Streitig ist die Versagung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes (Arbeitslosengeld II -Alg II-) nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II).
Der Kläger, der bereits in der Vergangenheit Alg II vom Beklagten bezogen hatte, beantragte am 16.12.2015 rückwirkend ab dem 01.01.2015 Leistungen „in Form der für den vorausgegangenen Zeitraum gewährten Beträge zuzüglich des Zehnfachen der üblichen Grundsicherung“. Der Beklagte forderte ihn darauf auf, zur Antragsbearbeitung verschiedene Unterlagen bis 30.12.2015 vorzulegen und belehrte über mögliche Rechtsfolgen der Nichterfüllung der genannten Mitwirkungspflichten. Der Kläger erklärte hierzu, seine persönlichen materiellen Verhältnisse hätten sich seit der letzten Zahlung von Grundsicherung nicht verändert und er werde keine Neuformulierung vorhandener Antragsunterlagen vornehmen. Mit Bescheid vom 22.01.2016 versagte der Beklagte die beantragten Leistungen wegen fehlender Mitwirkung. Anhand der bisher gemachten Angaben und Unterlagen seien die Anspruchsvoraussetzungen nicht ausreichend nachgewiesen oder glaubhaft gemacht bzw ein möglicher Anspruch nicht bezifferbar. Unter Berücksichtigung aller Umstände sei es sachgerecht, die Leistungen zu versagen. Den dagegen eingelegten Widerspruch vom 04.02.2016 wies der Beklagte mit am 09.02.2016 per Postzustellungsurkunde zugestellten und mit einer Rechtsbehelfsbelehrung:versehenen Widerspruchsbescheid vom 05.02.2016 zurück.
Am 17.03.2016 stellte der Kläger gegenüber dem Beklagten in Bezug auf den Zustellvermerk vom 09.02.2016 des Widerspruchsbescheides einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Er habe den Widerspruchsbescheid erst am 14.03.2016 erhalten. Der Beklagte wies mit Bescheid vom 01.04.2016 - per Postzustellungsurkunde am 06.04.2016 zugestellt - den Antrag zurück. Der Kläger habe im Widerspruchsverfahren keine Fristen versäumt. Der Widerspruch sei nicht als verfristet zurückgewiesen worden.
Der Kläger hat sich am 18.05.2016 an den Beklagten sowie an das Bayerische Landessozialgericht (LSG) gewandt - das Schreiben ist vom LSG an das Sozialgericht Würzburg (SG) weitergeleitet worden - und hat zunächst die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand mit Wirkung zum 16.05.2016 in Bezug auf den Widerspruchsbescheid mit Zustellvermerk vom 06.04.2016 geltend gemacht. Die „Abwesenheitsintervalle“ hätten wegen eines unverhältnismäßig erhöhten Aufwands zur Wahrung bzw gegebenenfalls infolge eines nachweislichen Verrats durch völkerrechtswidrige Kollaborationsbehörden erhöht werden müssen. Zudem hätten gesundheitliche Belange der Familienangehörigen einer vorherigen Weiterleitung im Wege gestanden. Die für die Zwecke des Beklagten gegebenenfalls nützlichen Nachweise und Unterlagen könnten nicht verlangt werden. In eine solche Richtung zielende Gesetze oder Erlasse seien unwirksam. Seine Schreiben seien als Erklärung zum Nichtvorhandensein entsprechender Einkünfte oder Kosten sowie auch als Klageschrift aufzufassen. Über die geforderten Unterlagen verfüge er nicht, da sie nicht existierten. Es gebe keinen Mietvertrag, Wohneigentum, Versicherung, Einkommen etc. Alle Fragen habe er bereits schriftlich beantwortet.
Mit Urteil vom 28.09.2016 hat das SG die Klage abgewiesen. Diese sei verfristet erhoben worden und daher unzulässig. Die Klagefrist in Bezug auf den Widerspruchsbescheid vom 05.02.2016 sei am 09.03.2016 abgelaufen, die Klage aber erst am 18.05.2016 eingegangen. Da auch das Schreiben an den Beklagten vom 17.03.2016 erst nach Ablauf der Klagefrist eingegangen sei, könne dahinstehen, ob dieses bereits eine Klageerhebung habe darstellen sollen. Der Widerspruchsbescheid vom 05.02.2016 habe eine ordnungsgemäße Rechtsmittelbelehrungenthalten. Dem stehe nicht entgegen, dass ausweislich der Rechtsbehelfsbelehrung:im Widerspruchsbescheid Klage innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe des Widerspruchsbescheides erhoben werden müsse, der Widerspruchsbescheid dem Kläger aber tatsächlich per Postzustellungsurkunde zugestellt worden sei. Bei der Zustellung per Postzustellungsurkunde handele es sich um eine besondere Form der Bekanntgabe. Der grundsätzlich weitere Begriff der Bekanntgabe schließe den engeren Begriff der Zustellung mit ein. Gründe für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand lägen nicht vor. Insbesondere rechtfertige eine Krankheit nur dann eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, wenn ein Erkrankter willens- oder handlungsunfähig und deshalb außer Stande gewesen sei, die Klage selbst einzulegen oder einen Dritten damit zu beauftragen. Zudem seien nur gesundheitliche Belange von Familienangehörigen geltend gemacht worden.
Dagegen hat der Kläger Berufung beim LSG eingelegt. Er habe auf alle Anschreiben innerhalb eines Monats nach Kenntnisnahme reagiert. Den Widerspruchsbescheid vom 05.02.2016 habe er von seinen Eltern verspätet erhalten. Für die Weiterleitung von Schriftstücken seien seine Mutter verwalterisch und sein Vater technisch verantwortlich gewesen. Diese sei damit unmittelbar von der „ehelichen Lebensqualität im Alltag“ abhängig gewesen. Über die einzelnen chronischen gesundheitlichen Belastungen hinausgehende Befunde in Bezug auf die Eltern lägen nicht vor. Geeignete Arztbriefe seien bereits in ausreichendem Maß eingereicht worden. Er wolle ihnen nicht vorwerfen, sie hätten die Post an ihn nicht rechtzeitig in den Computer gesteckt bzw seine zurückkommenden Antworten darauf in das Telefaxgerät gelegt. Die Einbeziehung der Eltern in den Rechtsstreit sei nicht zumutbar. Er wolle sie nicht belasten. Die Erreichbarkeitsanordnung sei aufgehoben worden, um einer Fremdbesetzung zu entgehen. Sein Antrag auf Wiedereinsetzung habe sich nicht auf die Widerspruchssondern auf die Klagefrist bezogen. Notwendige Dokumente könnten auch bei den entsprechenden Stellen angefordert werden. Nunmehr habe sein Vater die Schlösse ausgewechselt und er komme nicht mehr in seine Wohnung und an seine Unterlagen. Zum Sachverhalt der Verfristung könne er aber alle Auskünfte erteilen, die das Gericht verlange. Dazu benötige er seine Unterlagen nicht. Mehrfachen Aufforderungen des Senats, eine ladungsfähige Anschrift der Eltern zu benennen, ist der Kläger nicht nachgekommen.
Der Kläger beantragt,
(1) das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 28.09.2016 und den Bescheid des Beklagten vom 22.01.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05.02.2016 aufzuheben,
(2) ihm die zahnmedizinischen und medizinischen Unterlagen, die sich in den sozialgerichtlichen Akten befinden, für das Amtsgericht zur Verfügung zu stellen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Zur Begründung werde auf die erlassenen Bescheide und das Urteil des SG verwiesen. Mit der Klageänderung (Punkt 2) sei er nicht einverstanden.
Einen Vertagungsantrag des Klägers in Bezug auf die nach seinen Angaben für ihn nicht erreichbaren Unterlagen in seiner Wohnung hat der Senat mit Beschluss vom 14.11.2017 in der mündlichen Verhandlung abgelehnt.
Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf die Verwaltungsakten des Beklagten und die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz -SGG-), aber nicht begründet. Das SG hat die Klage gegen den Bescheid des Beklagten vom 22.01.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05.02.2016 zu Recht als unzulässig abgewiesen.
Soweit der Kläger im Rahmen des Berufungsverfahrens erstmals zusätzlich die Weiterleitung von medizinischen Unterlagen an das Amtsgericht Würzburg begehrt hat, handelt es sich um eine unzulässige Klageänderung. Eine solche Klageänderung ist aber nur zulässig, wenn die übrigen Beteiligten einwilligen oder das Gericht die Änderung für sachdienlich hält (§ 99 Abs. 1 SGG). Beides ist vorliegend nicht der Fall. Der Beklagte hat der Änderung widersprochen und sie steht nicht im Zusammenhang mit der streitgegenständlichen Leistungsversagung, weshalb auch keine Sachdienlichkeit angenommen werden kann.
Die Klage gegen den Bescheid vom 22.01.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05.02.2016 ist nicht fristgerecht erhoben worden und deshalb unzulässig. Nach § 87 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 SGG ist eine Klage bei dem zuständigen Gericht der Sozialgerichtsbarkeit schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe des Widerspruchsbescheides zu erheben. Die Frist für die Erhebung der Klage gilt auch dann als gewahrt, wenn die Klageschrift innerhalb der Frist statt bei dem zuständigen Gericht der Sozialgerichtsbarkeit bei einer anderen inländischen Behörde oder bei einem Versicherungsträger oder bei einer deutschen Konsularbehörde oder, soweit es sich um die Versicherung von Seeleuten handelt, auch bei einem deutschen Seemannsamt im Ausland eingegangen ist (§ 91 SGG). Die Klage ist vorliegend frühestens mit dem beim Beklagten am 17.03.2016 eingegangenen Schreiben des Klägers erhoben worden. Der Widerspruchsbescheid vom 05.02.2016 wurde jedoch bereits mit Postzustellungsurkunde am 09.02.2016 zugestellt. Es kommt dabei nicht auf die tatsächliche Kenntnisnahme des Klägers vom Widerspruchsbescheid an, sondern auf deren Möglichkeit, die nach Einlegung des Schriftstücks in den Briefkasten gegeben war. Damit ist die Klagefrist - die auch nicht nach § 66 Abs. 2 Satz 1 SGG ein Jahr betragen hat, da die Rechtsbehelfsbelehrung:des Beklagten auch unter Verwendung des Begriffs „Bekanntgabe“ nicht unrichtig gewesen ist (vgl BSG, Urteil vom 09.04.2014 - B 14 AS 46/13 R - BSGE 115, 288) - nicht gewahrt worden. Der Senat folgt insoweit den Ausführungen des SG und sieht von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 153 Abs. 2 SGG).
Ergänzend ist lediglich darauf hinzuweisen, dass Gründe für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hinsichtlich der Klagefrist auch im Berufungsverfahren nicht glaubhaft gemacht worden sind. Der Kläger hat nur vage vorgetragen, es sei seinen Eltern nicht zumutbar gewesen, ua den Widerspruchsbescheid bzw sein Klageschreiben früher weiterzuleiten. Konkrete gesundheitliche Gründe wurden weder geschildert noch nachgewiesen. Eine Einvernahme der Eltern als Zeugen für die Tatsache, dass sie konkret in Bezug auf dem am 09.02.2016 zugestellten Widerspruchsbescheid nicht in der Lage gewesen wären, diesen unmittelbar an den Kläger weiterzureichen, war mangels Benennung einer landungsfähigen Anschrift der Eltern durch den Kläger nicht möglich. Warum der Widerspruchsbescheid dem Kläger nach dessen Angaben erst am 14.03.2016 - mithin über einen Monat nach der Zustellung - bekannt geworden sein soll, ist im Übrigen auch nicht nachvollziehbar. Letztlich handelte der Kläger auch nicht schuldlos, wenn er seinen Eltern trotz etwaiger gesundheitlicher Probleme die Weiterleitung seiner Post übertragen hat. Er hätte dafür Sorge tragen müssen, dass ihn Schreiben unverzüglich erreichen. Eine Wiedereinsetzung scheidet damit in jedem Fall aus.
Die Berufung war somit zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Gründe, die Revision gemäß § 160 Abs. 2 Nrn 1 und 2 SGG zuzulassen, liegen nicht vor.