Bayerisches Landessozialgericht Beschluss, 31. Mai 2016 - L 11 AS 329/16 B PKH
vorgehend
Tenor
Auf die Beschwerde wird der Beschluss des Sozialgerichts Bayreuth
Gründe
I.
Streitig ist die Höhe der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes (Arbeitslosengeld II -Alg II-) nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II).
Die Klägerin und ihre 2001 geborene Tochter beziehen aufgrund des Bescheides vom
Auf dem in der Akte sich befindenden Widerspruchsbescheid ist oben rechts vermerkt: „abges:
Am 21.10.2015 hat die Klägerin Klage zum Sozialgericht Bayreuth (SG) erhoben und die Zahlung der Unterkunfts- und Heizungskosten in der tatsächlichen Höhe geltend gemacht. Zudem hat sie die Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) begehrt.
Mit Beschluss vom 06.05.2016
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die beigezogene Akte des Beklagten sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.
II.
Die zulässige Beschwerde (§§ 172, 173 Sozialgerichtsgesetz -SGG-) ist nicht begründet. Nach § 73a Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz i. V. m. § 114 Zivilprozessordnung (ZPO) erhält ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag PKH, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.
Aus verfassungsrechtlichen Gründen dürfen die Anforderungen an die Erfolgsaussicht nicht überspannt werden. Es reicht für die Prüfung der Erfolgsaussicht aus, dass der Erfolg eine gewisse Wahrscheinlichkeit für sich hat (vgl. BSG, Urteil vom 17.02.1998 - B 13 RJ 83/97 R (Rn.26) - SozR 3-1500 § 62 Nr.19). Diese gewisse Wahrscheinlichkeit ist in aller Regel dann anzunehmen, wenn das Gericht den Rechtsstandpunkt des Beteiligten aufgrund der Sachverhaltsschilderung und der vorgelegten Unterlagen für zutreffend oder zumindest für vertretbar hält und in tatsächlicher Hinsicht die Möglichkeit des Obsiegens des PKH-Beantragenden ebenso wahrscheinlich ist wie sein Unterliegen (vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl. § 73a Rn.7ff.). Schwierige, bislang ungeklärte Rechts- und Tatfragen sind nicht im PKH- Verfahren zu entscheiden, sondern müssen auch von Unbemittelten einer prozessualen Klärung zugeführt werden können (vgl. BVerfG, Beschluss vom 14.07.1993 - 1 BvR 1523/92 - NJW 1994, 241f). PKH muss jedoch nicht schon dann gewährt werden, wenn die entscheidungserhebliche Rechtsfrage zwar noch nicht höchstrichterlich geklärt ist, ihre Beantwortung aber im Hinblick auf die einschlägige gesetzliche Regelung oder die durch die bereits vorliegende Rechtsprechung gewährten Auslegungshilfen nicht in dem genannten Sinne als „schwierig“ erscheint (vgl. BVerfG, Beschluss vom 13.03.1990 - 2 BvR 94/88 (Rn. 29) - BVerfGE 81, 347ff). Ist dies dagegen nicht der Fall und steht eine höchstrichterliche Klärung noch aus, so ist es mit dem Gebot der Rechtsschutzgleichheit nicht zu vereinbaren, der unbemittelten Partei wegen der fehlenden Erfolgsaussichten ihres Begehrens Prozesskostenhilfe vorzuenthalten (vgl. BVerfG, Beschluss vom 19.02.2008 - 1 BvR 1807/07 - NJW 2008, 1060ff).
Vorliegend ist eine hinreichende Erfolgsaussicht nicht zu verneinen. Unabhängig davon, ob der Widerspruchsbescheid vom
Soweit sich der Beklagte und das SG auf die Fiktionswirkung des § 37 Abs. 2 Satz 1 SGB X stützen, geht diese Annahme nämlich fehl. Nach § 37 Abs. 2 Satz 1 SGB X gilt ein schriftlicher Verwaltungsakt, der im Inland durch die Post übermittelt wird, am dritten Tag nach Aufgabe zur Post als bekanntgegeben. Unabhängig davon, dass dies nicht gilt, wenn der Verwaltungsakt nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen ist und im Zweifel die Behörde den Zugang des Verwaltungsaktes und den Zeitpunkt des Zugangs nachzuweisen hat (§ 37 Abs. 2 Satz 3 SGB X), fehlt es für den Eintritt der Fiktionswirkung bereits an Ermittlungen hinsichtlich des Tages der Aufgabe des Widerspruchsbescheides vom 16.09.2015 zur Post. Voraussetzung für das Eingreifen der Bekanntgabefiktion ist die Feststellung des Zeitpunktes, zu dem der maßgebende Verwaltungsakt zur Post gegeben wurde. Regelmäßig erfolgt die Dokumentation durch einen Vermerk in den Verwaltungsakten, wann der Bescheid zur Post gegeben worden ist. Fehlt ein entsprechender Vermerk über den Tag der Postaufgabe, tritt grundsätzlich keine Bekanntgabefiktion ein (vgl. BSG, Urteil vom 03.03.2009 - B 4 AS 37/08 R - SozR 4-4200 § 22 Nr. 15; Bayer. Landessozialgericht,
Vorliegend ist ein Vermerk angebracht. Dabei ist aber zu prüfen, ob es sich um einen Vermerk der Poststelle handelt, denn nur diese kann im Regelfall bestätigen, wann das Schreiben an die Post übergeben worden ist. Ein Vermerk eines Sachbearbeiters oder einer anderen Person, die das Schreiben nicht der Post übergeben hat, genügt hierfür nicht (Beschluss des Senates
Die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse zur Bewilligung von PKH ohne Ratenzahlung liegen aufgrund der von der Klägerin gegenüber dem SG gemachten Angaben vor.
Nach alledem war der Beschluss des SG aufzuheben und der Klägerin für das erstinstanzliche Verfahren, in das auch die Tochter mit einbezogen werden sollte, PKH ohne Ratenzahlung zu bewilligen.
Dieser Beschluss ergeht kostenfrei und ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
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(1) Eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, erhält auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Für die grenzüberschreitende Prozesskostenhilfe innerhalb der Europäischen Union gelten ergänzend die §§ 1076 bis 1078.
(2) Mutwillig ist die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung, wenn eine Partei, die keine Prozesskostenhilfe beansprucht, bei verständiger Würdigung aller Umstände von der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung absehen würde, obwohl eine hinreichende Aussicht auf Erfolg besteht.
(1) Ein Verwaltungsakt ist demjenigen Beteiligten bekannt zu geben, für den er bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird. Ist ein Bevollmächtigter bestellt, kann die Bekanntgabe ihm gegenüber vorgenommen werden.
(2) Ein schriftlicher Verwaltungsakt, der im Inland durch die Post übermittelt wird, gilt am dritten Tag nach der Aufgabe zur Post als bekannt gegeben. Ein Verwaltungsakt, der im Inland oder Ausland elektronisch übermittelt wird, gilt am dritten Tag nach der Absendung als bekannt gegeben. Dies gilt nicht, wenn der Verwaltungsakt nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen ist; im Zweifel hat die Behörde den Zugang des Verwaltungsaktes und den Zeitpunkt des Zugangs nachzuweisen.
(2a) Mit Einwilligung des Beteiligten können elektronische Verwaltungsakte bekannt gegeben werden, indem sie dem Beteiligten zum Abruf über öffentlich zugängliche Netze bereitgestellt werden. Die Einwilligung kann jederzeit mit Wirkung für die Zukunft widerrufen werden. Die Behörde hat zu gewährleisten, dass der Abruf nur nach Authentifizierung der berechtigten Person möglich ist und der elektronische Verwaltungsakt von ihr gespeichert werden kann. Ein zum Abruf bereitgestellter Verwaltungsakt gilt am dritten Tag nach Absendung der elektronischen Benachrichtigung über die Bereitstellung des Verwaltungsaktes an die abrufberechtigte Person als bekannt gegeben. Im Zweifel hat die Behörde den Zugang der Benachrichtigung nachzuweisen. Kann die Behörde den von der abrufberechtigten Person bestrittenen Zugang der Benachrichtigung nicht nachweisen, gilt der Verwaltungsakt an dem Tag als bekannt gegeben, an dem die abrufberechtigte Person den Verwaltungsakt abgerufen hat. Das Gleiche gilt, wenn die abrufberechtigte Person unwiderlegbar vorträgt, die Benachrichtigung nicht innerhalb von drei Tagen nach der Absendung erhalten zu haben. Die Möglichkeit einer erneuten Bereitstellung zum Abruf oder der Bekanntgabe auf andere Weise bleibt unberührt.
(2b) In Angelegenheiten nach dem Abschnitt 1 des Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetzes gilt abweichend von Absatz 2a für die Bekanntgabe von elektronischen Verwaltungsakten § 9 des Onlinezugangsgesetzes.
(3) Ein Verwaltungsakt darf öffentlich bekannt gegeben werden, wenn dies durch Rechtsvorschrift zugelassen ist. Eine Allgemeinverfügung darf auch dann öffentlich bekannt gegeben werden, wenn eine Bekanntgabe an die Beteiligten untunlich ist.
(4) Die öffentliche Bekanntgabe eines schriftlichen oder elektronischen Verwaltungsaktes wird dadurch bewirkt, dass sein verfügender Teil in der jeweils vorgeschriebenen Weise entweder ortsüblich oder in der sonst für amtliche Veröffentlichungen vorgeschriebenen Art bekannt gemacht wird. In der Bekanntmachung ist anzugeben, wo der Verwaltungsakt und seine Begründung eingesehen werden können. Der Verwaltungsakt gilt zwei Wochen nach der Bekanntmachung als bekannt gegeben. In einer Allgemeinverfügung kann ein hiervon abweichender Tag, jedoch frühestens der auf die Bekanntmachung folgende Tag bestimmt werden.
(5) Vorschriften über die Bekanntgabe eines Verwaltungsaktes mittels Zustellung bleiben unberührt.
Gründe
Leitsatz:
in dem Rechtsstreit
A., A-Straße, A-Stadt
- Kläger und Berufungskläger -
Proz.-Bev.: B., B-Straße, Bamberg - -
gegen
Bundesagentur für Arbeit,
vertreten durch die Geschäftsführung des Operativen Service der Agentur für Arbeit N., R.-W.-Platz ..., N.
- Beklagte und Berufungsbeklagte -
Der 10. Senat des Bayer. Landessozialgerichts hat auf die mündliche Verhandlung in Schweinfurt
am
durch den Vorsitzenden Richter am Bayer. Landessozialgericht Pawlick, den Richter am Bayer. Landessozialgericht Utz und den Richter am Bayer. Landessozialgericht Strnischa sowie die ehrenamtlichen Richter Straus-Saal und K.
für Recht erkannt:
I.
Auf die Berufung des Klägers werden Ziffer II. und III. des Gerichtsbescheides des Sozialgerichts Bayreuth
II.
Die Kostenentscheidung bleibt der abschließenden Entscheidung des Sozialgerichts Bayreuth vorbehalten.
III.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig sind die Aufhebung der Bewilligung von Arbeitslosengeld (Alg) für die Zeit vom 25.02.2013 bis 29.04.2013, die Erstattung überzahlter Leistungen i. H. v. 1.824,55 € und eine Aufrechnung.
Der Kläger meldete sich am
Im Vorfeld eines bezahlten Praktikums des Klägers bei der Firma K. E. T. in T. (E.) vom 25.02.2013 bis 29.04.2013 gab es verschiedene Telefonkontakte des Klägers und seines Vaters mit der Beklagten, bei denen es um dieses Praktikum ging. Im Rahmen einer persönlichen Vorsprache am 30.04.2013 erfuhr die Beklagte schließlich, dass das Praktikum tatsächlich vom Kläger absolviert worden war. Nach Anhörung des Klägers hob sie mit Bescheid vom 27.06.2013 die Bewilligung von Alg für die Zeit vom 25.02.2013 bis 29.04.2013 auf, forderte die Erstattung überzahlter Leistungen i. H. v. 1.824,55 € und erklärte die Aufrechnung i. H. v. 14,03 € täglich. Auf dem Bescheid war in der linken oberen Ecke lediglich der Vermerk „abgesandt am“ angebracht, ohne dass ein Datum benannt wurde. Gleichzeitig wurde mit Änderungsbescheid vom 27.06.2013 die Höhe der Leistungsbewilligung für die Zeit vom 25.02.2013 bis 29.04.2013 auf 0 € festgesetzt und für die Zeit vom 30.04.2013 bis 04.10.2013 Alg i. H. v. 28,07 € täglich bewilligt. Im Hinblick auf eine Beschäftigungsaufnahme des Klägers hob die Beklagte mit Bescheid vom 02.07.2013 die Bewilligung von Alg ab dem 01.07.2013 auf.
Der Bevollmächtigte des Klägers legte gegen den Bescheid vom 27.06.2013 am 07.08.2013 unter Vorlage einer auf einen „Aufhebungs- und Erstattungsbescheid ALG I“ bezogenen Vollmacht vom 19.07.2013 Widerspruch ein, den die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 02.09.2013 als unzulässig verwarf, da die Widerspruchsfrist nicht eingehalten worden sei. Der Bescheid gelte am dritten Tag nach Aufgabe zur Post als zugegangen, so dass die Widerspruchsfrist am 30.07.2013 abgelaufen sei.
Dagegen hat der Kläger Klage zum Sozialgericht Bayreuth (SG) erhoben. Er sei wegen seiner Arbeit nicht vor Ort gewesen und nur am Wochenende heimgekommen. Der Bescheid sei ihm verspätet zugegangen. Mit Gerichtsbescheid vom 30.06.2014 hat das SG die Klage unter Bezugnahme auf die Ausführungen im Widerspruchsbescheid abgewiesen (Ziffern II. und III.).
Der Kläger hat dagegen Berufung zum Bayerischen Landessozialgericht eingelegt. Er sei jederzeit verfügbar gewesen, da er das Praktikum - er sei diesbezüglich zunächst von einem unentgeltlichen ausgegangen - jederzeit hätte abbrechen können. Auch sei dies zuvor mit der Beklagten besprochen worden.
Der Kläger beantragt,
die Ziffern II. und III. des Gerichtsbescheides des Sozialgerichts Bayreuth
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hat ausgeführt, der Bescheid sei bei der Agentur für Arbeit vor Ort erstellt und anschließend über einen zentralen Druck ausgedruckt und zur Post gegeben worden.
Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf die Verwaltungsakten der Beklagten und die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz -SGG-) und im Sinne einer Zurückverweisung des Rechtsstreits an das SG begründet. Das SG hat die Klage zu Unrecht unter Bezugnahme auf die Gründe des Widerspruchsbescheides vom 02.09.2013 abgewiesen. Von der Unzulässigkeit des Widerspruchs des Klägers gegen den Bescheid vom 27.06.2013 konnte nicht aufgrund der Zugrundelegung einer 3-Tages-Frist ausgegangen werden.
Nach § 84 Abs. 1 Satz 1 SGG ist der Widerspruch binnen eines Monats, nachdem der Verwaltungsakt dem Beschwerten bekanntgegeben worden ist, schriftlich oder zur Niederschrift bei der Stelle einzureichen, die den Verwaltungsakt erlassen hat. Unklar ist vorliegend, wann der Bescheid der Beklagten vom 27.06.2013 dem Kläger bekanntgegeben worden ist. Maßgeblich ist bei einem schriftlichen Verwaltungsakt dabei, wann dieser so in den Machtbereich des Empfängers gelangt, dass bei gewöhnlichem Verlauf und normaler Gestaltung der Verhältnisse mit dessen Kenntnisnahme zu rechnen ist; eine tatsächliche Kenntnisnahme ist dabei nicht erforderlich (vgl. dazu im Einzelnen: Engelmann in von Wulffen/Schütze, SGB X, 8. Aufl, § 37 Rn. 4 m. w. N.). Weder das SG noch die Beklagte haben vorliegend zu ermitteln versucht, wann der Bescheid vom 27.06.2013 tatsächlich in den Machtbereich des Klägers - wohl seinen Briefkasten - gelangt ist. Auch kann aus den (bisherigen) Angaben des Klägers nicht darauf geschlossen werden, wann er den Bescheid tatsächlich erhalten hat. Vielmehr hat er diesbezüglich nur ausgeführt, er habe diesen verspätet erhalten. Auch wenn die Ortsabwesenheit für den Zugang des Bescheides unerheblich sein könnte, hat das SG hier keinen konkreten Zeitpunkt ermittelt oder festgestellt.
Soweit sich die Beklagte und das SG auf die Fiktionswirkung des § 37 Abs. 2 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) stützen, geht diese Annahme fehl. Danach gilt ein schriftlicher Verwaltungsakt, der im Inland durch die Post übermittelt wird, am dritten Tag nach der Aufgabe zur Post als bekannt gegeben. Unabhängig davon, dass dies nicht gilt, wenn der Verwaltungsakt nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen ist und im Zweifel die Behörde den Zugang des Verwaltungsaktes und den Zeitpunkt des Zugangs nachzuweisen hat (§ 37 Abs. 2 Satz 3 SGB X), fehlt es für den Eintritt der Fiktionswirkung bereits an der Ermittlung des Tages der Aufgabe des Bescheides vom 27.06.2013 zur Post. Voraussetzung für die Bekanntgabefiktion ist die Feststellung des Zeitpunktes, zu dem der maßgebende Verwaltungsakt zur Post gegeben wurde (vgl. Sächsisches LSG, Urteil vom 24.01.2013 - L 3 AL 112/11 - juris - m. w. N.; Engelmann in von Wulffen/Schütze, SGB X, 8. Aufl, § 37 Rn. 12a). Regelmäßig erfolgt die Dokumentation durch einen Vermerk in den Verwaltungsakten, wann der Bescheid zur Post gegeben worden ist. Fehlt ein entsprechender Vermerk über den Tag der Postaufgabe, tritt grundsätzlich keine Bekanntgabefiktion ein (vgl. BSG, Urteil vom 03.03.2009 - B 4 AS 37/08 R - SozR 4-4200 § 22 Nr. 15; Engelmann a. a. O.; Mutschler in Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, Stand: Oktober 2014, § 37 SGB X Rn. 17). Hier hat die Beklagte bei dem Vermerk der Aufgabe zur Post kein Datum angebracht, so dass eine entsprechende Dokumentation nicht erfolgt ist. Es ist nicht einmal dokumentiert, wann der Bescheid zentral gedruckt worden und von dort ausgelaufen sein soll. Auch findet sich in den Unterlagen der Beklagten kein anderer Hinweis, wann der Bescheid zur Post gegeben worden ist (zu einer anderen Form des Nachweises als durch Vermerk in den Akten oder auf dem Bescheid: LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 30.09.2010 - L 1 AL 122/09 - juris). Da sich die Beklagte auf die nicht fristgerechte Einlegung des Widerspruchs beruft, trifft sie die Feststellungslast der Nichterweislichkeit des Zugangszeitpunktes. Letztlich ist eine Bekanntgabe erst im Zeitpunkt der Vollmachtserteilung des Klägers an seinen Bevollmächtigten am 19.07.2013 sicher nachzuweisen. Auf dieser Vollmacht ist der „Aufhebungs- und Erstattungsbescheid ALG I“ vermerkt. Der Bescheid vom 27.06.2013 ist damit jedenfalls am 19.07.2013 dem Kläger bekannt geworden. Anhaltspunkte für einen konkreten früheren Zugangszeitpunkt gibt es nicht und solche wurden auch nicht von der Beklagten belegt. Ausgehend hiervon war die Widerspruchseinlegung am 07.08.2013 - die Widerspruchsfrist lief richtigerweise erst am 19.08.2013 ab (§ 84 Abs. 1 Satz 1 SGG i. V. m. §?64 SGG bzw. §§?26, 62 SGB?X, §§ 187 ff Bürgerliches Gesetzbuch -BGB-) - noch fristgerecht, der Widerspruch damit zulässig. Damit hat das SG zu Unrecht die Unzulässigkeit des Widerspruchs des Klägers unter Zugrundelegung einer 3-Tages-Fiktion zur Bestimmung der Bekanntgabe des angefochtenen Verwaltungsaktes angenommen.
Eine Entscheidung in der Sache durch das SG liegt nicht vor, da die Klage allein aus formellen Gründen ohne eigentliche Sachprüfung abgewiesen worden ist (vgl. dazu BSG, Urteil vom 18.02.1981 - 3 RK 61/80 - SozR 1500 § 159 Nr. 2 = BSGE 51, 202; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Auflage 2014, § 159 Rn. 2b). Der Gerichtsbescheid des SG vom 30.06.2014 war deshalb aufzuheben und der Rechtsstreit an das SG zur erneuten Entscheidung zurückzuverweisen (§ 159 Abs. 1 Nr. 1 SGG). Bei einer Zurückverweisung nach § 159 Abs. 1 Nr. 1 SGG hat der Senat sein Ermessen dahingehend auszuüben, ob er die Sache selbst entscheiden oder zurückverweisen will. Die Zurückverweisung soll die Ausnahme sein (Keller a. a. O. § 159 Rn. 5a). In Abwägung zwischen den Interessen der Beteiligten an der Sachentscheidung sowie den Grundsätzen der Prozessökonomie hält es der Senat vorliegend für angezeigt, den Rechtsstreit an das SG zurückzuverweisen.
Nach der Zurückverweisung wird das SG in der Sache zu prüfen haben, ob die Aufhebung der Alg-Bewilligung für die Zeit vom 25.02.2013 bis 29.04.2013, die Erstattungsforderung in Bezug auf überzahlte Leistungen i. H. v. 1.824,55 € und die erklärte Aufrechnung i. H. v. 14,03 € täglich rechtmäßig war.
Nach § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB X i. V. m. § 330 Abs. 3 Satz 1 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei dessen Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eingetreten ist, der Betroffene eine durch Rechtsvorschrift vorgeschriebene Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderung der Verhältnisse vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen ist und die Fristen des § 48 Abs. 4 SGB X eingehalten sind. Dies gilt nach § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 SGB X auch dann, wenn der Betroffene wusste oder nicht wusste, weil er die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat, dass der sich aus dem Verwaltungsakt ergebende Anspruch kraft Gesetzes zum Ruhen gekommen oder ganz oder teilweise weggefallen ist.
Zwar dürfte in der Sache viel dafür sprechen, dass mit der Tätigkeitsaufnahme bei E. ab dem 25.02.2013 die Voraussetzungen des Anspruchs auf Alg im Hinblick auf die Beschäftigungslosigkeit (§ 138 Abs. 1 Nr. 1 SGB III) und nach der wegen fehlender Beschäftigungslosigkeit von mehr als sechs Wochen im Anschluss entfallenen Wirkung der persönlichen Arbeitslosmeldung (§ 141 Abs. 2 Nr. 1 SGB III) weggefallen sind. Allerdings erscheint offen, ob der Kläger insofern grob fahrlässig seine Mitteilungsverpflichtung verletzt hat. Diesbezüglich wäre der Inhalt der zuvor durch den Kläger und dessen Vater mit der Beklagten geführten Gespräche zu ermitteln. Es erscheint nach den Vermerken der Beklagten keinesfalls ausgeschlossen, dass die Aufnahme des Praktikums zum 25.02.2013 tatsächlich rechtzeitig mitgeteilt worden ist. Ebenfalls offen ist deshalb auch, inwieweit der Kläger nach seinen subjektiven Fähigkeiten grob fahrlässig nicht gewusst haben soll, dass er keinen Anspruch auf Alg gehabt hat. Zwar hat er den Erhalt und die Kenntnisnahme des Merkblattes 1 für Arbeitslose erhalten und seiner Bestätigung nach auch zur Kenntnis genommen. Ob er jedoch im Hinblick auf die zuvor mit der Beklagten geführten Gespräche von einem Weiterbestehen des Anspruchs auf Alg trotz Aufnahme des Praktikums ausgehen konnte, wird dann noch zu klären sein.
Das SG wird im Rahmen der erneuten Entscheidung über die Kosten insgesamt zu befinden haben (vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl, § 193 Rn. 2a).
Gründe, die Revision gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG zuzulassen, liegen nicht vor.
Gründe
Das Sozialgericht Bayreuth (SG) hat die Klage wegen Verfristung als unzulässig abgewiesen (Urteil vom 17.12.2013). Der Widerspruchsbescheid vom 03.08.2011 sei am 04.08.2011 lt. eines Vermerkes des Sachbearbeiters zur Post gegeben worden und die am 08.09.2011 erhobene Klage daher verfristet. Dagegen hat der Kläger Nichtzulassungsbeschwerde zum Bayer. Landessozialgericht eingelegt.
Die Berufung ist zuzulassen, denn das SG hat ein Prozessurteil anstelle eines Sachurteils erlassen (vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl. § 144 RdNr. 34). Die Bekanntgabefiktion des § 37 Abs. 2 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch tritt nicht ein, denn der Vermerk des Sachbearbeiters genügt als Nachweis der Aufgabe zur Post nicht (vgl. Urteil des Senats vom 16.01.2013 - L 11 AS 583/10 - veröffentlicht in juris).
Einer Kostenentscheidung bedarf es nicht, denn hierüber ist im Rahmen des Berufungsverfahrens zu entscheiden.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Tenor
Auf die Beschwerde der Kläger wird der Beschluss des Sozialgerichts Münster vom 20.10.2012 geändert: Den Klägern wird Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt L, M bewilligt. Kosten sind im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.
1
Gründe:
2I.
3Die Kläger wenden sich gegen die Ablehnung von Prozesskostenhilfe für ein Klageverfahren vor dem Sozialgericht, in dem sie Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II) begehren.
4Am 23.02.2009 beantragten die Kläger bei der Beklagten die Bewilligung von Leistungen nach SGB II. Diesen Antrag lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 06.03.2009, der irrtümlich das Datum 19.03.2008 trug, wegen fehlender Mitwirkung unter Hinweis auf § 66 Erstes Buch Sozialgesetzbuch - Allgemeiner Teil - (SGB I) ab. Mit Schreiben vom 16.08.2010 beantragten die Kläger durch ihren Bevollmächtigten "die Überprüfung der beantragten und abgelehnten Leistungen nach dem SGB II" im Rahmen des § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - (SGB X). Mit Schreiben vom 04.10.2010 begründeten sie den Antrag unter Nennung des Bescheides vom 19.03.2008 damit, dass die Versagung der Leistung wegen fehlender Mitwirkung nicht wirksam sei, da eine konkrete Rechtsfolgenbelehrung vorab nicht vorgenommen worden sei. Vor Erlass des Bescheides seien die Kläger nicht detailliert darüber belehrt worden, welche Konsequenzen aus der unterlassenen Beibringung der geforderten Unterlagen gezogen werden würden. Mit Bescheid vom 04.11.2010 lehnte die Beklagte den Überprüfungsantrag ab, da die Rechtswidrigkeit des zur Überprüfung gestellten Bescheides nicht zu erkennen sei. Dagegen legten die Kläger durch ihren Bevollmächtigten am 10.11.2010 Widerspruch ein. Unter dem 18.08.2011 verfasste die Beklagte ein an den Bevollmächtigten der Kläger adressiertes Schreiben das mit dem Wort "Abhilfebescheid" überschrieben war. Der Verfügungssatz dieses Bescheides lautete: "Ihrem o. g. Widerspruch wird abgeholfen." In der Begründung wurde ausgeführt dass der Leistungsantrag der Kläger wegen fehlender Mitwirkung abgelehnt worden sei. Der Mitwirkungspflicht seien die Kläger durch Einreichung der angeforderten Unterlagen jedoch nachgekommen. Somit sei ihrem Widerspruch vom 10.11.2010 stattzugeben. Ebenfalls am 18.08.2011 verfasste die Beklagte einen (weiteren) Bescheid, mit dem sie den Antrag auf Gewährung von Leistungen nach dem SGB II vom 23.02.2009 wegen fehlender Hilfebedürftigkeit ablehnte. Dieser Bescheid trug über dem Datum das handgeschriebene Wort "ab" und war an die Klägerin zu 1) und den Kläger zu 2) adressiert.
5Am 25.11.2011 legten die Kläger durch ihren Bevollmächtigten gegen letztgenannten Bescheid Widerspruch ein. Da die Bekanntgabe des Bescheides nicht an den Bevollmächtigten erfolgt sei, sei keine Verfristung eingetreten. Mit Widerspruchsbescheid vom 04.05.2012 wies der Kreis D den Widerspruch als unzulässig zurück. Die Widerspruchsfrist sei nicht eingehalten worden. Die Beklagte sei nicht verpflichtet gewesen, den Bescheid an den Bevollmächtigten bekannt zu geben. Gemäß § 37 Abs. 1 S. 2 SGB X stehe es im Ermessen der Behörde, ob sie den Verwaltungsakt an den Betroffenen oder den Bevollmächtigten bekannt gebe.
6Mit ihrer am 15.05.2012 beim Sozialgericht Münster (SG) erhobenen Klage haben die Kläger unter Beantragung von Prozesskostenhilfe geltend gemacht, dass es ermessensfehlerhaft gewesen sei, die für die Kläger positive Entscheidung dem Bevollmächtigten, den Ablehnungsbescheid jedoch den Klägern persönlich bekanntzugeben. Der Bescheid könne damit erst mit der Kenntnisnahme des Bevollmächtigten als bekannt gegeben angesehen werden. Der Ablehnungsbescheid sei auch rechtswidrig, da zu Unrecht lediglich die angemessenen anstatt der tatsächlichen Kosten der Unterkunft berücksichtigt worden seien.
7Das SG hat den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe mit Beschluss vom 20.10.2012 abgelehnt und zur Begründung ausgeführt, dass eine hinreichende Erfolgsaussicht für die Klage nicht bestehe. Der Kreis D habe den Widerspruch der Kläger zu Recht als unzulässig zurückgewiesen. Gemäß § 37 Abs. 2 S. 1 SGB X gelte der Bescheid am 21.08.2011 als bekannt gegeben. Der Umstand, dass der Ablehnungsbescheid vom 18.08.2011 an die Kläger zu 1) und 2) persönlich adressiert gewesen sei, ändere an diesem Ergebnis nichts. Es habe im Ermessen der Beklagten gestanden, ob sie den Ablehnungsbescheid den Klägern selbst oder ihrem Bevollmächtigten gegenüber bekannt gebe. Daher sei die Entscheidung der Beklagten vom Gericht lediglich dahin überprüfbar, ob diese die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten habe oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht habe. Ermessensfehler vermöge die Kammer bei der Bekanntgabe des Bescheides nicht zu erkennen. Ein solcher sei bei der Adressierung eines Bescheides an den Betroffenen anstatt seinen Bevollmächtigten nur anzunehmen, wenn für die Behörde erkennbare Besonderheiten bei dem Beteiligten vorlägen, die eine Bekanntgabe nicht auch an den Bevollmächtigten unangebracht erscheinen ließen. Solche Umstände lägen hier nicht vor.
8Mit der am 05.11.2012 eingelegten Beschwerde vertreten die Kläger die Auffassung § 13 SGB X diene dem Schutz und dem Interesse der an einem Verwaltungsverfahren beteiligten Bürger. Dieser Schutzzweck werde nicht durch den Regelungsgehalt des § 37 SGB X obsolet. Zudem sei nicht erkennbar, dass der Bekanntgabe des ablehnenden Bescheids vom 18.08.2011 überhaupt eine Ermessensentscheidung vorangegangen wäre. Jedenfalls sei das Ermessen nicht in rechtmäßiger Art und Weise ausgeübt worden.
9Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.
10II.
11Die zulässige Beschwerde ist begründet.
12Das SG hat die Bewilligung von Prozesskostenhilfe zu Unrecht abgelehnt.
13Voraussetzung für die Gewährung von PKH ist nach § 73a Abs. 1 S. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) i.V.m. § 114 der Zivilprozessordnung (ZPO) unter anderem, dass die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet. Eine hinreichende Erfolgsaussicht besteht, wenn das Gericht nach vorläufiger Prüfung den Standpunkt des Antragstellers auf Grund der Sachverhaltsschilderung und der vorliegenden Unterlagen für zutreffend oder doch für vertretbar hält und in tatsächlicher Hinsicht von der Möglichkeit der Beweisführung überzeugt ist (vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl. 2012, § 73a Rz. 7a; st. Rspr. des erkennenden Senats, z.B. Beschluss vom 23.03.2010, L 6 B 141/09 AS). Der Erfolg braucht nicht sicher zu sein, muss aber nach den bisherigen Umständen eine gewisse Wahrscheinlichkeit für sich haben. Dabei dürfen die Anforderungen an die Erfolgsaussicht der beabsichtigten Rechtsverfolgung nicht überspannt werden. Die Prüfung der Erfolgsaussicht darf nicht dazu dienen, die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung in das Nebenverfahren der PKH vorzuverlagern (vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer aaO § 73a Rz. 7). Das PKH-Verfahren will den Rechtsschutz, den der Rechtsstaatsgrundsatz erfordert, nicht selbst bieten, sondern zugänglich machen.
14Nach dieser Maßgabe war im vorliegenden Fall Prozesskostenhilfe zu bewilligen. Die Klage hat hinreichende Aussicht auf Erfolg. Ob der Beklagte den Widerspruch zutreffend als unzulässig zurückgewiesen hat, ist offen, da derzeit eine zuverlässige Beurteilung, ob die Kläger die Widerspruchsfrist versäumt haben, nicht möglich ist.
15Gemäß § 84 Abs. 1 SGG ist der Widerspruch binnen eines Monats, nachdem der Verwaltungsakt dem Beschwerten bekannt gegeben worden ist, schriftlich oder zur Niederschrift bei der Stelle einzureichen, die den Verwaltungsakt erlassen hat. Nach derzeitigem Sachstand kann der Ablauf der Widerspruchsfrist nicht festgestellt werden, da schon deren Beginn nicht bekannt ist.
16Ohne vernünftigen Zweifel steht lediglich fest, dass der Widerspruch der Kläger gegen den Bescheid vom 18.08.2011 am 28.11.2011 bei der Beklagten per Fax erstmals eingegangen ist. Ob zu diesem Zeitpunkt die Widerspruchsfrist bereits abgelaufen war, ist jedoch nicht feststellbar. Denn es fehlt ein Nachweis dafür, wann der fragliche Bescheid den Klägern bekannt gegeben worden ist. Eine Bekanntgabe an den Bevollmächtigten der Kläger erfolgte unstreitig nicht. Dieser hat erst durch Vorlage des Bescheides durch die Kläger von dem Bescheid Kenntnis erlangt und (wohl ohne weiteres schuldhaftes Zögern) Widerspruch erhoben. Dieser vom Bevollmächtigten der Kläger beschriebene Vorgang lässt auch keinen Zweifel daran, dass der Bescheid den Klägern persönlich zugegangen und damit eine Bekanntgabe erfolgt ist. Offen ist jedoch, an welchem Tag die Bekanntgabe erfolgte.
17Entgegen der Auffassung des SG greift hier die Bekanntgabefiktion des § 37 Abs. 2 S. 1 SGB X nicht. Danach gilt ein schriftlicher Verwaltungsakt, der im Inland durch die Post übermittelt wird, am 3. Tag nach der Aufgabe zur Post als bekannt gegeben. Es ist aus den vorliegenden Unterlagen und auch aus dem Vortrag der Beklagten nicht erkennbar, wann der Bescheid zur Post aufgegeben wurde. Die handschriftliche Eintragung des Wortes "ab" lässt jedenfalls keinen Rückschluss darauf zu, wann die Aufgabe zur Post erfolgte. Welche Bedeutung diese Eintragung haben könnte, lässt sich allenfalls vermuten. Nach den Erfahrungen des Senates handelt es sich bei dieser Eintragung um eine solche der den Bescheid erstellenden Sachbearbeiterin, mit dem dokumentiert werden soll, an welchem Tag der Bescheid deren Zuständigkeitsbereich verlassen hat. Dies ist jedoch im Hinblick auf die Bekanntgabefiktion des § 37 Abs. 2 S. 1 SGB X unerheblich (Pattar in: jurisPK-SGB X, § 37 SGB X, Rzf 96). Der Senat geht nicht davon aus, dass im vorliegenden Fall die Sachbearbeiterin den Bescheid persönlich einem Mitarbeiter der Post oder eines anderen Briefzustelldienstes übergeben hat; denn in der Regel dürfte eine dem Beklagten vergleichbare Organisation/Behörde die Briefversendung über Mitarbeiter der Poststelle vornehmen, die ihrerseits erst die Sendung an Mitarbeiter von Zustelldiensten übergeben oder zur Post bringen. Dem Senat sind aus eigener Anschauung Fälle bekannt, in denen der Poststempel des bekanntzugebenden Verwaltungsaktes ein Datum trug, das mehrere Wochen nach dem Datum des Ab-Vermerks des Sachbearbeiters lag. Den Anforderungen des § 37 Abs. 2 S. 1 SGB X genügend müsste der Mitarbeiter der Poststelle den Zeitpunkt der Aufgabe zur Post dokumentieren, der Sachbearbeiter ist hierzu von vorneherein nicht in der der Lage.
18Um für die Bestimmung des Beginns der Widerspruchsfrist auf die Bekanntgabefiktion des § 37 Abs. 2 S. 1 SGB X abstellen zu können, wäre vor diesemHintergrund zunächst aufzuklären, welchen behördeninternen Erklärungsinhalt der "Ab-Vermerk" tatsächlich hat. Diese Feststellungen wären entbehrlich, wenn der Bescheid nachweislich erst später als drei Tage nach Fertigung des "Ab-Vermerks" tatsächlich bekannt gegeben worden wäre.
19Die Zulässigkeit des Widerspruchs unterstellt, ist PKH nicht etwa deshalb abzulehnen, weil auf die höheren Leistungen nach dem SGB II gerichtete Klage keine Aussicht auf Erfolg hätte. Die Ausführungen der Kläger zur Berechnung des Bedarfs (tatsächliche statt die vom Beklagten als angemessen erachteten Kosten der Unterkunft) und etwaiger Absetzungsbeträge (Fahrtkosten, Pauschale) erscheinen nach summarischer Einschätzung jedenfalls nicht von vorneherein ungeeignet, einen Zahlungsanspruch zu stützen.
20Eine Kostenerstattung im Beschwerdeverfahren über die Prozesskostenhilfe ist gesetzlich ausgeschlossen, § 127 Abs. 4 ZPO.
21Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht anfechtbar (§ 177 SGG).
Entscheidungen des Landessozialgerichts, seines Vorsitzenden oder des Berichterstatters können vorbehaltlich des § 160a Abs. 1 dieses Gesetzes und des § 17a Abs. 4 Satz 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden.