Bayerisches Landessozialgericht Beschluss, 16. Juli 2014 - L 19 R 504/14 B ER
Gericht
Principles
Tenor
I.
Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Würzburg
II.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
I.
In dem Beschwerdeverfahren ist die sofortige Auszahlung einer Rentennachzahlung streitig.
Mit Bescheid vom 06.02.2013 bewilligte die Beschwerdegegnerin (Bg) dem Beschwerdeführer (Bf) Altersrente für schwerbehinderte Menschen ab 01.10.2012 mit einem monatlichen Zahlbetrag von 697,00 EUR. Der Bescheid wurde mit Widerspruch vom 01.03.2013 angefochten.
Wegen der Berücksichtigung weiterer Beitragszeiten stellte die Bg die Rente mit Bescheid vom 05.03.2014 neu fest. Der monatliche Auszahlbetrag der Rente betrage nunmehr 799,11 EUR. Für die Zeit vom 01.10.2012 bis zum 30.04.2014 ergebe sich eine Nachzahlung von 1.907,11 EUR. Die Nachzahlung werde vorläufig nicht ausgezahlt. Zunächst seien Erstattungsansprüche anderer Stellen zu klären. Sobald die Höhe der Ansprüche bekannt sei, werde die Nachzahlung abgerechnet. In der Rechtsmittelbelehrung wies die Bg darauf hin, dass der Bescheid aufgrund des Widerspruchs vom 01.03.2013 ergangen und nach § 86 Sozialgerichtsgesetz (SGG) Gegenstand des anhängigen Widerspruchsverfahrens gegen den Bescheid vom 06.02.2013 geworden sei.
Am 04.04.2014 hat der Bf beim Sozialgericht (SG) Würzburg beantragt, die Bg im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes zu verpflichten, ihm die Rentennachzahlung in Höhe von 1.907,11 Euro sofort auszuzahlen. Diese Nachzahlung werde von ihm benötigt, da er Zusatzkosten für seine ärztliche Behandlung zu zahlen habe. Seit Januar 2014 seien es Zusatzkosten in Höhe von 800,00 EUR gewesen. Es sei ihm nicht möglich, diese ständig entstehenden Kosten aus seiner Rente zu bezahlen.
Die Bg hat dem SG ein Schreiben des Jobcenters Landkreis Würzburg vom 10.04.2014 zugeleitet, mit dem das Jobcenter einen Erstattungsanspruch in Höhe von insgesamt 1.278,04 EUR gegenüber der Bg geltend macht, sowie ein Schreiben der Sozialhilfeverwaltung des Landkreises Würzburg vom 22.04.2014, in dem eine Erstattung in voller Höhe des Nachzahlungsbetrages beansprucht wird.
Am 28.04.2014 hat die Bg dem SG einen Aktenauszug (Verfügung) vom 28.04.2014 über eine an den Bf gerichtete Abrechnung übersandt. Danach stehe von der einbehaltenen Rentennachzahlung kein Nachzahlungsbetrag mehr zur Verfügung. Ein Betrag von 501,43 EUR sei zur Erfüllung des Erstattungsanspruchs des Jobcenters für die Zeit 01.10.2012 bis 28.02.2013 sowie ein Betrag von 1.405,68 Euro sei zur Erfüllung des Erstattungsanspruchs der Sozialhilfeverwaltung des Landkreises Würzburg für die Zeit 01.03.2013 bis 30.04.2014 verrechnet bzw. überwiesen worden. Der geltend gemachte Erstattungsanspruch des Jobcenters bedürfe noch einer weiteren eingehenden Prüfung; der Erstattungsbetrag von 501,43 Euro sei deshalb an das Jobcenter noch nicht ausgezahlt worden; zu gegebener Zeit ergehe hierzu eine weitere Nachricht.
Mit Beschluss vom 02.05.2014 hat das SG den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt. Die Voraussetzungen für das Vorliegen eines Anordnungsanspruches und eines Anordnungsgrundes seien nicht erfüllt. Nach den Erstattungsbegehren des Jobcenters und der Sozialhilfeverwaltung des Landkreises Würzburg stehe aufgrund der Regelung des § 107 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) fest, dass der Bf keinen Anspruch mehr auf Auszahlung der begehrten 1.907,11 EUR oder eines Teilbetrags hiervon habe. Aber auch ein Anordnungsgrund zur Abwendung wesentlicher Nachteile liege nicht vor. Der Bf begehre die sofortige Auszahlung einer Rentennachzahlung für die Vergangenheit. Eine Leistungsverpflichtung im Wege der einstweiligen Anordnung komme für in der Vergangenheit liegende Zeiträume nur ausnahmsweise in Betracht, wenn die Nichtgewährung in der Vergangenheit in die Gegenwart fortwirke und eine gegenwärtige Notlage bewirke. Vorliegend bewirke aber die zu niedrige Rentenauszahlung in der Vergangenheit eine - rückblickend betrachtet - umgekehrt zu hohe Auszahlung von Arbeitslosengeld II bzw. Sozialhilfe. Damit sei ein Anordnungsgrund zu verneinen.
Hiergegen hat der Bf am 05.06.2014 Beschwerde zu Bayer. Landessozialgericht eingelegt. Die Beschwerde diene zunächst zur Fristwahrung, da er von den Leistungsträgern bisher keine Nachricht erhalten habe und die Angelegenheit ungeklärt sei.
Die Bg verweist unter dem 09.07.2014 auf die Ausführungen des SG im angefochtenen Beschluss. Änderungen der Sach- oder Rechtslage hätten sich nicht ergeben.
Zur Ergänzung wird auf die beigezogene Akte der Bg und auf die Akten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.
II.
Die Beschwerde ist unbegründet. Das SG hat im Ergebnis zutreffend die Voraussetzungen für den Erlass der beantragten einstweiligen Anordnung verneint.
Nach § 86b Abs. 2 S 2 SGG sind einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheint. Dies setzt einen Anordnungsanspruch voraus, also einen materiell-rechtlichen Anspruch auf Leistungen, zu der die Antragsgegnerin im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes verpflichtet werden soll, sowie einen Anordnungsgrund, nämlich einen Sachverhalt, der die Eilbedürftigkeit der Anordnung begründet.
Der Senat kann es für das Beschwerdeverfahren dahinstehen lassen, ob mit dem SG davon auszugehen ist, dass der Bf die Auszahlung der mit Bescheid vom 05.03.2014 festgestellten Nachzahlung nicht beanspruchen kann.
Jedenfalls ist mit dem SG davon auszugehen, dass der Bf das Bestehen eines Anordnungsgrundes nicht glaubhaft gemacht (vgl. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung i. V. m. § 86b Abs. 2 S 4 SGG). Es ist nicht ersichtlich, aus welchen Gründen ihm ein Abwarten der Entscheidung der Bg, ob und in welcher Höhe der Nachzahlungsbetrag an ihn ausgezahlt wird, nicht zugemutet werden kann und ihm durch ein Abwarten wesentliche Nachteile entstehen könnten.
Zu berücksichtigen ist, dass die Bg noch über den Widerspruch vom 01.03.2013 entscheiden und hierbei auch über die Regelung vom 05.03.2014 über den vorläufigen Einbehalt der Nachzahlung befinden wird. Aus der dem SG übersandten internen Verfügung vom 28.04.2014 ergibt sich für den Senat nicht, dass die Regelung über den vorläufigen Einbehalt durch eine endgültige Abrechnung der Rentennachzahlung ersetzt wurde (zum VA-Erfordernis vgl. BSG Urteil vom 24.10.2013 - B 13 R 31/12 R).
Vorliegend ist nicht ersichtlich, inwieweit sich der Beschwerdeführer durch ein Abwarten hinsichtlich der Entscheidung über die Nachzahlung überhaupt in einer Notlage befindet. Der pauschale Hinweis auf entstandene oder laufend entstehende Zusatzkosten für ärztliche Behandlungen reicht nicht aus. Zudem bezog sich die Rentennachzahlung auf Zeiträume in der Vergangenheit. Für Geldleistungen die Vergangenheit betreffend besteht in der Regel ohnehin kein Anordnungsgrund (Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl., § 86b Rdnr 29a m. w. N.).
Die Entscheidung über die Kosten ergeht entsprechend § 193 SGG.
Der Beschluss ist nicht mit der Beschwerde zum Bundessozialgericht anfechtbar (§ 177 SGG).
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Annotations
(1) Soweit ein Erstattungsanspruch besteht, gilt der Anspruch des Berechtigten gegen den zur Leistung verpflichteten Leistungsträger als erfüllt.
(2) Hat der Berechtigte Ansprüche gegen mehrere Leistungsträger, gilt der Anspruch als erfüllt, den der Träger, der die Sozialleistung erbracht hat, bestimmt. Die Bestimmung ist dem Berechtigten gegenüber unverzüglich vorzunehmen und den übrigen Leistungsträgern mitzuteilen.
(1) Das Gericht der Hauptsache kann auf Antrag
- 1.
in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage aufschiebende Wirkung haben, die sofortige Vollziehung ganz oder teilweise anordnen, - 2.
in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen, - 3.
in den Fällen des § 86a Abs. 3 die sofortige Vollziehung ganz oder teilweise wiederherstellen.
(2) Soweit ein Fall des Absatzes 1 nicht vorliegt, kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Das Gericht der Hauptsache ist das Gericht des ersten Rechtszugs und, wenn die Hauptsache im Berufungsverfahren anhängig ist, das Berufungsgericht. Die §§ 920, 921, 923, 926, 928, 929 Absatz 1 und 3, die §§ 930 bis 932, 938, 939 und 945 der Zivilprozessordnung gelten entsprechend.
(3) Die Anträge nach den Absätzen 1 und 2 sind schon vor Klageerhebung zulässig.
(4) Das Gericht entscheidet durch Beschluss.
(1) Das Gericht der Hauptsache kann auf Antrag
- 1.
in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage aufschiebende Wirkung haben, die sofortige Vollziehung ganz oder teilweise anordnen, - 2.
in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen, - 3.
in den Fällen des § 86a Abs. 3 die sofortige Vollziehung ganz oder teilweise wiederherstellen.
(2) Soweit ein Fall des Absatzes 1 nicht vorliegt, kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Das Gericht der Hauptsache ist das Gericht des ersten Rechtszugs und, wenn die Hauptsache im Berufungsverfahren anhängig ist, das Berufungsgericht. Die §§ 920, 921, 923, 926, 928, 929 Absatz 1 und 3, die §§ 930 bis 932, 938, 939 und 945 der Zivilprozessordnung gelten entsprechend.
(3) Die Anträge nach den Absätzen 1 und 2 sind schon vor Klageerhebung zulässig.
(4) Das Gericht entscheidet durch Beschluss.
(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.
(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.
(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.
(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.
Entscheidungen des Landessozialgerichts, seines Vorsitzenden oder des Berichterstatters können vorbehaltlich des § 160a Abs. 1 dieses Gesetzes und des § 17a Abs. 4 Satz 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden.