelung enthalten sei noch auf Abs. 1 b) verwiesen werde. Die Partner der Bundesmantelverträge hätten sich, um den Bestandsschutzerfordernissen Rechnung zu tragen, für diejenigen Fälle, in denen die Anforderung des Anhangs 9.1.5 Abs. 1b) nicht erfüllt seien, dahingehend entschieden, dass statt der Ablehnung der unbefristeten Genehmigung eine zeitlich auf 10 Jahre befristete Genehmigung beziehungsweise eine entsprechende Verlängerung dieser Genehmigung zu erteilen sei. Ohne die Regelungen des Abs. 3 dieser Vorschrift hätte eine Zweigpraxis, in welcher die betreffenden Ärzte bereits vor Inkrafttreten des Anhangs 9.1 BMV-Ä/EKV mit Zustimmung der Beklagten Leistungen der zentralisierten Heimdialyse in einer Zweigpraxis erbracht haben, nicht weiter betrieben werden dürfen, wenn die Anforderungen nach Abs. 1 b) nicht erfüllt seien. Die Anforderungen nach Abs. 1 b) seien insbesondere auch dann nicht erfüllt, wenn es, in den Fällen, in denen die projektierte Zweigpraxis gleichzeitig in der Versorgungsregion einer anderen Dialyse-Praxis liegt, an der einvernehmlichen Feststellung der Kassenärztlichen Vereinigung und der zuständigen Verbände der Krankenkassen auf Landesebene fehle, dass die Zweigpraxis aus Gründen der Sicherstellung der Dialyseversorgung notwendig sei. Auch für diesen Fall trügen die Regelungen des Anhangs 9.1.5 Abs. 3 Unterabsatz 2 Vorsorge, indem dort die Formulierung „wird die Anforderung nach Abs. 1 b) nicht erfüllt“ Verwendung finde. Davon, dass die Anforderung nach Abs. 1 b) weiterhin, also auch bei der sich hier stellenden Frage der Verlängerung der Dialysezweigpraxis gerade nicht erfüllt sein müsse, kehre auch die Regelung des Abs. 3 Unterabsatz 2 Satz 2 nicht ab: Diese Regelung verlange nur, dass in der bisherigen Zweigpraxis tatsächlich eine wohnortnahe Versorgung gewährleistet werde, nicht aber, dass darüber hinausgehend auch die Anforderungen nach Abs. 1 b) erfüllt sein müssen. Dies ergebe sich auch aus einem Schreiben der Kassenärztlichen Bundesvereinigung als Vertragspartnerin der Bundesmantelverträge vom 24.6.2009, das die Beklagte in der mündlichen Verhandlung am 28.3.2014 vorlegte. In diesem Schreiben wird ausgeführt, dass bei den Anforderungen an die Genehmigung einer Zweigpraxis oder ausgelagerten Praxisstätte die Möglichkeit der Verlängerung einer Zweigpraxisgenehmigung um weitere zehn Jahre im Rahmen der schon bestehenden Übergangsregelung geschaffen worden sei. Die Beklagte vertrat weiter die Ansicht, dass die Verlängerungsregelung des Abs. 3 Unterabsatzes 2 Satz 2 demzufolge konsequenterweise auch keine einvernehmliche Feststellung der Notwendigkeit aus Gründen der Sicherstellung durch die Beklagte und die Krankenkassen auf Landesebene voraussetze, so dass auch kein Verfahrensfehler vorliege, wenn ein solches Einvernehmen nicht erteilt worden sei. Die Beklagte habe auch zu Recht festgestellt, dass die Zweigpraxis tatsächlich weiterhin die wohnortnahe Versorgung gewährleiste.

Die Beigeladene zu 1) vertrat die Ansicht, was die Klagebefugnis betrifft, fehle es schon an einem entsprechenden Nachweis der Klägerseite, dass überhaupt ein reales Konkurrenzverhältnis vorliege. Insbesondere sei aber bei der Erteilung der streitgegenständlichen Genehmigung eine Bedarfsprüfung zweifelsfrei nicht vorzunehmen, wie sich schon aus dem Wortlaut der einschlägigen Regelung ergebe. Bei Anhang 9.1.5 Abs. 3 Satz 4 handle es sich jedenfalls um eine Bestandsschutzregelung, nach deren Ziel und Zweck die bestehenden, vor langer Zeit erteilten Genehmigungen verlängert werden sollen, wenn die wohnortnahe Versorgung gewährleistet sei. Es wurde auf ein Schreiben der Bundesärztekammer aus dem Jahr 2009 zu den Neuregelungen in Anlage 9.1.5 verwiesen, aus dem sich ergebe, dass von den Partnern der Bundesmantelverträge beabsichtigt gewesen sei, unter anderem für befristet genehmigte Dialysezweigpraxen eine Verlängerungsmöglichkeit über die bisher genehmigten 10 Jahre hinaus zu schaffen, ohne dass eine neuerliche Bedarfsprüfung stattzufinden habe. Die Beklagte habe die Voraussetzungen der Gewährleistung der wohnortnahen Versorgung vor der Verlängerung zu prüfen, was sie sowohl im Genehmigungsbescheid als auch im Widerspruchsbescheid sehr wohl getan habe. Bei der vorliegenden Genehmigung liege gerade keine rechtliche Erweiterung der Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung im Sinne der vom BSG aufgestellten Kriterien für eine Drittanfechtung vor. Auch die dritte Voraussetzung, die Nachrangigkeit der Verlängerung der Genehmigung gegenüber dem Status des Klägers liege erkennbar nicht vor, ebenso wenig wie ein Unterlaufen der Bedarfsplanung, wie von Klägerseite behauptet. Das Urteil des Bundessozialgerichts, auf das sich die Klägerseite diesbezüglich beziehe, gehe heute ins Leere, da dieses zur alten Rechtslage vor 2002 ergangen sei, zum anderen sei dieses Urteil spätestens seit Inkrafttreten der neuen Bedarfsplanungsrichtlinie obsolet. Sowohl sämtliche Fachärzte des Klägers als auch der Beigeladenen zu 1) gehörten nun dem gleichen Planungsbereich A. an. Die Herstellung eines Einvernehmens mit den Krankenkassenverbänden sei außerdem nicht erforderlich gewesen. Auch stelle es keinen Verfahrensfehler dar, dass die Beklagte die Krankenkassenverbände nicht gleichzeitig über beide Anträge informiert habe, eine diesbezügliche gesetzliche oder vertragliche Regelung, die dies erfordere, sei nicht ersichtlich. Bei der Prüfung des Begriffs der wohnortnahen Versorgung durch die Beklagte komme es entgegen der Auffassung des Klägers auf den konkurrierenden Dialysezweigpraxisantrag des Klägers nicht an, da die Bestandsschutzregelung zugunsten der Beigeladenen zu 1) in Abs. 3 nach dem Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung vorrangig sei. Insbesondere hätten die Partner der Gesamtverträge durch die mit Wirkung zum 1.7.2009 eingefügte Regelung eine dauerhafte wirtschaftliche Grundlage für historisch gewachsene bestehende Versorgungsstrukturen erreichen wollen. Die Sicherstellung der Dialysepatientenversorgung am Standort der Beigeladenen zu 1) in O-Stadt sei auch gewährleistet. Auch die Präsenz und Rufbereitschaft beziehungsweise der Bereitschaftsdienst sei gewährleistet. Wenn der Kläger meine, die Beigeladene zu 1) könne sich in der Dialysezweigpraxis in O-Stadt nicht auf Bestandsschutz berufen, weil verschiedene Ärzte aus der Gemeinschaftspraxis ausgeschieden seien, verkenne er, dass es nicht auf die Person der einzelnen Gesellschafter der Gemeinschaftspraxis ankomme, sondern nur darauf, dass der betreffende Versorgungsauftrag der Gemeinschaftspraxis als solcher erteilt worden sei, wie sich aus dem Bescheid des Beklagten vom 14.9.2012 ergebe.

Das SG wies die Klage mit Urteil vom 28.3.2014 ab. Im vorliegenden Fall bestehe schon keine Anfechtungsberechtigung des Klägers. Eine Anfechtungsberechtigung sei nach gefestigter Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (vgl. BSG vom 17.12.2012, B 6 KA 39/11 m. w. N.) nur dann gegeben, wenn (1.) der Kläger und der Konkurrent im selben räumlichen Bereich die gleichen Leistungen anbieten und (2.) dem Konkurrenten die Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung eröffnet oder erweitert und nicht nur ein weiterer Leistungsbereich genehmigt wird sowie (3.) der dem Konkurrenten eingeräumte Status gegenüber demjenigen des Anfechtenden nachrangig ist. Die letzte Voraussetzung sei dann erfüllt, wenn die Einräumung des Status an den Konkurrenten vom Vorliegen eines Versorgungsbedarfs abhänge, der von den bereits zugelassenen Ärzten nicht abgedeckt werde. Das Bundesverfassungsgericht habe diese Rechtsprechung in seinem Beschluss vom 23.4.2009 (1 BvR 3405/08) bestätigt und darauf abgestellt, ob den bereits zum Markt zugelassenen Leistungserbringern ein gesetzlicher Vorrang gegenüber auf den Markt drängenden Konkurrenten eingeräumt ist.

Die der Beigeladenen zu 1) erteilte Genehmigung sei gegenüber der Versorgungstätigkeit des Klägers nicht nachrangig. Die der Beigeladenen zu 1) erteilte Genehmigung setze nicht das Vorliegen eines Versorgungsbedarfs voraus.

Nach § 4 Abs. 3 Anlage 9.1. BMV-Ä/EKV i. V. m. Anhang 9.1.5 Abs. 1 b) Satz 2 könne eine Zweigpraxis innerhalb der eigenen Versorgungsregion, die gleichzeitig in der Versorgungsregion einer anderen Praxis liege, somit nur genehmigt werden, wenn ihre Einrichtung nach einvernehmlicher Feststellung der Kassenärztlichen Vereinigung und der zuständigen Verbände der Krankenkassen auf Landesebene aus Gründen der Sicherstellung notwendig sei. In dieser Regelung werde auf Gründe der Sicherstellung abgestellt, so dass sich hieraus wohl auch ein Drittschutz ergebe (vgl. dazu z. B. LSG Baden-Württemberg vom 9.12.2009, L 5 KA 2164/08). Diese Vorschrift finde hier aber gerade keine Anwendung, da die streitige Zweigpraxis nicht nach Abs. 1 b) Satz 1 Anhang 9.1.5. in der Versorgungsregion der Beigeladenen zu 1) liege. Es sei deshalb auf Abs. 3 2. Unterabsatz Satz 2 Anhang 9.1.5 abzustellen, wonach für „Altfälle“ wie hier ein Anspruch auf eine Verlängerung der Genehmigung unter anderem dann vorgesehen sei, wenn die wohnortnahe Versorgung unter Berücksichtigung der einzelnen Dialyseformen und -verfahren gewährleistet sei. In Abs. 3 2. Unterabsatz Satz 2 Anhang 9.1.5 sei weder von „Sicherstellung“ noch von „Bedarf“ die Rede, es werde nicht einmal, wie in anderen Regelungen, die eine Bedarfsprüfung vorschreiben, gefordert, dass die Zweigpraxis zur Gewährleistung einer wohnortnahen Versorgung „notwendig“ oder „erforderlich“ oder „unerlässlich“ sei. Die Vorschrift gebe vielmehr einen Anspruch auf Verlängerung, wenn die Gewährleistung der wohnortnahen Versorgung festgestellt werde. Diese Feststellung könnte dann nicht getroffen werden, wenn dort keine wohnortnahe Versorgung stattfinden würde, sondern z. B. wie von der Beklagten angeführt, nur Feriendialysen durchgeführt würden oder auch nur Patienten aus der Versorgungsregion der „Hauptpraxis“, und damit aus einer anderen Versorgungsregion, versorgt würden. Schon aus dem Wortlaut des Abs. 3 2. Unterabsatz Satz 2 ergebe sich somit kein Hinweis auf ein notwendiges Sicherstellungserfordernis.

Hiergegen legte der Kläger Berufung ein. Zur Begründung wiederholte und vertiefte er seine Argumentation. Außerdem nahm die Prozessbevollmächtigte des Klägers Bezug auf die Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 11.2.2015, B 6 KA 7/14 R zur Anfechtungsbefugnis bei der Genehmigung von Dialyse-Zweigpraxen.

Die Prozessbevollmächtigte des Klägers stellt den Antrag aus dem Schriftsatz vom 26.5.2014.

Die Bevollmächtigte der Beklagten und der Prozessbevollmächtigte der Beigeladenen zu 1) stellen den Antrag, die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte wies erneut darauf hin, dass bei der Erteilung der Verlängerung die Aspekte des Bestandsschutzes im Vordergrund ständen.

Gründe

Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das SG hat zutreffend festgestellt, dass der Kläger nicht berechtigt ist, die Verlängerung der Zweigpraxis-Genehmigung der Beigeladenen zu 1) anzufechten.

Unter welchen Voraussetzungen Vertragsärzte berechtigt sind, zugunsten anderer Ärzte ergangene Entscheidungen anzufechten (sog defensive Konkurrentenklage), hat das BSG in seinem Urteil vom 7.2.2007 im Anschluss an die Entscheidung des BVerfG vom 17.8.2004 (BVerfG (Kammer) SozR 4-1500 § 54 Nr. 4) im Einzelnen dargestellt (BSGE 98, 98 = SozR 4-1500 § 54 Nr. 10). Danach müssen erstens der Kläger und der Konkurrent im selben räumlichen Bereich die gleichen Leistungen anbieten, zweitens dem Konkurrenten die Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung eröffnet oder erweitert und nicht nur ein weiterer Leistungsbereich genehmigt werden, und drittens der dem Konkurrenten eingeräumte Status gegenüber demjenigen des Anfechtenden nachrangig sein, wobei dies der Fall ist, wenn die Einräumung des Status an den Konkurrenten vom Vorliegen eines Versorgungsbedarfs abhängt, der von den bereits zugelassenen Ärzten nicht abgedeckt wird (jüngst BSG Urteil vom 11.2.2015, B 6 KA 7/14 R mit umfangreichen weiteren Nachweisen).

Soweit der Kläger die Verlängerung der Genehmigung anfechten will, ist die dritte Voraussetzung nicht erfüllt. Entgegen der Rechtsauffassung der Klägerbevollmächtigten ist eine Prüfung des Versorgungsbedarfs nicht notwendig.

Die Rechtsgrundlage für die Verlängerung der Dialysezweigpraxisgenehmigung, Anlage 9.1.5 Abs. 3 2. Unterabsatz, Satz 4 zu Anhang 9.1. BMV-Ä/EKV, der gemäß § 4 Abs. 3 S. 2 Anlage 9.1. allein einschlägig ist, beinhaltet keine Bedarfsprüfung und vermittelt dem Kläger deshalb auch keinen Drittschutz.

Anlage 9.1.5 lautet:

„(1) … b) Die projektierte Zweigpraxis oder ausgelagerte Praxisstätte muss in der Versorgungsregion der bestehenden Dialysepraxis liegen. Die Genehmigung kann nur erteilt werden, wenn die projektierte Zweigpraxis oder ausgelagerte Praxisstätte nicht gleichzeitig in der Versorgungsregion einer anderen Praxis liegt, es sei denn die Einrichtung der projektierten Zweigpraxis oder der ausgelagerten Betriebsstätte ist nach einvernehmlicher Feststellung der Kassenärztlichen Vereinigung und der zuständigen Krankenkassen auf Landesebene aus Gründen der Sicherstellung der Dialyseversorgung notwendig ... (3) ... Wird die Anforderung nach Abs. 1 Buchstabe b) nicht erfüllt, wird eine befristete Genehmigung für die Dauer von 10 Jahren ab dem Inkrafttreten dieser Vereinbarung erteilt. Die Genehmigung ist um weitere 10 Jahre zu verlängern, wenn ein Jahr vor Fristablauf festgestellt wird, dass die Zweigpraxis oder ausgelagerte Praxisstätte die wohnortnahe Versorgung unter Berücksichtigung der einzelnen Dialyseformen und -verfahren gewährleistet oder die Zweigpraxis oder ausgelagerte Praxisstätte nicht in der Versorgungsregion einer anderen Praxis liegt.“

Abs. 3 Satz 4 wurde von den Partnern der Bundesmantelverträge zum 1.7.2009 im Zuge einer Erweiterung und Überarbeitung der Anlage 9.1 BMV-Ä/EKV angefügt, um bei „im Rahmen der schon bestehenden Übergangsregelung erteilten Genehmigungen einer Zweigpraxis oder ausgelagerten Praxisstätte“ eine weitere Verlängerungsmöglichkeit zu schaffen (Deutsches Ärzteblatt 2009, 106 (28-29); A-1476 /B-1260 /C-1228).

Die Auslegung des 2009 eingefügten Satzes 4 ergibt, dass der Anspruch auf Verlängerung bedarfsunabhängig ist.

Da Abs. 3 Satz 1 und Satz 3 klar zwischen aus Sicherstellungsgründen notwendigen Zweigpraxen - Satz 1 verweist insoweit auf die Bedarfsprüfung nach Absatz 1 Buchst. b - und den nicht aus Sicherstellungsgründen notwendigen Zweigpraxen - Satz 3 greift nur dann, wenn die Anforderungen nach Absatz 1 Buchst. b nicht erfüllt sind, also die bereits bestehende Zweigpraxis nicht aus Sicherstellungsgründen notwendig war - unterscheidet und nur für nicht aus Sicherstellungsgründen notwendige Zweigpraxen eine Befristung der Genehmigung vorgesehen ist, beschränkt sich der Anwendungsbereich von Abs. 3 Satz 4 systematisch auf bedarfsunabhängige Genehmigungen.

Nach dem Wortlaut besteht ein Anspruch auf eine weitere Verlängerung, wenn festgestellt wird, dass die Zweigpraxis die wohnortnahe Versorgung gewährleistet. Damit ist lediglich eine Überprüfung der bestehenden Situation ein Jahr vor Ablauf der Genehmigung erforderlich, nicht jedoch eine Bedarfsprüfung. Es erfolgt gerade kein Verweis auf Abs. 1 Buchst. b, nach dem Gründe der Sicherstellung zu prüfen sind. Der Wortlaut unterscheidet sich auch deutlich von § 6 Abs. 3 Anl. 9.1 zum BMV-Ä/EKV, der eine Erforderlichkeit aus Gründen der Sicherstellung voraussetzt und diese als gegeben erachtet, „wenn die wohnortnahe Versorgung ... gewährleistet werden muss“ und bei dem der Bedarf zu prüfen ist (hierzu das Senatsurteil vom 4.12.2013, L 12 KA 144/12). Rückschlüsse auf die Notwendigkeit einer Bedarfsprüfung sind deshalb nicht möglich.

Auch der Wille der Vertragsparteien lässt nicht erkennen, dass vor der weiteren Verlängerung um 10 Jahre eine Bedarfsprüfung erfolgen soll. Vielmehr sollte lediglich eine weitere Verlängerungsmöglichkeit geschaffen werden. Aus der oben zitierten Begründung wird der bei der Vertragsauslegung zu berücksichtigende Wille der Vertragsparteien deutlich, die bedarfsunabhängige Genehmigung nach Abs. 3 Satz 3 Anhang 9.5.1 nochmals um weitere 10 Jahre zu verlängern.

Im Ergebnis ist die Verlängerung der Genehmigung nach Anhang 9.5.1 Abs. 3 Satz 4 zur Anlage 9.1 BMV-Ä/EKV bedarfsunabhängig, so dass der Kläger nach den oben dargestellten Kriterien nicht drittanfechtungsbefugt ist. Damit war die Berufung zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a SGG, § 153 Abs. 2 VwGO.

Die Revision war nicht zuzulassen, da kein Revisionsgrund vorliegt.

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(1) Gehört in einem Rechtszug weder der Kläger noch der Beklagte zu den in § 183 genannten Personen oder handelt es sich um ein Verfahren wegen eines überlangen Gerichtsverfahrens (§ 202 Satz 2), werden Kosten nach den Vorschriften des Gerichtskosten

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 153


(1) Ein rechtskräftig beendetes Verfahren kann nach den Vorschriften des Vierten Buchs der Zivilprozeßordnung wiederaufgenommen werden. (2) Die Befugnis zur Erhebung der Nichtigkeitsklage und der Restitutionsklage steht auch dem Vertreter des öff

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Bundessozialgericht Urteil, 11. Feb. 2015 - B 6 KA 7/14 R

bei uns veröffentlicht am 11.02.2015

Tenor Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 9. Oktober 2013 geändert, soweit auf die Berufung des Klägers festgestellt worden ist, dass sic

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Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 9. Oktober 2013 geändert, soweit auf die Berufung des Klägers festgestellt worden ist, dass sich der Bescheid vom 10. November 2008 erledigt hat. Die Berufung des Klägers wird in vollem Umfang zurückgewiesen. Auf die Berufung der Beklagten und der Beigeladenen zu 1. wird das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 11. August 2010 mit der Maßgabe geändert, dass die Beklagte verurteilt wird, unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats erneut über den Widerspruch des Klägers gegen den Bescheid vom 10. November 2008 zu entscheiden. Im Übrigen wird die Revision der Beklagten zurückgewiesen.

Die Beklagte, der Kläger und die Beigeladene zu 1. tragen die Kosten des Berufungs- und des Revisionsverfahrens je zu 1/3. Außergerichtliche Kosten der Beigeladenen zu 2. bis 7. sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.

Tatbestand

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Streitig ist die Drittanfechtung einer Zweigpraxisgenehmigung zur Durchführung von Dialyseleistungen.

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Die Beigeladene zu 1. ist eine zur vertragsärztlichen Versorgung in S zugelassene Berufsausübungsgemeinschaft (BAG) von Fachärzten für Innere Medizin, zum Teil mit Schwerpunktbezeichnung Nephrologie. Sie führt in S an drei Standorten Dialyseleistungen durch.

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Im August 2008 stellte die Beigeladene zu 1. einen Antrag auf Errichtung einer fachärztlich nephrologischen Zweigpraxis mit Dialyse am S-Krankenhaus, H straße 7 in
E In dem Schreiben wurde auch erwähnt, dass in unmittelbarer Nähe von ca drei Kilometern ein "kleines, nicht fachspezifisch nephrologisch geführtes Dialysezentrum" angesiedelt sei. Die Beklagte holte eine Auskunft der Kassenärztlichen Vereinigung (KÄV) Rheinland-Pfalz ein, die die Dialyseeinrichtungen ihres nördlichen Bereiches und deren Versorgungsregionen sowie die Auslastung der Praxen mitteilte. Sodann wandte sich die Beklagte mit Hinweis auf die Stellungnahme der KÄV Rheinland-Pfalz und unter Übersendung des Antrags der Beigeladenen zu 1. an die Landesverbände der Krankenkassen (KK) mit dem Bemerken, sie befürworte den Antrag zur Sicherstellung der wohnortnahen Dialyse-Versorgung. Sollte bis zum 7.11.2008 keine Stellungnahme vorliegen, setze sie das Einverständnis zu dem vorliegenden Antrag voraus. Zwei Landesverbände (BKK und Landwirtschaftliche KK) befürworteten daraufhin ausdrücklich den Antrag, die übrigen Adressaten äußerten sich nicht. Mit Bescheid vom 10.11.2008 gab die Beklagte dem Antrag auf Genehmigung einer Zweigpraxis zur Durchführung von Dialyseleistungen in der H straße 7 in E statt.

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Gegen diesen Genehmigungsbescheid legte der Kläger, der seit 1983 als Facharzt für Innere Medizin in H zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen ist und dort auch Dialyseleistungen erbringt, am 13.5.2009 Widerspruch ein. Er dialysiere zurzeit mehr als 30 Kassenpatienten; seine freien Kapazitäten lägen nach den gültigen Richtlinien bei über 60 Patienten. Tatsächlich erhielt der Kläger mit Bescheid vom 13.11.2008 die Genehmigung zur Übernahme eines Versorgungsauftrags für eine angestellte Ärztin, Frau Dr. H, mit der er mittlerweile in einer BAG tätig ist.

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Mit Widerspruchsbescheid vom 25.8.2009 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück, weil es an seiner Anfechtungsbefugnis fehle. Dem Antrag der Beigeladenen zu 1. auf Anordnung der sofortigen Vollziehung der Genehmigung hatte die Beklagte zuvor hinsichtlich der Dialyseleistungen bei Patienten, die bereits in der Hauptbetriebsstätte in S versorgt wurden, entsprochen. Das SG hat den Antrag der Beigeladenen zu 1., auch hinsichtlich der Dialysepatienten, die am 10.11.2008 noch nicht in ihrer Praxis in S versorgt wurden, die sofortige Vollziehung der Zweigpraxisgenehmigung anzuordnen sowie den Antrag des Klägers auf Aufhebung der Anordnung der sofortigen Vollziehung mit Beschluss vom 5.8.2010 - S 2 KA 308/10 ER - zurückgewiesen.

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Mit Urteil vom 11.8.2010 hat das SG Düsseldorf die Beklagte zur Neubescheidung des Antrags der Beigeladenen zu 1. verurteilt. Die Genehmigung einer Zweigpraxis für Dialyseleistungen könne nur erteilt werden, wenn die projektierte Zweigpraxis nicht gleichzeitig in der Versorgungsregion einer anderen Praxis liege, es sei denn, sie sei nach einvernehmlicher Feststellung der KÄV und der zuständigen Verbände der KKn aus Gründen der Sicherstellung der Versorgung notwendig. Hieraus ergebe sich für den Kläger ein Anspruch auf gerichtliche Nachprüfung, ob das in Abs 1 Buchst b Satz 2 Anhang 9.1.5 Bundesmantelvertrag Ärzte/Ersatzkassenvertrag Ärzte (BMV-Ä/EKV-Ä) normierte Verwaltungsverfahren korrekt durchgeführt worden ist. Das sei nicht der Fall gewesen. Es fehle jedenfalls an der einvernehmlichen Feststellung der Beklagten und der Krankenkassenverbände, ob die Einrichtung der in E projektierten Zweigpraxis aus Gründen der Sicherstellung der Dialyseversorgung notwendig sei. Die Beklagte habe in ihrem Anschreiben an die Landesverbände vom 22.10.2008, mit denen diese um Stellungnahme zum Antrag auf Zweigpraxisgenehmigung gebeten worden seien, die Praxis des Klägers in H
mit keinem Wort erwähnt. Auf der Basis einer dergestalt unvollständigen Sachverhaltsermittlung hätten die Krankenkassenverbände aber keine sachgerechten Erwägungen über die Dialyseversorgung im Umkreis von E anstellen können.

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Parallel zum anschließenden Berufungsverfahren haben der Kläger und die Beigeladene zu 1. sich im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes mit Beschwerden gegen den Beschluss des SG Düsseldorf vom 5.8.2010 gewendet. Das LSG hat mit Beschluss vom 16.3.2011 den die sofortige Vollziehung der Zweigpraxisgenehmigung anordnenden Bescheid der Beklagten vom 3.8.2009 aufgehoben und die aufschiebende Wirkung der im Hauptsacheverfahren verfolgten Klage festgestellt. Der Kläger sei anfechtungsberechtigt. Im Hinblick auf den Zweck und den daran ausgerichteten Zuschnitt der Dialyseversorgungsregionen 6 Anlage 9.1 BMV-Ä/EKV-Ä) bewirke eine in die Versorgungsregion eindringende "fremde" (Dialyse-)Zweigpraxis eine für die Berufsfreiheit des vorhandenen Arztes grundsätzlich relevante tatsächliche Wettbewerbsbeeinträchtigung. Auch liege ein faktisches Konkurrenzverhältnis vor, durch das der bereits zugelassene Arzt eine nicht nur geringfügige Schmälerung seiner Erwerbsmöglichkeiten zu befürchten habe. Da die Genehmigung einer Dialysezweigpraxis in der Versorgungsregion einer anderen Dialysepraxis nur erfolgen dürfe, wenn die KÄV und die KKn die Zweigpraxis aus Gründen der Sicherstellung der Versorgung für erforderlich hielten, bestehe eine Vorrangigkeit der Bedarfsdeckung durch die bereits vorhandenen Dialyseeinrichtungen. Der Kläger könne daher die Genehmigung der Zweigpraxis mittels defensiver Konkurrentenklage abwehren. Der angefochtene Bescheid sei bereits deswegen formell fehlerhaft, weil er keine Begründung enthalte. Der Widerspruchsbescheid vom 25.8.2009 verhalte sich nur zur Frage der Anfechtungsbefugnis. Der angefochtene Bescheid sei auch materiell fehlerhaft. Er verstoße gegen Anhang 9.1.5 Abs 1 Buchst b Satz 2 Anlage 9.1 BMV-Ä/EKV-Ä. Die projektierte Zweigpraxis liege in der dem Kläger zugewiesenen Versorgungsregion und das erforderliche Einvernehmen sei nicht wirksam hergestellt worden, weil die zugrundeliegende konkludente Zustimmung auf einem unvollständig unterbreiteten Sachverhalt beruht habe.

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Mit Bescheid vom 27.6.2011 wurde der BAG des Klägers mit Frau Dr. H die Genehmigung für die Durchführung von Dialyseleistungen in der Zweigpraxis S straße 25 - 27 in
 W erteilt. Diese Genehmigung wurde mit Bescheid vom 4.9.2012 widerrufen, weil die Zweigpraxis nicht betrieben wurde. Mit Bescheid vom 27.3.2013 wurde dem Kläger die Genehmigung erteilt, am Standort "H str. 7, E" - mithin an dem Standort, für den auch der Beigeladenen zu 1. die Genehmigung erteilt wurde - Dialyse-Leistungen abzurechnen und durchzuführen. Diese Genehmigung hat die Beigeladene zu 1. angefochten. Bereits im Oktober 2011 hatte das S-Krankenhaus der Beigeladenen zu 1. mitgeteilt, dass es die potentiellen Räumlichkeiten nicht länger freihalten könne und von einer Kooperation Abstand nehme.

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Die Beklagte richtete mit Schreiben vom 18.5.2011 erneut eine Anfrage an die Landesverbände der KKn, um das erforderliche Einvernehmen herzustellen. Darin wurde ausgeführt, dass die projektierte Zweigpraxis in die Versorgungsregion der Praxis des Klägers falle, die zum Zeitpunkt der Antragstellung zu 91 % ausgelastet gewesen sei. Mittlerweile verfüge der Kläger über einen weiteren Versorgungsauftrag, der Auslastungsgrad der Praxis betrage 34 %. Die Praxis des Klägers liege 17 km von der projektierten Zweigpraxis der Beigeladenen zu 1. entfernt. Versicherte aus der ländlichen, bergigen Struktur der Region müssten zur Praxis des Klägers Fahrzeiten von mindestens 24 Minuten mit dem Auto bzw mindestens 39 Minuten mit öffentlichen Verkehrsmitteln in Kauf nehmen. Dies bedeute erhebliche zusätzliche Beschwernisse für die häufig immobilen Patienten, die diese Wege mehrmals wöchentlich zurücklegen müssten. Mit den jeweiligen Fahrten seien erhebliche Kosten für die Krankenkassen verbunden. Der Kläger befürchte, dass der Auslastungsgrad seiner Praxis weiter zurückgehe und sich die Beigeladene zu 1. neue Patientenkreise erschließen könnte. Bei der gebotenen Abwägung der Gesamtumstände sei zu berücksichtigen, dass die Regelungen zur Versorgung chronisch nierenkranker Patienten der wohnortnahen Versorgung gerade im Hinblick auf die besonderen Patienteninteressen ein hoher Stellenwert einräumen würden. Für die Neuerteilung von Versorgungsaufträgen sei ausdrücklich geregelt, dass die wohnortnahe Versorgung Vorrang vor der Forderung nach kontinuierlichen Versorgungsstrukturen habe. Dies gelte auch bei der Erteilung einer Zweigpraxisgenehmigung. Angesichts der spezifischen örtlichen Gegebenheiten, der infrastrukturellen Voraussetzungen und der ungünstigen Verteilung der Dialysepraxen im R
Kreis werde die Einrichtung der Zweigpraxis zur Sicherstellung der wohnortnahen Versorgung weiterhin für notwendig gehalten. Daraufhin erklärte die IKK, sie könne über die Notwendigkeit der Einrichtung einer Zweigpraxis keine Aussage treffen, die landwirtschaftliche KK bestätigte, dass sie schon im Jahr 2008 der Erteilung eines Versorgungsauftrags an die Beigeladene zu 1. zugestimmt habe, die Knappschaft schloss sich mit Mail vom 17.4.2012 der zustimmenden Stellungnahme der AOK, des Vdek und des BKK-Landesverbandes an.

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Das LSG hat mit Urteil vom 9.10.2013 auf die Berufung des Klägers festgestellt, dass sich der Bescheid vom 10.11.2008 erledigt habe und im Übrigen seine Berufung sowie die Berufungen der Beklagten und der Beigeladenen zu 1. zurückgewiesen. Sein mit dem Hauptantrag verfolgtes Klageziel, den Bescheid vom 10.11.2008 in der Gestalt des ihm erteilten Widerspruchsbescheides vom 25.8.2009 im Rahmen einer Drittanfechtungsklage nach § 54 Abs 1 SGG aufzuheben, könne der Kläger nicht mehr erreichen. Zwar sei seine Drittanfechtungsklage zulässig. Auf die Ausführungen des Senats im Beschluss vom 16.3.2011 - L 11 KA 96/10 B ER - werde verwiesen. Allerdings habe sich der Bescheid der Beklagten vom 10.11.2008 im Sinne des § 39 Abs 2 SGB X erledigt. Der Beigeladenen zu 1. sei eine Genehmigung für den Betrieb einer Zweigpraxis in der H straße 7 in E erteilt worden. Wie sich aus dem im Berufungsverfahren überreichten Schriftverkehr mit dem S-Krankenhaus ergebe, halte dieses keine Räumlichkeiten mehr für die Beigeladene zu 1. zum Betrieb ihrer Zweigpraxis vor, sodass der Bezugspunkt der Genehmigung entfallen sei.

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Der hilfsweise gestellte Antrag, festzustellen, dass sich der Bescheid vom 10.11.2008 erledigt habe, sei aber als Feststellungsklage im Sinne des § 55 SGG zulässig und begründet. Die Berufungen der Beklagten und der Beigeladenen zu 1. seien unbegründet, weil sie, nachdem sich die Genehmigung erledigt habe, durch das Urteil des SG Düsseldorf vom 11.8.2010 nicht mehr beschwert würden.

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Dagegen richtet sich die Revision der Beklagen. Eine Anfechtungsberechtigung des Klägers scheitere bereits an der fehlenden Statusrelevanz der angefochtenen Entscheidung. Die Dialysezweigpraxisgenehmigung eröffne weder einen Zugang zur vertragsärztlichen Versorgung noch werde der Kreis der Patienten rechtlich erweitert. Die Genehmigung beinhalte nur ein von der Zulassung abgeleitetes Recht zur Tätigkeit an einem anderen Ort. Weder sei sie Voraussetzung für eine Sonderbedarfszulassung oder Ermächtigung noch für die Erteilung eines neuen Versorgungsauftrags. Soweit in dem Fall, in dem die projektierte Dialysezweigpraxisgenehmigung auch in der Versorgungsregion einer anderen Praxis liegt, zu prüfen und ggf einvernehmlich festzustellen sei, ob die Genehmigung zur Sicherstellung der wohnortnahen Versorgung notwendig sei, begründe dies keinen Drittschutz. Es gehe um eine Betrachtung der lokalen Versorgungssituation unter Berücksichtigung der besonderen Patienteninteressen an einer wohnortnahen Versorgung. Für einen lokalen Versorgungsbedarf wäre der Kläger jedenfalls nicht zu berücksichtigen, weil er Patienten aus E nicht als wohnortnaher Versorger zur Verfügung stehe.

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Die Beklagte und die Beigeladene zu 1. beantragen,
die Urteile des LSG Nordrhein-Westfalen vom 9.10.2013 und des SG Düsseldorf vom 11.8.2010 aufzuheben, die Berufung des Klägers zurückzuweisen und die Klage abzuweisen.

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Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

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Er trägt vor, Dialysepatienten müssten regelmäßig Krankentransportfahrzeuge in Anspruch nehmen. Nach den Krankentransportrichtlinien würden nur Kosten für die Beförderung zur "nächst erreichbaren Behandlungsmöglichkeit" erstattet. Dies führe faktisch zu einer Einschränkung der freien Arztwahl. Für Patienten aus dem östlichen R-Kreis sei seine Praxis die nächstgelegene. Mit dem Betrieb einer Zweigpraxis der Beigeladenen zu 1. in E würde seine Praxis durch die Hauptbetriebsstätte der Beigeladenen zu 1. in S von Westen und durch die Nebenbetriebsstätte in E von Osten her so eingeschnürt, dass sie auf Dauer nicht wirtschaftlich zu führen wäre. Die Dialysezweigpraxisgenehmigung nach der Anlage 9.1 BMV-Ä/EKV-Ä unterscheide sich grundlegend von einer Zweigpraxisgenehmigung nach § 24 Abs 3 Zulassungsverordnung für Vertragsärzte (Ärzte-ZV). Sie sei bereits dann zu versagen, wenn die beantragte Zweigpraxis in der Versorgungsregion einer anderen Dialysepraxis liege. Nur in eng begrenzten Ausnahmefällen, wenn die Sicherstellung der Dialyseversorgung ohne die Zweigpraxis gefährdet wäre, könne eine Genehmigung erteilt werden, auch wenn die beantragte Zweigpraxis in der Versorgungsregion einer anderen Dialysepraxis liege. Daraus werde deutlich, dass die Dialysezweigpraxisgenehmigung nachrangig gegenüber einer konkurrierenden Dialysepraxis in derselben Versorgungsregion sei.

Entscheidungsgründe

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Die Revision der Beklagten hat insoweit Erfolg, als das Urteil des LSG zu ändern, die Berufung des Klägers insgesamt zurückzuweisen und die Beklagte zur erneuten Bescheidung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats zu verurteilen ist. Im Übrigen ist die Revision unbegründet.

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1. Die Revision der Beklagten ist zulässig. Die Beklagte ist durch das Urteil des LSG jedenfalls formell beschwert, weil das LSG ihre Berufung zurückgewiesen hat.

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2. Sie ist auch materiell beschwert. Das LSG hat zu Unrecht festgestellt, dass sich der Bescheid vom 10.11.2008 auf andere Weise iS des § 39 SGB X erledigt hat. Nach § 39 Abs 2 SGB X bleibt ein Verwaltungsakt wirksam, solange und soweit er nicht zurückgenommen, widerrufen, anderweitig aufgehoben oder durch Zeitablauf oder auf andere Weise erledigt ist. Auf andere Weise hat der Verwaltungsakt sich erledigt, wenn er seine regelnde Wirkung verliert oder die Ausführung seines Hauptverfügungssatzes rechtlich oder tatsächlich unmöglich geworden ist (vgl zuletzt BSG SozR 4-2500 § 132a Nr 7 RdNr 18 ff, zur Veröffentlichung auch in BSGE vorgesehen; BSGE 72, 50, 56 = SozR 3-8570 § 10 Nr 1 S 8; vgl zur Erledigung von Bescheiden allgemein zB Roos in: von Wulffen/Schütze, SGB X, 8. Aufl 2014, § 39 RdNr 14). Eine solche Erledigung liegt vor, wenn durch eine Änderung der Sach- oder Rechtslage das Regelungsobjekt des Verwaltungsaktes entfällt. Dazu zählen insbesondere Sachverhalte, bei denen für die getroffene Regelung nach der eingetretenen Änderung kein Anwendungsbereich mehr verbleibt bzw bei denen der geregelte Tatbestand selbst entfällt (BSG SozR 3-1300 § 39 Nr 7 S 13). Für die Gegenstandslosigkeit des Verwaltungsaktes bei nachträglicher Änderung der Sach- oder Rechtslage ist damit maßgeblich, ob er auch für den Fall geänderter Umstände noch Geltung beansprucht oder nicht. Waren Bestand oder Rechtswirkungen des Verwaltungsaktes für den Adressaten erkennbar an den Fortbestand einer bestimmten Situation gebunden, wird er gegenstandslos, wenn diese Situation nicht mehr besteht (BSG SozR aaO, S 14; BSG SozR 4-2500 § 75 Nr 5 RdNr 24). Eine solche Situation liegt hier nicht vor.

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Ebenso wie die Zulassung wird die Genehmigung einer Zweigpraxis zwar grundsätzlich für eine konkrete Anschrift erteilt (vgl für die Zulassung § 95 Abs 1 Satz 7 SGB V, § 18 Abs 1 Satz 2 und § 24 Abs 1 Ärzte-ZV; BSG SozR 4-5520 § 24 Nr 2 RdNr 13). Von der Genehmigung einer Zweigpraxis im S-Krankenhaus in E kann die Beigeladene zu 1. tatsächlich nicht mehr Gebrauch machen, weil ihr dort keine Räumlichkeiten zur Verfügung stehen. Die Beigeladene zu 1. ist hier aber nicht gehindert, die Anschrift der projektierten Zweigpraxis zu ändern. Für die Zulassung hat der Senat entschieden, dass es eines Verlegungsantrags hierzu nicht bedarf, wenn der Zulassungsbescheid noch nicht bestandskräftig und der darin genannte Vertragsarztsitz damit festgeschrieben geworden ist (BSG SozR 4-2500 § 103 Nr 5 RdNr 49, 50). Es sei durchaus lebensnah, dass ein als Vertragsarztsitz avisiertes - und im Zulassungsantrag benanntes - Objekt nicht mehr zur Verfügung stehe oder sich beabsichtigte Kooperationen mit Niedergelassenen zerschlügen, namentlich dann, wenn sich das Zulassungsverfahren über einen längeren Zeitraum hinziehe. In derartigen Fällen sei es - jedenfalls bei gleich bleibendem Zulassungsbezirk - sachgerecht und ausreichend, den benannten Vertragsarztsitz formlos zu ändern. Anders als in dem dortigen Fall hat die Beigeladene zu 1. hier allerdings keinen alternativen Standort benannt, sondern ausweislich des Protokolls der mündlichen Verhandlung vor dem LSG darauf beharrt, sie sei weiterhin Inhaberin einer Genehmigung einer Dialysezweigpraxis im S-Krankenhaus in E

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Zwar kommt eine Zweigpraxisgenehmigung ebenso wie die Zulassung eines Arztes grundsätzlich nicht in Betracht, wenn nicht feststeht, an welchem Ort er seine Tätigkeit ausüben wird. Eine über die Ortsbezeichnung hinausgehende konkrete Benennung ist hier jedoch ausnahmsweise entbehrlich. Der Beigeladenen zu 1. kann nicht zugemutet werden, Räumlichkeiten in E anzumieten, um eine Adresse für eine Zweigpraxis vorweisen zu können, in der sie nach den Entscheidungen im einstweiligen Rechtsschutz nicht tätig werden darf. Es wäre mit ihrem Anspruch auf effektiven Rechtsschutz aus Art 19 Abs 4 GG nicht vereinbar, wenn sie einerseits aufgrund der aufschiebenden Wirkung der Drittanfechtung von ihrer Zweigpraxisgenehmigung keinen Gebrauch machen könnte und andererseits ihr der Wegfall der ins Auge gefassten Räumlichkeiten entgegengehalten würde. Hätte die Beigeladene zu 1. andere Räumlichkeiten angemietet, um eine neue Adresse für die Zweigpraxis angeben zu können, wäre sie Gefahr gelaufen, auch diese in absehbarer Zeit wegen der aufschiebenden Wirkung eines Drittwiderspruchs nicht nutzen zu können. Bis zur rechtskräftigen Entscheidung über eine Drittanfechtung wird regelmäßig ein so langer Zeitraum vergehen, dass in Aussicht genommene Räumlichkeiten nicht ohne erhebliche Kosten vorgehalten werden können. In einer derart rechtlich ungesicherten Position über einen Zeitraum von hier nahezu 6 Jahren kann von der Beigeladenen zu 1. nicht erwartet werden, andere Räumlichkeiten in E nur für die Möglichkeit der Angabe eines konkreten Zweigpraxissitzes anzumieten. Die Beigeladene zu 1. hat im Revisionsverfahren hinreichend deutlich gemacht, dass sie von der Zweigpraxisgenehmigung für E grundsätzlich Gebrauch machen will. Es kann offenbleiben, in welcher Entfernung vom ursprünglich geplanten Standort der neue Praxissitz grundsätzlich liegen muss. Jedenfalls ist dann, wenn die Beigeladene zu 1. im näheren Umfeld des S-Krankenhauses geeignete Räumlichkeiten findet, die Genehmigung ggf auf den neuen Standort umzuschreiben. Eine Erledigung der Genehmigung ist damit noch nicht eingetreten.

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3. Das LSG hat aber zu Recht den Kläger für berechtigt gehalten, die der Beigeladenen zu 1. erteilte Zweigpraxisgenehmigung anzufechten. Die Beklagte wird erneut in der Sache über den Widerspruch des Klägers zu entscheiden haben.

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a) Widerspruch und Klage waren zulässig, weil eine Rechtsverletzung jedenfalls nicht ausgeschlossen war.

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b) Die Prüfung der Begründetheit von Drittanfechtungen vertragsärztlicher Konkurrenten erfolgt nach der Rechtsprechung des Senats zweistufig (s zuletzt BSG SozR 4-2500 § 121a Nr 4 RdNr 13 ff und BSG SozR 4-1500 § 54 Nr 31 RdNr 26 ff, jeweils mwN). Zunächst ist zu klären, ob der Vertragsarzt berechtigt ist, die dem konkurrierenden Arzt erteilte Begünstigung anzufechten. Ist das zu bejahen, so muss geprüft werden, ob die Entscheidung in der Sache zutrifft.

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aa) Unter welchen Voraussetzungen Vertragsärzte berechtigt sind, zugunsten anderer Ärzte ergangene Entscheidungen anzufechten (sog defensive Konkurrentenklage), hat das BSG in seinem Urteil vom 7.2.2007 im Anschluss an die Entscheidung des BVerfG vom 17.8.2004 (BVerfG SozR 4-1500 § 54 Nr 4) im Einzelnen dargestellt (BSGE 98, 98 = SozR 4-1500 § 54 Nr 10). Danach müssen erstens der Kläger und der Konkurrent im selben räumlichen Bereich die gleichen Leistungen anbieten, weiterhin dem Konkurrenten die Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung eröffnet oder erweitert und nicht nur ein weiterer Leistungsbereich genehmigt werden, und ferner der dem Konkurrenten eingeräumte Status gegenüber demjenigen des Anfechtenden nachrangig sein. Letzteres ist der Fall, wenn die Einräumung des Status an den Konkurrenten vom Vorliegen eines Versorgungsbedarfs abhängt, der von den bereits zugelassenen Ärzten nicht abgedeckt wird (BSGE 98, 98 = SozR 4-1500 § 54 Nr 10, RdNr 19 ff; in der Folgezeit weiterführend BSGE 99, 145 = SozR 4-2500 § 116 Nr 4, RdNr 17 f, 20, 22-24; BSGE 103, 269 = SozR 4-1500 § 54 Nr 16, RdNr 19 ff; BSGE 105, 10 = SozR 4-5520 § 24 Nr 3, RdNr 17 ff; BSG SozR 4-2500 § 121a Nr 4 RdNr 19 ff und BSG SozR 4-1500 § 54 Nr 31 RdNr 30 ff).

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(1) Erfüllt ist hier die Voraussetzung, dass der Kläger und der Konkurrent im selben räumlichen Bereich die gleichen Leistungen anbieten (vgl zu diesem Merkmal BSG SozR 4-1500 § 54 Nr 31 RdNr 29; BSGE 98, 98 = SozR 4-1500 § 54 Nr 10, RdNr 19, 21; BSGE 99, 145 = SozR 4-2500 § 116 Nr 4, RdNr 22-24; BSGE 103, 269 = SozR 4-1500 § 54 Nr 16, RdNr 25; BSGE 105, 10 = SozR 4-5520 § 24 Nr 3, RdNr 21; BSG SozR 4-1500 § 54 Nr 26 RdNr 30; BSG SozR 4-1500 § 54 Nr 31 RdNr 29). In der Konstellation, die dem Urteil vom 17.10.2007 zugrunde lag (s BSGE 99, 145 = SozR 4-2500 § 116 Nr 4, insbes RdNr 22-24), hat der Senat hervorgehoben, dass für die Anfechtungsberechtigung ein faktisches Konkurrenzverhältnis vorliegen muss, durch das plausibel wird, dass der bereits zugelassene Arzt eine nicht nur geringfügige Schmälerung seiner Erwerbsmöglichkeiten zu befürchten hat. Dementsprechend bedarf es der Überprüfung und Feststellung, dass es in den Leistungsspektren und den Einzugsbereichen von anfechtendem und konkurrierendem Arzt ins Gewicht fallende Überschneidungen gibt (BSG SozR 4-1500 § 54 Nr 31 RdNr 29; BSGE 99, 145 = SozR 4-2500 § 116 Nr 4, RdNr 24; BSGE 103, 269 = SozR 4-1500 § 54 Nr 16, RdNr 25 f; BSGE 105, 10 = SozR 4-5520 § 24 Nr 3, RdNr 21; BSG SozR 4-2500 § 121a Nr 4 RdNr 16).

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Die Genehmigung der Zweigpraxis wurde der Beigeladenen zu 1. zur Durchführung von Dialyseleistungen erteilt. Diese Leistungen werden auch vom Kläger erbracht. Die projektierte Zweigpraxis befindet sich in der Versorgungsregion der Praxis des Klägers. Nach der Anlage 3 der Bedarfsplanungs-Richtlinie-Ärzte (BedarfsplRL) ist der R-Kreis der Raumordnungskategorie 2 zugeordnet, sodass nach § 6 Abs 1 Satz 7 Anlage 9.1 BMV-Ä (bis zum 30.9.2013: BMV-Ä/EKV-Ä) die Versorgungsregion der klägerischen Praxis einen Radius von 20 km umfasst. Die von der Beigeladenen zu 1. beantragte Zweigpraxis in E befindet sich ca 12 km Luftlinie und ca 17 km Autoverkehrsstrecke von der Praxis des Klägers in H entfernt. Danach ist ohne Weiteres von einer Überschneidung der Einzugsbereiche auszugehen. Bei den Dialyseleistungen steckt der Versorgungsbereich typisierend den räumlichen Bereich ab, dessen Patientenzahl eine kontinuierlich wirtschaftliche Versorgungsstruktur gewährleistet. Das wird hier dadurch deutlich, dass nach Abs 1 Buchst b Satz 2 Anhang 9.1.5 Anlage 9.1 BMV-Ä eine Zweigpraxis grundsätzlich nur genehmigt wird, wenn sie nicht gleichzeitig in der Versorgungsregion einer anderen Praxis liegt. Unabhängig davon hat der Kläger im Berufungsverfahren angegeben, im Juli 2010 14 Patienten aus dem östlichen R-Kreis zu behandeln. Da der Kläger nach § 5 Abs 7 Satz 5 Nr 1 der Vereinbarung zur Ausführung und Abrechnung von Blutreinigungsverfahren (Qualitätssicherungsvereinbarung zu den Blutreinigungsverfahren - BlutreinigungsVf-VB) bis zur Erteilung des Versorgungsauftrags an Frau Dr. H nur 30 Dialysepatienten, danach 100 behandeln durfte, ist davon auszugehen, dass ein Anteil von mehr als 5 %, mithin ein relevanter Patientenkreis betroffen ist (vgl BSGE 99, 145 = SozR 4-2500 § 116 Nr 4, RdNr 24; BSGE 103, 269 = SozR 4-1500 § 54 Nr 16, RdNr 25 f). Nicht abzustellen ist auf die Gesamtpatientenzahl des Klägers, sondern auf die Zahl der Dialysepatienten, weil nur insoweit die Wettbewerbssituation des Klägers betroffen ist.

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Das durch die Überschneidung entstehende Konkurrenzverhältnis entfällt auch nicht deshalb, weil die Beigeladene zu 1. angegeben hat, sie wolle nur Patienten behandeln, die sie bisher bereits in S behandelt habe. Die Zweigpraxisgenehmigung wird nicht für die Behandlung konkreter Patienten erteilt. Im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes hat die Beigeladene zu 1. dementsprechend dafür gestritten, dass sie nicht nur die bereits in S behandelten Patienten aus E und Umgebung dialysieren darf. Sie hat auch vorgetragen, dass im Patientenkollektiv ständig Veränderungen eintreten. Mehr als ein Drittel der Patienten (9 von 24), die in E wohnortnah versorgt werden sollten, waren nach 20 Monaten aus unterschiedlichen Gründen nicht mehr in Behandlung der Beigeladenen zu 1.

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(2) Die Anfechtungsberechtigung scheitert hier nicht daran, dass die Genehmigung einer Zweigpraxis keinen vertragsarztrechtlichen Status vermittelt. Der Senat hat eine Berechtigung von Vertragsärzten, die einem anderen Vertragsarzt nach § 24 Abs 3 Ärzte-ZV erteilte Zweigpraxisgenehmigung anzufechten, im Hinblick darauf allerdings ausdrücklich verneint(BSGE 105, 10 = SozR 4-5520 § 24 Nr 3). Im Falle einer Zweigpraxisgenehmigung bestehe gegenüber den bislang entschiedenen Fällen die Besonderheit, dass der Konkurrent bereits über einen - durch die Zulassung an seinem Vertragsarztsitz vermittelten - Status verfüge, ihm der Zugang zur vertragsärztlichen Versorgung also bereits grundsätzlich eröffnet sei. Daher lasse sich die Erfüllung des Merkmals der Teilnahmeeröffnung allenfalls unter dem Gesichtspunkt einer Erweiterung der Teilnahme begründen. Eine Zweigpraxisgenehmigung führe jedoch zu keiner rechtlichen Erweiterung des Kreises der Patienten, die ein Vertragsarzt behandeln dürfe. Zwar resultiere aus der Zulassung eine grundsätzliche Beschränkung des Tätigkeitsortes im Sinne einer Bindung der Ausübung vertragsärztlicher Tätigkeit an den Vertragsarztsitz. Eine Beschränkung des Kreises der möglichen Patienten - etwa auf solche, die am Praxissitz wohnen oder arbeiten - sei damit aber nicht verbunden. Spiegelbildlich zum Recht der Versicherten auf freie Arztwahl seien die Vertragsärzte nicht gehindert, alle Versicherten, die sie als Behandler gewählt haben, auch dann zu behandeln, wenn diese von auswärts kämen.

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Erst recht könne dem Vertragsarztrecht bzw dem Recht der gesetzlichen Krankenversicherung kein Grundsatz entnommen werden, dass dem bereits vor Ort tätigen Vertragsarzt kraft seiner Zulassung ein "Erstzugriffsrecht" auf die dort (bzw im Planungsbereich) wohnenden oder arbeitenden gesetzlich krankenversicherten Patienten zustehe. Potentielle Patienten einer Zweigpraxis seien rechtlich nicht gehindert, den Filialarzt schon vor Erteilung einer Zweigpraxisgenehmigung an seinem Stammsitz in Anspruch zu nehmen, etwa weil er einen besonders guten Ruf hat oder der Stammsitz verkehrsgünstig gelegen sei. Ebenso sei umgekehrt kein Versicherter verpflichtet, den nunmehr an seinem Wohn- oder Beschäftigungsort partiell praktizierenden Filialarzt in Anspruch zu nehmen. Die Zweigpraxisgenehmigung bewirke somit keine rechtliche Erweiterung des Kreises der für eine Behandlung in Frage kommenden Versicherten, sondern allein eine faktische Verbesserung des Marktzugangs. In Abgrenzung von der für eine Anfechtungsberechtigung irrelevanten Erschließung eines weiteren Leistungsbereichs komme es entscheidend darauf an, ob das in Rede stehende Recht mit einer Statusgewährung verbunden sei. Eine Zweigpraxisgenehmigung führe jedoch nicht zu einer Statusgewährung in diesem Sinne, denn die eigentliche Statusgewährung werde durch die Zulassung vermittelt, mit der die Zweigpraxisgenehmigung akzessorisch und untrennbar verbunden sei.

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Diese Rechtsprechung ist jedoch, wie SG und LSG zutreffend ausgeführt haben, nicht auf die Genehmigung der Durchführung von Dialyseleistungen in einer Zweigpraxis übertragbar. Zwar wird auch in diesem Versorgungsbereich mit der Zweigpraxisgenehmigung kein gesonderter Status verliehen. Das steht einer Anfechtungsbefugnis Dritter aber nicht unbedingt entgegen. Der Senat hat für die Zusicherung der Genehmigung eines (Dialyse-)Versorgungsauftrags nach neuem Recht eine Anfechtungsberechtigung der bereits eine Dialysepraxis betreibenden BAG bejaht (vgl BSG SozR 4-1500 § 54 Nr 30 und Nr 31), obwohl es sich hierbei nicht um eine Statusentscheidung handelt. Dabei hat der Senat zunächst ausgeführt, dass die Zusicherung der Genehmigung eines Versorgungsauftrags Voraussetzung für eine Sonderbedarfszulassung nach § 24 Satz 1 Buchst e BedarfsplRL idF vom 15.2.2007 und untrennbar mit dieser Statusentscheidung verbunden ist. Vor allem hat der Senat aber darauf abgestellt, dass die nach § 4 Abs 1 Satz 2 Nr 3 iVm § 6 Abs 1 Anlage 9.1 BMV-Ä durchzuführende Bedarfsprüfung Drittschutz für diejenigen vermittelt, die bei der Ermittlung des Bedarfs zu berücksichtigen sind.

31

Eine vergleichbare Konstellation hat der Senat auch bei der Genehmigung zur Durchführung künstlicher Befruchtungen nach § 121a SGB V angenommen(BSG SozR 4-2500 § 121a Nr 4). Zwar bestehe dort keine untrennbare Verknüpfung zwischen Genehmigung und Statusentscheidung wie bei dem Dialyse-Versorgungsauftrag und der Sonderbedarfszulassung nach § 36 Buchst e Satz 1 BedarfsplRL idF vom 20.12.2012. Es könne aber grundsätzlich eine Sonderbedarfszulassung für reproduktionsmedizinische Leistungen nach § 36 Buchst a bis c BedarfsplRL erteilt werden. Die Statusentscheidung setze dann die vorherige Erteilung einer Genehmigung nach § 121a SGB V durch die zuständige Landesbehörde voraus. Die Berechtigung, die die Genehmigung nach § 121a SGB V vermittele, könne unabhängig davon, ob ein vertragsarztrechtlicher Status bereits bestehe oder erst angestrebt werde, die Wettbewerbssituation des bereits reproduktionsmedizinisch tätigen Arztes beeinträchtigen. Mit der Genehmigung zur Durchführung künstlicher Befruchtungen sei eine ausschließlich hierauf ausgerichtete Praxisführung verbunden, die mit einer hohen Kostenbelastung einhergehe, und die daher nur bei entsprechender Auslastung einen wirtschaftlichen Betrieb gewährleiste. Aufgrund des hohen apparativen und personellen Aufwands unterscheide sich eine reproduktionsmedizinisch ausgerichtete Praxis so deutlich von einer gynäkologischen Praxis ohne diesen Schwerpunkt, dass die tatsächlichen Auswirkungen einer Genehmigung denen einer Statusentscheidung nahekämen.

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Die Zweigpraxisgenehmigung für Dialyseleistungen nach § 4 Abs 3 Anlage 9.1 BMV-Ä iVm Anhang 9.1.5 Anlage 9.1 BMV-Ä - Anforderungen an die Genehmigung einer Zweigpraxis oder ausgelagerten Praxisstätte nach § 4 Abs 3, Anlage 9.1 Bundesmantelvertrag - ist wie die Zweigpraxisgenehmigung nach § 24 Ärzte-ZV untrennbar und akzessorisch mit der Zulassung verbunden. Es wird mit ihrer Erteilung kein Status und auch keine Rechtsposition verliehen, die Voraussetzung für eine Sonderbedarfszulassung ist. Ähnlich wie die Zusicherung der Genehmigung eines Versorgungsauftrags oder die Genehmigung für reproduktionsmedizinische Leistungen ist aber die Dialysezweigpraxis geeignet, die in diesem Versorgungsbereich ausnahmsweise geschützte Wettbewerbssituation des bereits in der Dialyse tätigen Arztes zu beeinträchtigen. Wie der Senat bereits in seiner Entscheidung vom 17.8.2011 (SozR 4-2500 § 54 Nr 26 RdNr 26) ausgeführt hat, sichert die spezielle Bedarfsprüfung des § 6 Anlage 9.1 BMV-Ä dem Leistungserbringer, der sich in einem verhältnismäßig kleinen Markt spezialisierter Leistungen bewegt und erhebliche Investitionen tätigt, auch Erwerbsmöglichkeiten in einem bestimmten Umfang. Diese Sicherheit darf durch eine Zweigpraxisgenehmigung nicht in Frage gestellt werden (so auch LSG Baden-Württemberg Urteil vom 9.12.2009 - L 5 KA 2164/08 - Juris RdNr 93). Für den bereits tätigen Arzt kann die Zweigpraxis in seiner Versorgungsregion aber ebensolche Auswirkungen auf seine Wettbewerbsposition haben wie eine Neuzulassung.

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Dass eine ähnliche Wettbewerbssituation entstehen kann wie bei der Erteilung eines Versorgungsauftrags, wird darin deutlich, dass nach Abs 1 Buchst b Satz 2 Anhang 9.1.5 Anlage 9.1 des BMV-Ä in der zum 1.7.2005 in Kraft getretenen und seitdem unverändert geltenden Fassung (DÄ 2005, A-2267) die Genehmigung nur erteilt werden kann, wenn die projektierte Zweigpraxis oder ausgelagerte Betriebsstätte, die in der Versorgungsregion der bestehenden Dialysepraxis liegen muss, nicht gleichzeitig in der Versorgungsregion einer anderen Praxis liegt, es sei denn, die Einrichtung der projektierten Zweigpraxis oder der ausgelagerten Betriebsstätte ist nach einvernehmlicher Feststellung der KÄV und der zuständigen Verbände der Krankenkassen auf Landesebene aus Gründen der Sicherstellung der Dialyseversorgung notwendig. Die Formulierung des ersten Halbsatzes knüpft an § 6 Abs 1 Satz 4 der Anlage 9.1 BMV-Ä an, wonach im Rahmen der Erteilung von Versorgungsaufträgen eine kontinuierliche wirtschaftliche Versorgungsstruktur für die Dialysepraxis als dauerhaft gesichert gilt, wenn sich die Versorgungsregionen der bestehenden und der projektierten Praxis nicht schneiden. Eine Zweigpraxis soll mithin grundsätzlich ebenso wenig wie die Vertragsarztpraxis in der Versorgungsregion einer anderen bestehenden Praxis betrieben werden. Hiervon wird nur eine Ausnahme gemacht, wenn KÄV und KKn einvernehmlich die Einrichtung der Zweigpraxis aus Gründen der Sicherstellung der Versorgung für notwendig halten. Eine Überschneidung der Versorgungsregionen soll erkennbar mit Blick auf eine wirtschaftliche Versorgungsstruktur nicht nur vermieden werden, wenn es um die Erteilung eines Versorgungsauftrags geht, sondern auch dann, wenn ein solcher Auftrag bereits erteilt ist und die Durchführung in einer Zweigpraxis erfolgen soll. Damit wird verhindert, dass mittels einer Zweigpraxis Patienten von einer Praxis abgezogen werden, die bisher die Versorgung in der Region sicherstellt, und die möglicherweise ohne diese Patienten in ihrem Bestand gefährdet ist. Ein Verdrängungswettbewerb mittels der Errichtung von Zweigpraxen ist ebenso wenig im Interesse einer stabilen Versorgung wie der Verdrängungswettbewerb unter den (Haupt-)Praxen.

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Angesichts der auch vom Kläger und der Beigeladenen zu 1. immer wieder betonten Besonderheiten des multimorbiden Patientenklientels, das mehrfach wöchentlich Dialyseleistungen in Anspruch nimmt, ist der Standort ein wichtiger Wettbewerbsfaktor. Der Standort des Klägers in H liegt deutlich näher am projektierten Ort der Zweigpraxis in E als die Praxis der Beigeladenen zu 1. Die "Einkreisung" einer Praxis durch Zweigpraxen einer anderen Praxis in verkehrsgünstiger Nähe zur Konkurrentenpraxis kann zu einer ebensolchen wirtschaftlichen Gefährdung führen wie die Genehmigung der Übernahme eines zusätzlichen Versorgungsauftrags. Die personelle und apparative Ausstattung einer Zweigpraxis zur Durchführung von Dialysen erfordert einen ebensolchen Aufwand wie die Ausstattung einer Praxis, die erstmals einen Versorgungsauftrag erhält. Die notwendigen Investitionen werden sich nur lohnen, wenn in der Zweigpraxis nicht nur die Patienten behandelt werden, die bisher am Vertragsarztsitz dialysiert wurden, sondern weitere Patientenpotentiale durch den neuen Standort erschlossen werden. Dementsprechend hat die Beigeladene zu 1. in ihrem Antrag zunächst angegeben, sie wolle in der Zweigpraxis in E 30 bis 40 Patienten (bei 24 aktuellen Patienten aus dieser Region) behandeln. Der Genehmigung einer Dialysezweigpraxis in der Versorgungsregion einer anderen Dialysepraxis kommt damit in dem besonderen Markt der Dialyseleistungen eine andere Bedeutung zu als der Genehmigung einer Zweigpraxis nach § 24 Abs 3 Ärzte-ZV.

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(3) Die Zweigpraxis nach Anhang 9.1.5 Anlage 9.1 BMV-Ä ist auch nachrangig gegenüber der bereits in der Versorgungsregion bestehenden Dialysepraxis. Für die Zweigpraxisgenehmigung nach § 24 Abs 3 Ärzte-ZV hat der Senat entschieden, dass der dem Konkurrenten eingeräumte Status gegenüber dem Status des Anfechtenden nicht nachrangig sei(BSGE 105, 10 = SozR 4-5520 § 24 Nr 3, RdNr 31 ff). Maßstab für die Frage des Nachrangs sei, ob der konkurrierende Status nur bei Vorliegen eines noch bestehenden Versorgungsbedarfs erteilt werde und die Erteilung somit im allgemeinen Interesse an einer ordnungsgemäßen und lückenlosen Versorgung erfolge. Dies komme im Gesetz bei der Ermächtigung eines Krankenhausarztes nach § 116 Satz 2 SGB V durch die Formulierung "soweit und solange eine ausreichende ärztliche Versorgung der Versicherten" ohne diese "nicht sichergestellt" ist und bei Sonderbedarfszulassungen durch die Wendung zum Ausdruck, dass diese "zur Wahrung der Qualität der vertragsärztlichen Versorgung in einem Versorgungsbereich unerlässlich sind"(§ 101 Abs 1 Satz 1 Nr 3 SGB V). In § 24 Abs 3 Satz 1 Ärzte-ZV finde sich keine dem auch nur annähernd gleichwertige Aussage. Danach setze eine Zweigpraxisgenehmigung nur voraus, dass ("wenn und soweit") die Versorgung der Versicherten an den weiteren Orten verbessert (Nr 1 aaO) und die ordnungsgemäße Versorgung der Versicherten am Ort des Vertragsarztsitzes nicht beeinträchtigt werde (Nr 2 aaO). Im Gegensatz zu Ermächtigungen und Sonderbedarfszulassungen erfordere die Erteilung der Zweigpraxisgenehmigung damit nicht zwingend das Bestehen einer ausgleichsbedürftigen Versorgungslücke, sondern lediglich eine "Verbesserung" der Versorgung. Unabhängig davon, was konkret hierunter zu verstehen sei, sei dieser Begriff jedenfalls nicht in dem Sinne auszulegen, dass er eine - den Anforderungen an Ermächtigungen und Sonderbedarfszulassungen vergleichbare - Bedarfsprüfung erfordere. Damit sei zugleich kein Raum für die Annahme eines Vorrangs der bereits vor Ort niedergelassenen Vertragsärzte.

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Die normative Ausgangslage ist bei der Genehmigung einer Dialysezweigpraxis eine andere. Die Anforderungen für die Genehmigung einer Zweigpraxis für Dialyseleistungen gehen über die allgemeinen Anforderungen der Ärzte-ZV hinaus. Nach § 4 Abs 3 Anlage 9.1 BMV-Ä bedarf die Durchführung von Versorgungsaufträgen mit Dialyse in einer Zweigpraxis oder in einer ausgelagerten Praxisstätte nach den Vorschriften des § 15 Abs 2 BMV-Ä der Genehmigung oder Ermächtigung. Die Genehmigung oder Ermächtigung wird erteilt, wenn die in Anhang 9.1.5 festgelegten besonderen Voraussetzungen erfüllt sind. Die Vorinstanzen haben insoweit zu Recht ausgeführt, dass § 24 Ärzte-ZV der Normierung weiterer Voraussetzungen für die Genehmigung einer Zweigpraxis in speziellen Bereichen nicht entgegensteht. Die in Anhang 9.1.5 Anlage 9.1 BMV-Ä statuierten Voraussetzungen knüpfen in zulässiger Weise an die besonderen Regelungen für die Dialyseversorgung an.

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Die Genehmigung kann nach Abs 1 Buchst b Satz 2 Anhang 9.1.5 Anlage 9.1 BMV-Ä nur erteilt werden, wenn die projektierte Zweigpraxis nicht gleichzeitig in der Versorgungsregion einer anderen Praxis liegt, es sei denn, die Einrichtung der projektierten Zweigpraxis ist nach einvernehmlicher Feststellung der KÄV und der zuständigen Verbände der Krankenkassen auf Landesebene aus Gründen der Sicherstellung der Dialyseversorgung notwendig. Mit der Anknüpfung an die Prüfung der Voraussetzungen für eine wirtschaftliche Versorgungsstruktur iS des § 4 Abs 1 Satz 2 Nr 3 Anlage 9.1 BMV-Ä nach § 6 der Anlage 9.1 BMV-Ä wird ein Vorrang der bestehenden Dialysepraxis begründet. Der Senat hat bereits entschieden, dass die spezielle, am Auslastungsgrad der im Umkreis der beabsichtigten Niederlassung bestehenden Dialysepraxen (Versorgungsregion) durch eine Arzt-Patienten-Relation ausgerichtete Bedarfsprüfung zwar in erster Linie der Sicherstellung einer wirtschaftlichen Versorgung der Versicherten mit Dialyseleistungen, daneben aber auch dem Schutz der bereits in diesem Bereich tätigen Leistungserbringer dient. Während der Arzt-Patienten-Schlüssel in § 5 Abs 7 Buchst c BlutreinigungsVf-VB mit der Festlegung einer Höchstzahl der von einem Arzt zu betreuenden Patienten ausschließlich der Sicherung einer qualitativ hochstehenden Versorgung diene, solle der in § 6 der Anlage 9.1 BMV-Ä/EKV-Ä festgelegte Auslastungsgrad eine wirtschaftliche Versorgungsstruktur gewährleisten. Ein Anreiz dafür, in der nephrologischen Versorgung niereninsuffizienter Patienten tätig zu werden, bestehe angesichts der erforderlichen Investitionen nur dann, wenn das Kostenrisiko hinreichend wirtschaftlich abgesichert sei. Es entspreche sowohl dem Gemeinwohlinteresse an einer wirtschaftlichen Versorgung als auch den Individualinteressen der Leistungserbringer, wenn durch die Verhinderung eines Verdrängungswettbewerbs der Leistungserbringer untereinander die Wirtschaftlichkeit einer Dialysepraxis gewährleistet werde (BSG SozR 4-1500 § 54 Nr 26 RdNr 26).

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Diese Überlegungen sind auf die Erteilung einer Zweigpraxisgenehmigung für Dialyseleistungen übertragbar. Wenn die Erteilung einer Zweigpraxisgenehmigung in der Versorgungsregion einer bestehenden Dialysepraxis nur erfolgen soll, wenn dies zur Sicherstellung der Versorgung notwendig ist, ist damit eine Bedarfsprüfung vorgegeben, in deren Rahmen zunächst die Sicherstellung durch die in der Versorgungsregion bestehenden Praxen zu prüfen ist. Soweit die Beklagte meint, es gehe allein um eine Betrachtung der lokalen Versorgungssituation unter Berücksichtigung der besonderen Patienteninteressen an einer wohnortnahen Versorgung, trifft dies nicht zu. Dieser Aspekt wird vielmehr in Abs 1 Buchst a Anhang 9.1.5 Anlage 9.1 BMV-Ä berücksichtigt. Dort ist als erste Voraussetzung für eine Zweigpraxisgenehmigung genannt, dass die räumlichen Gegebenheiten in der Praxis zur Durchführung der Hämodialyse für die zum Zeitpunkt der Antragstellung zu versorgenden Patienten nicht ausreichen oder die wohnortnahe Versorgung der zum Zeitpunkt der Antragstellung mit Verfahren der Hämodialyse behandelten Patienten durch die projektierte Zweigpraxis oder ausgelagerte Betriebsstätte verbessert wird. Damit ist der Gesichtspunkt der Versorgungsverbesserung iS des § 24 Abs 3 Nr 1 Ärzte-ZV aufgegriffen. Dabei wird der wohnortnahen Versorgung in der Dialyse ein besonderer Stellenwert eingeräumt. So ist nach § 6 Abs 3 Anlage 9.1 BMV-Ä eine Genehmigung der Übernahme eines Versorgungsauftrags unabhängig von der kontinuierlichen wirtschaftlichen Versorgungsstruktur zu erteilen, wenn Gründe der Sicherstellung eine zusätzliche Dialysepraxis erfordern. Das ist nach Satz 2 der Vorschrift dann der Fall, wenn die wohnortnahe Versorgung unter Berücksichtigung der einzelnen Dialyseformen und -verfahren gewährleistet werden muss. Die Besonderheiten des Patientenklientels, das der lebenslangen Behandlung mehrmals wöchentlich bedarf, wird auch in den Hinweisen und Erläuterungen der Kassenärztliche Bundesvereinigung für die KÄVen zur Neuordnung der Versorgung chronisch niereninsuffizienter Patienten vom 1.7.2002 hervorgehoben (DÄ 2002, A-970). Das Erfordernis der Verbesserung der wohnortnahen Versorgung ist folgerichtig als eine mögliche Begründung für die Genehmigung einer Zweigpraxis in Abs 1 Buchst a Anhang 9.1.5 Anlage 9.1 BMV-Ä genannt.

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Kumulativ hierzu fordert Abs 1 Buchst b Satz 2 Anhang 9.1.5 Anlage 9.1 BMV-Ä aber eine darüber hinausgehende Bedarfsprüfung, die nach dem insoweit eindeutigen Wortlaut nicht auf die Sicherstellung der wohnortnahen Versorgung beschränkt ist. Die Anknüpfung an die Versorgungsregionen - keine Zweigpraxis in der Versorgungsregion einer anderen Praxis - macht deutlich, dass hier eine Bedarfsprüfung auch im Hinblick auf die wirtschaftliche Versorgungsstruktur für die Dialysepraxis durchzuführen ist. Dem entspricht es, dass die Zweigpraxisgenehmigung - anders als nach § 24 Abs 3 Ärzte-ZV - ebenso wie die Genehmigung der Übernahme des Versorgungsauftrags nach § 4 Anlage 9.1 BMV-Ä durch die KÄV im Einvernehmen mit den zuständigen Verbänden der KKn erteilt wird. Erforderlich ist, dass die Notwendigkeit der Genehmigung der Zweigpraxis aus Gründen der Sicherstellung der Dialyseversorgung festgestellt wird. Dieses Kriterium geht über eine Versorgungsverbesserung hinaus. Der Senat hat für die Zeit vor Einfügung einer ausdrücklichen Bestimmung über die Voraussetzungen zum Betrieb von Zweigpraxen entschieden, die Genehmigung dürfe nur erteilt werden, wenn die Zweigpraxis zur Sicherung einer ausreichenden vertragsärztlichen Versorgung notwendig sei (BSGE 77, 188, 190 f = SozR 3-2500 § 75 Nr 7 S 27). Die Bindung der Genehmigung an ein bestehendes Versorgungsdefizit sei geeignet, gerade im ländlichen Raum die Existenz von kleineren Praxen zu sichern. Es bestehe ansonsten die Gefahr, dass von Mittel- und Oberzentren aus eventuell kostengünstiger arbeitende Gemeinschaftspraxis den ländlichen Raum versorgen und damit der wohnortnahen kleineren Praxis die Existenzgrundlage entziehen könnten. Diese Überlegungen haben auch hier ihre Berechtigung. Eine Notwendigkeit zur Sicherung der Versorgung ist bereits nach dem möglichen Wortsinn nur dann anzunehmen, wenn ein Versorgungsdefizit besteht. Zwar ist eine strenge Bedarfsprüfung wie in § 6 Anlage 9.1 BMV-Ä nicht vorgesehen. Entsprechend der Regelung in § 6 Abs 3 Anlage 9.1 BMV-Ä ist vielmehr denkbar, dass auch dann, wenn die anderen Dialysepraxen in der Versorgungsregion nicht ausgelastet sind, wegen eines dringenden Bedarfs an wohnortnaher Versorgung in einem ländlichen oder auch großstädtischen Bereich eine Zweigpraxisgenehmigung unter Sicherstellungsgesichtspunkten geboten ist. Das setzt jedoch zunächst eine allgemeine Bedarfsprüfung unter Einbeziehung aller in der Versorgungsregion bestehenden Praxen voraus. Je nach dem Ergebnis dieser Prüfung wird möglicherweise dann auch eine Abwägung zwischen dem Interesse an einer möglichst wohnortnahen Versorgung einerseits und dem Interesse an der kontinuierlichen Gewährleistung bestehender Versorgungsstrukturen andererseits erforderlich sein. Jede Zweigpraxis in einigen Kilometern Entfernung vom Vertragsarztsitz wird zu einer Verbesserung der wohnortnahen Versorgung der in ihrem unmittelbaren Umfeld wohnenden Patienten führen. Es kann aber auch im Interesse der Sicherstellung der Versorgung sein, bestehende Praxen in ihrem Bestand nicht zu gefährden. Für die bei dieser Prüfung und Abwägung zu berücksichtigenden Praxen entfaltet Abs 1 Buchst b Satz 2 Anhang 9.1.5 Anlage 9.1 BMV-Ä drittschützende Wirkung.

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c) Sind mithin die Voraussetzungen für eine Anfechtungsberechtigung des Klägers gegeben, hat das SG im Ergebnis zu Recht entschieden, dass die Beklagte erneut über den Widerspruch des Klägers gegen die der Beigeladenen zu 1. erteilten Genehmigung zu entscheiden hat. Bei der Beurteilung der Notwendigkeit der Zweigpraxis aus Gründen der Sicherstellung der Dialyseversorgung steht ihr ein Spielraum zu, der von den Gerichten nur darauf überprüft werden kann, ob ein richtig und vollständig ermittelter Sachverhalt zugrunde gelegt und in sachgerechter Weise gewürdigt worden ist (vgl BSGE 77, 188, 191 f = SozR 3-2500 § 75 Nr 7 S 29; zur "Bedarfsgerechtigkeit" im Rahmen des § 121a SGB V: BSG SozR 4-2500 § 121a Nr 3 RdNr 28; zur "Verbesserung der Versorgung" durch eine Zweigpraxis nach § 24 Abs 3 Ärzte-ZV vgl BSGE 105, 10 = SozR 4-5520 § 24 Nr 3, RdNr 53 ff). Hier hat die Beklagte die erforderliche Bedarfsprüfung bislang unvollständig durchgeführt. Die Auseinandersetzung mit den Gegebenheiten der Versorgung mit Dialyseleistungen im Versorgungsbereich des Klägers, wie sie im Schreiben an die KKn vom 18.5.2011 zum Ausdruck kommt, wird den Anforderungen nicht gerecht. Die Beklagte wird daher zunächst den Auslastungsgrad der klägerischen Praxis festzustellen - zum Zeitpunkt der Antragstellung sowie in der Folgezeit - und sodann die infrastrukturellen Gegebenheiten zu ermitteln haben. Ob ein Versorgungsdefizit besteht, hängt von einer Vielzahl von Faktoren ab, die für sich und in ihrer Abhängigkeit untereinander weitgehend unbestimmt sind (vgl BSGE 77, 188, 192 = SozR 3-2500 § 75 Nr 7 S 29). Festzustellen wäre insofern, welchen Einzugsbereich E potentiell hat, wie groß die Nachfrage aus diesem Bereich ist und wie die jeweiligen Verkehrsverbindungen sind. Der Kläger stellt auch zu Recht die Frage, ob für Dialysepatienten der öffentliche Nahverkehr überhaupt eine Rolle spielt oder ob nicht vielmehr allein auf den Straßenverkehr abzustellen ist. Auch die Beklagte argumentiert damit, dass teure Krankentransporte zur weiter gelegenen Praxis des Klägers erforderlich seien, ohne dass tatsächliche Feststellungen hierzu ersichtlich sind. Sollte der überwiegende Teil der potentiellen Patienten solche Transporte in Anspruch nehmen, ist weiter nach den Fahrzeiten und danach zu fragen, welche konkreten Veränderungen durch eine Zweigpraxis in E eintreten würden. Auch die Bedeutung der klägerischen Praxis für die Versorgung der Region und die möglichen Auswirkungen der projektierten Zweigpraxis auf die Praxis des Klägers sind zu beleuchten. Erst bei einer Gesamtschau aller Faktoren kann beurteilt werden, ob die Zweigpraxis für die Patienten aus diesem Einzugsbereich für eine wohnortnahe Versorgung notwendig ist. Maßgeblich für die Bewertung der tatsächlichen Gegebenheiten ist dabei zunächst der Zeitpunkt der ordnungsgemäßen Antragstellung (vgl BSG SozR 4-2500 § 95 Nr 16 RdNr 14 ff). Auch bei der Drittanfechtung sind aber alle Tatsachenänderungen bis zur mündlichen Verhandlung der letzten Tatsacheninstanz beachtlich, sofern nicht Vertrauensschutzgesichtspunkte entgegenstehen (vgl BSGE 104, 116 = SozR 4-2500 § 101 Nr 7, RdNr 26 ff).

41

d) Das nach Abs 1 Satz 2 Anhang 9.1.5 Anlage 9.1 BMV-Ä erforderliche Einvernehmen mit den zuständigen Verbänden der KKn auf Landesebene ist hergestellt. Ein "Einvernehmen" setzt eine Willensübereinstimmung zwischen entscheidender und beteiligter Stelle voraus (vgl BSGE 75, 37, 40 = SozR 3-2500 § 85 Nr 7 S 40; BSGE 44, 244, 246 = SozR 7323 § 3 Nr 1 S 2; vgl auch BVerwGE 57, 98, 101). Hierzu ist grundsätzlich erforderlich, dass die KKn dem Vorschlag der KÄV zustimmen. Es ist der KÄV auch zumutbar, auf eine zeitnahe Erklärung der KKn hinzuwirken. Den KKn als Kostenträgern muss ihrerseits an einer raschen Feststellung der Versorgungslage und ggf Verbesserung der Versorgung durch eine Zweigpraxis gelegen sein. Da ihnen die Art und Weise - und ebenso die Qualität - ihrer Entscheidung nicht gesetzlich vorgegeben ist, entscheiden die KKn selbst, welche Informationen sie aus ihrer Sicht für eine sachgerechte Entscheidung benötigen. Die KÄV kann sich grundsätzlich darauf beschränken, die bestehende Versorgungslage zu skizzieren und die eigene Entscheidung, hier die Befürwortung des Antrags, darzulegen. Soweit die KKn weitere Informationen benötigen, kann die KÄV davon ausgehen, dass sie angefordert werden. Es obliegt nicht der KÄV, eine Entscheidung der KKn auf einem bestimmten Informationsstand sicherzustellen.

42

Um das Verfahren zügig zu betreiben, kann die KÄV auch eine angemessene Frist für die Äußerung der KKn setzen mit dem ausdrücklichen Zusatz, dass nach Ablauf der Frist von einem Einvernehmen ausgegangen werde. Dabei wird, um eine sachgerechte Überprüfung durch die KKn überhaupt zu ermöglichen, eine Frist von mindestens einem Monat erforderlich, aber auch ausreichend sein. Reagieren die KKn in einem solchen Fall nicht, ist das erforderliche Einvernehmen hergestellt. Im Interesse der Sicherstellung der Versorgung sowie im Interesse der betroffenen Ärzte an Rechtssicherheit reicht es in einer solchen Konstellation ausnahmsweise aus, dass die Landesverbände der KKn das Schreiben der KÄV stillschweigend zur Kenntnis nehmen.

43

Hier haben die Vorinstanzen zu Recht ausgeführt, dass das Schreiben der KÄV vom 22.10.2008, in dem lediglich kurz der - in der Anlage beigefügte - Antrag der Beigeladenen zu 1. erläutert und das Ergebnis der Auskunft der KÄV Rheinland-Pfalz mitgeteilt wurde, den Anforderungen nicht genügte. Die klägerische Praxis wurde von der Beklagten nämlich überhaupt nicht und von der Beigeladenen zu 1. in ihrem Antrag als "kleines, nicht fachspezifisch nephrologisch geführtes Dialysezentrum" erwähnt. Damit wurde der wesentliche Umstand, dass die beabsichtigte Zweigpraxis in der Versorgungsregion des Klägers liegt, nicht deutlich. Insoweit ausreichende Angaben hierzu hat die Beklagte allerdings im erneuten Schreiben an die Landesverbände der KKn vom 18.5.2011 gemacht. Die KKn haben daraufhin ihr Einverständnis mit der Erteilung der Zweigpraxisgenehmigung erklärt. Soweit die IKK formuliert hat, sie könne keine Aussage treffen, ist dies ebenfalls als Zustimmung zu werten. Damit wird deutlich, dass aus der Sicht der KK die Kompetenz für eine Entscheidung allein bei der KÄV gesehen wird und mit ihrer abschließenden Beurteilung Einverständnis besteht. Soweit die Beklagte bei ihrer Überprüfung wiederum zu dem Ergebnis kommt, dass eine Zweigpraxisgenehmigung zu erteilen ist, bedarf es der erneuten Herstellung des Einvernehmens daher nicht.

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4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 3 SGG iVm einer entsprechenden Anwendung der §§ 154 ff VwGO. Die Beklagte, der Kläger und die Beigeladene zu 1. tragen danach die Kosten des Berufungs- und des Revisionsverfahrens je zu einem Drittel. Die Änderung aufgrund der Berufung der Beklagten betraf nicht die Verurteilung zur Neubescheidung dem Grunde nach und war daher nicht gesondert zu berücksichtigen. Mit der Revision hat die Beklagte darüber hinaus nur eine Aufhebung der Feststellung der Erledigung des Genehmigungsbescheides erreicht. Die Beigeladene zu 1. hat den gleichen Antrag gestellt wie die Beklagte und war daher mit einem ebensolchen Kostenanteil zu belasten. Eine Erstattung der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 2. bis 7. ist nicht veranlasst, weil sie im Verfahren keine Anträge gestellt haben (§ 162 Abs 3 VwGO, vgl dazu BSGE 96, 257 = SozR 4-1300 § 63 Nr 3, RdNr 16).

(1) Gehört in einem Rechtszug weder der Kläger noch der Beklagte zu den in § 183 genannten Personen oder handelt es sich um ein Verfahren wegen eines überlangen Gerichtsverfahrens (§ 202 Satz 2), werden Kosten nach den Vorschriften des Gerichtskostengesetzes erhoben; die §§ 184 bis 195 finden keine Anwendung; die §§ 154 bis 162 der Verwaltungsgerichtsordnung sind entsprechend anzuwenden. Wird die Klage zurückgenommen, findet § 161 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung keine Anwendung.

(2) Dem Beigeladenen werden die Kosten außer in den Fällen des § 154 Abs. 3 der Verwaltungsgerichtsordnung auch auferlegt, soweit er verurteilt wird (§ 75 Abs. 5). Ist eine der in § 183 genannten Personen beigeladen, können dieser Kosten nur unter den Voraussetzungen von § 192 auferlegt werden. Aufwendungen des Beigeladenen werden unter den Voraussetzungen des § 191 vergütet; sie gehören nicht zu den Gerichtskosten.

(3) Die Absätze 1 und 2 gelten auch für Träger der Sozialhilfe einschließlich der Leistungen nach Teil 2 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch, soweit sie an Erstattungsstreitigkeiten mit anderen Trägern beteiligt sind.

(1) Ein rechtskräftig beendetes Verfahren kann nach den Vorschriften des Vierten Buchs der Zivilprozeßordnung wiederaufgenommen werden.

(2) Die Befugnis zur Erhebung der Nichtigkeitsklage und der Restitutionsklage steht auch dem Vertreter des öffentlichen Interesses, im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht im ersten und letzten Rechtszug auch dem Vertreter des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht zu.