Bundesarbeitsgericht Urteil, 21. Juli 2015 - 9 AZR 145/14

ECLI:ECLI:DE:BAG:2015:210715.U.9AZR145.14.0
bei uns veröffentlicht am21.07.2015

Tenor

1. Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts München vom 15. Januar 2014 - 11 Sa 659/13 - wird zurückgewiesen.

2. Die Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über den Umfang des dem Kläger zustehenden Jahresurlaubs.

2

Die Beklagte beschäftigt den Kläger seit 1984 als Meister im Schaltdienst. Auf das Arbeitsverhältnis findet kraft arbeitsvertraglicher Bezugnahme der Tarifvertrag Versorgungsbetriebe vom 5. Oktober 2000 idF des 10. Änderungstarifvertrags vom 1. April 2014 (TV-V) Anwendung. Dieser enthält ua. folgende Regelungen:

      

§ 14 

        

Erholungsurlaub ...

        

(1)     

Die Arbeitnehmer haben in jedem Kalenderjahr Anspruch auf Erholungsurlaub unter Fortzahlung des Arbeitsentgelts ... Der Urlaub muss im laufenden Kalenderjahr gewährt und kann auch in Teilen genommen werden; dabei muss der Urlaub in ganzen Tagen genommen werden.

        

…       

        
        

(3)     

Bei Verteilung der wöchentlichen Arbeitszeit auf fünf Tage in der Kalenderwoche beträgt der Urlaubsanspruch 30 Arbeitstage. Bei anderer Verteilung der Arbeitszeit in der Kalenderwoche erhöht oder vermindert sich der Urlaubsanspruch entsprechend. …

        

…“    

        
3

Der Kläger erbringt seine Arbeitsleistung in einem vollkontinuierlichen Wechselschichtmodell, das unabhängig von Wochenenden und Feiertagen jeweils in Folge zwei Früh-, zwei Spät-, zwei Nachtschichten und schließlich 72 Stunden ohne Arbeitsleistung vorsieht. Die Frühschichten dauern von 6:00 Uhr bis 14:00 Uhr, die Spätschichten von 14:00 Uhr bis 22:00 Uhr desselben und die Nachtschichten von 22:00 Uhr des einen bis 6:00 Uhr des nächsten Tages.

4

Der Kläger hat die Rechtsauffassung vertreten, er habe Anspruch auf jährlich 33 Urlaubstage. Die Beklagte setze ihn im Durchschnitt 5,44 Tage in der Woche ein. Arbeitstag iSd. § 14 Abs. 3 Satz 1 TV-V sei jeder Kalendertag, an dem ein Arbeitnehmer Arbeitsleistungen für seinen Arbeitgeber erbringe.

5

Der Kläger hat - soweit für die Revision von Interesse - beantragt

        

festzustellen, dass ihm ein jährlicher Erholungsurlaub von 33 Urlaubstagen zusteht.

6

Die Beklagte hat die Abweisung der Klage mit der Begründung beantragt, dem Kläger stehe ein Urlaubsanspruch im Umfang von lediglich 28 Arbeitstagen zu, da er seine Arbeitsleistung an durchschnittlich 4,67 Tagen in der Woche erbringe. Jede von dem Kläger zu leistende Schicht sei als ein Arbeitstag unabhängig davon zu werten, ob sich die Schicht über zwei Kalendertage erstrecke.

7

Das Arbeitsgericht hat der Klage - soweit für die Revision von Interesse - stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten gegen das insoweit klagestattgebende Urteil des Arbeitsgerichts zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihr Ziel, die Abweisung der Klage, weiter.

Entscheidungsgründe

8

Die zulässige Revision der Beklagten ist nicht begründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten gegen das insoweit klagestattgebende Urteil des Arbeitsgerichts zu Recht zurückgewiesen.

9

I. Die Klage ist zulässig. Der Klageantrag erfüllt die Voraussetzungen, an die § 256 Abs. 1 ZPO die Zulässigkeit einer Feststellungsklage knüpft. Feststellungsklagen brauchen sich nicht auf das Rechtsverhältnis im Ganzen beziehen, sondern können einzelne daraus entstehende Rechte, Pflichten oder Folgen - wie hier den Umfang des Urlaubsanspruchs - zum Gegenstand haben (vgl. BAG 21. Januar 2011 - 9 AZR 565/08 - Rn. 15). Da der Kläger ein rechtliches Interesse daran hat, den Umfang des ihm zustehenden Jahresurlaubs einer gerichtlichen Feststellung zuzuführen, liegt das erforderliche Feststellungsinteresse vor. Der grundsätzliche Vorrang der Leistungsklage steht der Zulässigkeit einer Klage, mit der ein Arbeitnehmer den Umfang des ihm zustehenden Urlaubs gerichtlich festgestellt wissen will, nicht entgegen (BAG 21. Oktober 2014 - 9 AZR 956/12 - Rn. 9 unter Hinweis ua. auf BAG 12. April 2011 - 9 AZR 80/10 - Rn. 13 ff., BAGE 137, 328).

10

II. Die Klage ist begründet. Die Beklagte ist verpflichtet, dem Kläger jährlich an 33 Arbeitstagen Urlaub zu gewähren (§ 14 Abs. 3 Satz 1 und Satz 2 TV-V). Der in § 14 Abs. 3 Satz 1 TV-V für eine Fünftagewoche bestimmte Urlaubsanspruch ist im Streitfall gemäß § 14 Abs. 3 Satz 2 TV-V umzurechnen. Die Tarifvorschrift normiert das sog. Tagesprinzip. Dementsprechend ist bei der Feststellung, wie viele Tage der Urlaubsanspruch des Arbeitnehmers umfasst, jeder Kalendertag, an dem der Arbeitnehmer zur Arbeitsleistung verpflichtet ist, unabhängig davon zu berücksichtigen, ob der Arbeitgeber den Arbeitnehmer in einer tageübergreifenden Nachschicht einsetzt.

11

1. Das Landesarbeitsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass „Tag in der Kalenderwoche“ iSd. § 14 Abs. 3 Satz 1 TV-V jeder Kalendertag ist, an dem der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung für den Arbeitgeber erbringt. Eine Nachtschicht, die sich über zwei Kalendertage erstreckt, ist als zwei Tage zu rechnen. Dies ergibt die Auslegung der Tarifnorm (zu den Auslegungsgrundsätzen bei Tarifverträgen vgl. BAG 22. April 2010 - 6 AZR 962/08 - Rn. 17 mwN, BAGE 134, 184).

12

a) Der Wortlaut des § 14 Abs. 3 Satz 1 TV-V zwingt zu dem vom Landesarbeitsgericht gefundenen Auslegungsergebnis. Die Tarifnorm stellt auf „Tage“ und „Arbeitstage“, nicht aber auf Schichten ab (anders für die Tarifverträge der chemischen Industrie BAG 5. November 2002 - 9 AZR 470/01 - zu B I 3 b bb (1) der Gründe). Hiermit korrespondiert das Tarifmerkmal „Tage in der Kalenderwoche“. Die Festlegung von Tagen als Maß des Urlaubsumfangs entspricht der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zum Inhalt des Urlaubsanspruchs als einem Anspruch auf Befreiung von der vertraglichen Arbeitspflicht, ohne dass die Pflicht zur Zahlung des Arbeitsentgelts berührt wird. Urlaub kann nur für solche Tage erteilt werden, an denen der Arbeitnehmer aufgrund der Verteilung seiner Arbeitszeit eigentlich hätte arbeiten müssen (BAG 15. März 2011 - 9 AZR 799/09 - Rn. 20, BAGE 137, 221).

13

b) Die Tarifhistorie bestätigt das Ergebnis der wortlautgemäßen Auslegung. Der TV-V enthält anders als seine Vorgängervorschriften (vgl. § 48 Abs. 4 Unterabs. 1 Satz 2 des Bundes-Angestelltentarifvertrags vom 23. Februar 1961, zuletzt geändert durch den 78. Änderungstarifvertrag vom 31. Januar 2003; § 48 Abs. 8 Unterabs. 1 Satz 2 des Manteltarifvertrags für Arbeiterinnen und Arbeiter des Bundes und der Länder vom 6. Dezember 1995, zuletzt geändert durch den Änderungstarifvertrag Nr. 4 vom 31. Januar 2003; § 67 Nr. 11 Satz 2 des Bundesmanteltarifvertrags für Arbeiter gemeindlicher Verwaltungen und Betriebe vom 31. Januar 1962, zuletzt geändert durch den 51. Ergänzungstarifvertrag vom 31. Januar 2003) keine Regelung, der zufolge für eine Arbeitsschicht, die nicht an dem Kalendertag endet, an dem sie begonnen hat, als Arbeitstag nur der Kalendertag gilt, an dem sie begonnen hat. Der für den Streitfall maßgebliche § 14 Abs. 3 TV-V stellt ausschließlich auf Tage ab. Dies belegt den Willen der Tarifvertragsparteien des TV-V, die Anzahl der Urlaubstage ohne Rücksicht auf kalendertagsübergreifende Schichten allein nach den Kalendertagen mit Arbeitspflicht festzulegen.

14

c) Auch der systematische Zusammenhang, in den die Tarifbestimmung eingebettet ist, zeigt, dass die Tarifvertragsparteien den Urlaubsanspruch tage- und nicht schichtweise berechnet wissen wollen. Gemäß § 14 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2 TV-V muss der Urlaub in ganzen Tagen genommen werden. Damit haben die Tarifvertragsparteien ausgeschlossen, dass der Arbeitnehmer sich lediglich stundenweise, etwa für eine Schicht, von der Verpflichtung zur Arbeitsleistung befreien lassen kann.

15

d) Die tarifliche Umrechnungsregelung in § 14 Abs. 3 Satz 2 TV-V bezweckt die Gleichbehandlung der tarifunterworfenen Arbeitnehmer(vgl. BAG 15. März 2011 - 9 AZR 799/09 - Rn. 23, BAGE 137, 221). Sie will sicherstellen, dass jeder Arbeitnehmer ungeachtet der Verteilung der Arbeitszeit auf die einzelnen Wochentage die Urlaubstage erhält, die zur gleichen Dauer eines zusammenhängenden Urlaubs erforderlich sind. Dieses Ziel verwirklicht die Tarifbestimmung durch eine Vermehrung respektive Verminderung der Anzahl der Urlaubstage für Arbeitnehmer, die ihre Arbeitsleistung abweichend vom Regelfall nicht in einer Fünftagewoche erbringen. Die Anzahl der Urlaubstage, auf die ein solcher Arbeitnehmer Anspruch hat, entspricht der Anzahl der Urlaubstage, die er einbringen muss, um einen gleich langen zusammenhängenden Urlaub zu erhalten. So verfügt ein Arbeitnehmer wie der Kläger, der seine Arbeitsleistung regelmäßig an mehr als fünf Kalendertagen in der Woche erbringt, zwar über mehr Urlaubstage als ein Arbeitnehmer, den die Beklagte in einer Fünftagewoche beschäftigt. Jener muss aber auch mehr Urlaubstage in Anspruch nehmen als dieser, um sechs Wochen lang zusammenhängend der Arbeit urlaubsbedingt fernbleiben zu können.

16

e) Damit weicht der Senat nicht von der Entscheidung des Zehnten Senats des Bundesarbeitsgerichts vom 19. Februar 2014 (- 10 AZR 539/13 - Rn. 12) ab, der ohne nähere Begründung davon ausgegangen ist, einem Arbeitnehmer, der weniger als fünf Schichten in der Woche leiste, stehe auch dann nur ein gekürzter Anspruch auf tariflichen Zusatzurlaub zu, wenn eine Schicht an zwei Kalendertagen geleistet werde. Diese Entscheidung erging nicht zu § 14 Abs. 3 Satz 2 TV-V, sondern zu § 26 Abs. 1 Satz 4 TV-L und betraf somit eine andere Tarifnorm.

17

2. Für die Umrechnung ist die Anzahl der Arbeitstage mit Arbeitspflicht mit der Anzahl der Urlaubstage ins Verhältnis zu setzen. Der Schichtrhythmus, in dem die Beklagte den Kläger einsetzt, ist nicht auf eine Woche beschränkt. Für die Berechnung ist deshalb der repräsentative Zeitabschnitt heranzuziehen, in dem die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit im Durchschnitt erreicht wird. Dabei muss die Berechnungsmethode eine Gleichwertigkeit insbesondere der Urlaubsdauer sicherstellen. Das wird erreicht, wenn jahresbezogen die für den Arbeitnehmer mit abweichender Arbeitszeit maßgebliche Anzahl der Tage mit Arbeitspflicht mit der Anzahl der in der Fünftagewoche geltenden Anzahl der Arbeitstage zueinander ins Verhältnis gesetzt wird (vgl. BAG 15. März 2011 - 9 AZR 799/09 - Rn. 25, BAGE 137, 221). Die danach maßgebliche Umrechnungsformel lautet:

       

Urlaubstage x Arbeitstage im Jahr bei abweichender Verteilung

        

Arbeitstage im Jahr bei einer Fünftagewoche

18

In diese Formel sind als Dividend die in § 14 Abs. 3 Satz 1 TV-V festgelegte Anzahl von 30 Urlaubstagen einzusetzen. Diese sind mit der vom Kläger im Schichtsystem zu leistenden Anzahl von 284 Arbeitstagen im Jahr zu multiplizieren. Als Divisor sind 261 Arbeitstage einzusetzen. Die Parteien gehen übereinstimmend davon aus, dass die Beklagte einen Arbeitnehmer, der seine Arbeitsleistung an fünf Tagen in der Woche erbringt, an 261 Soll-Arbeitstagen im Jahr beschäftigt. Dem Kläger stehen danach 32,64 Arbeitstage Urlaub zu, die auf 33 Arbeitstage aufzurunden sind. § 14 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2 TV-V schreibt vor, dass Arbeitnehmer ihren Anspruch auf Urlaub nur in ganzen Tagen realisieren können. Demnach sind 33 Urlaubstage erforderlich, damit der Kläger - wie ein in einer Fünftagewoche beschäftigter Arbeitnehmer - einen zusammenhängenden Urlaub von sechs Wochen nehmen kann.

19

III. Die Beklagte hat als Revisionsführerin die Kosten der erfolglosen Revision zu tragen (§ 97 Abs. 1 ZPO).

        

    Brühler    

        

    Krasshöfer    

        

    Suckow    

        

        

        

    Pielenz    

        

    M. Dipper    

                 

ra.de-Urteilsbesprechung zu Bundesarbeitsgericht Urteil, 21. Juli 2015 - 9 AZR 145/14

Urteilsbesprechung schreiben

0 Urteilsbesprechungen zu Bundesarbeitsgericht Urteil, 21. Juli 2015 - 9 AZR 145/14

Referenzen - Gesetze

Bundesarbeitsgericht Urteil, 21. Juli 2015 - 9 AZR 145/14 zitiert 2 §§.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 97 Rechtsmittelkosten


(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat. (2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vo

Zivilprozessordnung - ZPO | § 256 Feststellungsklage


(1) Auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses, auf Anerkennung einer Urkunde oder auf Feststellung ihrer Unechtheit kann Klage erhoben werden, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse daran hat, dass das Rechtsverh

Referenzen - Urteile

Urteil einreichen

Bundesarbeitsgericht Urteil, 21. Juli 2015 - 9 AZR 145/14 zitiert oder wird zitiert von 2 Urteil(en).

Bundesarbeitsgericht Urteil, 21. Juli 2015 - 9 AZR 145/14 zitiert 2 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundesarbeitsgericht Urteil, 12. Apr. 2011 - 9 AZR 80/10

bei uns veröffentlicht am 12.04.2011

Tenor Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamburg vom 29. Oktober 2009 - 2 Sa 146/09 - wird zurückgewiesen.

Bundesarbeitsgericht Urteil, 21. Jan. 2011 - 9 AZR 565/08

bei uns veröffentlicht am 21.01.2011

Tenor Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 14. Februar 2008 - 14 Sa 682/06 - insoweit aufgehoben, als es die Berufung hinsichtlich

Referenzen

(1) Auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses, auf Anerkennung einer Urkunde oder auf Feststellung ihrer Unechtheit kann Klage erhoben werden, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse daran hat, dass das Rechtsverhältnis oder die Echtheit oder Unechtheit der Urkunde durch richterliche Entscheidung alsbald festgestellt werde.

(2) Bis zum Schluss derjenigen mündlichen Verhandlung, auf die das Urteil ergeht, kann der Kläger durch Erweiterung des Klageantrags, der Beklagte durch Erhebung einer Widerklage beantragen, dass ein im Laufe des Prozesses streitig gewordenes Rechtsverhältnis, von dessen Bestehen oder Nichtbestehen die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil abhängt, durch richterliche Entscheidung festgestellt werde.

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 14. Februar 2008 - 14 Sa 682/06 - insoweit aufgehoben, als es die Berufung hinsichtlich der Verurteilung der Beklagten zurückgewiesen hat, an die Klägerin 99.932,40 Euro abzüglich übergegangener Ansprüche in Höhe von 47.428,56 Euro netto sowie 4.919,40 Euro netto an die Klägerin zu zahlen.

Insoweit wird das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 21. Februar 2006 - 12 Ca 6478/05 - auf die Berufung der Beklagten abgeändert und die Klage abgewiesen.

Die weitergehende Revision der Beklagten wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz hat die Klägerin zu 97 %, die Beklagte zu 3 %, die Kosten des Berufungs- und des Revisionsverfahrens hat die Klägerin zu 89 %, die Beklagte zu 11 % zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Dauer einer Beurlaubung sowie die Bemessung eines Gesamtruhegelds.

        

„§ 1   

        

Geltungsbereich

        

(1)     

Dieser Tarifvertrag gilt für die Arbeitnehmer/innen der Techniker Krankenkasse (TK), nachfolgend Angestellte genannt.

        

…       

        

§ 30   

        

Beurlaubung aus betrieblichen oder persönlichen Gründen bis zum Eintritt des Versorgungsfalles

        

…       

        

(2)     

Erklärt ein/e unkündbare/r Angestellte/r mit Gesamtversorgungsansprüchen nach Anlage 6a oder 6b TKT, der das 58. Lebensjahr (als Schwerbehinderte mit einem Grad der Behinderung von mindestens 50 % des 57. Lebensjahr) vollendet hat, dass er/sie dauernd außerstande sei, die ihnen obliegenden Aufgaben in vollem Umfang zu erfüllen und können ihm andere seiner Vergütungsgruppe entsprechende Aufgaben nicht übertragen werden, kann ihn/sie der Arbeitgeber auf seinen/ihren Antrag, wenn ihm/ihr außerdem Rente wegen voller Erwerbsminderung abgelehnt worden ist, bis zum Eintritt des Versorgungsfalles beurlauben.

        

(3)     

Die Beurlaubung endet mit einem Bezug von Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung, die zum frühestmöglichen Zeitpunkt zu beantragen ist.

        

(4)     

Der/die beurlaubte Angestellte erhält bis zum Eintritt des Versorgungsfalles Gesamtruhegeld nach Anlagen 6a oder 6b TKT.

        

...     

        

§ 31   

        

Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses … bei Bezug von Altersruhegeld

        

Mit dem Ablauf des Monats, in dem der/die Angestellte das 65. Lebensjahr vollendet oder indem ihm/ihr der Rentenbescheid über (vorgezogenes) Altersruhegeld zugestellt wird, endet das Beschäftigungsverhältnis, ohne dass es einer Kündigung bedarf.

        

...     

        

§ 34   

        

Alters- und Hinterbliebenenversorgung

        

…       

        

(2)     

Für Angestellte, deren Beschäftigungsverhältnis vor dem 01.05.77 begonnen hat, richten sich die Ansprüche auf Alters- und Hinterbliebenenversorgung nach Anlage 6a TKT, …

        

...     

        

§ 40   

        

Ausschlussfristen

        

(1)     

Ansprüche des Arbeitgebers oder der Angestellten aus diesem Tarifvertrag sind innerhalb einer Ausschlussfrist von sechs Monaten nach Fälligkeit schriftlich geltend zu machen, ...

        

…“    

3

Die von § 30 Abs. 2 TKT in Bezug genommene Anlage 6a sieht ua. Folgendes vor:

        

„Die Angestellten, deren Beschäftigungsverhältnis bei der TK vor dem 01.05.77 begann, haben unter folgenden Voraussetzungen Anspruch auf eine Gesamtversorgung gegen die TK.

        

...     

        

Abschnitt C

        

Voraussetzungen für den Anspruch auf Gesamtversorgung

        

Nr. 5 

        

Kreis der Anspruchsberechtigten

        

Angestellte, deren Zusatzversicherung bis zu den in Abschnitt A Nr. 1 genannten Terminen als Höherversicherung in der gesetzlichen Rentenversicherung oder als freiwillige Weiterversicherung bei der VBL durchgeführt wurde, haben Anspruch auf eine Gesamtversorgung gegen die Techniker Krankenkasse, wenn sie die Wartezeit nach Nr. 6 erfüllt haben, Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung zugebilligt wird, der Versorgungsfall nach Nr. 7 eingetreten ist und das Beschäftigungsverhältnis bis zu dessen Eintritt bestanden hat.

        

Nr. 6 

        

Beschäftigungs- und Wartezeit

        

…       

        

4.    

Die Wartezeit ist erfüllt, wenn Angestellte 60 Beschäftigungsmonate bei einer Krankenkasse zurückgelegt haben. Angebrochene Kalendermonate gelten als volle Monate.

        

Nr. 7 

        

Versorgungsfall

        

1.    

Der Versorgungsfall tritt ein, wenn Angestellte

                 

…       

                 

d)    

Altersruhegeld auf Antrag vor Vollendung des 65. Lebensjahres erhalten,

                 

…       

                 

frühestens jedoch am Tage nach Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses.

        

…       

        
        

Abschnitt D

        

Gesamtruhegeld

                 

Nr. 8 

                 

Zuschuss an Angestellte

        

Die Techniker Krankenkasse gewährleistet Angestellten als Gesamtruhegeld je nach Dauer der Beschäftigungszeit einen nach Nr. 9 ermittelten Vomhundertsatz des nach Nr. 10 festgesetzten ruhegeldfähigen Gehalts. Auf das Gesamtruhegeld werden die in Nr. 11 angeführten Bezüge angerechnet; der verbleibende Differenzbetrag wird als Zuschuss von der Techniker Krankenkasse gezahlt.

        

Nr. 9 

        

Höhe des Gesamtruhegeldes

        

1.    

Des Gesamtruhegeld beträgt nach erfüllter Wartezeit (Nr. 6 Ziffer 4) 35 v. H. des ruhegeldfähigen Gehalts (Nr. 10).

        

Es erhöht sich

                 

vom 6. bis 10. Beschäftigungsjahr um je 3,0 v. H.,

                 

vom 11. bis 20. Beschäftigungsjahr um je 1,5 v. H.,

                 

vom 21. bis 25. Beschäftigungsjahr um je 1,0 v. H.

                 

und für die folgenden Beschäftigungsjahre um je 0,5 v. H. bis höchstens 75 v. H. des ruhegeldfähigen Gehalts.

        

…       

        
        

Nr. 10

        

Ruhegeldfähiges Gehalt

        

Das Gesamtruhegeld wird vom Bruttogehalt und der Stellenzulage (Anlage 2 und 2a zum TKT) des Monats berechnet, in dem das Beschäftigungsverhältnis endet (ruhegeldfähiges Gehalt); wenn es für Angestellte günstiger ist, wird jedoch der Durchschnittsverdienst der letzten fünf Jahre zugrunde gelegt. Ergibt sich bei der Berechnung aus dem Durchschnitt der monatlichen Bruttogehälter der letzten 10 oder der letzten 20 Beschäftigungsjahre bei der Techniker Krankenkasse ein höherer Betrag, so wird dieser Betrag als ruhegeldfähiges Gehalt zugrunde gelegt. …

        

Für Beurlaubte nach § 30 TKT wird das Gesamtruhegeld von dem Bruttogehalt berechnet, dass unmittelbar vor Eintritt des Versorgungsfalles für die Berechnung der laufenden Beurlaubungsbezüge maßgebend war.

        

Nr. 11

        

Anzurechnende Bezüge

        

1.    

Auf das Gesamtruhegeld werden angerechnet:

                 

a) die Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung in voller Höhe, und zwar auch dann, wenn die Rente ruht,

                 

…       

                 

e) die Rente von der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder, und zwar auch dann in monatlichen Beträgen, wenn die Versicherungsrente von der VBL in einer einmaligen Zahlung abgefunden wurde,

                 

f) die nach dem Beamtengesetz oder aus sonstigen öffentlichen Kassen gezahlten Versorgungsbezüge.

                 

…       

        

Nr. 17

        

Bestimmungen für Sonderfälle

        

1.    

a) Werden unkündbare Angestellte gemäß § 30 TKT beurlaubt, so wird ihnen ungeachtet des fehlenden Rentenbezugs nach Nr. 11 Ziffer 1 Buchstaben a) und c) ein Gesamtruhegeld nach Abschnitt D gewährt, auf das er zum Zeitpunkt des Beginns der Beurlaubung Anspruch hat.

                 

…“    

4

Vom 1. Oktober 2002 bis zum 30. September 2004 war die Klägerin gemäß § 30 Abs. 2 TKT beurlaubt. Die Klägerin erhielt in diesem Zeitraum ein monatliches Gesamtruhegeld in Form von Beurlaubungsgeld, dessen Höhe die Beklagte nach Nr. 17 iVm. Nr. 9 und 10 Anlage 6a TKT berechnete.

5

Auf der Grundlage des Bescheids der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte vom 16. Juli 2004 bezog die Klägerin ab dem 1. Oktober 2004 eine vorzeitige Altersrente für Frauen.

6

Seit dem 1. Oktober 2004 zahlt die Beklagte an die Klägerin ein Gesamtruhegeld gemäß § 34 Abs. 2 iVm. Anlage 6a TKT. Auf das Gesamtruhegeld rechnet die Beklagte die Abschläge, um die die Altersrente der Klägerin infolge der vorzeitigen Inanspruchnahme gemindert ist, zulasten der Klägerin in einer Höhe von monatlich 271,75 Euro an.

7

Mit Schreiben vom 2. Oktober 2004 verlangte die Klägerin erfolglos von der Beklagten, in die Berechnung des Gesamtruhegelds lediglich die gekürzte Altersrente einzustellen.

8

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, die Beklagte sei verpflichtet, an sie im Zeitraum vom 1. Oktober 2004 bis zum 30. September 2007 einen Kassenzuschuss in Form von Beurlaubungsgeld zu zahlen. Ihre Beurlaubung habe erst am 30. September 2007 ihr Ende gefunden. Indem § 30 Abs. 3 TKT an die Möglichkeit anknüpfe, vorzeitige Altersrente zu beanspruchen, benachteilige die Tarifbestimmung Frauen wegen des Geschlechts. Auf das Gesamtruhegeld, das sie nach dem Ende der Beurlaubung ab dem 1. Oktober 2007 beziehe, sei lediglich die tatsächlich von ihr bezogene Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung anzurechnen.

9

Die Klägerin hat zuletzt beantragt,

        

1.    

die Beklagte zu verurteilen, an sie 99.932,40 Euro brutto abzüglich übergegangener Ansprüche in Höhe von 47.428,56 Euro netto sowie 4.919,40 Euro netto zu zahlen, und

        

2.    

festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, an sie zusätzlich zur monatlichen Betriebsrente 157,33 Euro monatlich zu zahlen.

10

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Ansicht vertreten, die zeitliche Begrenzung der Beurlaubungsdauer bis zum Eintritt des Versorgungsfalls sei sachlich gerechtfertigt. Die Tarifvertragsparteien seien befugt, die Dauer der Beurlaubung unter Rückgriff auf das Recht der gesetzlichen Rentenversicherung zu regeln. Denn die vor dem Eintritt des Versorgungsfalls liegende Beurlaubung bezwecke allein die Überbrückung des Zeitraums zwischen aktiver Beschäftigung und Eintritt in die Altersrente. Auf das tarifliche Gesamtruhegeld während des Versorgungsverhältnisses seien die Renteneinkünfte anzurechnen, welche die Klägerin ohne die Inanspruchnahme einer vorzeitigen Altersrente bezogen hätte. Schließlich seien die Ansprüche der Klägerin nach § 40 TKT verfallen.

11

Die Vorinstanzen haben der Klage - soweit für das Revisionsverfahren von Bedeutung - stattgegeben. Die Beklagte verfolgt mit der Revision die Abweisung der Klage.

Entscheidungsgründe

12

Die Revision der Beklagten ist teilweise begründet; im Übrigen ist sie nicht begründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten insoweit zu Unrecht zurückgewiesen, als das Arbeitsgericht der Klage hinsichtlich des Klageantrags zu 1. stattgegeben hat. Soweit die Klägerin mit dem Feststellungsantrag zu 2. ein höheres Gesamtruhegeld geltend macht, hat das Landesarbeitsgericht die Berufung der Beklagten gegen das klagestattgebende Urteil des Arbeitsgerichts im Ergebnis zu Recht zurückgewiesen.

13

I. Die Klage ist zulässig. Insbesondere erfüllt der Klageantrag zu 2. die Voraussetzungen, an die § 256 Abs. 1 ZPO die Zulässigkeit einer Feststellungsklage knüpft.

14

1. Gemäß § 256 Abs. 1 ZPO kann auf Feststellung des Bestehens eines Rechtsverhältnisses Klage erhoben werden, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse daran hat, dass das Rechtsverhältnis durch richterliche Entscheidung alsbald festgestellt werde.

15

2. Mit dem Klageantrag zu 2. will die Klägerin den Inhalt des zwischen den Parteien bestehenden Versorgungsverhältnisses und damit eines Rechtsverhältnisses iSv. § 256 Abs. 1 ZPO geklärt wissen. Feststellungsklagen müssen sich nicht auf das Rechtsverhältnis im Ganzen beziehen, sondern können einzelne daraus entstehende Rechte, Pflichten oder Folgen zum Gegenstand haben (vgl. BAG 20. April 2010 - 3 AZR 370/08 - Rn. 20, EzA GG Art. 3 Nr. 109).

16

3. Das erforderliche Feststellungsinteresse besteht. Die Klägerin hat ein rechtliches Interesse daran, die Höhe des Gesamtruhegelds gerichtlich feststellen zu lassen.

17

4. Der Vorrang der Leistungsklage steht dem nicht entgegen. Eine Feststellungsklage ist zulässig, wenn mit ihr eine sachgerechte, einfache Erledigung der aufgetretenen Streitpunkte zu erreichen ist und prozesswirtschaftliche Überlegungen gegen einen Zwang zur Leistungsklage sprechen (Senat 16. Dezember 2008 9 AZR 985/07  - Rn. 19, BAGE 129, 72).

18

Diese Erfordernisse sind gewahrt. Das der Vollstreckung nicht zugängliche Feststellungsurteil ist geeignet, den Streit der Parteien über die Frage, ob die Rentenabschläge die Versorgungsansprüche der Klägerin mindern, abschießend zu klären und weitere Prozesse zu vermeiden. Zwischen den Parteien besteht lediglich Streit über die Berechnung des Gesamtruhegelds, nicht über die Ausgestaltung der Leistungspflicht.

19

II. Die Klage ist insoweit unbegründet, als die Klägerin mit dem Klageantrag zu 1. für den Zeitraum vom 1. Oktober 2004 bis zum 30. September 2007 Beurlaubungsgeld iHv. 99.932,40 Euro brutto abzüglich übergegangener Ansprüche iHv. 47.428,56 Euro netto sowie 4.919,40 Euro netto verlangt.

20

1. Die tarifvertraglichen Vorschriften der Nr. 17 Abs. 1 Buchst. a, Nr. 8 Satz 1 der Anlage 6a TKT, die kraft arbeitsvertraglicher Inbezugnahme auf das Rechtsverhältnis der Parteien Anwendung finden, rechtfertigen das Klagebegehren nicht.

21

a) Nach Nr. 17 Abs. 1 Buchst. a der Anlage 6a TKT haben Angestellte, die gemäß § 30 TKT beurlaubt sind, Anspruch auf ein Gesamtruhegeld.

22

b) Diese Voraussetzungen liegen im Streitfall nicht vor. Die Klägerin war im Zeitraum vom 1. Oktober 2004 bis zum 30. September 2007 weder beurlaubt, noch hatte sie einen Anspruch auf Beurlaubung. Zwischen den Parteien bestand zu diesem Zeitpunkt kein Arbeits-, sondern ein Versorgungsverhältnis. Das Arbeitsverhältnis endete mit Wirkung zum 30. September 2004 infolge der in § 31 TKT vorgesehenen Beendigungsregelung, deren Wirksamkeit die Klägerin nicht binnen der in §§ 21, 17 Satz 1 TzBfG bestimmten Dreiwochenfrist zur Überprüfung durch die Arbeitsgerichte gestellt hat. Eine Beurlaubung im Versorgungsverhältnis sehen die Vorschriften des TKT nicht vor.

23

aa) Will ein Arbeitnehmer geltend machen, dass die Befristung seines Arbeitsvertrags rechtsunwirksam ist, muss er innerhalb von drei Wochen nach dem vereinbarten Ende des befristeten Arbeitsvertrags Klage beim Arbeitsgericht auf Feststellung erheben, dass das Arbeitsverhältnis aufgrund der Befristung nicht beendet worden ist (§ 17 Satz 1 TzBfG). Nach § 7 KSchG iVm. § 17 Satz 2 TzBfG gilt die Befristung als wirksam, wenn die Rechtsunwirksamkeit der vereinbarten Befristung nicht innerhalb dieser Frist gerichtlich geltend gemacht worden ist. Das trifft gemäß § 21 TzBfG auch auf auflösend bedingte Arbeitsverträge zu.

24

Knüpft eine Tarifnorm die Beendigung des Arbeitsverhältnisses an den Eintritt einer Bedingung, hat der Arbeitnehmer, der die Wirksamkeit der Tarifvorschrift überprüfen lassen will, die Klagefrist des § 17 Satz 1 TzBfG zu beachten(vgl. BAG 23. Juni 2004 - 7 AZR 440/03 - zu I 1 der Gründe, BAGE 111, 148). Dies gilt auch in den Fällen, in denen der Arbeitnehmer geltend macht, die Tarifvorschrift sei wegen einer unzulässigen Benachteiligung bestimmter Arbeitnehmergruppen unwirksam (vgl. BAG 1. September 2010 - 5 AZR 700/09 - Rn. 31 ff., NZA 2010, 1409).

25

Gemäß § 31 TKT endete das Arbeitsverhältnis der Parteien mit dem Ablauf des Monats, in dem der Klägerin der Rentenbescheid über „vorgezogenes Altersruhegeld“ zugestellt wurde. Diese auflösende Bedingung iSd. § 21 TzBfG ist mit Zustellung des Bescheids der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte vom 16. Juli 2004 an die Klägerin eingetreten. Die Klägerin hat nicht binnen der in § 17 Satz 1 TzBfG bestimmten dreiwöchigen Frist Klage beim Arbeitsgericht erhoben, um gerichtlich feststellen zu lassen, dass die Tarifbestimmung des § 31 TKT rechtsunwirksam ist und das Arbeitsverhältnis deshalb nicht beendet.

26

Die Fristenregelung der §§ 21, 17 Satz 1 TzBfG begegnet keinen durchgreifenden Bedenken. Die Festlegung angemessener Ausschlussfristen für die Rechtsverfolgung aus Gründen der Rechtssicherheit ist mit dem europäischen Unionsrecht vereinbar, sofern damit die Ausübung eines Rechts nicht praktisch unmöglich gemacht oder übermäßig erschwert wird (vgl. EuGH 8. Juli 2010 - C-246/09 - [Bulicke] Rn. 36, 42, EzA AGG § 15 Nr. 8). Die zeitliche Begrenzung der Klagemöglichkeit bezweckt, alsbald Klarheit über den Fortbestand von Arbeitsverhältnissen zu erhalten (vgl. BAG 11. Dezember 2008 - 2 AZR 472/08 - Rn. 31, BAGE 129, 32). Eine dreiwöchige Frist zur Klageerhebung erschwert den Kündigungsschutz des Arbeitnehmers nicht übermäßig, zumal §§ 21, 17 Satz 2 TzBfG iVm. § 5 KSchG die nachträgliche Klagezulassung eröffnen, wenn ein Arbeitnehmer nach Eintritt einer das Arbeitsverhältnis auflösenden Bedingung trotz Anwendung aller ihm nach Lage der Umstände zuzumutenden Sorgfalt verhindert war, fristgerecht Rechtsschutz zu suchen(vgl. BAG 1. September 2010 - 5 AZR 700/09 - Rn. 33, NZA 2010, 1409). Will ein Arbeitnehmer geltend machen, dass die Befristung seines Arbeitsvertrags rechtsunwirksam ist, muss er innerhalb von drei Wochen nach dem vereinbarten Ende des befristeten Arbeitsvertrags Klage beim Arbeitsgericht auf Feststellung erheben, dass das Arbeitsverhältnis aufgrund der Befristung nicht beendet worden ist (§ 17 Satz 1 TzBfG). Nach § 7 KSchG iVm. § 17 Satz 2 TzBfG gilt die Befristung als wirksam, wenn die Rechtsunwirksamkeit der vereinbarten Befristung nicht innerhalb dieser Frist gerichtlich geltend gemacht worden ist. Das trifft gemäß § 21 TzBfG auch auf auflösend bedingte Arbeitsverträge zu.

27

bb) Das Verstreichen der Klagefrist hat zur Folge, dass die tarifvertragliche Befristungsregelung im Verhältnis der Parteien als wirksam gilt (§ 7 KSchG iVm. § 17 Satz 2 TzBfG). Dies gilt unabhängig davon, ob die Tarifbestimmung Frauen wegen ihres Geschlechts mittelbar benachteiligt. Macht ein Arbeitnehmer von der Möglichkeit, eine Befristungsregelung durch die Gerichte für Arbeitssachen kontrollieren zu lassen, nicht Gebrauch, kann er die Beendigung des Arbeitsverhältnisses infolge der Bedingung nicht mehr infrage stellen. Denn mit dem Versäumen der Klagefrist werden alle Voraussetzungen einer rechtswirksamen Bedingung fingiert (vgl. BAG 11. Dezember 2003 - 6 AZR 64/03 - zu III 2 b der Gründe, BAGE 109, 110).

28

cc) Die Klägerin kann eine Fortgewährung von Beurlaubungsbezügen nicht mehr beanspruchen, nachdem das Arbeitsverhältnis mit der Beklagten beendet und der Versorgungsfall eingetreten ist. Mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses spätestens zum 30. September 2004 fehlt es an einem Arbeitsverhältnis, das die Grundlage für eine Beurlaubung der Klägerin bildete. Der Kassenzuschuss in Gestalt von Beurlaubungsbezügen gemäß Nr. 17 Abs. 1 Buchst. a Anlage 6a, § 30 Abs. 2, Abs. 4 TKT, den die Klägerin für den Zeitraum vom 1. Oktober 2004 bis zum 30. September 2007 geltend macht, hängt sowohl für Männer als auch für Frauen von dem Fortbestand des Arbeitsverhältnisses ab. Dies folgt aus § 30 Abs. 2 TKT, der die Möglichkeit der Beurlaubung und damit den Bezug von Beurlaubungsgeld nur für „unkündbare Angestellte“ vorsieht. Versorgungsempfänger befinden sich nicht in einem unkündbaren Arbeitsverhältnis.

29

2) Die Klägerin kann den Zahlungsanspruch nicht mit Erfolg auf den Grundsatz der Entgeltgleichheit bei Frauen und Männern stützen.

30

a) Nach § 612 Abs. 3 Satz 1 BGB idF des Bürgerlichen Gesetzbuchs vom 2. Januar 2002 (BGBl. I S. 42) durfte bei einem Arbeitsverhältnis für gleiche oder für gleichwertige Arbeit nicht wegen des Geschlechts des Arbeitnehmers eine geringere Vergütung vereinbart werden als bei einem Arbeitnehmer des anderen Geschlechts. Diese Bestimmung ist mit Wirkung zum 17. August 2006 außer Kraft getreten. Seitdem gelten die Bestimmungen des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (BGBl. I S. 1897). Nach § 7 Abs. 2 AGG sind Bestimmungen in Vereinbarungen, die gegen das in § 7 Abs. 1 AGG normierte Benachteiligungsverbot verstoßen, unwirksam. § 7 Abs. 1 iVm. § 1 AGG schützt ua. Frauen gegen eine Benachteiligung wegen des Geschlechts.

31

b) Die Klägerin begehrt Gesamtruhegeld für einen Beurlaubungszeitraum, der sich vom 1. Oktober 2004 bis zum 30. September 2007 erstreckt. Der Senat braucht nicht abschließend darüber zu befinden, ob die tarifliche Bestimmung des § 30 Abs. 3 TKT an § 612 Abs. 3 Satz 1 BGB aF oder an den Vorschriften des AGG zu messen ist. Denn der von der Klägerin gerügte Verstoß gegen das Gleichbehandlungsgebot liegt in beiden Fällen nicht vor. Es fehlt an einem vergleichbaren Sachverhalt, der Ansprüche der Klägerin begründen könnte.

32

Im Gegensatz zu männlichen Arbeitnehmern, die gemäß § 30 Abs. 2 TKT bis zum Eintritt in die Altersrente im fortbestehenden Arbeitsverhältnis beurlaubt waren, bestand zwischen den Parteien nach dem 30. September 2004 kein Arbeits-, sondern ein Versorgungsverhältnis. Anders als den beurlaubten männlichen Mitarbeitern schuldete die Beklagte der Klägerin nicht eine Arbeitsvergütung, sondern eine nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu zahlende Versorgung. Damit fehlt es an einem vergleichbaren Sachverhalt, der den Anwendungsbereich des § 612 Abs. 3 Satz 1 BGB aF eröffnet. Wie der Europäische Gerichtshof in seiner Entscheidung vom 9. November 1993 (- C-132/92 - [Birds Eye Walls Ltd.] Rn. 17 ff., Slg. 1993, I-5579) ausgeführt hat, sind die Entgeltbedingungen von männlichen Arbeitnehmern, die ohne tatsächliche Leistungserbringung noch Überbrückungszahlungen des Arbeitgebers erhalten, bis sie das gesetzliche Renteneintrittsalter erreichen, nicht mit denen weiblicher Versorgungsempfänger vergleichbar, die bei gleichem Alter gesetzliche Altersrente beziehen. Der Eintritt in die Altersrente bedeutet eine Zäsur, die dem Anspruch auf Gleichbehandlung entgegensteht.

33

III. Der Klageantrag zu 2. ist begründet. Die Beklagte ist verpflichtet, an die Klägerin für den Zeitraum ab dem 1. Oktober 2007 ein um 157,33 Euro erhöhtes Gesamtruhegeld zu zahlen. Das Klagebegehren findet in § 34 Abs. 2 TKT iVm. Nr. 5, 8 und 9 Anlage 6a TKT seine Rechtfertigung. Davon ist das Landesarbeitsgericht im Ergebnis zu Recht ausgegangen.

34

1. Gemäß Nr. 5 Anlage 6a TKT haben Angestellte, deren Zusatzversicherung bis zu den in Abschnitt A Nr. 1 genannten Terminen als Höherversicherung in der gesetzlichen Rentenversicherung oder als freiwillige Weiterversicherung bei der VBL durchgeführt wurde, Anspruch auf eine Gesamtversorgung, wenn sie die Wartezeit nach Nr. 6 erfüllt haben, Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung zugebilligt wird, der Versorgungsfall nach Nr. 7 eingetreten ist und das Beschäftigungsverhältnis bis zu dessen Eintritt bestanden hat. Die Wartezeit ist nach Nr. 6 Satz 1 Anlage 6a TKT erfüllt, wenn Angestellte 60 Beschäftigungsmonate bei einer Krankenkasse zurückgelegt haben. Der Versorgungsfall tritt ein, wenn der Angestellte Altersruhegeld auf Antrag vor Vollendung des 65. Lebensjahres erhält, frühestens jedoch am Tage nach Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses (Nr. 7 Abs. 1 Buchst. d Anlage 6a TKT).

35

Die Klägerin erfüllt diese Voraussetzungen zum Bezug von Gesamtruhegeld nach Eintritt des Versorgungsfalls. Die diesbezüglichen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts hat die Beklagte mit der Revision nicht angegriffen.

36

2. Die Beklagte war nicht berechtigt, die Rentenabschläge wegen der Inanspruchnahme einer vorzeitigen Altersrente auf die Versorgungsansprüche der Klägerin anzurechnen.

37

a) Gemäß Nr. 11 Abs. 1 Buchst. a Anlage 6a TKT wird auf das Gesamtruhegeld die Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung in voller Höhe angerechnet.

38

b) Entgegen der Auffassung der Revision ist auf das ruhegehaltsfähige Gehalt iSd. Nr. 10 Anlage 6a TKT lediglich die von der Klägerin tatsächlich bezogene gesetzliche Altersrente iHv. 1.317,46 Euro, nicht aber die gesetzliche Altersrente, welche die Klägerin bezogen hätte, wenn sie die vorzeitige Altersrente nicht in Anspruch genommen hätte. Dies ergibt eine Auslegung der maßgeblichen Anrechnungsvorschrift Nr. 11 Abs. 1 Buchst. a Anlage 6a TKT.

39

aa) Die Auslegung des normativen Teils von Tarifverträgen folgt den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln. Auszugehen ist zunächst vom Tarifwortlaut. Auf dieser Grundlage ist der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien zu ermitteln, soweit er sich in den tariflichen Regelungen niedergeschlagen hat. Der tarifliche Zusammenhang kann Aufschlüsse über den von den Tarifvertragsparteien verfolgten Zweck geben. Auch auf die Entstehungsgeschichte und die Tarifpraxis kann zurückgegriffen werden. Praktikabilität und Sinn des Auslegungsergebnisses sind im Auge zu behalten. Im Zweifel ist die Auslegung vorzugswürdig, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Regelung führt (Senat 20. Januar 2009 - 9 AZR 677/07 - Rn. 35, BAGE 129, 131). An versorgungsrechtliche Anrechnungsvorschriften legt die arbeitsgerichtliche Rechtsprechung von jeher einen strengen Maßstab an: Anrechnungen von anderweitigen Bezügen auf Versorgungsansprüche sind nur insoweit möglich, als die maßgeblichen Bestimmungen die Anrechnungstatbestände für den Versorgungsberechtigten erkennbar und eindeutig beschreiben (st. Rspr. seit BAG 5. September 1989 - 3 AZR 654/87 - zu 1 der Gründe, AP BetrAVG § 5 Nr. 32). Dies gilt insbesondere in den Fällen, in denen eine Versorgungsordnung die Anrechnung einer ungekürzten, nicht durch den Zugangsfaktor nach § 77 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. a SGB VI verringerten Altersrente vorsieht.

40

bb) Nach diesen Grundsätzen unterfällt dem Anrechnungstatbestand lediglich die gesetzliche Altersrente, die der Versorgungsempfänger tatsächlich bezieht. Fiktive Renten, die sich ergäben, wenn man einen vorzeitigen Rentenbezug hinwegdachte, bleiben bei der Berechnung der Höhe des Gesamtruhegeldes außer Betracht. Dies folgt aus dem Wortlaut, dem systematischen Zusammenhang des Tarifvertrags und dem Zweck der Gesamtversorgung, wie Anlage 6a TKT sie den Berechtigten gewährt.

41

(1) Der Wortlaut der Tarifbestimmung (Nr. 11 Abs. 1 Buchst. a Anlage 6a TKT), der mit dem Begriff „Rente … in voller Höhe“ auf sozialrechtliche Vorschriften Bezug nimmt, lässt es nicht zu, Rentenbezüge, auf die die Klägerin keinen Anspruch hat, von dem ruhegeldfähigen Gehalt iSd. Nr. 10 Anlage 6a TKT in Abzug zu bringen.

42

Der Gesetzgeber verwendet den Begriff der „Rente ... in voller Höhe“ in § 42 Abs. 1 SGB VI in Abgrenzung zur Teilrente, die gemäß § 42 Abs. 2 SGB VI ein Drittel, die Hälfte oder zwei Drittel der Rente in voller Höhe beträgt. Bereits im Jahr 2003, als die Tarifvertragsparteien die Anlage 6a TKT überarbeiteten, hatte der Begriff die durch § 42 Abs. 1 SGB VI festgelegte fachliche Bedeutung. Die Vorschrift ist mit dem Rentenreformgesetz vom 18. Dezember 1989 (BGBl. I S. 2261) in Kraft getreten. Übernimmt ein Tarifvertrag ohne eigene Definition einen Begriff, der in einem Gesetz verwandt wird mit dem ein Sachzusammenhang besteht, so ist grundsätzlich die fachspezifische gesetzliche Bedeutung zugrunde zu legen (BAG 29. Juli 2003 - 3 AZR 425/02 - zu I der Gründe, AP BetrAVG § 1 Gesamtversorgung Nr. 4). Nr. 11 Abs. 1 Buchst. a Anlage 6a TKT greift auf den durch rentenrechtliche Vorschriften präfigurierten Fachbegriff zurück, der mangels eigener Definition seitens der Tarifvertragsparteien für die Interpretation der Tarifbestimmung maßgeblich ist.

43

(2) Der Regelungszusammenhang, in den die Anrechnungsbestimmung eingebettet ist, stützt dieses Auslegungsergebnis.

44

Die Überschrift der Vorschrift (Nr. 11 Anlage 6a TKT) beschreibt die in Abzug zu bringenden Leistungen als „anzurechnende Bezüge“. Ein Bezug einer Leistung liegt nach umgangssprachlichem Begriffsverständnis nur vor, wenn der Berechtigte die Leistung tatsächlich vereinnahmt. Dem Begriff unterfallen nicht fiktive Leistungen.

45

In dieselbe Richtung weist Nr. 8 Satz 2 Anlage 6a TKT, der zufolge auf das Gesamtruhegeld die in Nr. 11 angeführten Bezüge angerechnet werden. Es ist nicht anzunehmen, dass die Anrechnungsvorschrift, auf die Nr. 8 Satz 2 Anlage 6a TKT verweist, einen von der Verweisungsnorm abweichenden begrifflichen Inhalt hat.

46

Die Annahme, unter Nr. 11 Abs. 1 Buchst. a Anlage 6a TKT fielen auch fiktive Renten, führte darüber hinaus zu einem inkohärenten Auslegungsergebnis. So stellen sowohl Nr. 11 Abs. 1 Buchst. e Anlage 6a TKT als auch Nr. 11 Abs. 1 Buchst. f Anlage 6a TKT auf Versorgungsleistungen ab, die dem Empfänger tatsächlich zur Verfügung stehen. Gemäß Nr. 11 Abs. 1 Buchst. e Anlage 6a TKT sind auf das Gesamtruhegeld ua. auch Versicherungsrenten anzurechnen, die der Versicherungsträger in einer einmaligen Zahlung abfindet. Nach Nr. 11 Abs. 1 Buchst. f Anlage 6a TKT unterliegen auch die nach dem Beamtengesetz oder aus sonstigen öffentlichen Kassen gezahlten Versorgungsbezüge der Anrechnung. Es sind keine Anhaltspunkte ersichtlich, die darauf hindeuteten, die Tarifvertragsparteien wollten gesetzliche Renten abweichend von anderen Bezüge einem fiktiven Betrag nach anrechnen.

47

(3) Gegen eine Einbeziehung hypothetischer Einkünfte sprechen schließlich Sinn und Zweck der durch Anlage 6a TKT gewährleisteten Gesamtversorgung. Tarifvertragliches Versorgungsziel ist es, ausscheidenden Arbeitnehmern mit einer Gesamtversorgungsobergrenze iHv. bis zu 75 % des Bruttoeinkommens den im aktiven Dienst erreichten Lebensstandard annähernd zu erhalten. Die durch Nr. 11 Anlage 6a TKT angeordnete Anrechnung anderweitiger Versorgungsleistungen auf das ruhegeldfähige Gehalt will eine Überversorgung der in den Ruhestand getretenen Mitarbeiter vermeiden. Zu diesem Zweck sollen Nachteilsüberkompensationen aus der Summierung zweckähnlicher Leistungen der gesetzlichen wie der betrieblichen Alterssicherung vermieden werden. Zu den funktionsgleichen Erwerbsersatzeinkommen zählen jedoch nur die von dem Versorgungsempfänger tatsächlich vereinnahmten, nicht aber die Rententeile, auf die er infolge sozialrechtlicher Abschlagsregelungen keinen Anspruch hat. Damit ist eine Anrechnung der Beträge, um die die vorzeitige Rente der Klägerin gemäß § 77 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. a SGB VI gemindert ist, ausgeschlossen.

48

(4) Soweit die Beklagte in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat ausgeführt hat, die Tarifvertragsparteien hätten den Willen gehabt, den Arbeitgeber zu einer Anrechnung fiktiver Rentenbestandteile zu ermächtigen, ist dies für das Auslegungsergebnis unbeachtlich. Der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien ist bei der Auslegung von Tarifverträgen nur zu berücksichtigen, wenn und soweit er in den tariflichen Normen seinen Niederschlag gefunden hat (vgl. Senat 20. Januar 2009 - 9 AZR 677/07 - Rn. 35, BAGE 129, 131). Hieran fehlt es. Der Wortlaut der Nr. 11 Abs. 1 Buchst. a Anlage 6a TKT lässt lediglich eine Anrechnung tatsächlich bezogener Leistungen zu.

49

3. Die Beklagte hat auf das Gesamtruhegeld, das die Klägerin seit dem 1. Oktober 2007 bezieht, Rentenabschläge in einer monatlichen Höhe von 271,75 Euro angerechnet. Diese Anrechnung ist tarifwidrig. Die Klägerin hat deshalb ab dem 1. Oktober 2007 Anspruch auf ein höheres Gesamtruhegeld. Der Senat, der gemäß § 557 Abs. 1 ZPO an die von den Parteien gestellten Anträge gebunden ist, kann nur darüber befinden, dass der Klägerin jedenfalls ein Gesamtruhegeld zusteht, dass 157,33 Euro über dem bislang von der Beklagten gezahlten Betrag liegt.

50

4. Die tarifvertragliche Ausschlussfrist des § 40 Abs. 1 TKT steht dem von der Klägerin erhobenen Anspruch nicht entgegen. Nach dieser Tarifbestimmung sind tarifvertragliche Ansprüche des Arbeitnehmers innerhalb einer Ausschlussfrist von sechs Monaten nach Fälligkeit schriftlich geltend zu machen. Die Klägerin hat ihre Rechte mit Schreiben vom 2. Oktober 2004 form- und fristgemäß gegenüber der Beklagten geltend gemacht.

51

IV. Die Kosten des Rechtsstreits bestimmen sich nach den Kostenanteilen und dem Unterliegen der Parteien in den Instanzen.

52

1. Die Parteien haben die Kosten erster Instanz im Umfang ihres Unterliegens und der Klagerücknahme zu tragen (§ 92 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2, § 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO). Es errechnet sich ein fiktiver Gesamtstreitwert erster Instanz iHv. 157.143,96 Euro. Dieser setzt sich aus dem 36-fachen Betrag des von der Klägerin geltend gemachten Beurlaubungsgelds iHv. monatlich 2.775,90 Euro und dem 36-fachen Betrag der monatlich beanspruchten Betriebsrente iHv. 1.589,21 Euro zusammen. Soweit die Klägerin Beurlaubungsgeld begehrt hat, ist sie unterlegen. Im Übrigen hat sie die Klage im Umfang von 51.547,68 Euro (36-fache Differenz zwischen den Beträgen, die die Klägerin ursprünglich als Betriebsrente und letztlich als Differenz zur Betriebsrente verlangt hat) zurückgenommen. Die Beklagte ist mit einem Betrag iHv. 5.663,88 Euro belastet (36-facher Differenzbetrag zwischen der von der Beklagten gezahlten und der von der Klägerin begehrten Betriebsrente). Die Kosten erster Instanz sind damit im Verhältnis von 97 % zu 3 % zu teilen.

53

2. Auch die Kosten zweiter und dritter Instanz sind zwischen den Parteien zu teilen. Auf der Grundlage eines fiktiven Streitwerts iHv. 53.248,32 Euro (bezifferter Zahlungsantrag zu 1.: 47.584,44 Euro; 36-facher Betrag nach dem Klageantrag zu 2.: 5.663,88 Euro) ist die Klägerin mit dem Betrag, den sie mit dem Klageantrag zu 1. geltend gemacht hat, unterlegen. Die Revision der Beklagten ist hinsichtlich eines Betrags iHv. 5.663,88 Euro erfolglos geblieben. Dies entspricht einem Verhältnis der Kostentragung von 89 % zu 11 %.

        

    Düwell    

        

    Krasshöfer    

        

    Suckow    

        

        

        

    W. Schmid    

        

    Brossardt    

                 

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamburg vom 29. Oktober 2009 - 2 Sa 146/09 - wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten in der Revisionsinstanz noch darüber, ob dem Kläger aus dem Jahr 2007 ein tariflicher Mehrurlaubsanspruch von zehn Arbeitstagen zusteht.

2

Der schwerbehinderte Kläger ist seit 1975 bei der Beklagten beschäftigt. Diese betreibt ein Dienstleistungsunternehmen zur Wartung, Instandhaltung und Ausstattung von Flugzeugen im Verbund des DLH-Konzerns.

3

Nach Ziff. 3 des Arbeitsvertrags ergeben sich die Rechte und Pflichten des Klägers aus den jeweils gültigen Tarifverträgen, den Betriebsvereinbarungen und Dienstvorschriften der DLH. Die Parteien wenden deshalb auf ihr Arbeitsverhältnis den Manteltarifvertrag Nr. 14 für das Bodenpersonal in der Fassung vom 1. Januar 2007 (MTV Boden) an. Dort heißt es zum Urlaubsanspruch ua.:

        

㤠32 Erholungsurlaub

        

(1)     

Jeder Mitarbeiter hat in jedem vom 01. Januar bis 31. Dezember laufenden Urlaubsjahr Anspruch auf Erholungsurlaub, der möglichst zusammenhängend zu nehmen und zu gewähren ist. …

        

...     

        
        

§ 36 Anteiliger Urlaub im laufenden Urlaubsjahr

        

...     

        
        

(3)     

Wechselt der Mitarbeiter im laufenden Kalenderjahr zwischen der DLH und LSG oder einer Gesellschaft im Tarifvertrag zur Erweiterung des Geltungsbereiches oder einer anderen Gesellschaft im Lufthansa-Konzern, so stehen ihm aus den Arbeitsverhältnissen insgesamt mehr als 12/12 des tariflichen Urlaubs zu.

                 

…       

        

(4)     

Bei Arbeitsbefreiung ohne Fortzahlung der Vergütung - ausgenommen der Fälle des § 12 a - und Ruhen des Arbeitsverhältnisses, die 15 Kalendertage in einem Jahr überschreiten, wird der Urlaub anteilig für diejenige Zeit gekürzt, in der das Arbeitsverhältnis ruhte, und zwar für jeden Kalendertag um 1/365, sofern gesetzlich nichts anderes bestimmt ist. …

        

§ 37 Verfallen und Übertragung des Urlaubsanspruchs

        

(1)     

Nicht genommener Erholungsurlaub verfällt ohne Anspruch auf Abgeltung am 31. März des folgenden Jahres, frühestens jedoch 6 Monate nach Beendigung der Wartezeit.

        

(2)     

Hat jedoch der Mitarbeiter den Anspruch auf Urlaub erfolglos geltend gemacht, so ist ihm der Urlaub nachzugewähren.“

4

Nach § 32 Abs. 3 MTV Boden beträgt der Urlaubsanspruch ab dem fünften Jahr der Beschäftigung 30 Urlaubstage.

5

2007 gewährte die Beklagte dem Kläger 14 Urlaubstage. Danach war der Kläger vom 28. Juli 2007 bis zum 30. April 2008 arbeitsunfähig erkrankt. Mit Urlaubsantrag vom 23. April 2008 verlangte er erfolglos, ihm für die Zeit vom 2. Mai bis zum 30. Mai 2008 Urlaub aus dem Vorjahr zu gewähren. Am 8. Mai 2008 nahm der Kläger seine Arbeitstätigkeit wieder auf. Die Zeitkontenliste der Beklagten vom 8. Mai 2008 für die Abrechnungsperiode 1. Mai bis 31. Mai 2008 weist einen Resturlaubsanspruch des Klägers von 21 Tagen aus. Mit Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom 10. Juni 2008 forderte der Kläger die Beklagte auf, seinen Urlaubsanspruch iHv. 21 Resturlaubstagen zu bestätigen. Vorinstanzlich hat der Kläger geltend gemacht, ihm stehe aus dem Jahr 2007 noch eine Urlaubsdauer von 21 Tagen zu, nämlich fünf Tage Zusatzurlaub nach § 125 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 SGB IX, sechs Tage gesetzlicher Mindesturlaub sowie zehn Tage tariflicher Mehrurlaub.

6

Er hat die Auffassung vertreten, seine Urlaubsansprüche seien nicht verfallen, da er nur wegen seiner Arbeitsunfähigkeit daran gehindert gewesen sei, den Urlaub tatsächlich in Anspruch zu nehmen.

7

Der Kläger hat vorinstanzlich beantragt

        

festzustellen, dass ihm aus dem Jahr 2007 noch ein Resturlaubsanspruch von 21 Arbeitstagen zusteht.

8

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, der tarifliche Mehrurlaub des Klägers sei nach § 37 Abs. 1 MTV Boden verfallen. Der MTV Boden enthalte hinsichtlich des Verfalls der Urlaubsansprüche eine eigenständige von § 7 Abs. 3 BUrlG abweichende Regelung.

9

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Darauf hat die Beklagte dem Zeitkonto des Klägers elf Urlaubstage gutgeschrieben. Sie wendet sich in der Revision nur noch gegen die Feststellung des Landesarbeitsgerichts, dass dem Kläger aus dem Jahr 2007 noch ein Anspruch auf Resturlaub von zehn Arbeitstagen für nicht gewährten tariflichen Mehrurlaub zusteht.

Entscheidungsgründe

10

A. Die Revision der Beklagten ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht festgestellt, dass dem Kläger wegen des 2007 zwar entstandenen, aber nicht voll erfüllten Urlaubsanspruchs noch zehn Urlaubstage zu gewähren sind.

11

I. Die Feststellungsklage ist zulässig. Insbesondere besteht das nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse.

12

1. Eine Feststellungsklage ist dann zulässig, wenn auf diesem Wege eine sachgemäße, einfache Erledigung der Streitpunkte zu erreichen ist und prozesswirtschaftliche Erwägungen gegen einen Zwang zur Leistungsklage sprechen (BAG 9. September 2003 - 9 AZR 468/02 - zu I der Gründe, EzA TVG § 4 Chemische Industrie Nr. 6).

13

2. So ist es hier. Eine Leistungsklage wäre nur als Klage auf Abgabe einer Willenserklärung iSv. § 894 ZPO möglich. Denn der Arbeitgeber hat zur Erfüllung des Urlaubsanspruchs den Arbeitnehmer von der Arbeitspflicht freizustellen. Diese Freistellung erfolgt durch einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung, wobei der Arbeitgeber gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 BUrlG die Urlaubswünsche des Arbeitnehmers zu berücksichtigen hat(BAG 20. Januar 2009 - 9 AZR 650/07 - Rn. 24). Vollstreckbar wäre ein entsprechender Titel aber nur, wenn er auf Abgabe einer bestimmten Willenserklärung gerichtet ist (vgl. PG/Olzen ZPO 3. Aufl. § 887 Rn. 6). Bei mangelnder Bestimmtheit der Klage auf Abgabe einer Willenserklärung wäre nur eine Vollstreckung nach § 888 ZPO möglich(OLG Hamm 25. Juni 1970 - 14 W 31/70 - MDR 1971, 401).

14

3. Eine Klage iSv. § 894 ZPO auf Gewährung des Urlaubs für einen bestimmten kalendermäßig festgelegten Zeitraum wäre weder prozesswirtschaftlicher als die Feststellungsklage, noch wäre sie dem Arbeitnehmer zumutbar. Wird der Schuldner zur Abgabe einer empfangsbedürftigen Willenserklärung antragsgemäß verurteilt, gilt nach § 894 ZPO die Willenserklärung erst dann als abgegeben, wenn das Urteil rechtskräftig geworden ist(BAG 15. September 2009 - 9 AZR 608/08 - Rn. 23, AP BGB § 311a Nr. 3 = EzA ZPO 2002 § 894 Nr. 1). Zum Zeitpunkt der Klageerhebung ist nicht bekannt, wann ein gegebenenfalls stattgebendes Urteil rechtskräftig wird. Der Kläger müsste deshalb seinen mit der Leistungsklage angegebenen Urlaubszeitraum mittels Klageänderung fortlaufend anpassen. Das wäre zB dann nicht mehr möglich, wenn der zuletzt beantragte Urlaubszeitraum zwischen Verkündung und Ablauf der Rechtsmittelfrist läge.

15

4. Auf eine Klage zur Gewährung des Urlaubs für einen nicht festgelegten Zeitraum darf der Arbeitnehmer nicht verwiesen werden. Dabei kann dahinstehen, ob ein entsprechender Titel nach § 888 ZPO zu vollstrecken wäre. Bei einer solchen Klage müsste der Arbeitnehmer auf sein Recht gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 BUrlG, den Urlaub nach seinen Wünschen zeitlich festzulegen, verzichten. Denn im Hinblick auf die nach § 894 ZPO erforderliche Bestimmtheit müsste die Klage dahin ausgelegt werden, dass der Arbeitnehmer seinem beklagten Arbeitgeber die zeitliche Festlegung des Urlaubs überlassen wolle. Nach § 7 Abs. 1 Satz 1 BUrlG hat der Arbeitgeber demgegenüber bei der zeitlichen Festlegung des Urlaubs die Urlaubswünsche des Arbeitnehmers zu berücksichtigen, es sei denn, dass dem dringende betriebliche Belange oder Urlaubswünsche anderer Arbeitnehmer entgegenstehen, die unter sozialen Gesichtspunkten den Vorrang verdienen(BAG 14. August 2007 - 9 AZR 934/06 - Rn. 12, AP BUrlG § 7 Nr. 38 = EzA BUrlG § 7 Nr. 119). Prozesswirtschaftliche Erwägungen rechtfertigen es nicht, dem Arbeitnehmer dieses erste Bestimmungsrecht zu entziehen und seine materiellen Ansprüche deshalb einzuschränken.

16

II. Die Klage ist begründet. Der unstreitig 2007 entstandene und nicht erfüllte Anspruch auf zehn Tage tarifvertraglichen Mehrurlaub ist entgegen der Auffassung der Revision nicht nach § 37 Abs. 1 MTV Boden oder gemäß § 7 Abs. 3 BUrlG mit dem 31. März 2008, sondern erst während des Verzugs der Beklagten mit dem 31. März 2009 untergegangen. Der Kläger hat deshalb Anspruch nach § 280 Abs. 1, § 286 Abs. 1, § 287 Satz 2, § 249 Abs. 1 BGB auf noch zu gewährenden Ersatzurlaub.

17

1. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien ist nach Ziff. 3 des Arbeitsvertrags der Parteien der MTV Boden anzuwenden.

18

2. Der Urlaubsanspruch des Klägers ist entgegen der Auffassung der Revision nicht zum 31. März 2008 verfallen. Er konnte den Urlaub für das Jahr 2007 nicht bis zum 31. März 2008 antreten, da er vom 28. Juli 2007 bis zum 30. April 2008 durchgehend arbeitsunfähig erkrankt war. Sein Anspruch auf den übergesetzlichen tarifvertraglichen Mehrurlaub von zehn Arbeitstagen war damit auch bis zum Ende des Übertragungszeitraums gemäß § 37 Abs. 1 MTV Boden am 31. März 2008 nicht erfüllbar.

19

3. Nach der neueren Rechtsprechung des Senats führt die fortdauernde Arbeitsunfähigkeit zur weiteren automatischen Übertragung des gesetzlichen Mindesturlaubs und hindert so dessen Verfall (vgl. zuletzt BAG 4. Mai 2010 - 9 AZR 183/09 - Rn. 18, EzA BUrlG § 7 Abgeltung Nr. 17).

20

4. Entgegen der Revision ist diese Rechtsprechung auch auf den tariflichen Mehrurlaub nach dem MTV Boden anzuwenden. Die tarifliche Regelung lässt nicht erkennen, dass die Tarifvertragsparteien von dem Grundsatz, demzufolge die Bestimmungen zur Übertragung und zum Verfall des gesetzlichen Mindesturlaubs mit denen zum tariflichen Mehrurlaub gleichlaufen, abweichen wollen. Das ergibt die Auslegung der maßgeblichen Tarifvorschriften.

21

a) Die Tarifvertragsparteien können Urlaubs- und Urlaubsabgeltungsansprüche, die den von Art. 7 Abs. 1 derRichtlinie 2003/88/EG gewährleisteten und von §§ 1, 3 Abs. 1 BUrlG begründeten Anspruch auf Mindestjahresurlaub von vier Wochen übersteigen, frei regeln. Ihre Regelungsmacht ist nicht durch die für gesetzliche Urlaubsansprüche erforderliche richtlinienkonforme Fortbildung des § 7 Abs. 3 und Abs. 4 BUrlG beschränkt. Einem tariflich angeordneten Verfall des übergesetzlichen Urlaubsanspruchs und seiner Abgeltung steht nach dem klaren Richtlinienrecht und der gesicherten Rechtsprechung des EuGH kein Unionsrecht entgegen (vgl. BAG 4. Mai 2010 - 9 AZR 183/09 - Rn. 23 mwN, EzA BUrlG § 7 Abgeltung Nr. 17).

22

b) Der Senat hat die hier zu beurteilenden tariflichen Vorschriften deshalb anhand des innerstaatlichen Rechts auszulegen. Es ist zu prüfen, ob die Tarifvertragsparteien von ihrer freien Regelungsmacht Gebrauch gemacht haben. Dies kann sich daraus ergeben, dass sie entweder bei ihrer Verfallsregelung zwischen gesetzlichem Mindesturlaub und tarifvertraglichem Mehrurlaub unterschieden oder sich vom gesetzlichen Fristenregime gelöst und eigenständige vom BUrlG abweichende Regelungen zur Übertragung und zum Verfall des Urlaubsanspruchs getroffen haben. Beides ist nach § 37 Abs. 1 MTV Boden nicht der Fall.

23

aa) Unterscheidet ein Tarifvertrag zwischen gesetzlichem Mindesturlaub und tarifvertraglichem Mehrurlaub, ist es regelmäßig gerechtfertigt, auch hinsichtlich des Verfalls von Urlaubsansprüchen entsprechend zu differenzieren. Die vom Senat entwickelte richtlinienkonforme Fortbildung des § 7 Abs. 3 und Abs. 4 BUrlG betrifft nur die Mindesturlaubsansprüche(BAG 4. Mai 2010 - 9 AZR 183/09 - Rn. 18, EzA BUrlG § 7 Abgeltung Nr. 17). Trennen die Tarifvertragparteien zwischen gesetzlichem und tarifvertraglichem Urlaub, machen sie von ihrer freien, nicht durch § 13 Abs. 1 BUrlG beschränkten Regelungsmacht für den tariflichen Mehrurlaub Gebrauch. Es ist dann ausgeschlossen, ohne konkrete Anhaltspunkte die richtlinienkonforme Fortbildung von Vorschriften des BUrlG auch auf den tariflichen Mehrurlaub anzuwenden. Ein entsprechender zwischen beiden Urlaubsarten differenzierender Regelungswille der Tarifvertragsparteien lässt sich nicht schon daraus herleiten, dass ein Tarifvertrag sich vom gesetzlichen Urlaubsregime löst und stattdessen eigene Regeln aufstellt (so aber LAG Hamm 24. Februar 2011 - 16 Sa 727/10 - Rn. 49; LAG Düsseldorf 20. Januar 2011 - 11 Sa 1493/10 - Rn. 32, ZTR 2011, 377; LAG Rheinland-Pfalz 19. August 2010 - 10 Sa 244/10 - Rn. 31, ZTR 2011, 98). Denn ein solcher Tarifvertrag, der nicht zwischen beiden Urlaubsarten unterscheidet, löst sich insgesamt für gesetzlichen und tarifvertraglichen Urlaub vom Regime des BUrlG.

24

Die Tarifvertragsparteien haben im MTV Boden nicht zwischen gesetzlichem und tarifvertraglichem Urlaub unterschieden.

25

(1) Der Senat hat in ständiger Rechtsprechung die Auslegungsregel aufgestellt, für einen Regelungswillen, der zwischen gesetzlichen und übergesetzlichen tarifvertraglichen Ansprüchen unterscheide, müssten deutliche Anhaltspunkte bestehen. Trotz teilweiser Kritik in der Literatur und von Instanzgerichten hat der Senat auch für Tarifverträge hieran festgehalten (BAG 23. März 2010 - 9 AZR 128/09 - Rn. 35 ff. mwN, AP SGB IX § 125 Nr. 3 = EzA BUrlG § 7 Abgeltung Nr. 16).

26

(2) Solche Anhaltspunkte sind im MTV Boden nicht ersichtlich. Diese können sich nur daraus ergeben, dass der Tarifvertrag gesetzliche und tarifvertragliche Urlaubsansprüche unterschiedlich regelt. Das ist im MTV Boden nicht der Fall. Sämtliche Urlaubsregelungen differenzieren nicht zwischen gesetzlichem Urlaub und tarifvertraglichem Mehrurlaub.

27

bb) Haben die Tarifvertragsparteien einheitlich sowohl für den unionsrechtlich verbürgten Mindest- als auch für den übersteigenden Mehrurlaub von § 7 Abs. 3 BUrlG wesentlich abweichende Übertragungs- und Verfallsregeln vereinbart, so zeugt das ebenfalls für einen eigenständigen Regelungswillen. Danach soll der Arbeitnehmer das Risiko, den Urlaub nicht in Anspruch nehmen zu können, tragen. Dies schließt einen ergänzenden Rückgriff auf die - unionsrechtlich bedingt - reformierte Rechtsprechung des Senats, der zufolge der Urlaubsanspruch auch im Fall der krankheitsbedingten Unmöglichkeit einer Erfüllung erhalten bleibt, unabhängig davon aus, ob diese Rechtsprechung auf einer richtlinienkonformen Auslegung oder auf einer richtlinienkonformen Rechtsfortbildung beruht. Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, dass die eigenständige Sonderregelung für den unionsrechtlich verbürgten Mindesturlaub im Hinblick auf § 13 Abs. 1 Satz 1, § 1 BUrlG iVm. § 134 BGB unwirksam ist. Für den vom Mindesturlaub abtrennbaren Teil der einheitlich geregelten Gesamturlaubsdauer, den sog. Mehrurlaub, bleibt sie gemäß § 139 BGB wirksam.

28

Soweit die Instanzrechtsprechung einen eigenständigen, dem Gleichlauf von Mindest- und Mehrurlaub entgegenstehenden Regelungswillen bereits dann annimmt, wenn in einem Tarifvertrag von der Zwölftelungsregelung des § 5 BUrlG abgewichen wird(so ArbG München 11. Februar 2010 - 3 Ca 10454/09 -), kann dem nicht zugestimmt werden (zutreffend LAG München 29. Juli 2010 - 3 Sa 280/10 - Rn. 25 ff.). Entscheidend ist vielmehr, ob vom Fristenregime des BUrlG abgewichen oder zumindest durch die Differenzierung zwischen Mindest- und Mehrurlaub erkennbar gemacht wird, dass der Arbeitnehmer für den Mehrurlaub das Verfallsrisiko tragen soll.

29

Die Voraussetzungen einer solchen Abweichung sind im MTV Boden nicht erfüllt. Der MTV Boden regelt weder ein eigenständiges vom BUrlG abweichendes Fristenregime, noch lässt er erkennen, dass der Arbeitnehmer das Risiko der Inanspruchnahmemöglichkeit für den Mehrurlaub tragen soll.

30

(1) § 37 Abs. 1 MTV Boden wiederholt vorrangig die bereits im BUrlG bestimmte Befristung des Urlaubsanspruchs. Nach den Tarifregelungen muss der Urlaub - wie auch gemäß § 7 Abs. 3 Satz 1 BUrlG - im Urlaubsjahr gewährt und genommen werden. Denn § 32 Abs. 1 MTV Boden bestimmt, dass jeder Mitarbeiter in jedem vom 1. Januar bis 31. Dezember laufenden Urlaubsjahr Anspruch auf Erholungsurlaub hat. Im Zusammenhang mit § 37 Abs. 1 MTV Boden lässt sich hieraus herleiten, dass der Urlaub im Kalenderjahr gewährt und genommen werden muss. Diese Bindung an das Kalenderjahr wird durch § 37 Abs. 1 MTV Boden bestätigt(vgl. zum gleichlautenden § 17d MTV Cockpit BAG 11. April 2006 - 9 AZR 523/05 - Rn. 20, AP BUrlG § 7 Übertragung Nr. 28 = EzA BUrlG § 7 Nr. 116). Danach verfällt „nicht genommener Erholungsurlaub“ am 31. März des folgenden Jahres. Das zeigt, dass der Erholungsurlaub im Urlaubsjahr genommen werden soll und allenfalls auf die ersten drei Monate des folgenden Jahres übertragen wird. Dies wird durch die Überschrift dieser Tarifnorm „Verfallen und Übertragung des Urlaubsanspruchs“ verdeutlicht.

31

(2) Auch der in § 37 Abs. 1 MTV Boden angeordnete Verfall nicht genommenen Urlaubs am 31. März des folgenden Jahres entspricht dem Fristenregime des § 7 Abs. 3 Satz 3 BUrlG.

32

(3) Soweit die Tarifvertragsparteien für die Übertragung des Urlaubsanspruchs auf die ersten drei Monate des Folgejahres in Abweichung von § 7 Abs. 3 Satz 2 BUrlG auf betriebliche oder in der Person des Arbeitnehmers liegende rechtfertigende Gründe verzichtet haben, lässt dies nicht ausreichend ein eigenständiges abschließendes Fristenregime erkennen. Es wird lediglich, möglicherweise aus Praktikabilitätserwägungen, auf die ansonsten notwendige Prüfung der Übertragungsvoraussetzungen verzichtet. Eine solche Teilabweichung lässt nicht auf den Regelungswillen der Tarifvertragsparteien schließen, sich ansonsten vom Fristenregime des BUrlG lösen zu wollen, zumal sie hier den 31. März des Folgejahres aus der gesetzlichen Regelung des § 7 Abs. 3 Satz 3 BUrlG übernommen haben.

33

(4) Zwar ordnet § 37 Abs. 1 MTV Boden über den Wortlaut in § 7 BUrlG hinaus ausdrücklich den Verfall des Urlaubsanspruchs an. Auch hieraus lässt sich kein eigenständiger Regelungswille der Tarifvertragsparteien folgern. Sie haben lediglich die Rechtsprechung des Senats zu § 7 BUrlG deklaratorisch übernommen. Danach verfällt der gemäß § 7 Abs. 3 Satz 2 BUrlG auf das folgende Kalenderjahr übertragene und nicht bis zum 31. März des folgenden Jahres verwirklichte Urlaub mit Ablauf dieser Frist (so schon BAG 24. November 1987 - 8 AZR 140/87 - zu 2 der Gründe, BAGE 56, 340). Dasselbe gilt für die Regelung in § 37 Abs. 2 MTV Boden. Danach ist der vom Mitarbeiter erfolglos geltend gemachte Urlaub nachzugewähren. Dies entspricht der Rechtsprechung, nach der sich der Urlaubsanspruch gemäß § 280 Abs. 1, § 286 Abs. 1, § 287 Satz 2, § 249 Abs. 1 BGB in einen Schadensersatzanspruch umwandelt, der auf Gewährung von Ersatzurlaub als Naturalrestitution gerichtet ist, wenn der Arbeitgeber den rechtzeitig verlangten Urlaub nicht gewährt und der Urlaub aufgrund seiner Befristung verfällt(BAG 11. April 2006 - 9 AZR 523/05 - Rn. 24, AP BUrlG § 7 Übertragung Nr. 28 = EzA BUrlG § 7 Nr. 116). Ein vom BUrlG in Ausprägung der Rechtsprechung des Senats abweichender Regelungswille der Tarifvertragsparteien ergibt sich deshalb nicht.

34

(5) Die Revision verweist ohne Erfolg auf § 36 Abs. 4 Satz 1 MTV Boden. Danach wird der Urlaub anteilig um Zeiten der Arbeitsbefreiung ohne Fortzahlung der Vergütung gekürzt. Die Kürzung sollte nur stattfinden, „sofern gesetzlich nichts anderes bestimmt ist“. Die Beklagte beruft sich insoweit zu Unrecht auf die Entscheidung des Senats vom 24. März 2009 (- 9 AZR 983/07 - Rn. 85, BAGE 130, 119). Dort hat der Senat zwar die Formulierung in einer kirchlichen Arbeits- und Vergütungsordnung (KAVO) „soweit gesetzlich nicht anderes geregelt ist“ zum Anlass genommen, eine Unterscheidung zwischen gesetzlichen und übergesetzlichen Ansprüchen anzunehmen. Allerdings betraf diese Gesetzesvorbehaltsregelung ausschließlich den ausdrücklich in der KAVO auch in den Fristen abweichend vom BUrlG geregelten Verfall des Urlaubsanspruchs. Damit wird deutlich, dass die KAVO ein eigenes Fristen- und Verfallsregime bestimmte und lediglich sonstige, zwingende gesetzliche Regelungen des BUrlG weiter Bestand haben sollten. Ein solches eigenständiges Fristenregime sowie eine darauf bezogene Gesetzesvorbehaltsregelung enthält die Verfallsregelung des MTV Boden in seinem § 37 gerade nicht.

35

(6) Soweit § 36 Abs. 3 MTV Boden bestimmt, dass dem Arbeitnehmer insgesamt nicht mehr als 12/12 des tariflichen Urlaubs zustehen soll, wenn er zu einer anderen Gesellschaft im DLH-Konzern wechselt, kann dies im Einzelfall von § 5 Abs. 1 BUrlG abweichen. Entgegen der Auffassung der Revision schließt dies einen Rückgriff auf die Verfallsregelungen des § 7 BUrlG nicht aus. Dazu genügen Abweichungen bei der Berechnung des Urlaubsanspruchs nicht.

36

5. Der Anspruch verfiel jedoch gemäß § 37 Abs. 1 MTV Boden und nach § 7 Abs. 3 Satz 3 BUrlG spätestens zum 31. März 2009. Der wegen der mangelnden Möglichkeit der Inanspruchnahme infolge krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit über den Übertragungszeitraum des ersten Quartals des Folgejahres hinaus fortbestehende Urlaubsanspruch unterfällt, sobald die Arbeitsunfähigkeit als Erfüllungshindernis des Urlaubsanspruchs wegfällt, erneut dem gesetzlichen oder tarifvertraglichen Fristenregime.

37

a) Der im Vorjahr wegen Arbeitsunfähigkeit nicht erfüllbare Urlaubsanspruch wird nach § 7 Abs. 3 Satz 2 BUrlG bei einem in der Person des Arbeitnehmers liegenden Grund automatisch übertragen. Er tritt dem am 1. Januar des Folgejahres nach § 4 BUrlG entstehenden neuen Urlaubsanspruch mit der Maßgabe hinzu, dass er nach § 7 Abs. 3 Satz 3 BUrlG bis zum 31. März des Folgejahres gewährt und genommen werden muss (Gaul/Bonanni/Ludwig DB 2009, 1013; Düwell dbr 8/2009 S. 9). Ist ein Urlaubsanspruch ausnahmsweise bis zum Ende des Übertragungszeitraums wegen Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers nicht erfüllbar, kann zwar nach der - unionsrechtlich bedingt - reformierten Rechtsprechung des Senats der Verfall des Urlaubsanspruchs nicht eintreten. Sowohl für den übertragenen als auch für den neu entstandenen Urlaubsteilanspruch gelten dann aber die in § 7 Abs. 3 Satz 1 BUrlG bestimmte Bezugsdauer bis zum 31. Dezember als auch die in einer Art perpetuierendem System eingreifenden Übertragungsregeln aus § 7 Abs. 3 Satz 2 und Satz 3 BUrlG; denn an diesen Befristungen des Urlaubsanspruchs ist für den Regelfall der möglichen Inanspruchnahme festzuhalten (AnwK-ArbR/Düwell 2. Aufl. § 7 BUrlG Rn. 91; dem folgend: LAG München 30. November 2010 - 6 Sa 684/10 - Rn. 30). Das ergibt sich aus folgenden Erwägungen:

38

aa) § 7 Abs. 3 Satz 1 und Satz 2 BUrlG erfasst nicht nur den Urlaubsanspruch des laufenden Jahres(so aber Bauer/Arnold NJW 2009, 631). Nach dem Wortlaut des § 7 Abs. 3 Satz 1 BUrlG muss der Urlaub im laufenden Kalenderjahr gewährt und genommen werden. Die Vorschrift beschränkt ihren Regelungsbereich deshalb nicht auf den für das „laufende Jahr“ entstandenen Urlaub. Sie regelt vielmehr jeden bestehenden gesetzlichen Mindesturlaub. Auch der wegen Arbeitsunfähigkeit fortbestehende Urlaubsanspruch ist gesetzlicher Urlaub im Sinne des BUrlG. Dieser muss im laufenden Kalenderjahr (dem Jahr seines Bestehens) gewährt und genommen werden.

39

bb) Auch aus der Rechtsprechung des EuGH folgt nicht, dass § 7 Abs. 3 BUrlG auf wegen Arbeitsunfähigkeit nicht verfallene Urlaubsansprüche keine Anwendung finden darf(so fälschlich Picker ZTR 2009, 230). Der EuGH hat vielmehr ausdrücklich bestätigt, dass Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88/EG einer nationalen Regelung nicht entgegensteht, die den Verlust des Urlaubsanspruchs am Ende eines Bezugszeitraums oder eines Übertragungszeitraums bestimmt, wenn der Arbeitnehmer tatsächlich die Möglichkeit hatte, den Urlaub zu nehmen ( EuGH 20. Januar 2009 - C-350/06 und C-520/06  - [Schultz-Hoff] Rn. 42, Slg. 2009, I-179). Deshalb kann der Urlaub in den folgenden Urlaubsjahren verfallen, wenn der Arbeitnehmer ihn nicht rechtzeitig genommen hat und er nicht an der Urlaubsnahme wegen Arbeitsunfähigkeit gehindert war.

40

b) Der Kläger hätte seinen Resturlaubsanspruch aus 2007 nach Wiederherstellung seiner Arbeitsfähigkeit ab Mai 2008 nehmen können. Es war deshalb Verfall spätestens zum 31. März 2009 eingetreten. Die Beklagte befand sich jedoch seit August 2008 mit der Urlaubsgewährung in Verzug, da der Kläger zuvor spätestens mit der ihr am 10. August 2008 zugestellten Klage seine Urlaubsansprüche erfolglos geltend gemacht hatte. Das begründet einen entsprechenden Ersatzurlaubsanspruch des Klägers aus Verzug.

41

III. Die Beklagte hat für den verfallenen Urlaub Ersatz nach § 249 Abs. 1 BGB zu leisten, weil sie sich gemäß § 286 BGB im Schuldnerverzug befand, als der Anspruch auf den restlichen tariflichen Mehrurlaub unterging.

42

B. Die Beklagte hat die Kosten ihrer erfolglosen Revision nach § 97 Abs. 1 ZPO zu tragen.

        

    Düwell    

        

    Suckow    

        

    Krasshöfer    

        

        

        

    D. Wege    

        

    Leitner    

                 

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.

(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.

(3) (weggefallen)