Bayerisches Landessozialgericht Urteil, 25. Okt. 2017 - L 10 AL 107/16

bei uns veröffentlicht am25.10.2017
vorgehend
Sozialgericht Nürnberg, S 1 AL 25/10, 28.02.2012

Gericht

Bayerisches Landessozialgericht

Tenor

I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 28.02.2012 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Streitig ist eine Gleichstellung des Klägers mit einem schwerbehinderten Menschen (§ 2 Abs. 3 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch -SGB IX-).

Der 1954 geborene Kläger ist seit 01.05.2007 bei der Firma B. GmbH & Co. KG beschäftigt. Zunächst übte er die Tätigkeit eines Fahrers aus. Nachdem er im Juli 2007 einen Arbeitsunfall erlitten hatte, ist er seit seiner Genesung aufgrund der Empfehlung des Betriebsarztes ab dem 15.09.2008 als Lagerarbeiter in der internen Betriebslogistik eingesetzt. Die Fahrertätigkeit konnte aufgrund des krankheitsbedingt notwendigen Tragens von besonderen Schuhen im Hinblick auf mögliche Probleme mit den Pedalen nicht mehr ausgeübt werden. Sein derzeitiger Tätigkeitsbereich umfasst die Abnahme, das Einlagern und Buchen von Spritzteilen aus der Spritzerei, die Versorgung der Produktion (Montage und Spritzerei) mit Leerkartonagen sowie nach Bedarf das Zerlegen oder Zusammenfalten von Kartonagen und Deckeln. Hierbei werden von ihm verschiedene Flurförderzeuge für den innerbetrieblichen Transport bedient.

Mit Bescheid vom 30.04.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 01.10.2009 stellte das D. (ZBFS) bei ihm einen Grad der Behinderung (GdB) von 30 wegen einer Funktionsbehinderung der Wirbelsäule und einer alten Kompressionsfraktur TH 12 (Einzel-GdB: 20) sowie wegen einer Funktionsbehinderung des oberen Sprunggelenkes rechts und eines Lymphödems (Einzel-GdB 20) fest. Dagegen hat der Kläger Klage beim Sozialgericht Nürnberg (SG) erhoben (S 12 SB 531/09). Im Rahmen des vom SG in Auftrag gegebenen Gutachtens vom 31.03.2011 hat der gerichtliche Sachverständige Dr. H. neben den vom ZBFS festgestellten Gesundheitsstörungen noch Gefühlsstörungen im Kniebereich links und im Transplantatbereich rechts ergänzend festgehalten und die entsprechenden Einzel-GdB von 20 sowie den Gesamt-GdB von 30 für angemessen befunden. Das SG hat ein weiteres Gutachten eingeholt. Der gerichtliche Sachverständige Dr. B. N. führt darin unter dem 15.12.2014 aus, es liege beim Kläger eine Bewegungseinschränkung und Funktionsbeeinträchtigung des rechten Sprunggelenks bei Zustand nach Sprunggelenksfraktur, eine Weichteilschwellung und Schwelungsneigung bzgl des rechten Fußes bei Zustand nach dreigradiger Weichteilwunde und plastischer Deckung, ein vermindertes Tastempfinden am linken Knie (Störung der Hautnerven), eine Narbenbildung am Rücken bei Zustand nach Muskelentnahme (im Rahmen der Defektbildung am rechten Fuß), ein mit Knickbildung ausgeheilter Bruch des zwölften Brustwirbelkörpers, Verschleißzeichen des rechten Hüftgelenkes (Dysplasiecoxarthrose) sowie ein Knick-Senk-Fuß beidseits vor. Die verbliebene Nervenschädigung mit Gefühlsstörung am linken Knie sei als Teilstörung eines Hautnerven ohne motorische Ausfälle und ohne trophische Störungen entsprechend den versorgungsmedizinischen Grundsätzen mit einem GdB von 0 anzusetzen. Dies gelte auch für die Übergewichtigkeit sowie die diabetogene Stoffwechsellage. In der Summe finde sich eine Funktionseinschränkung beim Laufvorgang durch Reduzierung der Abrollmöglichkeit im Sprunggelenk, Einschränkung der Hüftgelenksbeweglichkeit und rezidivierende Weichteilschwellung, was das Tragen von Kompressionsstrümpfen ebenso wie die auf der Arbeit getragene orthopädische Schuhzurichtung erforderlich mache. Hieraus ergebe sich der Gesamt-GdB von 30. Der Kläger sei in seinem Beruf wieder vollschichtig tätig. Die Arbeit könne nach dessen eigenen Angaben gut durchgeführt werden, insbesondere sei auch eine Dauereinnahme schmerzstillendender Medikamente nicht angegeben worden. Der Laufvorgang sei wegen der Begleiterkrankungen und der endgradigen Bewegungseinschränkung der rechten Hüfte etwas unrund, aber ohne weitere Hilfsmittel durchzuführen. Die Einbeinstandfähigkeit sei etwas eingeschränkt, ansonsten finde sich ein gutes Gehvermögen. Auch die Arbeit als Lagerist könne ausgeführt werden. Wie bereits in einem Gutachten von 2011 erwähnt, sei zu empfehlen, intermittierende Pausenzeiten zu verlängern. Hochgradige Geheinschränkungen fänden sich ebensowenig wie eine wesentliche Verschlechterung des Laufvorgangs. Im Rahmen einer mündlichen Verhandlung am 23.02.2016 hat der Kläger die Klage zurückgenommen.

Bereits am 09.07.2009 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Gleichstellung mit einem schwerbehinderten Menschen zum Erhalt seines Arbeitsplatzes. Seine derzeitige - wegen der Behinderung neue - Tätigkeit als Lagerist könne er ohne Einschränkungen ausüben. Trotz der wegen der Auswirkungen seiner Behinderungen bereits erfolgten innerbetrieblichen Umsetzung seien weiterhin behinderungsbedingte Einschränkungen gegeben. Eine Gefährdung des Arbeitsverhältnisses wegen seiner Behinderungen sei momentan nicht gegeben, hänge aber von der wirtschaftlichen Entwicklung ab. Aufgrund eines Betriebsunfalls sei er laufend wegen Lymphdrainage sowie anderen Verletzungen in Behandlung. Eine Kündigung sei ihm bislang nicht angedroht worden.

Der Arbeitgeber erklärte auf Anfrage der Beklagten, der Kläger sei als Lagerist mit den bekannten Leistungseinschränkungen, die sich aber nicht auf seine derzeitige Tätigkeit auswirkt, tätig. Sein Arbeitsplatz sei behinderungsgerecht ausgestaltet und eine innerbetriebliche Umsetzung sei wegen der Auswirkungen der Behinderungen bereits erfolgt. Der Arbeitsplatz des Klägers sei weder aus gesundheitlichen noch aus sonstigen Gründen gefährdet.

Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 14.08.2009 den Gleichstellungsantrag des Klägers ab. Seine Tätigkeit als Lagerarbeiter könne er ohne behinderungsbedingte Einschränkungen weiterhin ausüben. Konkrete Anhaltspunkte für eine wegen der Behinderung mangelnde Konkurrenzfähigkeit am Arbeitsmarkt seien nicht erkennbar. Allgemeine Darlegungen, dass sich das Leiden verschlimmern könne und deshalb in Zukunft mit einer Gefährdung seines Arbeitsplatzes zu rechnen sei, könnten eine Gleichstellung nicht begründen. Auch sei nicht erkennbar, dass die Gleichstellung zur Erlangung eines neuen Arbeitsplatzes notwendig sei.

Dagegen legte der Kläger Widerspruch ein. Es sei aufgrund seiner „eingeschränkten Tätigkeit“ möglich, dass er seine Arbeit verliere. Aufgrund der Einschränkungen am rechten Fuß sowie einer begonnenen Arthrose drohten zudem Ausfallzeiten. Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 16.12.2009 zurück. Der Kläger sei auf einem geeigneten Arbeitsplatz beschäftigt. Dafür, dass er seinen Arbeitsplatz aufgrund von Auswirkungen seiner gesundheitlichen Einschränkungen verlieren könne, seien keine konkreten Anhaltspunkte gegeben. Eine behinderungsbedingte Gefährdung ua durch erhebliche behinderungsbedingte Fehlzeiten sei nicht erkennbar. Dass die vorgebrachte beginnende Arthrose im rechten Fußgelenk zu erheblichen Fehlzeiten führen könne, sei zum jetzigen Zeitpunkt hypothetisch. Von wirtschaftlichen Entwicklungen seien behinderte ebenso wie nicht behinderte Arbeitnehmer gleichermaßen betroffen, so dass dies eine Gleichstellung nicht begründen könne. Eine Gleichstellung zur Erlangung eines behinderungsgerechten Arbeitsplatzes werde nicht benötigt, da der Kläger bereits auf einem solchen Arbeitsplatz beschäftigt und eine Gefährdung dieses Arbeitsplatzes nicht gegeben sei.

Dagegen hat der Kläger Klage zum SG erhoben. Aufgrund der Einschränkung seiner Arbeitsfähigkeit und Einsatzfähigkeit bestehe die Gefahr einer Kündigung, da er nicht so breit einsetzbar sei wie seine Kollegen. Als Fahrer könne er nicht mehr beschäftigt werden. Dies benachteilige ihn und sei auszugleichen. Aufgrund der bestehenden Schmerz-symptomatik drohten zusätzliche Arbeitsunfähigkeitszeiten. Wegen der vorhandenen Wirtschaftskrise bestehe diese Gefahr unmittelbar.

Nach Beiziehung von Befundberichten des Facharztes für Allgemeinmedizin Dr. M. und des Facharztes für Orthopädie Dr. S. hat das SG durch Einholung eines Gutachtens Beweis erhoben. Der Sachverständige Orthopäde Dr. M. hat nach besonderer Untersuchung des Klägers unter dem 06.06.2011 ua ausgeführt, das Gangbild des Klägers sei mit angelegten Schuhen nahezu hinkfrei und unauffällig. Ohne Schuhe werde der rechte Fuß eingeschränkt abgerollt. Es liege ein operativ versorgter Sprunggelenksbruch rechts mit operativ behandelten Weichteilschäden vor. Der neurologische Schaden am linken Bein sei gering. Das postoperative Behandlungsergebnis sei mittlerweile sehr gut. Mit orthopädischen Schuhen sei der Kläger am Arbeitsplatz weiterhin vollschichtig einsetzbar. Er sei seit langer Zeit nicht mehr wegen seiner Unfallfolgen krankgeschrieben gewesen. Es sei weder erkennbar, dass eine behinderungsbedingte Minderleistung am Arbeitsplatz vorliege noch dass der Arbeitsplatz konkret gefährdet sei. Weiterer Hilfen am Arbeitsplatz bedürfe der Kläger nicht. Das SG hat weiter ein nervenärztliches Gutachten des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. R. vom 04.07.2011 beigezogen, welches dieser im Rahmen eines Klageverfahrens des Klägers gegen die Berufsgenossenschaft Holz und Metall (S 15 U 272/09) erstattet hat. Darin wird ua ausgeführt, die Gefühlsstörung im linken Knie sei nicht funktionell beeinträchtigend. Es resultiere keine Koordinationsstörung des linken Beines oder Gangstörung.

Auf Antrag des Klägers hat das SG schließlich ein Gutachten vom Facharzt für Neurologie Dr. S. eingeholt. Dieser hat unter dem 11.01.2012 bzw 22.02.2012 ausgeführt, beim Kläger bestehe eine Funktionseinschränkung des rechten oberen Sprunggelenkes nach operativ versorgter Fraktur sowie elektrophysiologisch gesicherter Teilschädigung des Nervus femoralis links sowie des Nervus peroneus profundus rechts. Funktionelle Einschränkungen zeigten sich in Bezug auf eine Schwäche der Fußhebung rechts mit Abkippen des rechten Fußes nach lateral beim längeren Gehen bzw dem Gehen unter Belastung, eine belastungsabhängige Knieinstabilität links sowie im Bereich der Kniescheibe eine verminderte Gefühls- und Schmerzwahrnehmung. Das Hüpfen auf dem rechten Bein sei nicht möglich. Ebenso der Liniengang nur unsicher durchführbar. Bei anhaltend hoher Belastung bzw Stress gebe der Kläger migräneartige Kopfschmerzen an. Die Tätigkeit als Berufskraftfahrer sei mit der Gefahr einer Verschlimmerung der gegenwärtigen Behinderungen verbunden. Die Tätigkeit als Lagerist wäre - auch wenn es beim Bewegen des Hubwagens über längere Strecken gelegentlich zu einem subjektiven Schweregefühl der Füße beidseitig komme - ohne Gefahr einer Verschlimmerung der Behinderungen möglich. Längere Wegstrecken zu Fuß sollte der Kläger allerdings vermeiden, spezielle Hilfsmittel am Arbeitsplatz seien nicht erforderlich. Weitere Arbeitsunfähigkeiten als unmittelbare Folge der gegenwärtigen Beeinträchtigungen seien prognostisch unwahrscheinlich, da die Tätigkeit als Lagerist keine unvermeidbare körperliche Überlastung und damit zu keiner Verschlimmerung seiner bestehenden Leiden führen sollte. Die Leistungsfähigkeit sei nicht mehr so gegeben wie vor dem Unfall. Bei Überlastungen könne es zu einem Abknicken des linken Beins im Kniegelenk kommen. Zudem bestehe bei starken Belastungen eine erhöhte Wahrscheinlichkeit für das Auftreten von Kopfschmerzen und daraus resultierenden Aufmerksamkeits- und Konzentrationsstörungen. Von einer krankheitsbedingten Leistungsreduzierung sei auszugehen und das quantitative Leistungsvermögen werde auch durch die unter Belastung auftretenden Schmerzen eingeschränkt.

Mit Urteil vom 28.02.2012 hat das SG die Klage abgewiesen. Der Kläger erfülle nicht die Voraussetzungen für eine Gleichstellung, da sein derzeitiger Arbeitsplatz nicht konkret wegen einer behinderungsbedingten Minderleistung gefährdet sei. Nach den eingeholten Gutachten könne der Kläger die Tätigkeit als Lagerist, auf die er umgesetzt worden sei, weiterhin vollschichtig verrichten. In der Vergangenheit hätten sich keine längeren unfallbedingten Krankheitsfehlzeiten bei ihm ergeben. Auch weitere Zusatzausstattungen am Arbeitsplatz seien nicht erforderlich. Sowohl das Auftreten von Kopfschmerzen in Belastungssituationen als auch eine Gefährdung des Arbeitsplatzes durch eine Wirtschaftskrise könne bei allen Arbeitnehmern auftreten. Behinderungsspezifische Wettbewerbsnachteile im Vergleich zu nicht behinderten Kollegen des Klägers seien nicht erkennbar. Gründe für eine Gleichstellung nach § 2 Abs. 3 erste Alternative SGB IX seien weder vorgetragen, noch ersichtlich.

Dagegen hat der Kläger Berufung zum Bayer. Landessozialgericht eingelegt. Er leide an einer behinderungsbedingten Einschränkung seiner Einsatzfähigkeit und sei nicht mehr entsprechend einsatzfähig und möglicherweise zu versetzen. Bei einer Reduzierung der Belegschaft bestehe die Gefahr einer Kündigung. Auch sei in dem Gutachten vom 22.02.2012 eine krankheitsbedingte Leistungsreduzierung angegeben worden. Sowohl im rechten Fuß als auch im linken Bein sei er eingeschränkt. Er müsse deshalb zwei bis dreimal pro Schicht maximal fünf Minuten Pause machen, worauf er manchmal - nicht aber offiziell - auch angesprochen werde. Andere machten Zigarettenpausen, da sage keiner etwas. Einen Vorwurf habe ihm sein Vorgesetzter deshalb aber nicht gemacht. Die Pausen führten zu einer Minderung der Leistungsfähigkeit und einer Wettbewerbsminderung. Aufgrund von Fehlhaltungen komme es zu Kopfschmerzen, woraus Aufmerksamkeits- und Konzentrationsstörungen resultieren könnten. Im Hinblick auf die Migräneanfälle müsse mit ansteigenden Krankheitszeiten gerechnet werden. Mindestens zwei bis dreimal pro Woche leide er insbesondere beim Wetterumschwung an starken Kopfschmerzen, die auch bis zu zweimal am Tag aufträten. Er gehe deswegen aber nicht gesondert zum Arzt. Ärztlicherseits sei ihm geraten worden, Kopfschmerztabletten zu nehmen und viel zu trinken sowie sich zu schonen. In einem Fall habe er auch wegen der starken Schmerzen gar nicht erst zur Arbeit gehen können. Wenn er nicht den elektrischen Hubwagen nehmen könne, sei er nach längeren Strecken völlig fertig. Füße, Knie und Hüfte schmerzten dann. Es sei nunmehr angeordnet worden, dass die Mitarbeiter im Logistikbereich auch bei der Kommissionierung eingesetzt werden sollen, um dieses Tätigkeitsfeld zu erlernen und ggf mit zu übernehmen. Dies könne der Kläger aber auf keinen Fall, allenfalls für den Zeitraum von einer Stunde. Mittlerweile sei in Tschechien ein Zweitwerk errichtet worden. Eine Gleichstellung würde daher der Sicherung des Arbeitsplatzes dienen. Auch Überstunden könne er nicht machen, was aber derzeit wegen krankheitsbedingter Ausfälle von Kollegen notwendig sei. Die gesundheitlichen Beeinträchtigungen seien nach wie vor vorhanden und hätten sich nicht gebessert. Am 19.10.2017 hat der Kläger zuletzt noch mitgeteilt, er habe sich einer Hüftgelenksoperation unterziehen müssen. Durch eine Schonhaltung sei die rechte Hüfte stärker belastet worden. Bis 19.10.2017 befinde er sich in Reha und sei bis mindestens Januar 2018 arbeitsunfähig. Danach sei erst noch zu prüfen, ob er seine Arbeit weiter ausführen könne, da im Hinblick auf die Operation nun mit weiteren Einschränkungen zu rechnen sei. Die Möglichkeit zur Weiterführung der Tätigkeit auf dem bisherigen Arbeitsplatz sei nicht gesichert. Die Gleichstellung sei zur Absicherung des Arbeitsplatzes angezeigt. Er müsse nunmehr zusätzliche Pausen einlegen, die über die bereits bisher erforderlichen hinausgingen. Möglicherweise könne er die Tätigkeiten im Lager gar nicht mehr ausüben. Aufgrund der weiteren Unfallfolgen habe er nun auch erhebliche Fehlzeiten.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 28.02.2012 aufzuheben und ihn unter Abänderung des Bescheides vom 14.08.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.12.2009 mit einem Schwerbehinderten gleichzustellen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Es fehle jedenfalls an einer aktuellen behinderungsbedingten Gefährdung des Arbeitsplatzes. Negative Reaktionen oder gar eine Kündigungsandrohung habe es im Hinblick auf die notwenigen erhöhten Pausenzeiten nicht gegeben. Erhebliche behinderungsbedingte Fehlzeiten seien ebenfalls nicht erkennbar. Der Arbeitgeber verweise darauf, der Kläger arbeite gleichwertig mit anderen Arbeitnehmern. Er habe einen behinderungsgerechten Arbeitsplatz und eine Umsetzung innerhalb des Betriebes sei nicht möglich. Auch der neuerliche Vortrag könne eine rückwirkende Gleichstellung ab 09.07.2009 nicht begründen. Gleiches gelte derzeit für eine Gleichstellung für die Zukunft, da im Hinblick auf die aktuelle Erkrankung Aussagen zur künftigen Eignung des Arbeitsplatzes rein spekulativ seien.

Der Arbeitgeber hat dem Senat mit Schreiben vom 20.07.2017 (vor der Operation) mitgeteilt, der Kläger arbeite auf einem mit anderen Lagerarbeitsplätzen gleichwertigen Arbeitsplatz. Er arbeite vollwertig wie jeder andere Mitarbeiter in der Betriebslogistik auch. Er habe nicht angegeben, er könne seine Tätigkeit nicht ausüben. Dies sei auch nicht bekannt. Im Falle einer Gleichstellung würde der Kläger weiter auf dem alten Arbeitsplatz beschäftigt werden. Ein behindertengerechter Arbeitsplatz, auf den er umgesetzt werden könnte, sei nicht vorhanden.

Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf die beigezogenen Akten der Beklagten sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz einschließlich der Akten des Verfahrens Bezug genommen.

Gründe

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz -SGG-), aber nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid vom 14.08.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.12.2009 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.

Der Kläger hat keinen Anspruch auf Gleichstellung mit einem schwerbehinderten Menschen. Schwerbehinderten Menschen gleichgestellt werden sollen behinderte Menschen mit einem GdB von weniger als 50, aber wenigstens 30, bei denen die übrigen Voraussetzungen des § 2 Abs. 2 SGB IX vorliegen, wenn sie infolge ihrer Behinderung ohne die Gleichstellung einen geeigneten Arbeitsplatz im Sinne des § 73 SGB IX nicht erlangen oder nicht behalten können (§ 2 Abs. 3 SGB IX). Vorliegend will der Kläger (nur) gleichgestellt werden, um seinen derzeitigen Arbeitsplatz zu behalten. Die Prüfung ist daher auf die Voraussetzungen des § 2 Abs. 3 2. Alt SGB IX beschränkt. Umstände für eine Gleichstellung zur Erlangung eines Arbeitsplatzes wurden nicht vorgetragen. Für die Beurteilung der Tatbestandsvoraussetzungen ist dabei auf den Zeitraum von der Antragstellung bis zur letzten mündlichen Verhandlung abzustellen und es sind alle wesentlichen Änderungen der Sach- und Rechtslage zu berücksichtigen (vgl dazu BSG, Urteil vom 02.03.2000 - B 7 AL 46/99 R - SozR 3-3870 § 2 Nr. 1).

Der Kläger hat seinen Wohnsitz in der Bundesrepublik Deutschland und es ist bei ihm ein GdB von 30 anerkannt. Sein Arbeitsplatz dürfte für ihn als behinderten Menschen auch geeignet sein. Unzweifelhaft handelt es sich um einen Arbeitsplatz mit einem Arbeitszeitumfang von mindestens 18 Stunden wöchentlich iSv § 73 SGB IX. Für die Annahme eines „geeigneten“ Arbeitsplatzes darf der behinderte Mensch grundsätzlich durch die geschuldete Arbeitsleistung nicht gesundheitlich überfordert werden, wenngleich das Auftreten oder Hinzutreten einer behinderungsbedingten Einschränkung des beruflichen Leistungsvermögens für sich genommen noch nicht zum Wegfall der Geeignetheit des Arbeitsplatzes führt. Insofern bestimmt sich die Geeignetheit des Arbeitsplatzes individuell-konkret nach dem Eignungs- und Leistungspotential des behinderten Menschen (BSG, Urteil vom 06.08.2014 - B 11 AL 16/13 R - BSGE 116, 272; Urteil vom 02.03.2000 - B 7 AL 46/99 R - BSGE 86, 10). Auch mit seinen gesundheitlichen Einschränkungen insbesondere aufgrund der gesundheitlichen Probleme hinsichtlich des rechten Sprunggelenks, des linken Unterschenkels, der Hüfte und der Kopfschmerzen kann der Kläger unter Inkaufnahme kleinerer Pausen die an ihn gestellten Anforderungen als Lagerarbeiter erfüllen. Mit der Umsetzung auf diesen Arbeitsplatz hat der Arbeitgeber bereits den Folgen des Arbeitsunfalls von 2007 Rechnung getragen. Der vom Arbeitgeber beschriebene Tätigkeitsbereich (Abnahme, Einlagern und Buchen von Spritzteilen aus der Spritzerei, Versorgung der Produktion mit Leerkartonagen sowie nach Bedarf Zerlegen oder Zusammenfalten von Kartonagen und Deckeln) kann vom Kläger bewältigt werden. Dass sich der Tätigkeitsbereich auch grundsätzlich auf den Bereich der Kommissionierung ausgeweitet hat, kann der Tätigkeitsbeschreibung des Arbeitgebers nicht entnommen werden. Im Übrigen kann der behinderte Mensch immer nur den Arbeitsplatz „behalten“, den er konkret innehat, so dass die Frage nach der Eignung „eines“ Arbeitsplatzes für den behinderten Menschen nicht abstrakt für alle Arbeitsplätze geprüft werden kann (vgl BSG, Urteil vom 06.08.2014 - B 11 AL 16/13 R - BSGE 116, 272).

Es fehlt jedoch an einer notwendigen Erforderlichkeit der Gleichstellung. So muss zwischen der Behinderung und der Erforderlichkeit der Gleichstellung ein Ursachenzusammenhang bestehen („infolge“), der gegeben ist, wenn bei wertender Betrachtung in der Art und Schwere der Behinderung die Schwierigkeit begründet ist, den geeigneten Arbeitsplatz zu behalten (vgl BSG, Urteil vom 06.08.2014 - B 11 AL 16/13 R - BSGE 116, 272; Urteil vom 01.03.2011 - B 7 AL 6/10 R - BSGE 108, 4). Der behinderte Mensch muss bei wertender Betrachtung (im Sinne einer wesentlichen Bedingung) in seiner Wettbewerbsfähigkeit gegenüber den Nichtbehinderten in besonderer Weise beeinträchtigt und deshalb nur schwer vermittelbar sein. Hierfür ist es einerseits ausreichend, wenn die Behinderung zumindest eine wesentliche Mitursache für die Arbeitsmarktprobleme des behinderten Menschen ist, andererseits genügt es nicht, wenn lediglich betriebliche Defizite bestehen, die nicht auf der Behinderung beruhen. Für die Bejahung eines Kausalzusammenhangs genügt es, dass der Arbeitsplatz durch die Gleichstellung mit hinreichender Wahrscheinlichkeit sicherer gemacht werden kann. Anknüpfungstatsachen für die Kausalitätsprüfung können sich durch die Befragung des Arbeitgebers, Betriebsrat oder Personalvertretungen, aus behinderungsbedingten Fehlzeiten, die Rückschlüsse auf die Gefährdung der Teilhabe am Arbeitsleben zulassen, dem Ob und dem Umfang des Bedarfs an technischen Hilfen, aus Abmahnungen oder Abfindungsangeboten im Zusammenhang mit behinderungsbedingt verminderter Leistungsfähigkeit oder notwendigen Hilfeleistungen anderer Mitarbeiter sowie einer eingeschränkten beruflichen Mobilität ergeben (vgl dazu insgesamt auch BSG, Urteil vom 06.08.2014 - B 11 AL 16/13 R - BSGE 116, 272 - mwN).

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze vermag der Senat derzeit keine Erforderlichkeit für die Gleichstellung des Klägers mit einem schwerbehinderten Menschen festzustellen. Unzweifelhaft leidet er an verschiedenen gesundheitlichen Einschränkungen. So wird zuletzt im Gutachten des Dr. N. vom 15.12.2014 im Verfahren S 12 SB 531/09 festgestellt, dass beim Kläger eine Bewegungseinschränkung und Funktionsbeeinträchtigung des rechten Sprunggelenks bei Zustand nach Sprunggelenksfraktur, eine Weichteilschwellung und Schwellungsneigung bzgl des rechten Fußes bei Zustand nach dreigradiger Weichteilwunde und plastischer Deckung, ein vermindertes Tastempfinden am linken Knie (Störung der Hautnerven), eine Narbenbildung am Rücken bei Zustand nach Muskelentnahme (im Rahmen der Defektbildung am rechten Fuß), ein mit Knickbildung ausgeheilter Bruch des zwölften Brustwirbelkörpers, Verschleißzeichen des rechten Hüftgelenkes (Dysplasiecoxarthrose) sowie ein Knick-Senk-Fuß beidseits sowie eine Nervenschädigung mit Gefühlsstörung am linken Knie bestehen. Weiter hat der Kläger angegeben, unter migräneartigen Kopfschmerzen zu leiden. Eine Einschränkung seiner Wettbewerbsfähigkeit gegenüber Nichtbehinderten kann darin aber nicht gesehen werden. Es ist weder vorgetragen noch ersichtlich, dass beim Kläger signifikante behinderungsbedingte Fehlzeiten aufgetreten wären. Einzig im Hinblick auf die Kopfschmerzen wurde vorgebracht, dass er deshalb an einem Morgen nicht zur Arbeit habe gehen können. Dies stellt aber im Vergleich zu anderen Arbeitnehmern keine ungewöhnliche Erhöhung von Fehlzeiten dar. Als technische Hilfen, die dem Kläger zur Arbeitserleichterung zur Verfügung stehen, ist ein elektrischer Hubwagen von ihm erwähnt worden. Ein solcher ist jedoch nicht erkennbar speziell für den Kläger zur Verfügung gestellt, sondern gehört in der Regel allgemein zur Ausstattung von größeren Lagern. Soweit der Kläger ausgeführt hat, er sei völlig fertig, wenn er mit dem normalen Hubwagen durch die ganze Firma laufen müsse, ist nachvollziehbar, dass dies beschwerlich sein kann. Dies gilt aber in gewissem Maße auch für Mitarbeiter ohne gesundheitliche Einschränkungen. Dass der Kläger auf die Unterstützung durch andere Mitarbeiter wegen seiner Behinderung angewiesen wäre, ist weder vorgetragen noch ersichtlich. Gleiches gilt für das Vorliegen von Abmahnungen oder Abfindungsangeboten. Vielmehr ergibt sich aus der Stellungnahme des Arbeitgebers, dass er vollwertig wie jeder andere Mitarbeiter in der Betriebslogistik arbeite. Die angegebenen Pausenzeiten, die während des Arbeitstages aufgrund der gesundheitlichen Einschränkungen gemacht werden müssen, sind auch nicht unangemessen. So hat er angegeben, er müsse pro Schicht zwei bis dreimal fünf Minuten Pause machen. Dies entspricht durchaus dem Umfang, den andere Arbeitnehmer für Zigarettenpausen benötigen. Einen entsprechenden Vergleich hat der Kläger selbst angesprochen. Auch hat er angegeben, er sei deshalb von seinem Vorgesetzten noch nicht angesprochen worden. Soweit andere Mitarbeiter ihn deshalb ansprechen, wäre dies für die vorliegend vorzunehmende Prüfung unerheblich. Dass sich an der Situation etwas geändert hat, ist weder vorgetragen noch ersichtlich.

Auch der Verweis auf eine Gefährdung des Arbeitsplatzes im Hinblick auf eine Wirtschaftskrise oder die Eröffnung eines Zweitwerkes in Tschechien ist nicht geeignet eine andere Beurteilung vorzunehmen. Sofern damit ein Arbeitsplatzabbau in Zukunft hypothetisch verbunden sein sollte, ist nach den obigen Ausführungen nicht erkennbar, dass der Kläger hier im Vergleich zu anderen Mitarbeitern benachteiligt wäre. Vielmehr wäre er insofern denselben Risiken eines Arbeitslatzverlustes - unabhängig von seiner Behinderung - ausgesetzt.

Soweit der Kläger zuletzt noch auf eine Hüftgelenksoperation hingewiesen hat, waren entsprechende Auswirkungen nicht entscheidungserheblich, da eine Änderung der Sachlage damit (noch) nicht eingetreten ist. Es ist - auch nach den Ausführungen des Klägers - derzeit völlig offen, ob er seine bisherige Arbeit bei seinem Arbeitgeber nach Wiedererlangung seiner Arbeitsfähigkeit noch ausüben kann. Sollte dies nicht der Fall sein, würde es aber schon an einem geeigneten Arbeitsplatz fehlen. Der Arbeitgeber hat ausgeführt, dass behinderungsgerechte Arbeitsplätze nicht bei ihm vorhanden wären. Gegenteiliges hat der Kläger weder behauptet, noch gibt es dafür Anhaltspunkte. Nicht auszuschließen ist aber auch, dass die Hüftgelenksoperation zu einer Besserung des Gesundheitszustandes führen wird und der Kläger bei Ausübung seiner Tätigkeit sogar noch weniger Probleme haben könnte als zuvor. Möglicherweise kann der Kläger zwar die bisherige Tätigkeit mit weiteren Einschränkungen, wie zB einer weiteren Ausdehnung der Pausenzeiten, wieder ausüben. Dies ist jedoch zum jetzigen Zeitpunkt nicht absehbar oder feststehend. Die Nachweislast für das Vorliegen der Gefährdung seines Arbeitsplatzes durch die Behinderung liegt aber beim Kläger. Der Senat sieht daher zur Zeit keinen Anlass, aktuelle Befundberichte beizuziehen, denn die Folgen der Operation können erst nach Abklingen der Operationsfolgen und Wiedereintritt der Arbeitsfähigkeit festgestellt werden. Sollte sich die Sachlage zu seinem Nachteil ändern, besteht die Möglichkeit, erneut einen Antrag auf Gleichstellung bei der Beklagten zu stellen.

Da der Kläger infolge der Auswirkungen seiner Behinderung zur Sicherung des konkreten, geeigneten Arbeitsplatzes derzeit nicht der Gleichstellung bedarf, hat er keinen Anspruch auf die Gleichstellung mit einem schwerbehinderten Menschen. Die Berufung war somit zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Gründe, die Berufung nach § 160 Abs. 2 Nrn 1 und 2 SGG zuzulassen, sind nicht ersichtlich.

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Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 193


(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen ha

Neuntes Buch Sozialgesetzbuch - SGB 9 2018 | § 2 Begriffsbestimmungen


(1) Menschen mit Behinderungen sind Menschen, die körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen haben, die sie in Wechselwirkung mit einstellungs- und umweltbedingten Barrieren an der gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft m

Neuntes Buch Sozialgesetzbuch - SGB 9 2018 | § 73 Reisekosten


(1) Als Reisekosten werden die erforderlichen Fahr-, Verpflegungs- und Übernachtungskosten übernommen, die im Zusammenhang mit der Ausführung einer Leistung zur medizinischen Rehabilitation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben stehen. Zu den Reisekosten

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Bundessozialgericht Urteil, 01. März 2011 - B 7 AL 6/10 R

bei uns veröffentlicht am 01.03.2011

Tenor Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 30. April 2009 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht z

Referenzen

(1) Menschen mit Behinderungen sind Menschen, die körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen haben, die sie in Wechselwirkung mit einstellungs- und umweltbedingten Barrieren an der gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate hindern können. Eine Beeinträchtigung nach Satz 1 liegt vor, wenn der Körper- und Gesundheitszustand von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweicht. Menschen sind von Behinderung bedroht, wenn eine Beeinträchtigung nach Satz 1 zu erwarten ist.

(2) Menschen sind im Sinne des Teils 3 schwerbehindert, wenn bei ihnen ein Grad der Behinderung von wenigstens 50 vorliegt und sie ihren Wohnsitz, ihren gewöhnlichen Aufenthalt oder ihre Beschäftigung auf einem Arbeitsplatz im Sinne des § 156 rechtmäßig im Geltungsbereich dieses Gesetzbuches haben.

(3) Schwerbehinderten Menschen gleichgestellt werden sollen Menschen mit Behinderungen mit einem Grad der Behinderung von weniger als 50, aber wenigstens 30, bei denen die übrigen Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen, wenn sie infolge ihrer Behinderung ohne die Gleichstellung einen geeigneten Arbeitsplatz im Sinne des § 156 nicht erlangen oder nicht behalten können (gleichgestellte behinderte Menschen).

(1) Als Reisekosten werden die erforderlichen Fahr-, Verpflegungs- und Übernachtungskosten übernommen, die im Zusammenhang mit der Ausführung einer Leistung zur medizinischen Rehabilitation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben stehen. Zu den Reisekosten gehören auch die Kosten

1.
für besondere Beförderungsmittel, deren Inanspruchnahme wegen der Art oder Schwere der Behinderung erforderlich ist,
2.
für eine wegen der Behinderung erforderliche Begleitperson einschließlich des für die Zeit der Begleitung entstehenden Verdienstausfalls,
3.
für Kinder, deren Mitnahme an den Rehabilitationsort erforderlich ist, weil ihre anderweitige Betreuung nicht sichergestellt ist sowie
4.
für den erforderlichen Gepäcktransport.

(2) Während der Ausführung von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben werden im Regelfall auch Reisekosten für zwei Familienheimfahrten je Monat übernommen. Anstelle der Kosten für die Familienheimfahrten können für Fahrten von Angehörigen vom Wohnort zum Aufenthaltsort der Leistungsempfänger und zurück Reisekosten übernommen werden.

(3) Reisekosten nach Absatz 2 werden auch im Zusammenhang mit Leistungen zur medizinischen Rehabilitation übernommen, wenn die Leistungen länger als acht Wochen erbracht werden.

(4) Fahrkosten werden in Höhe des Betrages zugrunde gelegt, der bei Benutzung eines regelmäßig verkehrenden öffentlichen Verkehrsmittels der niedrigsten Beförderungsklasse des zweckmäßigsten öffentlichen Verkehrsmittels zu zahlen ist, bei Benutzung sonstiger Verkehrsmittel in Höhe der Wegstreckenentschädigung nach § 5 Absatz 1 des Bundesreisekostengesetzes. Bei Fahrpreiserhöhungen, die nicht geringfügig sind, hat auf Antrag des Leistungsempfängers eine Anpassung der Fahrkostenentschädigung zu erfolgen, wenn die Maßnahme noch mindestens zwei weitere Monate andauert. Kosten für Pendelfahrten können nur bis zur Höhe des Betrages übernommen werden, der unter Berücksichtigung von Art und Schwere der Behinderung bei einer zumutbaren auswärtigen Unterbringung für Unterbringung und Verpflegung zu leisten wäre.

(1) Menschen mit Behinderungen sind Menschen, die körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen haben, die sie in Wechselwirkung mit einstellungs- und umweltbedingten Barrieren an der gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate hindern können. Eine Beeinträchtigung nach Satz 1 liegt vor, wenn der Körper- und Gesundheitszustand von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweicht. Menschen sind von Behinderung bedroht, wenn eine Beeinträchtigung nach Satz 1 zu erwarten ist.

(2) Menschen sind im Sinne des Teils 3 schwerbehindert, wenn bei ihnen ein Grad der Behinderung von wenigstens 50 vorliegt und sie ihren Wohnsitz, ihren gewöhnlichen Aufenthalt oder ihre Beschäftigung auf einem Arbeitsplatz im Sinne des § 156 rechtmäßig im Geltungsbereich dieses Gesetzbuches haben.

(3) Schwerbehinderten Menschen gleichgestellt werden sollen Menschen mit Behinderungen mit einem Grad der Behinderung von weniger als 50, aber wenigstens 30, bei denen die übrigen Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen, wenn sie infolge ihrer Behinderung ohne die Gleichstellung einen geeigneten Arbeitsplatz im Sinne des § 156 nicht erlangen oder nicht behalten können (gleichgestellte behinderte Menschen).

(1) Als Reisekosten werden die erforderlichen Fahr-, Verpflegungs- und Übernachtungskosten übernommen, die im Zusammenhang mit der Ausführung einer Leistung zur medizinischen Rehabilitation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben stehen. Zu den Reisekosten gehören auch die Kosten

1.
für besondere Beförderungsmittel, deren Inanspruchnahme wegen der Art oder Schwere der Behinderung erforderlich ist,
2.
für eine wegen der Behinderung erforderliche Begleitperson einschließlich des für die Zeit der Begleitung entstehenden Verdienstausfalls,
3.
für Kinder, deren Mitnahme an den Rehabilitationsort erforderlich ist, weil ihre anderweitige Betreuung nicht sichergestellt ist sowie
4.
für den erforderlichen Gepäcktransport.

(2) Während der Ausführung von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben werden im Regelfall auch Reisekosten für zwei Familienheimfahrten je Monat übernommen. Anstelle der Kosten für die Familienheimfahrten können für Fahrten von Angehörigen vom Wohnort zum Aufenthaltsort der Leistungsempfänger und zurück Reisekosten übernommen werden.

(3) Reisekosten nach Absatz 2 werden auch im Zusammenhang mit Leistungen zur medizinischen Rehabilitation übernommen, wenn die Leistungen länger als acht Wochen erbracht werden.

(4) Fahrkosten werden in Höhe des Betrages zugrunde gelegt, der bei Benutzung eines regelmäßig verkehrenden öffentlichen Verkehrsmittels der niedrigsten Beförderungsklasse des zweckmäßigsten öffentlichen Verkehrsmittels zu zahlen ist, bei Benutzung sonstiger Verkehrsmittel in Höhe der Wegstreckenentschädigung nach § 5 Absatz 1 des Bundesreisekostengesetzes. Bei Fahrpreiserhöhungen, die nicht geringfügig sind, hat auf Antrag des Leistungsempfängers eine Anpassung der Fahrkostenentschädigung zu erfolgen, wenn die Maßnahme noch mindestens zwei weitere Monate andauert. Kosten für Pendelfahrten können nur bis zur Höhe des Betrages übernommen werden, der unter Berücksichtigung von Art und Schwere der Behinderung bei einer zumutbaren auswärtigen Unterbringung für Unterbringung und Verpflegung zu leisten wäre.

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 30. April 2009 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Im Streit ist ein Anspruch des Klägers auf Gleichstellung mit einem Schwerbehinderten nach § 2 Abs 3 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch - Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen - (SGB IX).

2

Der 1966 geborene Kläger ist Beamter auf Lebenszeit. Seit 1992 ist er bei der Deutschen Telekom AG beschäftigt und seit November 2002 als Transfermitarbeiter bei der Personal-Service-Agentur Vivento, einer 100 %-igen Tochter der Deutschen Telekom AG, eingesetzt. Die Personal-Service-Agentur Vivento bietet Outsourcing und Projektmanagement an und vermittelt Fachpersonal zu Unternehmen und Behörden. Das zuständige Versorgungsamt stellte zugunsten des Klägers einen Grad der Behinderung (GdB) von 30 ua wegen eines psychischen Leidens fest (Bescheid vom 8.6.2005; Widerspruchsbescheid vom 11.7.2005).

3

Den Antrag des Klägers vom 26.8.2005, ihn mit einem schwerbehinderten Menschen gleichzustellen, lehnte die Beklagte ab (Bescheid vom 25.1.2006; Widerspruchsbescheid vom 1.12.2006). Klage und Berufung sind ohne Erfolg geblieben (Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mainz vom 30.6.2008; Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 30.4.2009). Zur Begründung seiner Entscheidung hat das LSG ausgeführt, dass der Kläger angesichts der Unkündbarkeit als Beamter auf Lebenszeit keiner Konkurrenzsituation ausgesetzt sei, die eine Gleichstellung mit Schwerbehinderten rechtfertige. Nur in Ausnahmefällen könnten auch Arbeitsplätze von Beamten auf Lebenszeit gefährdet sein, beispielsweise, wenn die Behörde aufgelöst werde oder der Dienstherr ein Verfahren auf Zur-Ruhe-Setzung wegen Dienstunfähigkeit einleite. Es gebe keine Anhaltspunkte dafür, dass der Arbeitsplatz des Klägers auch nur abstrakt gefährdet sei. Deshalb bedürfe die Frage, ob er rechtmäßig als Transfermitarbeiter eingesetzt werde, keiner abschließenden Beurteilung. Unerheblich sei auch, ob die Personal-Service-Agentur Vivento ggf erwäge, den Kläger an eine andere Organisationseinheit zu versetzen. Der Kläger sei durch seinen Beamtenstatus hinreichend gegen widerrechtliche Versetzungen und den Verlust eines amtsangemessenen Arbeitsplatzes geschützt.

4

Mit der Revision rügt der Kläger eine Verletzung des § 2 Abs 3 SGB IX, der grundsätzlich auch auf Beamte Anwendung finde. Dies gelte jedenfalls in Fällen, in denen - wie hier - ein Beamter aus dem klassischen Beamtenverhältnis gezwungenermaßen heraustrete, ihm kein Dienstposten mehr zugewiesen und er aufgefordert werde, sich zu bewerben. Betroffene Beamte müssten vielfach auf den offenen Arbeitsmarkt ausweichen bzw sollten durch Transfergesellschaften wie Vivento dauerhaft vermittelt werden und gerieten so in eine dem Beamtenverhältnis untypische Konkurrenzsituation. Das LSG habe seinen Vortrag verfahrensfehlerhaft unberücksichtigt gelassen und hierdurch sein rechtliches Gehör verletzt.

5

Der Kläger beantragt,
das Urteil des LSG und den Gerichtsbescheid des SG sowie den Bescheid der Beklagten vom 25.1.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 1.12.2006 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, ihn einem Schwerbehinderten gleichzustellen.

6

Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

7

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Entscheidungsgründe

8

Die Revision des Klägers ist im Sinne der Aufhebung und Zurückverweisung der Sache an das LSG begründet (§ 170 Abs 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz). Es fehlen hinreichende tatsächliche Feststellungen (§ 163 SGG) zu den Voraussetzungen für eine Gleichstellung nach § 2 Abs 3 SGB IX.

9

Gegenstand des Revisionsverfahrens ist der Bescheid der Beklagten vom 25.1.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 1.12.2006 (§ 95 SGG), gegen den sich der Kläger mit der Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§ 54 Abs 1 Satz 1, § 56 SGG) wehrt.

10

Nach § 2 Abs 3 SGB IX(in der Normfassung des SGB IX vom 19.6.2001 - BGBl I 1056) sollen behinderte Menschen mit einem GdB von weniger als 50, aber wenigstens 30, bei denen die übrigen Voraussetzungen des § 2 Abs 2 SGB IX vorliegen, schwerbehinderten Menschen(mit einem GdB von wenigstens 50; § 2 Abs 2 SGB IX) gleichgestellt werden, wenn sie infolge ihrer Behinderung ohne die Gleichstellung einen geeigneten Arbeitsplatz iS des § 73 SGB IX nicht erlangen oder nicht behalten können. § 2 Abs 2 SGB IX knüpft die Schwerbehinderung an einen GdB von 50 sowie den Wohnsitz, gewöhnlichen Aufenthalt oder die rechtmäßige Beschäftigung iS des § 73 SGB IX im Geltungsbereich dieses Gesetzes.

11

Zwar erfüllt der Kläger die persönlichen Voraussetzungen eines anerkannten GdB von 30 und des Wohnsitzes in der Bundesrepublik Deutschland; jedoch ist der Senat mangels ausreichender tatsächlicher Feststellungen des LSG nicht in der Lage zu beurteilen, ob der Kläger infolge seiner Behinderung ohne die Gleichstellung einen geeigneten Arbeitsplatz nicht (behalten oder) erlangen kann. Ein Anspruch des Klägers ist jedenfalls nicht schon mangels Gefährdung seines Arbeitsplatzes ausgeschlossen.

12

Die Gleichstellung Beamter (oder anderer unkündbarer Arbeitnehmer) scheidet zunächst - wovon auch das LSG ausgeht - nicht generell wegen deren Unkündbarkeit aus. Dies zeigt schon der Wortlaut des § 2 Abs 3 SGB IX in seiner Bezugnahme auf § 73 SGB IX, der den Begriff des Arbeitsplatzes als Stelle definiert, auf der Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen, Beamte und Beamtinnen, Richter und Richterinnen sowie Auszubildende und andere zu ihrer beruflichen Bildung Eingestellte beschäftigt werden. Auch Sinn und Zweck der Gleichstellung lassen nicht den Schluss zu, dass Beamte nicht dem Anwendungsbereich des § 2 Abs 3 SGB IX unterfallen. Die Gleichstellung dient dazu, die ungünstige Konkurrenzsituation des Behinderten am Arbeitsplatz und auf dem Arbeitsmarkt zu verbessern und somit den Arbeitsplatz sicherer zu machen oder seine Vermittlungschancen zu erhöhen (BSGE 86, 10, 14 f = SozR 3-2870 § 2 Nr 1 S 6 f). Dabei unterscheidet das Gesetz zwischen zwei Alternativen, nämlich der Gleichstellung zum Erhalt des Arbeitsplatzes (Alternative 2) sowie der Gleichstellung zur Erlangung eines geeigneten Arbeitsplatzes iS des § 73 SGB IX (Alternative 1), die kumulativ, aber auch nur alternativ vorliegen können(BSGE 86, 10, 14 f = SozR 3-3870 § 2 Nr 1 S 6 f).

13

Die Gleichstellung zum Erhalt des Arbeitsplatzes dient dazu, bei einer Arbeitsplatzgefährdung den Arbeitsplatz sicherer zu machen. Deshalb bedarf es - wie das LSG zu Recht annimmt - einer besonderen Prüfung bei Personengruppen mit einem "sicheren Arbeitsplatz", wie bei Beamten, Richtern auf Lebenszeit und Arbeitnehmern mit besonderem Kündigungsschutz (Backendorf/Ritz in Bihr/Fuchs/Krauskopf/Ritz, SGB IX, 2006, § 68 RdNr 39). Bei diesen Personengruppen können die allgemeinen Voraussetzungen der Gleichstellung wegen Arbeitsplatzgefährdung zwar vorliegen, es bedarf aber einer besonderen Begründung, warum trotz Kündigungsschutz der Arbeitsplatz nachvollziehbar unsicherer ist als bei einem nichtbehinderten Kollegen. Dies ist bei einem Beamten beispielsweise der Fall, wenn behinderungsbedingt die Versetzung in den Ruhestand (LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 23.5.2002 - L 9 AL 241/01; LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 10.11.1995 - L 6 AR 159/94 -, ZfS 1996, 375 ff; Luthe in jurisPraxiskommentar SGB IX, 2010, § 2 RdNr 102; Backendorf/Ritz, aaO, RdNr 39) oder die behinderungsbedingte Versetzung oder Umsetzung auf einen anderen nicht gleichwertigen Arbeitsplatz droht (Backendorf/Ritz aaO; Luthe aaO). Einen Gleichstellungsanspruch wegen Arbeitsplatzgefährdung nehmen Rechtsprechung und Literatur daneben auch dann an, wenn die Behörde aufgelöst wird (LSG Nordrhein-Westfalen aaO; Luthe aaO; Cramer, Schwerbehindertengesetz, 5. Aufl 1998, § 2 RdNr 5), obwohl in einem solchen Fall der Arbeitsplatz nicht (nur) gefährdet ist, sondern tatsächlich wegfällt und auch nicht zu erkennen ist, weshalb bei der Auflösung einer Behörde der Arbeitsplatz nachvollziehbar unsicherer ist als bei einem nichtbehinderten Kollegen. Hier wäre - wegen des Verlustes des Arbeitsplatzes - eher an eine Gleichstellung zur Erlangung eines geeigneten (neuen) Arbeitsplatzes zu denken (siehe dazu unten).

14

Das LSG hat einen drohenden Verlust des Arbeitsplatzes bezogen auf die Tätigkeit als "Transfermitarbeiter" bei der Vivento im Hinblick auf die Unkündbarkeit des Klägers zwar pauschal und ohne nähere Begründung verneint. Der Kläger hatte seinen ursprünglichen Arbeitsplatz mit dem Wechsel in diese Gesellschaft, bei der er seit November 2002 eingesetzt und als "Transfermitarbeiter" geführt wird, allerdings bereits verloren. Das LSG hätte sich deshalb nicht mit der Prüfung der 2. Alternative des § 2 Abs 3 SGB IX (Gleichstellung zum Erhalt des Arbeitsplatzes) begnügen dürfen. Vielmehr hätte es auch bei Unkündbarkeit des Klägers prüfen müssen, ob wegen der besonderen Umstände des Einzelfalls die Voraussetzungen der 1. Alternative des § 2 Abs 3 SGB IX (Gleichstellung zur Erlangung eines geeigneten Arbeitsplatzes) vorliegen. Solche besonderen Umstände liegen vor, wenn der ursprüngliche Arbeitsplatz eines Beamten nicht mehr existiert, sei es, weil die Behörde aufgelöst wurde, sei es aus anderen Gründen, und der Beamte in eine andere Beschäftigung oder Tätigkeit vermittelt werden soll und selbst eine solche Vermittlung - unabhängig von der Frage eines Anspruchs auf eine amtsangemessene Beschäftigung - wünscht. Ob der Beamtenstatus hinreichend gegen (widerrechtliche) Versetzungen und den Verlust eines amtsangemessenen Arbeitsplatzes schützt, ist dabei ohne Bedeutung. Die Freiheit, auch als Beamter ein neues Tätigkeitsfeld zu suchen, kann nämlich nicht dadurch eingeschränkt werden, dass ein Beamter gegenüber anderen behinderten Arbeitnehmern bei der Arbeitsuche schlechter gestellt wird.

15

Ob eine derartige Fallgestaltung vorliegt, kann den Feststellungen des LSG nicht entnommen werden. Danach hat der Betriebsrat zwar auf Anfrage der Beklagten mitgeteilt, dass der Kläger "Transfermitarbeiter" sei und versucht werde, ihn auf einen Dauerarbeitsplatz zu vermitteln, wobei Schwerbehinderte und mit Schwerbehinderten gleichgestellte Menschen bei gleicher Eignung bei allen Stellenbesetzungen bevorzugt würden. Eigene Feststellungen des LSG hierzu fehlen jedoch. Diese wird es ggf nachzuholen haben. Um den Vermittlungswunsch des Beamten zu belegen, ist dabei schon der Antrag, einem Schwerbehinderten gleichgestellt zu werden, ausreichend. Ihm kann insoweit indizielle Bedeutung beigemessen werden, ohne dass es einer ausdrücklichen Erklärung des Beamten oder einer Glaubhaftmachung hinsichtlich des Vermittlungswunsches bedarf. Ein Anspruch auf Gleichstellung kommt allerdings nur dann in Betracht, wenn der Kläger "infolge" seiner Behinderung (Kausalität) bei wertender Betrachtung (im Sinne einer wesentlichen Bedingung) in seiner Wettbewerbsfähigkeit gegenüber den Nichtbehinderten in besonderer Weise beeinträchtigt und deshalb nur schwer vermittelbar ist. Entscheidendes Kriterium für die Gleichstellung ist deshalb die mangelnde Konkurrenzfähigkeit des Behinderten wegen seiner Behinderung auf dem Arbeitsmarkt, und zwar auf dem Arbeitsmarkt insgesamt, nicht etwa nur bezogen auf einen bestimmten Arbeitsplatz (BSGE 86, 10, 14 f = SozR 3-3870 § 2 Nr 1 S 6 f). Aus der besonders geregelten und geschützten Stellung des Beamten resultiert kein mangelnder Bezug zum Arbeitsmarkt, wie schon § 73 SGB IX zeigt (siehe oben). Die Konkurrenzfähigkeit des Klägers misst sich dabei nicht allein an seiner früheren - bis 2002 oder in der Vivento ausgeübten - Tätigkeit und seinen beruflichen Wünschen, sondern auch an den Tätigkeiten, auf die etwaige Vermittlungsbemühungen erstreckt werden. Entsprechende Feststellungen wird das LSG ggf nachzuholen haben (zum maßgebenden Zeitpunkt für die Beurteilung einer Gleichstellung vgl BSG, aaO).

16

Sollte das LSG eine mangelnde Konkurrenzfähigkeit des Klägers im dargestellten Sinne feststellen, hat der Kläger einen Anspruch ("soll") auf die Gleichstellung zur Erlangung eines geeigneten Arbeitsplatzes. Sie hat zur Folge, dass der Gleichgestellte auf die Pflichtplatzquote des Arbeitgebers angerechnet wird. Für einen potenziellen Arbeitgeber wird auf diese Weise ein Anreiz geschaffen, den Arbeitslosen einzustellen. Mit der Formulierung "soll" in § 2 Abs 3 SGB IX hat der Gesetzgeber - wie auch in anderen vergleichbaren Fällen - der Arbeitsagentur ein gebundenes Ermessen zugestanden. Die Sollvorschrift gibt der Arbeitsagentur nur dann die Möglichkeit zu einer anderen Entscheidung als der Gleichstellung, wenn außergewöhnliche Umstände dies rechtfertigen (atypischer Fall). Auch insoweit hat das LSG ggf entsprechende Feststellungen nachzuholen. Im Übrigen wird das LSG auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu befinden haben.

(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.

(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.

(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.

(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.