Bundesarbeitsgericht Urteil, 27. Apr. 2016 - 5 AZR 229/15

ECLI:ECLI:DE:BAG:2016:270416.U.5AZR229.15.0
bei uns veröffentlicht am27.04.2016

Tenor

1. Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 24. Oktober 2014 - 6 Sa 955/14 - wird zurückgewiesen.

2. Die Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Höhe der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall.

2

Der Kläger ist bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerinnen seit 1977 als Mitarbeiter in der Vorfeldabfertigung beschäftigt. Er wird am Flughafen Berlin-Tegel eingesetzt und erhielt bis zum 31. August 2013 Vergütung nach dem von der GG B GmbH, einer der Rechtsvorgängerinnen der Beklagten, und der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) geschlossenen Vergütungstarifvertrag Nr. 10 vom 27. Januar 2004.

3

Am 25. Februar 2013 schlossen der Allgemeine Verband der Wirtschaft für Berlin und Brandenburg e. V. (AWB) und ver.di den Manteltarifvertrag für Bodenverkehrsdienstleistungen an Flughäfen in Berlin und Brandenburg (MTV BVD), der mit Wirkung vom 1. September 2013 für den Bereich der Länder Berlin und Brandenburg für allgemeinverbindlich erklärt wurde. Dort ist ua. geregelt:

        

„3. Abschnitt: Vergütung

        

§ 13

        

Allgemeines

        

Der Beschäftigte hat für die von ihm geleistete Arbeit Anspruch auf Vergütung.

        

(1)     

Die Vergütung besteht aus

                 

(a)     

dem Monatsgrundentgelt gemäß § 14,

                 

(b)     

etwaigem Überstundenzuschlag gemäß § 15 Abs. (3),

                 

(c)     

etwaigen Zuschlägen gemäß § 16,

                 

(d)     

etwaigen weiteren in einem VTV geregelten Entgeltbestandteilen,

                 

(e)     

etwaigen Zulagen.

        

…       

        
        

§ 14

        

Monatsgrundentgelt (Tabellenentgelt)

        

(1)     

Die Höhe des Monatsgrundentgelts bemisst sich nach dem jeweils gültigen Vergütungstarifvertrag.

        

…       

        
        

§ 16

        

Zuschläge für Feiertags-, Sonntags- sowie Nachtarbeit

        

(1)     

Für Feiertagsarbeit (§ 10 (1)), Sonntagsarbeit (§ 11) und für Nachtarbeit (§ 12 (1)) werden finanzielle Zuschläge je geleisteter Arbeitsstunde gewährt.

        

(2)     

Der Zuschlag auf das anteilige Tabellenentgelt beträgt für jede geleistete Arbeitsstunde: (…)

        

§ 17

        

Zahlung der Vergütung

        

(1)     

Das Monatsgrundentgelt und die Zulagen werden monatlich bargeldlos für den laufenden Monat bis zum 27. des Monats gezahlt; fällt der 27. auf einen Tag, der nicht Bankarbeitstag ist, hat er zum letzten vorherigen Bankarbeitstag zu erfolgen.

        

…       

        
        

5. Abschnitt: Arbeitsunfähigkeit, Sterbegeld

        

§ 22

        

Arbeitsunfähigkeit

        

…       

        
        

(6)     

Wird ein Beschäftigter durch Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit an seiner Arbeitsleistung verhindert, ohne dass ihn ein Verschulden trifft, so hat er Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall durch den Arbeitgeber für die Zeit der Arbeitsunfähigkeit bis zur Dauer von sechs Wochen.

        

…       

        
        

(8)     

Soweit nicht in der Anlage für Berlin-Brandenburg etwas anderes vereinbart wird, ist als Vergütung während der Zeit der Entgeltfortzahlung das anteilige Monatsgrundentgelt nach § 14 zuzüglich etwaiger gemittelter zu versteuernder Zuschläge nach § 16 zu zahlen. Bemessungszeitraum für die Durchschnittsberechnung sind jeweils die letzten drei vollen Kalendermonate vor Beginn der Krankheit.

        

…       

        
        

§ 35

        

Inkrafttreten und Vertragsdauer

        

Dieser Tarifvertrag tritt zum Zeitpunkt der Wirkung der Erteilung der Allgemeinverbindlicherklärung dieses Tarifvertrages samt Anlage für Berlin-Brandenburg sowie des Vergütungstarifvertrages für Bodenverkehrsdienstleistungen an Flughäfen in Berlin und Brandenburg vom 25. Februar 2013 für die Länder Berlin und Brandenburg in Kraft.“

4

Die „Anlage zum MTV für Berlin-Brandenburg“ lautet auszugsweise:

        

„Sonderregelung zu § 22 Abs. 8 MTV

        

Als Vergütung während der Zeit der Entgeltfortzahlung ist das anteilige Monatsgrundentgelt nach § 14 MTV zu zahlen.“

5

Am selben Tag schlossen der AWB und ver.di den - ebenfalls für allgemeinverbindlich erklärten - Vergütungstarifvertrag für Bodenverkehrsdienstleistungen an Flughäfen in Berlin und Brandenburg (VTV BVD), der eine Eingruppierung der Beschäftigten nach der überwiegend auszuübenden Tätigkeit in acht Entgeltgruppen vorsieht und Tabellenentgelte für die Jahre 2013 bis 2015 festlegt. Außerdem heißt es dort:

        

㤠6

        

Ablösung von Tarifverträgen

        

Namens und in Vollmacht der (…) A P S B GmbH & Co. KG, der A G S B GmbH & Co. KG, (…) heben die Parteien folgende Tarifverträge mit Inkrafttreten dieses Tarifvertrages auf:

        

• Vergütungstarifvertrag Nr. 10 vom 27. Januar 2004 zwischen der GG B GmbH (heute GG B GmbH & Co. KG) und ver.di nebst aller seiner Ergänzungen sowie aller etwaig in der Nachwirkung befindlicher Regelungen zur Vergütung,

        

…       

        

Mit Inkrafttreten dieses Tarifvertrages tritt dieser an die Stelle der oben genannten Tarifverträge und wirkt unmittelbar und zwingend. Das gilt auch für künftige Änderungen und/oder Ergänzungen dieses Vergütungstarifvertrages.

        

§ 7

        

Inkrafttreten und Vertragsdauer

        

Dieser Tarifvertrag tritt zum Zeitpunkt der Wirkung der Erteilung der Allgemeinverbindlicherklärung dieses Tarifvertrages samt Anlagen sowie des Manteltarifvertrages für Bodenverkehrsdienstleistungen an Flughäfen in Berlin und Brandenburg vom 25. Februar 2013 für die Länder Berlin und Brandenburg in Kraft.“

6

Ebenfalls am 25. Februar 2013 vereinbarten die Beklagte und ver.di einen Überleitungstarifvertrag (ÜTV), der auszugsweise lautet:

        

„Präambel

        

Am 25. Februar 2013 haben ver.di und der Arbeitgeberverband AWB den Vergütungstarifvertrag für Bodenverkehrsdienstleistungen an Flughäfen in Berlin und Brandenburg (nachfolgend: „VTV BVD“) abgeschlossen, der den momentan geltenden Vergütungstarifvertrag Nr. 10 vom 27. Januar 2004 zwischen der GG B GmbH (heute GG B GmbH & Co. KG) und ver.di („VTV GGB“) nebst aller seiner Ergänzungen sowie aller etwaig in der Nachwirkung befindlicher Vergütungsregelungen (…) ablöst. Im Hinblick darauf schließen die Parteien den folgenden Überleitungstarifvertrag, der den Mitarbeitern bestimmte Besitzstände sichern soll.

        

…       

                 
        

B. Besitzstandsregelungen

        

Ungeachtet der Regelungen in Punkt A vereinbaren die Parteien für Beschäftigte, die am 31. Dezember 2012 in einem unbefristeten Beschäftigungsverhältnis mit der A G S B GmbH & Co. KG stehen (nachfolgend Beschäftigte) nachfolgende Besitzstandsregelungen.

        

…       

        

Teil 2: Vorschriften zur Entgeltsicherung

        

I.    

        

(1)     

Beschäftigte erhalten eine Besitzstandszulage, wenn das Monatsgrundentgelt unmittelbar vor Inkrafttreten des VTV BVD höher ist als das Monatsgrundentgelt der jeweils gültigen Anlage 3 zum VTV BVD zzgl. der regelmäßigen Zulagen nach § 5 Abs. 2 - 4 VTV BVD zum Zeitpunkt des Inkrafttretens und zwar in Höhe der Differenz.

        

(2)     

Basis für die Berechnung der zu vergleichenden Entgelte ist bei Vollzeitkräften die jeweilige tarifvertragliche Arbeitszeit gemäß § 5 MTV GGB bzw. § 5 MTV BVD und bei Teilzeitkräften die individuell unbefristet vereinbarte Arbeitszeit. Für die Berechnung der Vergütung wird die am Tag vor Inkrafttreten unbefristet vertraglich vereinbarte Tätigkeit zugrunde gelegt.

        

(3)     

Die sich aus der Erhöhung der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit in § 5 MTV BVD ergebenden zusätzlichen Arbeitsstunden werden auf Basis des jeweils gültigen VTV BVD vergütet.

        

II.     

        

Abweichend von § 15 Abs. 3 MTV BVD sowie § 16 Abs. 2 MTV BVD wird für die Zuschlagsberechnung neben dem anteiligen Monatsgrundentgelt die anteilige Besitzstandszulage zugrunde gelegt.

        

…       

        

V.    

        

Tariflich vereinbarte und individuelle Erhöhungen des Monatsgrundentgelts (Anlage 3a/3b des VTV BVD) sowie der regelmäßigen Zulagen nach § 5 Abs. 2 - 4 VTV BVD gelten auch für Beschäftigte mit Besitzstandszulage, wobei von dieser Erhöhung 35 % auf die Besitzstandszulage angerechnet werden.“

7

Seit September 2013 erhält der Kläger ein Bruttomonatsgehalt von 2.639,80 Euro, das sich aus einem „Tarifgehalt“ von 1.582,31 Euro brutto und einer „Besitzstandszulage“ von 1.057,49 Euro brutto zusammensetzt.

8

Im vierten Quartal 2013 war der Kläger mehrfach arbeitsunfähig krank. Jeweils in den Folgemonaten rechnete die Beklagte die zunächst voll gezahlte Besitzstandszulage für die Zeiten der Arbeitsunfähigkeit zurück und brachte für Oktober bis Dezember 2013 insgesamt 1.440,60 Euro brutto in Abzug.

9

Der Kläger hat geltend gemacht, die Beklagte sei nicht berechtigt, die Besitzstandszulage für Zeiten, in denen er Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall habe, zu kürzen.

10

Der Kläger hat beantragt,

        

1.    

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 1.440,60 Euro brutto nebst Zinsen in gestaffelter Höhe zu zahlen;

        

2.    

festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, in die Berechnung der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall auch die Besitzstandszulage gemäß Überleitungstarifvertrag zum Vergütungstarifvertrag BVD einzubeziehen.

11

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und geltend gemacht, sie schulde die Besitzstandszulage für Zeiten der Arbeitsunfähigkeit nicht. § 22 Abs. 8 MTV BVD iVm. der Anlage zum MTV für Berlin-Brandenburg beschränke die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall für alle Arbeitnehmer auf das Monatsgrundentgelt nach § 14 MTV BVD.

12

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit der vom Bundesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihr Klageabweisungsbegehren weiter.

Entscheidungsgründe

13

Die Revision der Beklagten ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten gegen das der Klage stattgebende Urteil des Arbeitsgerichts im Ergebnis zu Recht zurückgewiesen. Die Klage ist sowohl im Zahlungs- als auch im Feststellungsantrag zulässig und begründet.

14

I. Die Klageanträge sind zulässig.

15

1. Der Zahlungsantrag ist hinreichend bestimmt iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Streitgegenständlich sind mit ihm - der Höhe nach unstreitige - Abzüge vom Entgelt, die die Beklagte im Streitzeitraum wegen Arbeitsunfähigkeit vorgenommen hat.

16

2. Der Feststellungsantrag ist in der gebotenen Auslegung, dass der Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall die von der Beklagten nach dem ÜTV gewährte Besitzstandszulage umfasst, als Zwischenfeststellungsklage iSd. § 256 Abs. 2 ZPO(vgl. dazu BAG 21. Oktober 2015 - 4 AZR 663/14 - Rn. 17) zulässig. Die zwischen den Parteien streitige Frage hat über den Leistungsantrag hinaus Bedeutung für künftige Zeiten der Arbeitsunfähigkeit des Klägers, der gerichtlich zu klärende Geldfaktor schafft Rechtssicherheit und Rechtsklarheit für mögliche Folgestreitigkeiten.

17

II. Der Anspruch des Klägers auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall umfasst die Besitzstandszulage nach B. Teil 2 I. (1) ÜTV. Die Beklagte war daher nicht berechtigt, diese zu kürzen.

18

1. Allerdings schuldet die Beklagte die Besitzstandszulage nicht bereits nach § 22 Abs. 8 MTV BVD iVm. der Anlage zum MTV für Berlin-Brandenburg.

19

a) Der MTV BVD ist ein Verbandstarifvertrag, dessen Rechtsnormen jedenfalls kraft Allgemeinverbindlicherklärung das Arbeitsverhältnis der Parteien mit unmittelbarer und zwingender Wirkung erfassen, § 5 Abs. 4 Satz 1 TVG. Aufbauend auf die Bestandteile der tariflichen Vergütung (§ 13 (1) MTV BVD) übernimmt § 22 Abs. 8 MTV BVD für das Monatsgrundentgelt das Lohnausfallprinzip, während die in § 16 MTV BVD vorgesehenen Zuschläge für Feiertags-, Sonntags- sowie Nachtarbeit im Krankheitsfall nach einem Referenzprinzip fortgezahlt werden sollen, aber nach der Anlage zum MTV für Berlin-Brandenburg gänzlich entfallen. Diese Abweichung von § 4 Abs. 1 EFZG ist von der Öffnungsklausel des § 4 Abs. 4 Satz 1 EFZG gedeckt. Denn tariflich gewährte Zuschläge dürfen die Tarifvertragsparteien aus der Entgeltfortzahlung herausnehmen und den Geldfaktor auf die Grundvergütung reduzieren (vgl. BAG 10. Dezember 2013 - 9 AZR 279/12 - Rn. 27; 24. März 2004 - 5 AZR 346/03 - zu II 3 a aa der Gründe mwN, BAGE 110, 90). Doch streiten die Parteien über die Fortzahlung von im MTV BVD oder VTV BVD vorgesehenen Zuschlägen nicht.

20

b) Der Wortlaut des § 22 Abs. 8 MTV BVD und der der Anlage zum MTV für Berlin-Brandenburg („Monatsgrundentgelt nach § 14 MTV“) verbietet eine Auslegung, die vom ÜTV - einem Firmentarifvertrag - vorgesehene Besitzstandszulage sei Teil des nach dem Verbandstarifvertrag im Krankheitsfall fortzuzahlenden Entgelts. Zudem ist die Besitzstandszulage ein - im Verhältnis zum MTV BVD - zusätzlicher Entgeltbestandteil, den die Beklagte aufgrund des zwischen ihr und ver.di geschlossenen Firmentarifvertrags zu dem Zweck zahlt, „bestimmte Besitzstände“ zu sichern (Präambel ÜTV). Die Beschäftigten sollen nach Inkrafttreten der allgemeinverbindlichen Verbandstarifverträge kein geringeres Entgelt erhalten als dasjenige, das sie aufgrund der vorherigen Rechtsgrundlage bezogen haben.

21

2. Der Anspruch des Klägers auf die ungekürzte Besitzstandszulage ergibt sich aus § 3 Abs. 1 EFZG iVm. § 4 Abs. 1 EFZG.

22

a) Besteht ein Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall (§ 3 Abs. 1 EFZG), ist dem Arbeitnehmer nach § 4 Abs. 1 EFZG das ihm bei der für ihn maßgebenden regelmäßigen Arbeitszeit zustehende Arbeitsentgelt fortzuzahlen. Das in dieser Norm verankerte modifizierte Entgeltausfallprinzip erhält dem Arbeitnehmer grundsätzlich die volle Vergütung (st. Rspr., zB BAG 20. Januar 2010 - 5 AZR 53/09 - Rn. 11, BAGE 133, 101; und ganz herrschende Meinung im Schrifttum, vgl. nur ErfK/Reinhard 16. Aufl. § 4 EFZG Rn. 11; HWK/Schliemann 7. Aufl. § 4 EFZG Rn. 3; Schaub/Linck ArbR-HdB 16. Aufl. § 98 Rn. 71; Schmitt EFZG 7. Aufl. § 4 Rn. 27 ff., jeweils mwN).

23

Im Sinne von § 4 Abs. 1 EFZG „zustehendes Arbeitsentgelt“ ist das (Brutto-)Arbeitsentgelt, das der Arbeitnehmer bei der für ihn maßgebenden Arbeitszeit unter Beachtung des § 4 Abs. 1a EFZG ohne Arbeitsunfähigkeit erhalten hätte. Dazu zählt auch die Besitzstandszulage nach dem ÜTV. Es steht zwischen den Parteien außer Streit, dass die Beklagte - unabhängig von einer beiderseitigen Tarifgebundenheit - die Besitzstandszulage ungekürzt gezahlt hätte, wäre der Kläger nicht arbeitsunfähig krank gewesen.

24

b) Durch Tarifvertrag kann gemäß § 4 Abs. 4 Satz 1 EFZG eine von den Absätzen 1, 1a und 3 abweichende Bemessungsgrundlage des fortzuzahlenden Arbeitsentgelts festgelegt werden. Dazu gehören sowohl die Berechnungsmethode (Ausfall- oder Referenzprinzip) als auch die Berechnungsgrundlage. Die Berechnungsgrundlage setzt sich aus Geld- und Zeitfaktor zusammen. Sie betrifft Umfang und Bestandteile des der Entgeltfortzahlung zugrunde zu legenden Arbeitsentgelts sowie die Arbeitszeit des Arbeitnehmers (st. Rspr., zB BAG 16. Juli 2014 - 10 AZR 242/13 - Rn. 17 mwN).

25

Dabei sind Abweichungen auch zu Lasten des Arbeitnehmers zulässig. Bei der Gestaltung der Bemessungsgrundlage müssen die Tarifvertragsparteien aber darauf achten, dass sie weder unmittelbar noch mittelbar gegen die anderen, nach § 12 EFZG zwingenden und nicht tarifdispositiven Bestimmungen des Entgeltfortzahlungsgesetzes verstoßen. Die Gestaltungsmacht der Tarifvertragsparteien findet dort ihre Grenze, wo der Anspruch auf Entgeltfortzahlung in seiner Substanz angetastet wird (BAG 20. August 2014 - 10 AZR 583/13 - Rn. 23 mwN; ebenso die hM im Schrifttum, vgl. nur ErfK/Reinhard 16. Aufl. § 4 EFZG Rn. 23; HWK/Schliemann 7. Aufl. § 4 EFZG Rn. 47; Treber EFZG 2. Aufl. § 4 Rn. 71; Schmitt EFZG 7. Aufl. § 4 Rn. 196, jeweils mwN). Dabei sind die Tarifvertragsparteien insbesondere an den Grundsatz der vollen Entgeltfortzahlung (100 %) im Krankheitsfall gebunden (BAG 24. März 2004 - 5 AZR 346/03 - zu II 3 b der Gründe, BAGE 110, 90; 16. Juli 2014 - 10 AZR 242/13 - Rn. 18).

26

c) An einer die Fortzahlung der Besitzstandszulage ausschließenden abweichenden Bemessungsgrundlage fehlt es.

27

aa) § 22 Abs. 8 MTV BVD iVm. der Anlage zum MTV für Berlin-Brandenburg erfasst nicht über die verbandstarifliche Vergütung hinausgehende über- oder außertarifliche Entgeltbestandteile.

28

(1) Die Tarifnorm enthält zwar eine abweichende Bemessungsgrundlage iSd. § 4 Abs. 4 Satz 1 EFZG. Der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall unterliegt nur das Monatsgrundentgelt nach § 14 MTV BVD. Dessen Höhe ergibt sich aus der Eingruppierung des Beschäftigten in die Entgeltgruppen des VTV BVD iVm. den jeweiligen Tabellenentgelten, §§ 2, 3 Abs. 1 VTV BVD.

29

Die Regelung erfasst aber nur die tarifliche Vergütung. Die Formulierung „als Vergütung während der Zeit der Entgeltfortzahlung“ nimmt Bezug auf § 13 MTV BVD, der die Vergütungsbestandteile, die der Beschäftigte für die von ihm geleistete Arbeit soll beanspruchen können, aufzählt, wobei in den nachfolgenden Tarifnormen die einzelnen Vergütungsbestandteile näher bestimmt werden. Damit ist klar geregelt, welche Bestandteile der tariflichen Vergütung im Krankheitsfalle der Entgeltfortzahlung unterliegen und welche nicht.

30

Dagegen ist die streitgegenständliche, durch einen Firmentarifvertrag (nur) für bestimmte Beschäftigte der Beklagten geschaffene Besitzstandszulage weder im MTV BVD noch im VTV BVD erwähnt.

31

(2) Selbst wenn die Parteien des MTV BVD - wie die Beklagte vorbringt - den Willen (zu den Regeln der Tarifauslegung BAG 24. Februar 2016 - 5 AZR 225/15 - Rn. 15, st. Rspr.) gehabt hätten, bei der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall die Fortzahlung der - nicht im Verbandstarifvertrag geregelten - Besitzstandszulage auszuschließen, könnte ein solcher Wille nicht berücksichtigt werden, weil er in den Normen der von AWB und ver.di geschlossenen Tarifverträge keinen hinreichend klaren Niederschlag gefunden hat.

32

(3) Zudem fehlte es den Parteien des Verbandstarifvertrags an der erforderlichen Tarifmacht zur Regelung des Schicksals zusätzlicher (über- oder außertariflicher) Entgeltbestandteile bei Erkrankung des Arbeitnehmers.

33

Gegenstand kollektiver Regelung durch tarifliche Inhaltsnormen ist die Festsetzung allgemeiner und gleicher Mindestarbeitsbedingungen. Die Möglichkeit, demgegenüber arbeitsvertraglich günstigere Arbeitsbedingungen zu vereinbaren, kann ein Tarifvertrag nicht einschränken, § 4 Abs. 3 TVG(vgl. zum Günstigkeitsprinzip: ErfK/Franzen 16. Aufl. § 4 TVG Rn. 31 ff.; Jacobs in Jacobs/Krause/0etker/Schubert Tarifvertragsrecht 2. Aufl. § 7 Rn. 16 ff.; Schaub/Treber ArbR-HdB 16. Aufl. § 207 Rn. 19 ff., jeweils mwN). Über- oder außertarifliche Vergütung im Krankheitsfall über § 4 Abs. 4 Satz 1 EFZG abzusenken, scheidet damit aus(vgl. Stumpf in Kittner/Zwanziger/Deinert Arbeitsrecht 8. Aufl. § 39 Rn. 195).

34

Ebenso wenig können die Tarifvertragsparteien dem Arbeitgeber Vorgaben für den außertariflichen Bereich machen (BAG 23. März 2011 - 4 AZR 366/09 - Rn. 38 ff., BAGE 137, 231), dieser ist nicht „tarifierbar“ (BAG 26. August 2009 - 4 AZR 294/08 - Rn. 49). Schließt der - tarifgebundene - Arbeitgeber zusätzlich zu einem seinen Betrieb erfassenden Verbandstarifvertrag einen Firmentarifvertrag, ist es allein dessen Sache, „zusätzliche“ Leistungen inhaltlich zu regeln. Sieht ein Firmentarifvertrag einen im Verhältnis zum Verbandstarifvertrag „außertariflichen“, weil zusätzlichen Entgeltbestandteil vor, bemisst sich dessen Fortzahlung im Krankheitsfall nach § 4 Abs. 1 EFZG. Soll davon abgewichen werden, bedarf dies einer klaren Regelung im Firmentarifvertrag.

35

bb) Eine solche enthält der ÜTV nicht.

36

Nach B. Teil 2 I. (1) ÜTV erhalten Beschäftigte, die am 31. Dezember 2012 in einem unbefristeten Beschäftigungsverhältnis mit der Beklagten standen, eine Besitzstandszulage in Höhe der Differenz zwischen ihrem Monatsgrundentgelt unmittelbar vor Inkrafttreten des VTV BVD und dem jeweiligen tariflichen Monatsgrundgehalt nach dem VTV BVD. Damit sollte - unstreitig - ein Absinken der bis dahin von der Beklagten gezahlten Entgelte durch die in den erstmals vereinbarten und für allgemeinverbindlich erklärten Verbandstarifverträgen enthaltene neue Vergütungsstruktur vermieden werden.

37

Eine ausdrückliche Regelung, die Besitzstandszulage solle nur für tatsächliche Arbeit geleistet werden oder nicht in die Bemessung der Entgeltfortzahlung einfließen, fehlt. Auch B. Teil 2 II. ÜTV, der bestimmt, dass bei der Berechnung der Zuschläge für Überstunden, Feiertags-, Sonntags- und Nachtarbeit neben dem anteiligen Monatsgehalt die anteilige Besitzstandszulage zugrunde gelegt wird, lässt keinen sicheren (Umkehr-)Schluss zu. Denn ohne eine solche Regelung wären die genannten tariflichen Zuschläge nach § 15 Abs. 3 und § 16 Abs. 2 MTV BVD nur nach dem Tariflohn berechnet worden, während die Besitzstandszulage als - im Verhältnis zum MTV BVD - außertarifliche Leistung ohne abweichende Regelung als Bestandteil des Arbeitsentgelts bei der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall zu berücksichtigen ist.

38

Fehlt es im ÜTV für die Besitzstandszulage an einer klaren Regelung einer iSd. § 4 Abs. 4 Satz 1 EFZG abweichenden Bemessungsgrundlage, so bleibt es insoweit beim Grundsatz des § 4 Abs. 1 EFZG(vgl. BAG 20. Januar 2010 - 5 AZR 53/09 - Rn. 12, BAGE 133, 101). Sollten - wie die Beklagte vorbringt, der Kläger bestreitet - die Parteien des ÜTV tatsächlich den übereinstimmenden Willen gehabt haben, die Besitzstandszulage aus der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfalle auszunehmen, hätte dies in den Normen des ÜTV klar und deutlich zum Ausdruck gebracht werden müssen.

39

3. Die Höhe der jeweiligen Kürzung der Besitzstandszulage wegen Arbeitsunfähigkeit ist unstreitig und vom Landesarbeitsgericht ohne Angriffe der Revision festgestellt. In ihrer Summe ergeben sie den von den Vorinstanzen zugesprochenen Betrag.

40

4. Der Zinsanspruch folgt aus § 288 Abs. 1 iVm. § 286 Abs. 2 Nr. 2 BGB. Die Vergütung ist nach § 17 Abs. 1 MTV BVD spätestens am 27. des Monats fällig. Die Beklagte befand sich deshalb ab den von den Vorinstanzen zugesprochenen Zeitpunkten mit der zu Unrecht gekürzten laufenden Vergütung im Verzug.

41

III. Die Beklagte hat nach § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten der Revision zu tragen.

        

    Müller-Glöge    

        

    Biebl    

        

    Weber    

        

        

        

    Busch    

        

    Mandrossa    

                 

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1.
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(3) Die Klageschrift soll ferner enthalten:

1.
die Angabe, ob der Klageerhebung der Versuch einer Mediation oder eines anderen Verfahrens der außergerichtlichen Konfliktbeilegung vorausgegangen ist, sowie eine Äußerung dazu, ob einem solchen Verfahren Gründe entgegenstehen;
2.
die Angabe des Wertes des Streitgegenstandes, wenn hiervon die Zuständigkeit des Gerichts abhängt und der Streitgegenstand nicht in einer bestimmten Geldsumme besteht;
3.
eine Äußerung dazu, ob einer Entscheidung der Sache durch den Einzelrichter Gründe entgegenstehen.

(4) Außerdem sind die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze auch auf die Klageschrift anzuwenden.

(5) Die Klageschrift sowie sonstige Anträge und Erklärungen einer Partei, die zugestellt werden sollen, sind bei dem Gericht schriftlich unter Beifügung der für ihre Zustellung oder Mitteilung erforderlichen Zahl von Abschriften einzureichen. Einer Beifügung von Abschriften bedarf es nicht, soweit die Klageschrift elektronisch eingereicht wird.

(1) Auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses, auf Anerkennung einer Urkunde oder auf Feststellung ihrer Unechtheit kann Klage erhoben werden, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse daran hat, dass das Rechtsverhältnis oder die Echtheit oder Unechtheit der Urkunde durch richterliche Entscheidung alsbald festgestellt werde.

(2) Bis zum Schluss derjenigen mündlichen Verhandlung, auf die das Urteil ergeht, kann der Kläger durch Erweiterung des Klageantrags, der Beklagte durch Erhebung einer Widerklage beantragen, dass ein im Laufe des Prozesses streitig gewordenes Rechtsverhältnis, von dessen Bestehen oder Nichtbestehen die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil abhängt, durch richterliche Entscheidung festgestellt werde.

(1) Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales kann einen Tarifvertrag im Einvernehmen mit einem aus je drei Vertretern der Spitzenorganisationen der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer bestehenden Ausschuss (Tarifausschuss) auf gemeinsamen Antrag der Tarifvertragsparteien für allgemeinverbindlich erklären, wenn die Allgemeinverbindlicherklärung im öffentlichen Interesse geboten erscheint. Die Allgemeinverbindlicherklärung erscheint in der Regel im öffentlichen Interesse geboten, wenn

1.
der Tarifvertrag in seinem Geltungsbereich für die Gestaltung der Arbeitsbedingungen überwiegende Bedeutung erlangt hat oder
2.
die Absicherung der Wirksamkeit der tarifvertraglichen Normsetzung gegen die Folgen wirtschaftlicher Fehlentwicklung eine Allgemeinverbindlicherklärung verlangt.

(1a) Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales kann einen Tarifvertrag über eine gemeinsame Einrichtung zur Sicherung ihrer Funktionsfähigkeit im Einvernehmen mit dem Tarifausschuss auf gemeinsamen Antrag der Tarifvertragsparteien für allgemeinverbindlich erklären, wenn der Tarifvertrag die Einziehung von Beiträgen und die Gewährung von Leistungen durch eine gemeinsame Einrichtung mit folgenden Gegenständen regelt:

1.
den Erholungsurlaub, ein Urlaubsgeld oder ein zusätzliches Urlaubsgeld,
2.
eine betriebliche Altersversorgung im Sinne des Betriebsrentengesetzes,
3.
die Vergütung der Auszubildenden oder die Ausbildung in überbetrieblichen Bildungsstätten,
4.
eine zusätzliche betriebliche oder überbetriebliche Vermögensbildung der Arbeitnehmer,
5.
Lohnausgleich bei Arbeitszeitausfall, Arbeitszeitverkürzung oder Arbeitszeitverlängerung.
Der Tarifvertrag kann alle mit dem Beitragseinzug und der Leistungsgewährung in Zusammenhang stehenden Rechte und Pflichten einschließlich der dem Verfahren zugrunde liegenden Ansprüche der Arbeitnehmer und Pflichten der Arbeitgeber regeln. § 7 Absatz 2 des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes findet entsprechende Anwendung.

(2) Vor der Entscheidung über den Antrag ist Arbeitgebern und Arbeitnehmern, die von der Allgemeinverbindlicherklärung betroffen werden würden, den am Ausgang des Verfahrens interessierten Gewerkschaften und Vereinigungen der Arbeitgeber sowie den obersten Arbeitsbehörden der Länder, auf deren Bereich sich der Tarifvertrag erstreckt, Gelegenheit zur schriftlichen Stellungnahme sowie zur Äußerung in einer mündlichen und öffentlichen Verhandlung zu geben. In begründeten Fällen kann das Bundesministerium für Arbeit und Soziales eine Teilnahme an der Verhandlung mittels Video- oder Telefonkonferenz vorsehen.

(3) Erhebt die oberste Arbeitsbehörde eines beteiligten Landes Einspruch gegen die beantragte Allgemeinverbindlicherklärung, so kann das Bundesministerium für Arbeit und Soziales dem Antrag nur mit Zustimmung der Bundesregierung stattgeben.

(4) Mit der Allgemeinverbindlicherklärung erfassen die Rechtsnormen des Tarifvertrags in seinem Geltungsbereich auch die bisher nicht tarifgebundenen Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Ein nach Absatz 1a für allgemeinverbindlich erklärter Tarifvertrag ist vom Arbeitgeber auch dann einzuhalten, wenn er nach § 3 an einen anderen Tarifvertrag gebunden ist.

(5) Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales kann die Allgemeinverbindlicherklärung eines Tarifvertrags im Einvernehmen mit dem in Absatz 1 genannten Ausschuß aufheben, wenn die Aufhebung im öffentlichen Interesse geboten erscheint. Die Absätze 2 und 3 gelten entsprechend. Im übrigen endet die Allgemeinverbindlichkeit eines Tarifvertrags mit dessen Ablauf.

(6) Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales kann der obersten Arbeitsbehörde eines Landes für einzelne Fälle das Recht zur Allgemeinverbindlicherklärung sowie zur Aufhebung der Allgemeinverbindlichkeit übertragen.

(7) Die Allgemeinverbindlicherklärung und die Aufhebung der Allgemeinverbindlichkeit bedürfen der öffentlichen Bekanntmachung. Die Bekanntmachung umfasst auch die von der Allgemeinverbindlicherklärung erfassten Rechtsnormen des Tarifvertrages.

(1) Die Rechtsnormen des Tarifvertrags, die den Inhalt, den Abschluß oder die Beendigung von Arbeitsverhältnissen ordnen, gelten unmittelbar und zwingend zwischen den beiderseits Tarifgebundenen, die unter den Geltungsbereich des Tarifvertrags fallen. Diese Vorschrift gilt entsprechend für Rechtsnormen des Tarifvertrags über betriebliche und betriebsverfassungsrechtliche Fragen.

(2) Sind im Tarifvertrag gemeinsame Einrichtungen der Tarifvertragsparteien vorgesehen und geregelt (Lohnausgleichskassen, Urlaubskassen usw.), so gelten diese Regelungen auch unmittelbar und zwingend für die Satzung dieser Einrichtung und das Verhältnis der Einrichtung zu den tarifgebundenen Arbeitgebern und Arbeitnehmern.

(3) Abweichende Abmachungen sind nur zulässig, soweit sie durch den Tarifvertrag gestattet sind oder eine Änderung der Regelungen zugunsten des Arbeitnehmers enthalten.

(4) Ein Verzicht auf entstandene tarifliche Rechte ist nur in einem von den Tarifvertragsparteien gebilligten Vergleich zulässig. Die Verwirkung von tariflichen Rechten ist ausgeschlossen. Ausschlußfristen für die Geltendmachung tariflicher Rechte können nur im Tarifvertrag vereinbart werden.

(5) Nach Ablauf des Tarifvertrags gelten seine Rechtsnormen weiter, bis sie durch eine andere Abmachung ersetzt werden.

*

(1) Leistet der Schuldner auf eine Mahnung des Gläubigers nicht, die nach dem Eintritt der Fälligkeit erfolgt, so kommt er durch die Mahnung in Verzug. Der Mahnung stehen die Erhebung der Klage auf die Leistung sowie die Zustellung eines Mahnbescheids im Mahnverfahren gleich.

(2) Der Mahnung bedarf es nicht, wenn

1.
für die Leistung eine Zeit nach dem Kalender bestimmt ist,
2.
der Leistung ein Ereignis vorauszugehen hat und eine angemessene Zeit für die Leistung in der Weise bestimmt ist, dass sie sich von dem Ereignis an nach dem Kalender berechnen lässt,
3.
der Schuldner die Leistung ernsthaft und endgültig verweigert,
4.
aus besonderen Gründen unter Abwägung der beiderseitigen Interessen der sofortige Eintritt des Verzugs gerechtfertigt ist.

(3) Der Schuldner einer Entgeltforderung kommt spätestens in Verzug, wenn er nicht innerhalb von 30 Tagen nach Fälligkeit und Zugang einer Rechnung oder gleichwertigen Zahlungsaufstellung leistet; dies gilt gegenüber einem Schuldner, der Verbraucher ist, nur, wenn auf diese Folgen in der Rechnung oder Zahlungsaufstellung besonders hingewiesen worden ist. Wenn der Zeitpunkt des Zugangs der Rechnung oder Zahlungsaufstellung unsicher ist, kommt der Schuldner, der nicht Verbraucher ist, spätestens 30 Tage nach Fälligkeit und Empfang der Gegenleistung in Verzug.

(4) Der Schuldner kommt nicht in Verzug, solange die Leistung infolge eines Umstands unterbleibt, den er nicht zu vertreten hat.

(5) Für eine von den Absätzen 1 bis 3 abweichende Vereinbarung über den Eintritt des Verzugs gilt § 271a Absatz 1 bis 5 entsprechend.

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.

(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.

(3) (weggefallen)