Bayerisches Landessozialgericht Beschluss, 16. Mai 2017 - L 11 AS 335/17 B ER

published on 16/05/2017 00:00
Bayerisches Landessozialgericht Beschluss, 16. Mai 2017 - L 11 AS 335/17 B ER
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Tenor

I.

Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Bayreuth vom 13.04.2017 wird zurückgewiesen.

II.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe

I.

Streitig ist die Zahlung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts (Arbeitslosengeld - Alg II) nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) sowie die Umstände des Bewohnens einer Obdachlosenunterkunft in der Gemeinde S. (G).

Die Antragsteller (ASt) beziehen seit August 2005 Alg II vom Antragsgegner (Ag) und bewohnen seit Februar 2015 eine Obdachlosenunterkunft der G. G forderte von den ASt für die Zeit vom 01.02.2015 bis 31.07.2016 eine Nutzungsentschädigung von insgesamt 3.312 EUR zzgl eines Säumniszuschlages von 33 EUR (Ankündigung der Vollstreckung vom 27.01.2017). Mit Bescheid vom 27.03.2017 bewilligte der Ag für die Zeit von April bis September 2017 Alg II iHv 736 EUR monatlich (Regelbedarf jeweils 368 EUR). Hinsichtlich der Unterkunftskosten werde noch eine gesonderte Entscheidung ergehen.

Die ASt haben beim Sozialgericht Bayreuth (SG) den Erlass einer einstweiligen Anordnung hinsichtlich der Verpflichtung des Ag zur Zahlung von 184 EUR monatlich für die Zeit vom 01.12.2016 bis 15.03.2017, von 491 EUR monatlich ab dem 15.03.2017 für Bedarfe für Unterkunft und Heizung und von 3.345 EUR hinsichtlich der geltend gemachte Nutzungsentschädigung der G (für die Zeit vom 01.02.2015 bis 31.07.2016). Von G würde eine Nutzungsentschädigung von 184 EUR monatlich gefordert. Man habe G vorgeschlagen, die Unterbringung nun endgültig in einen Mietvertrag umzuwandeln und hierfür 320 EUR Kaltmiete, 64 EUR Nebenkosten und 107 EUR Heizkosten monatlich zu zahlen. Nachdem G hierauf nicht geantwortet habe, habe sie damit „durch Schweigen an Erklärungs Statt“ in einen entsprechenden Mietvertrag eingewilligt. Der Ag habe auch die Forderung von G bzgl der Nutzungsentschädigung zu begleichen.

Auf Anfrage des SG hat G über ihren Bevollmächtigten mitgeteilt, es sei beabsichtigt, die von den ASt bewohnte Unterkunft gründlich zu sanieren und umzubauen, weshalb nach Beschaffung einer Ersatzunterkunft eine Umsetzung der ASt erfolgen werde. Es würden nur Betriebskosten von den ASt verlangt, die der Ag auch übernehme. Dies sei zwischen G und dem Ag be- und abgesprochen. Für eine Nutzungsentschädigung fehle es an einer gesetzlichen Grundlage.

Mit Beschluss vom 13.04.2017 hat das SG den Antrag abgelehnt. Es fehle ein Anordnungsgrund hinsichtlich der für die Vergangenheit geltend gemachten Leistungen. Eine gegenwärtig noch fortwirkenden Notlage bestehe nicht. Ein Verlust der Wohnung drohe nicht wegen vermeintlicher Miet- oder Nutzungsentschädigungsrückständen sondern wegen der Absicht von G, die Unterkunft zu sanieren und umzubauen. Daneben bestünden erhebliche Zweifel, dass die ASt tatsächlich einer rechtwirksamen Verpflichtung zur Zahlung der von G geforderten Beträge ausgesetzt seien. Hinsichtlich der laufenden Unterkunftskosten von 491 EUR bestehe mangels rechtswirksamer Zahlungsverpflichtung kein Anordnungsanspruch. Ein Schweigen gelte grundsätzlich als Ablehnung, nicht aber als Annahme eines Angebots. Auch sei kein konkludenter Mietvertrag geschlossen worden. Eine aktuelle Nutzungsentschädigung werde von G nicht geltend gemacht, und Betriebskosten würden zwischen G und dem Ag abgerechnet. Im Hinblick darauf, dass die Unterkunft ohnehin bald von den ASt zu räumen sei, fehle es zudem an einem Anordnungsgrund.

Dagegen haben die ASt Beschwerde beim Bayerischen Landessozialgericht eingelegt. Ihre Wohnsituation habe sich beträchtlich verschlechtert und es drohe Obdachlosigkeit. Sie hätten eine neue Wohnung gefunden, die jedoch den vom Ag festgelegten Höchstbetrag übersteige. Die Übernahme der von G geltend gemachten Rückstände wäre nötig gewesen, damit bei einem Mietvertrag mit G die Mietzahlungen nicht gleich ins Leere gehen würden. Nun hätten Ende März Mitarbeiter von G die Stromversorgung im Bad abgeklemmt. Wegen der Untätigkeit des Ag hinsichtlich ihres Angebots an G habe dieser sie bei der Abwendung der Verschlechterung ihrer Wohnsituation zu unterstützen, möglicher-weise auch eine erhöhte Miete für eine neue Wohnung zu leisten. Es sei widersprüchlich, wenn der Ag ausführe, hinsichtlich der Unterkunftskosten noch gar keine Entscheidung getroffen zu haben, andererseits G mitteile, die Forderungen würden beglichen. Nach den Auskünften des Ag sei es ihnen wahrscheinlich derzeit nicht möglich, die von ihnen avisierte Wohnung bzw eine andere Wohnung anzumieten. Die Angemessenheit der Kosten für Umzug und Miete sei für sie nicht hinreichend abschätzbar. Zu den Plänen des Umbaus bzw der Renovierung der von ihnen derzeit bewohnten Unterkunft, zur möglichen Umsetzung in eine andere Wohnung, der Übernahme der Betriebskosten und zu den Forderungen sei G zu vernehmen.

Zur Ergänzung des Sachverhaltes wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.

II.

Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde ist zulässig (§§ 172, 173 Sozialgerichtsgesetz - SGG), aber nicht begründet. Das SG hat zu Recht den Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt.

Streitgegenstand ist eine (vorläufige) Verpflichtung des Ag zur Zahlung von 184 EUR monatlich für die Zeit vom 01.12.2016 bis 15.03.2017, von 491 EUR monatlich ab dem 15.03.2017 für Bedarfe für Unterkunft und Heizung und von 3.345 EUR hinsichtlich der geltend gemachten Nutzungsentschädigung der G für die Zeit vom 01.02.2015 bis 31.07.2016. Soweit die ASt nunmehr im Beschwerdeverfahren weitere Ausführungen zur Anmietung einer neuen Wohnung bzw zu dem weiteren Verfahren einer etwaigen Umsetzung aus der bisherigen in eine neue Unterkunft machen, handelt es sich - sofern man darin überhaupt eine konkrete Antragstellung erkennen wollte - um eine Antragsänderung bzw -erweiterung. Eine solche Antragsänderung ist aber nur zulässig, wenn die übrigen Beteiligten einwilligen oder das Gericht die Änderung für sachdienlich hält (§ 99 Abs. 1 SGG). Beides ist vorliegend nicht der Fall. Der Ag hat sich vorliegend nicht zu der Antragsänderung eingelassen und eine Sachdienlichkeit ist ebenfalls nicht anzunehmen. Ein konkretes Wohnungsangebot, auf das sich eine vom Ag begehrte Zusicherung nach § 22 Abs. 4 SGB II beziehen könnte, wurde von den ASt nicht vorgelegt und hätte zudem mit den bisherigen Unterkunftskosten keinen Zusammenhang, der eine Sachdienlichkeit begründen könnte. Für die Umstände der Unterbringung durch G und eine etwaige Umsetzung besteht keine Zuständigkeit des Ag. Im Rahmen der Obdachlosenunterbringung handelt G als Sicherheitsbehörde nach Art. 7 Landesstraf- und Verordnungsgesetz (LStVG). Für Streitigkeiten wären diesbezüglich die Verwaltungsgerichte (§ 40 Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO) zuständig.

Die Begehren der ASt in Bezug auf die Übernahme der konkret geltend gemachten Unterkunftskosten kann im Rahmen einer Hauptsache grundsätzlich mit einer Anfechtungs- und Leistungsklage geltend gemacht werden, so dass vorliegend § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG die maßgebliche Rechtsgrundlage für die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes darstellt. Hiernach ist eine Regelung zulässig, wenn sie zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Das ist etwa dann der Fall, wenn der Antragsteller ohne eine solche Anordnung schwere und unzumutbare, nicht anders abwendbare Nachteile entstehen, zu deren Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre (so BVerfG, Beschluss vom 25.10.1998 - 2 BvR 745/88 - BVerfGE 79, 69 (74); Beschluss vom 19.10.1977 - 2 BvR 42/76 - BVerfGE 46, 166 (179); Beschluss vom 22.11.2002 - 2 BvR 745/88 - NJW 2003, 1236).

Die Regelungsanordnung setzt das Vorliegen eines Anordnungsgrundes - das ist in der Regel die Eilbedürftigkeit - und das Vorliegen eines Anordnungsanspruches - das ist der materiell-rechtliche Anspruch, auf den der Antragsteller sein Begehren stützt - voraus. Die Angaben hierzu hat der Antragsteller glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 Satz 2 und 4 SGG iVm § 920 Abs. 2, § 294 Zivilprozessordnung - ZPO -; Keller in Meyer-Ladewig/Kel-ler/Leitherer, SGG, 11. Aufl, § 86b Rn 41).

Zwischen Anordnungsgrund und Anordnungsanspruch besteht dabei eine Wechselbezie-hung. An das Vorliegen des Anordnungsgrundes sind dann weniger strenge Anforderungen zu stellen, wenn bei der Prüfung der Sach- und Rechtslage in dem vom BVerfG vor-gegebenen Umfang (BVerfG, Beschluss vom 12.05.2005 - 1 BvR 569/05 - Breith 2005, 803) das Obsiegen in der Hauptsache sehr wahrscheinlich ist. Ist bzw wäre eine in der Hauptsache erhobene Klage offensichtlich unzulässig oder unbegründet, so ist wegen des fehlenden Anordnungsanspruches der Erlass einer einstweiligen Anordnung abzulehnen. Sind hierbei die Erfolgsaussichten in der Hauptsache offen, kommt dem Anordnungsgrund entscheidende Bedeutung zu.

Soweit existenzsichernde Leistungen in Frage stehen und deshalb eine erhebliche, über Randbereiche hinausgehende Verletzung in den Grundrechten, die durch eine der Klage stattgebende Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr beseitigt werden kann, droht, ist eine Versagung der Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes nur dann möglich, wenn die Sach- und Rechtslage abschließend geklärt ist (vgl BVerfG, Beschluss vom 14.09.2016 - 1 BvR 1335/13). Für eine Entscheidung aufgrund einer sorgfältigen und hinreichend substantiierten Folgenabwägung ist nur dann Raum, wenn eine - nach vorstehenden Maßstäben durchzuführende - Rechtmäßigkeitsprüfung auch unter Berücksichtigung der Kürze der im einstweiligen Rechtsschutzverfahren regelmäßig zur Verfügung stehenden Zeit nicht verwirklicht werden kann, was vom zur Entscheidung berufenen Gericht erkennbar darzulegen ist (vgl zum Ganzen auch: BVerfG, Beschluss vom 14.09.2016 - 1 BvR 1335/13; Beschluss vom 12.05.2005 - 1 BvR 569/05 - Breith 2005, 803; weniger eindeutig: BVerfG, Beschluss vom 06.08.2014 - 1 BvR 1453/12).

Das SG hat vorliegend zutreffenderweise für die Anträge der ASt das Vorliegen eines Anordnungsgrundes bzw Anordnungsanspruchs verneint. Der Senat sieht deshalb von weiteren Ausführungen ab (§ 142 Abs. 2 Satz 3 SGG). Es ist - insbesondere nach dem Schreiben des Bevollmächtigten der G an das SG - kein Anhaltspunkt gegeben, die ASt könnten im Hinblick auf fehlende Zahlungen einen Wohnungsverlust erleiden. Sollte G entgegen diesem Schreiben dennoch Zahlungen für die Nutzungsentschädigung oder Betriebskosten von den ASt künftig fordern, steht es ihnen frei, sich - sofern der Ag eine Übernahme ablehnen sollte - wiederum an den Ag zu wenden bzw einstweiligen Rechtsschutz zu beantragen.

Nach alledem war die Beschwerde der ASt gegen den Beschluss des SG zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf der analogen Anwendung des § 193 SGG.

Der Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 177 SGG).

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Annotations

(1) Eine Änderung der Klage ist nur zulässig, wenn die übrigen Beteiligten einwilligen oder das Gericht die Änderung für sachdienlich hält.

(2) Die Einwilligung der Beteiligten in die Änderung der Klage ist anzunehmen, wenn sie sich, ohne der Änderung zu widersprechen, in einem Schriftsatz oder in einer mündlichen Verhandlung auf die abgeänderte Klage eingelassen haben.

(3) Als eine Änderung der Klage ist es nicht anzusehen, wenn ohne Änderung des Klagegrunds

1.
die tatsächlichen oder rechtlichen Ausführungen ergänzt oder berichtigt werden,
2.
der Klageantrag in der Hauptsache oder in bezug auf Nebenforderungen erweitert oder beschränkt wird,
3.
statt der ursprünglich geforderten Leistung wegen einer später eingetretenen Veränderung eine andere Leistung verlangt wird.

(4) Die Entscheidung, daß eine Änderung der Klage nicht vorliege oder zuzulassen sei, ist unanfechtbar.

(1) Bedarfe für Unterkunft und Heizung werden in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt, soweit diese angemessen sind. Für die Anerkennung der Bedarfe für Unterkunft gilt eine Karenzzeit von einem Jahr ab Beginn des Monats, für den erstmals Leistungen nach diesem Buch bezogen werden. Innerhalb dieser Karenzzeit werden die Bedarfe für Unterkunft in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt; Satz 6 bleibt unberührt. Wird der Leistungsbezug in der Karenzzeit für mindestens einen Monat unterbrochen, verlängert sich die Karenzzeit um volle Monate ohne Leistungsbezug. Eine neue Karenzzeit beginnt, wenn zuvor mindestens drei Jahre keine Leistungen nach diesem oder dem Zwölften Buch bezogen worden sind. Erhöhen sich nach einem nicht erforderlichen Umzug die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung, wird nur der bisherige Bedarf anerkannt. Soweit die Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung den der Besonderheit des Einzelfalles angemessenen Umfang übersteigen, sind sie nach Ablauf der Karenzzeit als Bedarf so lange anzuerkennen, wie es der oder dem alleinstehenden Leistungsberechtigten oder der Bedarfsgemeinschaft nicht möglich oder nicht zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate. Nach Ablauf der Karenzzeit ist Satz 7 mit der Maßgabe anzuwenden, dass der Zeitraum der Karenzzeit nicht auf die in Satz 7 genannte Frist anzurechnen ist. Verstirbt ein Mitglied der Bedarfs- oder Haushaltsgemeinschaft und waren die Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung davor angemessen, ist die Senkung der Aufwendungen für die weiterhin bewohnte Unterkunft für die Dauer von mindestens zwölf Monaten nach dem Sterbemonat nicht zumutbar. Eine Absenkung der nach Satz 1 unangemessenen Aufwendungen muss nicht gefordert werden, wenn diese unter Berücksichtigung der bei einem Wohnungswechsel zu erbringenden Leistungen unwirtschaftlich wäre.

(1a) (weggefallen)

(2) Als Bedarf für die Unterkunft werden auch unabweisbare Aufwendungen für Instandhaltung und Reparatur bei selbst bewohntem Wohneigentum im Sinne des § 12 Absatz 1 Satz 2 Nummer 5 anerkannt, soweit diese unter Berücksichtigung der im laufenden sowie den darauffolgenden elf Kalendermonaten anfallenden Aufwendungen insgesamt angemessen sind. Übersteigen unabweisbare Aufwendungen für Instandhaltung und Reparatur den Bedarf für die Unterkunft nach Satz 1, kann der kommunale Träger zur Deckung dieses Teils der Aufwendungen ein Darlehen erbringen, das dinglich gesichert werden soll. Für die Bedarfe nach Satz 1 gilt Absatz 1 Satz 2 bis 4 nicht.

(3) Rückzahlungen und Guthaben, die dem Bedarf für Unterkunft und Heizung zuzuordnen sind, mindern die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach dem Monat der Rückzahlung oder der Gutschrift; Rückzahlungen, die sich auf die Kosten für Haushaltsenergie oder nicht anerkannte Aufwendungen für Unterkunft und Heizung beziehen, bleiben außer Betracht.

(4) Vor Abschluss eines Vertrages über eine neue Unterkunft soll die leistungsberechtigte Person die Zusicherung des für die neue Unterkunft örtlich zuständigen kommunalen Trägers zur Berücksichtigung der Aufwendungen für die neue Unterkunft einholen. Innerhalb der Karenzzeit nach Absatz 1 Satz 2 bis 5 werden nach einem Umzug höhere als angemessene Aufwendungen nur dann als Bedarf anerkannt, wenn der nach Satz 1 zuständige Träger die Anerkennung vorab zugesichert hat. Der kommunale Träger ist zur Zusicherung verpflichtet, wenn die Aufwendungen für die neue Unterkunft angemessen sind.

(5) Sofern Personen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, umziehen, werden Bedarfe für Unterkunft und Heizung für die Zeit nach einem Umzug bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres nur anerkannt, wenn der kommunale Träger dies vor Abschluss des Vertrages über die Unterkunft zugesichert hat. Der kommunale Träger ist zur Zusicherung verpflichtet, wenn

1.
die oder der Betroffene aus schwerwiegenden sozialen Gründen nicht auf die Wohnung der Eltern oder eines Elternteils verwiesen werden kann,
2.
der Bezug der Unterkunft zur Eingliederung in den Arbeitsmarkt erforderlich ist oder
3.
ein sonstiger, ähnlich schwerwiegender Grund vorliegt.
Unter den Voraussetzungen des Satzes 2 kann vom Erfordernis der Zusicherung abgesehen werden, wenn es der oder dem Betroffenen aus wichtigem Grund nicht zumutbar war, die Zusicherung einzuholen. Bedarfe für Unterkunft und Heizung werden bei Personen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, nicht anerkannt, wenn diese vor der Beantragung von Leistungen in eine Unterkunft in der Absicht umziehen, die Voraussetzungen für die Gewährung der Leistungen herbeizuführen.

(6) Wohnungsbeschaffungskosten und Umzugskosten können bei vorheriger Zusicherung durch den bis zum Umzug örtlich zuständigen kommunalen Träger als Bedarf anerkannt werden; Aufwendungen für eine Mietkaution und für den Erwerb von Genossenschaftsanteilen können bei vorheriger Zusicherung durch den am Ort der neuen Unterkunft zuständigen kommunalen Träger als Bedarf anerkannt werden. Die Zusicherung soll erteilt werden, wenn der Umzug durch den kommunalen Träger veranlasst oder aus anderen Gründen notwendig ist und wenn ohne die Zusicherung eine Unterkunft in einem angemessenen Zeitraum nicht gefunden werden kann. Aufwendungen für eine Mietkaution und für Genossenschaftsanteile sollen als Darlehen erbracht werden.

(7) Soweit Bürgergeld für den Bedarf für Unterkunft und Heizung geleistet wird, ist es auf Antrag der leistungsberechtigten Person an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte zu zahlen. Es soll an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte gezahlt werden, wenn die zweckentsprechende Verwendung durch die leistungsberechtigte Person nicht sichergestellt ist. Das ist insbesondere der Fall, wenn

1.
Mietrückstände bestehen, die zu einer außerordentlichen Kündigung des Mietverhältnisses berechtigen,
2.
Energiekostenrückstände bestehen, die zu einer Unterbrechung der Energieversorgung berechtigen,
3.
konkrete Anhaltspunkte für ein krankheits- oder suchtbedingtes Unvermögen der leistungsberechtigten Person bestehen, die Mittel zweckentsprechend zu verwenden, oder
4.
konkrete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die im Schuldnerverzeichnis eingetragene leistungsberechtigte Person die Mittel nicht zweckentsprechend verwendet.
Der kommunale Träger hat die leistungsberechtigte Person über eine Zahlung der Leistungen für die Unterkunft und Heizung an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte schriftlich zu unterrichten.

(8) Sofern Bürgergeld für den Bedarf für Unterkunft und Heizung erbracht wird, können auch Schulden übernommen werden, soweit dies zur Sicherung der Unterkunft oder zur Behebung einer vergleichbaren Notlage gerechtfertigt ist. Sie sollen übernommen werden, wenn dies gerechtfertigt und notwendig ist und sonst Wohnungslosigkeit einzutreten droht. Vermögen nach § 12 Absatz 2 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1 ist vorrangig einzusetzen. Geldleistungen sollen als Darlehen erbracht werden.

(9) Geht bei einem Gericht eine Klage auf Räumung von Wohnraum im Falle der Kündigung des Mietverhältnisses nach § 543 Absatz 1, 2 Satz 1 Nummer 3 in Verbindung mit § 569 Absatz 3 des Bürgerlichen Gesetzbuchs ein, teilt das Gericht dem örtlich zuständigen Träger nach diesem Buch oder der von diesem beauftragten Stelle zur Wahrnehmung der in Absatz 8 bestimmten Aufgaben unverzüglich Folgendes mit:

1.
den Tag des Eingangs der Klage,
2.
die Namen und die Anschriften der Parteien,
3.
die Höhe der monatlich zu entrichtenden Miete,
4.
die Höhe des geltend gemachten Mietrückstandes und der geltend gemachten Entschädigung und
5.
den Termin zur mündlichen Verhandlung, sofern dieser bereits bestimmt ist.
Außerdem kann der Tag der Rechtshängigkeit mitgeteilt werden. Die Übermittlung unterbleibt, wenn die Nichtzahlung der Miete nach dem Inhalt der Klageschrift offensichtlich nicht auf Zahlungsunfähigkeit der Mieterin oder des Mieters beruht.

(10) Zur Beurteilung der Angemessenheit der Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach Absatz 1 Satz 1 ist die Bildung einer Gesamtangemessenheitsgrenze zulässig. Dabei kann für die Aufwendungen für Heizung der Wert berücksichtigt werden, der bei einer gesonderten Beurteilung der Angemessenheit der Aufwendungen für Unterkunft und der Aufwendungen für Heizung ohne Prüfung der Angemessenheit im Einzelfall höchstens anzuerkennen wäre. Absatz 1 Satz 2 bis 4 gilt entsprechend.

(11) Die für die Erstellung von Mietspiegeln nach § 558c Absatz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs nach Landesrecht zuständigen Behörden sind befugt, die in Artikel 238 § 2 Absatz 2 Nummer 1 Buchstabe a, d und e des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche genannten Daten zu verarbeiten, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über die Angemessenheit von Aufwendungen für eine Unterkunft nach Absatz 1 Satz 1 erforderlich ist. Erstellen die nach Landesrecht zuständigen Behörden solche Übersichten nicht, so sind sie befugt, die Daten nach Satz 1 auf Ersuchen an die kommunalen Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende für ihren örtlichen Zuständigkeitsbereich zu übermitteln, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über die Angemessenheit von Aufwendungen für die Unterkunft erforderlich ist. Werden den kommunalen Trägern der Grundsicherung für Arbeitsuchende die Übersichten nicht zur Verfügung gestellt, so sind sie befugt, die Daten nach Satz 1 für ihren örtlichen Zuständigkeitsbereich bei den nach Landesrecht für die Erstellung von Mietspiegeln zuständigen Behörden zu erheben und in sonstiger Weise zu verarbeiten, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über und die Bestimmung der Angemessenheit von Aufwendungen für die Unterkunft nach Absatz 1 Satz 1 erforderlich ist.

(12) Die Daten nach Absatz 11 Satz 1 und 3 sind zu löschen, wenn sie für die dort genannten Zwecke nicht mehr erforderlich sind.

(1) Der Verwaltungsrechtsweg ist in allen öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten nichtverfassungsrechtlicher Art gegeben, soweit die Streitigkeiten nicht durch Bundesgesetz einem anderen Gericht ausdrücklich zugewiesen sind. Öffentlich-rechtliche Streitigkeiten auf dem Gebiet des Landesrechts können einem anderen Gericht auch durch Landesgesetz zugewiesen werden.

(2) Für vermögensrechtliche Ansprüche aus Aufopferung für das gemeine Wohl und aus öffentlich-rechtlicher Verwahrung sowie für Schadensersatzansprüche aus der Verletzung öffentlich-rechtlicher Pflichten, die nicht auf einem öffentlich-rechtlichen Vertrag beruhen, ist der ordentliche Rechtsweg gegeben; dies gilt nicht für Streitigkeiten über das Bestehen und die Höhe eines Ausgleichsanspruchs im Rahmen des Artikels 14 Abs. 1 Satz 2 des Grundgesetzes. Die besonderen Vorschriften des Beamtenrechts sowie über den Rechtsweg bei Ausgleich von Vermögensnachteilen wegen Rücknahme rechtswidriger Verwaltungsakte bleiben unberührt.

(1) Das Gericht der Hauptsache kann auf Antrag

1.
in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage aufschiebende Wirkung haben, die sofortige Vollziehung ganz oder teilweise anordnen,
2.
in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen,
3.
in den Fällen des § 86a Abs. 3 die sofortige Vollziehung ganz oder teilweise wiederherstellen.
Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen oder befolgt worden, kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung oder die Anordnung der sofortigen Vollziehung kann mit Auflagen versehen oder befristet werden. Das Gericht der Hauptsache kann auf Antrag die Maßnahmen jederzeit ändern oder aufheben.

(2) Soweit ein Fall des Absatzes 1 nicht vorliegt, kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Das Gericht der Hauptsache ist das Gericht des ersten Rechtszugs und, wenn die Hauptsache im Berufungsverfahren anhängig ist, das Berufungsgericht. Die §§ 920, 921, 923, 926, 928, 929 Absatz 1 und 3, die §§ 930 bis 932, 938, 939 und 945 der Zivilprozessordnung gelten entsprechend.

(3) Die Anträge nach den Absätzen 1 und 2 sind schon vor Klageerhebung zulässig.

(4) Das Gericht entscheidet durch Beschluss.

(1) Das Gesuch soll die Bezeichnung des Anspruchs unter Angabe des Geldbetrages oder des Geldwertes sowie die Bezeichnung des Arrestgrundes enthalten.

(2) Der Anspruch und der Arrestgrund sind glaubhaft zu machen.

(3) Das Gesuch kann vor der Geschäftsstelle zu Protokoll erklärt werden.

(1) Wer eine tatsächliche Behauptung glaubhaft zu machen hat, kann sich aller Beweismittel bedienen, auch zur Versicherung an Eides statt zugelassen werden.

(2) Eine Beweisaufnahme, die nicht sofort erfolgen kann, ist unstatthaft.

(1) Für Beschlüsse gelten § 128 Abs. 1 Satz 1, die §§ 134 und 138, nach mündlicher Verhandlung auch die §§ 129, 132, 135 und 136 entsprechend.

(2) Beschlüsse sind zu begründen, wenn sie durch Rechtsmittel angefochten werden können oder über einen Rechtsbehelf entscheiden. Beschlüsse über die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung und über einstweilige Anordnungen (§ 86b) sowie Beschlüsse nach Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache sind stets zu begründen. Beschlüsse, die über ein Rechtsmittel entscheiden, bedürfen keiner weiteren Begründung, soweit das Gericht das Rechtsmittel aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung als unbegründet zurückweist.

(3) Ausfertigungen der Beschlüsse sind von dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle zu unterschreiben.

(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.

(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.

(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.

(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.

Entscheidungen des Landessozialgerichts, seines Vorsitzenden oder des Berichterstatters können vorbehaltlich des § 160a Abs. 1 dieses Gesetzes und des § 17a Abs. 4 Satz 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden.